L 2 AS 1072/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 4820/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 AS 1072/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 52/23 C
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt die Bescheidung seiner mit Schreiben vom 11.12.2014 gestellten Anträge sowie die Bescheidung eines Antrags auf Übernahme der Kosten für ein zuvor vor dem Sozialgericht Düsseldorf und dem Landessozialgericht geführtes gerichtliches Verfahren.

 

Der Kläger bezieht von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er führt gegen den Beklagten eine Vielzahl von Verfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Mit einer am 05.04.2017 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Untätigkeitsklage (Az.: S 46 AS 1325/17) hat der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, über seine mit Schreiben vom 11.12.2014 (Eingang beim Beklagten am 12.12.2014) gestellten Anträge zu entscheiden. Er hatte mit diesem Schreiben insgesamt 17 verschiedene Anträge gestellt. Das Sozialgericht hat die Untätigkeitsklage mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2018 abgewiesen. Eine Untätigkeit des Beklagten liege nicht vor, weil dieser über die vom Kläger gestellten Anträge bereits größtenteils entschieden habe. Sofern eine Bescheidung der Anträge nicht erfolgt sei, komme die Erteilung eines Verwaltungsaktes nicht in Betracht. Dies gelte insbesondere für das beantragte Sozialticket der Preisstufe A, das durch den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ausgegeben werde. In dem hiergegen geführten Berufungsverfahren (Az.: L 12 AS 1284/18) hat sich der Beklagte im Verhandlungstermin am 12.12.2018 dazu verpflichtet, den Antrag vom 12.12.2014 zu bescheiden und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen. Der Kläger hat dieses Anerkenntnis angenommen und geltend gemacht, dass ihm außergerichtliche Kosten in Höhe von 8,10 Euro entstanden seien. Der Beklagte habe diese Kosten zu erstattten und ihn auch diesbezüglich zu „bescheiden“. Auf die Verhandlungsniederschrift vom 12.12.2018 wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

 

Am 20.12.2019 hat der Kläger erneut eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben und zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das abgegebene Anerkenntnis umzusetzen und ihm hinsichtlich der Übernahme der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 8,10 Euro einen Bescheid zu erteilen. Mit weiterem Schriftsatz vom 11.05.2020 hat der Kläger dann erklärt, dass sich wegen der nunmehr im Zusammenhang mit der Klageerhebung entstandenen weiteren Fahrtkosten zur Rechtsantragsstelle der zu erstattende Betrag auf insgesamt 14,05 Euro erhöhe. Wenn dieser Betrag überwiesen werde, könne das Verfahren für erledigt erklärt werden. Nachfolgend hat der Kläger dann mitgeteilt, dass er das Verfahren noch nicht für erledigt erklären könne, weil die zugesagte Bescheidung seiner Anträge noch nicht erfolgt und das vorgeschriebene Vorverfahren deshalb nicht durchgeführt worden sei (Schriftsatz vom 16.08.2021).

 

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.07.2020 mitgeteilt, dass er die Kosten in beantragter Höhe überwiesen habe, und im Übrigen mit Schriftsatz vom 15.10.2021 auf einen bereits am 28.04.2015 erteilten Überprüfungsbescheid zum Antrag vom 12.12.2014 verwiesen.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2022 abgewiesen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag sei nicht ersichtlich, weil der Beklagte bereits am 28.04.2015 über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 12.12.2014 entschieden habe und die Auszahlung der beantragten außergerichtlichen Kosten erfolgt sei.

 

Gegen den ihm am 28.06.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.07.2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, dass seine Anträge („plural“) mit Schreiben vom 11.12.2022 weiterhin nicht beschieden worden seien. Es fehle diesbezüglich ein Nachweis durch den Beklagten, der insbesondere nicht konkretisiert habe, welche Anträge er beschieden und welche er nicht beschieden habe.

 

Der ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 21.12.2022 ordnungsgemäß geladene Kläger ist nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.01.2023 erschienen. Er hat mit Schreiben vom 11.01.2023 mitgeteilt, dass es ihm nicht möglich sei, zum Termin zu erscheinen, weil der Senat sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet habe und ihm seine Reisekosten deshalb nicht erstattet werden würden. Er könne diese Kosten nicht selbst finanzieren. Dies verletze seine verfassungsmäßigen Rechte („Gleichheitsgrundsatz, dokumentierte Unverhältnismäßigkeit, Voreingenommenheit bzw. Parteilichkeit, Nötigung durch das Landessozialgericht, Gehörsverletzung und Verletzung der Menschenwürde“). Er beantrage die Erstattung der angemessenen Heizkosten und die Erstattung für die notwendige Inbetriebnahme seines Elektro-Radiators.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts

Düsseldorf vom 09.06.2022 zurückzuweisen.

 

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

 

Der Senat hat den Kläger mit Richterbrief vom 28.12.2022 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Sofern der Senat die Berufung des Klägers dahingehend auslege, dass es dem Kläger lediglich um eine „Bescheidung“ hinsichtlich des Antrags auf Kostenerstattung gehe, sei die Berufung bereits unzulässig, weil der Wert dieses Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteige. Sofern der Kläger mit seiner Untätigkeitsklage erneut die Bescheidung seiner mit Schreiben vom 11.12.2014 (Eingang 12.12.2014) gestellten Anträge begehre, sei die Berufung nicht unzulässig, weil dieses Schreiben eine Vielzahl von Anträgen umfasse, die keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt beträfen. Es stelle sich dann allerdings die Frage, ob der Kläger diesbezüglich eine erneute Untätigkeitsklage geltend machen könne, weil er bereits mit seiner am 05.04.2017 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Untätigkeitsklage eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten begehrt und sich der Beklagte in dem entsprechenden Berufungsverfahren (Az.: L 12 AS 1284/18) im Verhandlungstermin am 12.12.2018 dazu verpflichtet habe, den Antrag vom 12.12.2014 zu bescheiden und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen. Der Kläger habe dieses Anerkenntnis angenommen. Ein erneutes Verfahren über denselben Streitgegenstand sei unzulässig. Das angenommene Anerkenntnis stelle insoweit einen Titel dar, aus dem auch vollstreckt werden könne. Soweit der Kläger die Bescheidung seines Kostenantrags begehre, werde darauf hingewiesen, dass eine solche Bescheidung in dem Schriftsatz vom 02.07.2020 zu sehen sein dürfte und ein Rechtsschutzbedürfnis im Übrigen auch nicht ersichtlich sei, weil der Beklagte die begehrten Kosten in vollem Umfang erstattet habe. 

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, den Inhalt der Gerichtsakte S 46 AS 1325/17 bzw. L 12 AS 1284/18 sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Die Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers entscheiden, weil der Kläger von dem Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß mit entsprechendem Hinweis benachrichtigt worden ist (§§ 110, 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Der Entscheidung des Senats steht auch die Erklärung des Klägers, es liege eine „Voreingenommenheit bzw. Parteilichkeit“ vor, nicht entgegen. Aus Sicht des Senats ist diese Erklärung nicht bereits als Befangenheitsantrag im Sinn des § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 44 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), sondern als allgemeine Unmutsäußerung anzusehen. Voraussetzung eines Befangenheitsantrags ist grundsätzlich, dass sich das Gesuch individualisierbar auf einzelne Richter bezieht. Bereits daran fehlt es hier. Unabhängig davon hat der Kläger mit seiner Äußerung auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass er die Mitwirkung des Senats insgesamt abgelehnt.

 

Der Senat legt das Begehren des Klägers unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu nur Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 31.10.2007 ‑‑ B 14/11b AS 5/07 R, Rn. 15 bei juris) dahingehend aus, dass der Kläger nicht die Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag auf Kostenerstattung beantragt, da die Berufung in diesem Fall bereits als unzulässig zu verwerfen wäre, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes dann bei maximal 14,05 Euro liegen würde und damit 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Senat geht auch nicht davon aus, dass der Schriftsatz des Klägers vom 11.01.2023 dahingehend zu verstehen ist, dass er in diesem Verfahren nunmehr die Gewährung angemessener Heizkosten bzw. angemessener Kosten für die Inbetriebnahme eines Elektroradiators beantragt. Eine solche Klageänderung wäre unzulässig, weil dieses Begehren bereits Gegenstand verschiedener Parallelverfahren ist, der Kläger insoweit keine konkret anfechtbaren Entscheidungen des Beklagten benannt hat und es zudem in diesem Berufungsverfahren an einer entsprechenden Entscheidung des Sozialgerichts fehlt. Weil der Kläger im Verfahren mehrfach betont hat, dass es ihm nicht nur um die Bescheidung seines Kostenantrags gehe, sondern er weiterhin die Bescheidung der mit Schreiben vom 11.12.2014 gestellten Anträge begehrt, legt der Senat sein Begehren dahingehend aus, dass er beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2022 zu verurteilen, das angenommene Anerkenntnis vom 12.12.2018 umzusetzen und über seine Anträge vom 12.12.2014 sowie seinen Antrag auf Übernahme außergerichtlicher Kosten zu entscheiden.

 

Hinsichtlich dieses Antrags ist Berufung zwar nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unzulässig, weil der Schriftsatz vom 11.12.2014 eine Vielzahl von Anträgen umfasst, die keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Die Berufung ist aber unbegründet.

 

Die erneute Untätigkeitsklage hinsichtlich der mit Schreiben vom 11.12.2014 gestellten 17 Anträge ist bereits unzulässig. Die Frage, ob der Beklagte dazu verpflichtet ist, über die vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2014 gestellten 17 Anträge zu entscheiden, war bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens L 12 AS 1284/18. Die diesbezügliche Untätigkeitsklage ist im Verhandlungstermin am 12.12.2018 rechtskräftig durch das angenommene Anerkenntnis erledigt worden. Dieses Anerkenntnis ist ein Titel, aus dem der Kläger auch vollstrecken kann (§ 101 Abs. 2 SGG i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG, 201 Abs. 1 SGG analog, vgl. dazu Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 101 Rn. 23 bei beckonline). Diesbezüglich dürfte eine Vollstreckung nach § 201 Abs. 1 SGG in Betracht kommen (Fristsetzung und Androhung von Zwangsgeld).

 

Soweit der Kläger weiterhin die Bescheidung seines Kostenantrags begehrt, ist die Berufung unbegründet, weil der Schriftsatz des Beklagten vom 02.07.2020 als diesbezügliche Entscheidung auszulegen ist und im Übrigen auch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine weitergehende Entscheidung nicht ersichtlich ist. Der Beklagte hat die begehrten Kosten in vollem Umfang erstattet. 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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