L 9 SO 78/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 22 SO 406/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 78/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 3/24 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.01.2023 geändert.

 

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 05.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2021 verurteilt, für die Beigeladene ab dem 01.01.2023 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen iHv 43 % der Bezugsgröße zu übernehmen.

 

Die Beklagte hat der Klägerin in beiden Instanzen die Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin begehrt Altersvorsorgebeiträge für ihre Pflegeperson, die Beigeladene, ab dem 01.01.2023.

 

Die 0000 geborene verwitwete Klägerin verfügt nicht über Einkommen und Vermögen. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezieht sie von der Beklagten Grundsicherung nach dem SGB XII. Die Klägerin ist nicht kranken- und pflegeversichert und erhält entsprechende Leistungen nach dem SGB XII.

 

Bei der Klägerin liegen ab dem 07.09.2018 die Voraussetzungen des Pflegegrades 3 vor. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 25.10.2018 Pflegegeld nach dem SGB XII. Pflegeperson ist ihre Tochter, die Beigeladene. Diese wohnt im gleichen Haus und pflegt die Klägerin mehrere Stunden am Tag, oft auch in der Nacht. Die Tochter ist geschieden, nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie hatte im Jahr 2021 eine Anwartschaft auf eine Regelaltersrente mit Beginn am 01.12.2032 iHv 216,34 € erworben.

 

Den Antrag der Klägerin vom 26.01.2021 auf Übernahme von Altersvorsorgebeiträgen für die Beigeladene lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2021 ab. Eine Beitragsübernahme nach § 64f Abs. 1 SGB XII komme nur in Betracht, wenn bis zum Renteneintritt noch eine angemessene Alterssicherung oberhalb des Sozialhilfeniveaus erreicht werden könne. Das sei bei der Tochter der Klägerin nicht der Fall.

 

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 04.06.2021 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2021 zurückwies.

 

Am 01.12.2021 Klage erhoben. Die Beigeladene habe noch keine ausreichenden Rentenanwartschaften erworben, um ihren Lebensunterhalt im Alter sicherzustellen. Wenn man zusätzlich noch fordern würde, dass sie mit den aufgrund der Pflege geleisteten Beiträge über das Sozialhilfeniveau komme, würde für die Vorschrift praktisch kein Anwendungsbereich verbleiben.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2021 zu verpflichten, Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung zu übernehmen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Die Übernahme von Altersvorsorgebeiträgen sei nicht angemessen iSv § 64f SGB XII.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Das Sozialgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 13.01.2023, der Klägerin zugestellt am 06.03.2023, abgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme von Altersvorsorgebeiträgen für Pflegepersonen nach § 64f Abs. 1 SGB XII bestehe nur, wenn die Pflegeperson noch eine angemessene Alterssicherung oberhalb des Sozialhilfeniveaus erreichen könne. Das sei bei der Beigeladenen im Hinblick auf ihre geringen Rentenanwartschaften nicht der Fall.

 

Die Klägerin hat am 23.03.2023 Berufung eingelegt. Sie hat sich auf das Urteil des Senats vom 16.02.2023 – L 9 SO 387/21 berufen. Aus den in diesem Urteil aufgestellten Rechtsgrundsätzen ergebe sich ein Anspruch auf Altersvorsorgebeiträge auch für die Beigeladene.

Die Klägerin hat den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf die Frist zur Annahme freiwilliger Beiträge durch die gesetzliche Rentenversicherung gem. § 197 Abs. 2 SGB VI auf den Zeitraum ab dem 01.01.2023 beschränkt. Für den Zeitraum ab der Antragstellung haben sich die Klägerin und die Beklagte einer rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren unterworfen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.01.2023 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2021 zu verpflichten, ab dem 01.01.2023 Beiträge für eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson zu übernehmen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Ein Anspruch auf Übernahme von Altersvorsorgebeiträgen bestehe nicht.

 

Der Senat hat die Beigeladene vor ihrer Beiladung im Termin am 21.12.2023 als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 05.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2021 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat jedenfalls ab dem 01.01.2023 Anspruch auf Übernahme der Beiträge für die angemessene Alterssicherung ihrer Pflegeperson.

 

Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten ihrer Pflegeperson, den die Beklagte mit dem Bescheid vom 05.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2021 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den Streitgegenstand des Verfahrens auf den Zeitraum ab dem 01.01.2023 beschränkt. Sie macht ihren Anspruch zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) geltend.

 

Der Anspruch ist auf die Zahlung von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung gerichtet. Über eine andere Altersvorsorgeform verfügt die Beigeladene nicht. Ihr Antrag war von Beginn an auf eine Aufstockung der Rentenanwartschaft bei der DRV Bund gerichtet. Die Pflegeperson ist zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB VI berechtigt, Ausschlussgründe liegen nicht vor. Gem. § 197 Abs. 2 SGB VI können Beiträge zur freiwilligen Versicherung noch für Zeiten ab dem 01.01.2023 gezahlt werden. Ob für frühere Zeiten – ggfs. wegen unzureichender Beratung der Beigeladenen durch die Beklagte – noch Beiträge nachgezahlt werden können, ist nach Abschluss eines Unterwerfungsvergleichs und der Beschränkung des Klageantrags auf Zeiten ab dem 01.01.2023 nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

 

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für eine Altersvorsorge der Pflegeperson gem. § 64f Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift sind zusätzlich zum Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII die Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson oder einer besonderen Pflegekraft für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Es handelt sich um einen Anspruch der hilfebedürftigen gepflegten Person selbst und nicht der Pflegeperson, diese ist lediglich im Sinne eines Rechtsreflexes Nutznießer der gesetzlichen Regelung (BSG Urteil vom 02.02.2012 – B 8 SO 15/10 R).

 

Die Klägerin verfügt nicht über anzurechnendes Einkommen oder Vermögen iSd § 19 Abs. 3 SGB XII.

Voraussetzung ist weiterhin, dass die pflegebedürftige Person zumindest den Pflegegrad 2 hat. Dies ergibt sich aus § 63 Abs. 1 Nr. 1f SGB XII. Nach dieser Vorschrift umfasst die Hilfe zur Pflege für Pflegebedürftige, die mindestens den Pflegegrad 2 aufweisen, auch das Pflegegeld nach § 64a SGB XII. Die hier streitigen Aufwendungen für eine angemessene Alterssicherung werden nach § 64f Abs. 1 SGB XII „zusätzlich zum Pflegegeld“ bewilligt, setzen also einen Anspruch auf Pflegegeld, mithin den Pflegegrad 2 voraus (so auch Meßling in jurisPK-SGB XII § 64f Rn. 16). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Bei der Klägerin liegen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 vor. Sie bezieht Pflegegeld nach § 64a SGB XII und die Beigeladene ist ihre einzige Pflegeperson.

Eine angemessene Alterssicherung der Beigeladenen ist nicht anderweitig sichergestellt. Diese Voraussetzung bezieht sich auf eine anderweitige Altersvorsorge während der Pflegetätigkeit (Urteil des Senates vom 16.02.2023 – L 9 SO 387/21). Eine anderweitige Sicherstellung iS dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn während der Pflegetätigkeit ein anderweitiger Aufbau einer Alterssicherung, beispielsweise aufgrund einer Beschäftigung, eines Dienstverhältnisses als Beamter/Beamtin oder durch Kindererziehungszeiten, stattfindet. Nicht relevant ist – insoweit entgegen der Rechtsprechung des BVerwG zum BSHG (BVerwG Urteil vom 10.09.1992 – 5 C 25/88) –, ob die Pflegeperson bereits vor der Pflegetätigkeit eine anderweitige Alterssicherung aufgebaut hatte. Diese Rechtsprechung ist zu einer Zeit ergangen, in der die gesetzliche Pflegeversicherung noch nicht eingeführt war und Altersvorsorgebeiträge für Pflegepersonen – ebenso wie das Pflegegeld selbst – ausschließlich aus Mitteln der Sozialhilfe finanziert wurden. Mittlerweile ist § 44 SGB XI in Kraft. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI erfolgt zur Förderung von Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung pflegen (§ 19 Satz 1 SGB XI), eine Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Zweck der Übernahme der Altersvorsorgebeiträge besteht im Fall des § 44 SGB XI darin, die Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich zu fördern und den hohen Einsatz der Pflegepersonen anzuerkennen (Behrend in jurisPK-SGB XI § 44 Rn. 31 mwN). Auch der Zweck von § 64f Abs. 1 SGB XII liegt darin, einen Anreiz für die nicht erwerbsmäßige Pflege im häuslichen Bereich durch Personen aus dem persönlichen Umfeld zu geben (LSG Hessen Urteil vom 05.07.2017 – L 4 SO 139/16). Für die soziale Schutzbedürftigkeit der Pflegeperson, die Anreizwirkung zur Übernahme einer nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit und die mit der Beitragszahlung verbundene notwendige Anerkennung ist es unerheblich, ob die pflegebedürftige Person das Pflegegeld aus Mitteln der Pflegeversicherung oder der Sozialhilfe erhält. Deshalb ist diese Begünstigung auch Pflegebedürftigen zukommen zu lassen, die keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Pflegversicherung begründet haben. Die entgegenstehende Rechtsprechung des BVerwG ist durch die Einführung von § 44 SGB XI als überholt anzusehen. Der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) wird dadurch gewahrt, dass es sich bei dem Anspruch auf Übernahme der Altersvorsorgeaufwendungen um einen Anspruch der pflegebedürftigen Person selbst handelt, die ihrerseits bedürftig sein muss.

Der angestrebte Anreiz erfordert, dass aus Sicht der Pflegeperson die Pflegetätigkeit für die Alterssicherung relevant ist und nicht auf deren Kosten geht. Die Anreizwirkung ist nur dann obsolet, wenn unabhängig von der Pflegetätigkeit eine anderweitige Alterssicherung aufgebaut wird, diese der Alterssicherung also nicht schadet (Urteil des Senates vom 16.02.2023 – L 9 SO 387/21). Auch nach der Regelung in § 44 Abs. 1 SGB XI wird eine Beitragsübernahme nur dann ausgeschlossen, wenn die Pflegeperson regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Dadurch lässt der Gesetzgeber erkennen, dass er eine Absicherung der Pflegeperson immer für erforderlich hält, wenn diese nicht bereits in einem gewissen Umfang aufgrund einer anderweitigen Versicherungspflicht besteht. Das ist bei der Beigeladenen im streitigen Zeitraum nicht der Fall.

 

Nicht erforderlich ist zudem, dass durch die Zahlung der Beiträge eine Altersvorsorge erreicht wird, die im Alter die Inanspruchnahme von Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung) überflüssig macht (Urteil des Senates vom 16.02.2023 – L 9 SO 387/21; aA BVerwG Urteil vom 22.03.1990 – 5 C 40/86, dem folgend LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.04.2010 – L 20 SO 44/08; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.07.2022 – L 7 SO 3983/20; Meßling in jurisPK-SGB XII § 64 Rn. 21). Der Wortlaut der Vorschrift enthält eine entsprechende Einschränkung nicht. Der Sinn und Zweck von § 64f Abs. 1 SGB XII besteht nicht darin, zu vermeiden, dass die Pflegeperson wegen der von ihr übernommenen Pflege und der möglicherweise dadurch versäumten Altersvorsorge im Alter in die Sozialhilfeabhängigkeit fällt (so aber LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.07.2022 – L 7 SO 3983/20). Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass § 64f Abs. 1 SGB XII weitgehend leerlaufen würde, wenn eine Beitragszahlung sowohl dann ausscheiden würde, wenn eine bedarfsdeckende Altersvorsorge bereits anderweitig gesichert ist als auch dann, wenn mit der Beitragszahlung Sozialhilfebedürftigkeit nicht vermieden würde.

 

Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit erfordert eine angemessene Relation zwischen dem der Pflegeperson entstehenden Aufwand und der dadurch erarbeiteten Alterssicherung. Die Höhe des Anspruchs folgt damit aus einer analogen Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (Urteil des Senates vom 16.02.2023 – L 9 SO 387/21; LSG Hessen Urteil vom 05.07.2017 – L 4 SO 139/16). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Beitragszahlung gem. § 64f Abs. 1 SGB XII ist geboten. Das SGB XII enthält insoweit eine unbeabsichtigte Regelungslücke, da eine Regelung zur Beitragshöhe im SGB XII nicht vorhanden ist. Diese Lücke ist durch eine analoge Anwendung von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zu schließen. Zwar ist es verfassungsrechtlich aus Gleichheitsgründen (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht geboten, das auf Sozialversicherungsbeiträgen beruhende System des SGB XI vollständig auf das SGB XII zu übertragen. Es liegt vielmehr in der grundsätzlichen sozialpolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, steuerfinanzierte Existenzsicherungssysteme anders zu regeln (BSG Urteil vom 02.02.2012 – B 8 SO 15/10 R). Eine Analogiefähigkeit folgt jedoch daraus, dass der Gesetzgeber die Höhe des Pflegegeldes im Rahmen der Hilfe zur Pflege so festgelegt hat wie im SGB XI, indem § 64a Abs. 1 SGB XII auf § 37 SGB XI verweist. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber festgelegt, welche Beitragshöhe für die Pflegetätigkeit als angemessen anzusehen ist. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, aus Mitteln der Sozialhilfe zwar das gleiche Pflegegeld, nicht aber gleichhohe Beiträge zur Alterssicherung der Pflegeperson zuzubilligen, ist nicht ersichtlich. Auch die durch die Vorschrift beabsichtigte Anreizwirkung spricht für eine analoge Anwendung, da nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber einen stärkeren Anreiz setzen wollte, pflegeversicherte Personen zu pflegen, als bloß sozialhilfeberechtigte Personen. Gleichzeitig dient die Vorschrift der Verwaltungsvereinfachung, indem nicht der tatsächliche Zeitaufwand der Pflege für die Bemessung der Beiträge zugrunde gelegt wird, sondern je nach Pflegegrad ein pauschalierter Anteil der Bezugsgröße (LSG Hessen Urteil vom 05.07.2017 – L 4 SO 139/16). Wenn man den Zeitaufwand zugrunde legen wollte, wäre dies für die Behörden mit einem erheblichen Aufwand verbunden, denn die Sozialhilfeträger müssten den Zeitaufwand der Pflege allein für die Bemessung der Beiträge zur Alterssicherung separat ermitteln.

 

Gegen die entsprechende Anwendung des § 44 SGB XI spricht nicht, dass es aus sozialhilferechtlicher Sicht schwer erklärbar wäre, warum verschiedene Pflegegrade – bei möglicherweise kaum unterscheidbarem Zeitaufwand – unterschiedliche Altersrentenbeiträge nach sich ziehen sollen und das Anknüpfen an die Stundenzahl und der Vergleich mit einer professionellen Pflegekraft sachgerechter erscheine (so aber Meßling in jurisPK-SGB XII§ 64f Rn. 12; dem folgend Palsherrn in LPK-SGB XII, 12. Aufl. § 64f Rn. 11). Der Leistungsbewilligung nach dem SGB XII werden in vielen Fällen Pauschalen zugrunde gelegt, so zB beim Regelsatz (§ 27a Abs. 3 SGB XII), den pauschalierten Mehrbedarfen (§ 30 SGB XII), der Möglichkeit, die Unterkunftskosten zu pauschalieren (§ 35 Abs. 4 SGB XII) und nicht zuletzt bei dem Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII, das ebenfalls eine Pauschalleistung darstellt. Offenbleiben kann, ob etwas anderes gilt, wenn die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB XI nicht erfüllt sind, etwa weil die Pflegeperson nicht mindestens zehn Stunden/ Woche pflegt oder nicht die Möglichkeit hat, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung einzuzahlen. Im vorliegenden Fall erfüllt die Pflegeperson die Voraussetzungen, denn sie pflegt die Klägerin im Umfang von mindestens zwei Stunden pro Tag, ist nicht erwerbstätig und hat bereits eine Rentenanwartschaft erworben, die sie durch freiwillige Beiträge aufstocken kann.

Die Klägerin hat daher ab dem 01.01.2023 entsprechend § 44 Abs. 1 SGB XI iVm § 166 Abs. 2 Nr. 3a SGB VI einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge ihrer Pflegeperson zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage von beitragspflichten Einnahmen iHv 43% der Bezugsgröße. Es handelt sich um einen gebundenen Anspruch, ein Ermessen des Beklagten besteht nicht. Der Umstand, dass für die Pflegeperson während der Pflegtätigkeit bislang noch keine Beiträge gezahlt worden sind, steht ungeachtet der Verwendung des Begriffs „erstatten“ in § 64f Abs. 1 SGB XII einem Anspruch nicht entgegen (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.07.2022 – L 7 SO 3983/20; Meßling in jurisPK-SGB XII § 64f Rn. 26).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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