S 31 SF 159/23 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 SF 159/23 AB
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Keine Befangenheit der Berufsrichterin und der ehrenamtlichen Richter wegen vom Antragsteller behaupteter Verfahrensfehler (insbesondere bei Durchführung einer Videovernehmung, bei vom Antragsteller beanstandeter Frage an den Zeugen, bei Fortführung der mündlichen Verhandlung am nächsten Tag nach Unterbrechung trotz Befangenheitsantrag, Unterzeichnung des Verhandlungsprotokolls trotz Befangenheitsantrag, Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens); §§ 60 SGG, 42 ZPO, 47 II ZPO, 396 ZPO, 110a SGG.

 

I. Die Ablehnungsgesuche vom Vormittag des 03.05.2023 (ursprüngliches Aktenzeichen S 31 SF 159/23 AB) und vom 04.05.2023, 11:12 Uhr (ursprüngliches Aktenzeichen S 31 SF 174/23 AB) gegen die Vorsitzende der 61. Kammer, RiSG  W., und die ehrenamtlichen Richter H. und Z. werden zurückgewiesen.

II. Die Ablehnungsgesuche vom 03.05.2023, 15:56 Uhr (ursprüngliches Aktenzeichen S 31 SF 165/23 AB) und vom 04.05.2023, 17:49 Uhr (ursprüngliches Aktenzeichen S 31 SF 166/23 AB) gegen die Vorsitzende der 61. Kammer werden zurückgewiesen.


Gründe:

I.
Der Antragsteller ist Beklagter im Verfahren Az., in welchem er sich gegen Schadensersatzansprüche einer Krankenkasse zur Wehr setzt, die geltend macht, der dortige Beklagte habe Pflegestunden abgerechnet, die tatsächlich nicht erbracht worden seien.
In diesem Verfahren der 61. Kammer wurde am 28.03.2023 zur mündlichen Verhandlung für den 02., 03. und 04.05.2023 geladen. Mehrere Zeugen wurden geladen, auf den 03.05.2023 unter anderen die Zeugin D..
Die Vorsitzende der 61. Kammer erließ am 20.04.2023 einen Beschluss, mit welchem die Einvernahme der Zeugin D. in der mündlichen Verhandlung am 03.05.2023 per Bild- und Tonübertragung gemäß § 110a Abs.1 SGG zugelassen wurde.
In der mündlichen Verhandlung wurde am 02.05.2023 der Beklagte angehört, die Zeugen T., E. und S. wurden vernommen. Die Verhandlung wurde um 13:42 Uhr unterbrochen.
Die Vorsitzende der 61. Kammer verfügte am 02.05.2023 eine weitere Ladung auf den 20.06.2023.
Am 03.05.2023 wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Zeugin D. wurde per Bild- und Tonübertragung zugeschaltet.
Der Antragstellervertreter widersprach in seiner Eigenschaft als Beklagtenvertreter im Verfahren der Videovernehmung mit der Begründung, es fehle an einem entsprechenden Antrag und Beschluss. Die Sitzung wurde unterbrochen. Bei Fortsetzung teilte die Vorsitzende mit, die Kammer halte nach Beratung an der Vernehmung der Zeugin D. fest. Sie verkündete einen Beschluss, mit dem der Beschluss vom 20.04.2023 dahingehend abgeändert wurde, dass die Vernehmung der Zeugin D. nunmehr nach § 110a Abs. 2 SGG erfolge. Die Sitzung wurde daraufhin erneut unterbrochen.
Nach Fortsetzung lehnte der Antragstellervertreter die Vorsitzende der 61. Kammer sowie die ehrenamtlichen Richter H. und Z. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (anschließend registriert unter dem Aktenzeichen S 31 SF 159/23 AB). Zur Begründung wurde ausgeführt, das Festhalten an der Vernehmung der Zeugin D. unter Abänderung des Beschlusses vom 20.04.2023 sei mit geltendem Recht offensichtlich unvereinbar; schwerwiegende und offensichtliche Verstöße auch gegen Verfahrensrecht ließen die Besorgnis aufkommen, dass dem Beklagten ein faires Verfahren durch die abgelehnten Richter nicht gewährt werden solle.
Nach erneuter Unterbrechung teilte die Vorsitzende der 61. Kammer mit, die Kammer beabsichtige, gemäß § 47 Abs. 2 ZPO zu verfahren. Sodann wurde die Zeugin D. vernommen. Die Vernehmung wurde auf Tonträger festgehalten.
Die Vorsitzende eröffnete die Vernehmung der Zeugin D. ausweislich der vorläufigen, vom Tonträger erstellten Abschrift des Schreibdienstes des Sozialgerichts München mit der Frage, in welchem Zeitraum die Zeugin bei E. tätig gewesen sei.
Der Antragstellervertreter beanstandete die Art und Weise der Befragung mit der Begründung, gemäß §§ 118 SGG, 396 ZPO habe die Zeugin im Zusammenhang zur Sache auszusagen, und nicht auf einzelne Fragen des Gerichts oder der Kammervorsitzenden zu antworten. Er beantragte, über die Beanstandung durch Beschluss zu entscheiden.
Die Sitzung wurde erneut unterbrochen. Nach Beratung der Kammer und Fortsetzung der Verhandlung stellte die Vorsitzende fest, dass die Kammer keine unzulässige Fragestellung an die Zeugin D. zu erkennen vermöge, und setzte die Zeugeneinvernahme fort.
Im weiteren Verlauf fragte die Vorsitzende der 61. Kammer die Zeugin, ob sich der Aufwand in der Versorgung für E. für sie finanziell oder wirtschaftlich noch gelohnt habe. Der Antragstellervertreter beanstandete diese Frage an die Zeugin mit der Begründung, die Frage lasse keinerlei Zusammenhang zum allein streitgegenständlichen Verhalten des im Verfahren Beklagten erkennen. Die Sitzung wurde erneut unterbrochen. Nach Beratung der Kammer und Fortsetzung teilte die Vorsitzende mit, die Kammer halte an der beanstandeten Frage fest, da diese zur Ermittlung der Gesamtzusammenhänge zwischen der Pflegetätigkeit bei E. und den betreffenden Pflegekräften ihrer Art nach identisch gestellten Rechnungen über Pflegeassistenz diene.
Der Antragstellervertreter hielt an der Beanstandung der Frage fest und beanstandete, im Beschluss sei nicht darauf eingegangen worden, dass das wirtschaftliche Lohnen der Tätigkeit der Zeugin D. mit den gegen den Beklagten erhobenen Ansprüchen in keinem Zusammenhang stehe.
Die Vorsitzende der 61. Kammer unterbrach die Sitzung um 13:47 Uhr, die Sitzung werde am folgenden Tag wie geladen fortgesetzt.
Am 03.05.2023 um 15:56 Uhr ging per elektronischem Rechtsverkehr ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 61. Kammer ein (vormaliges Aktenzeichen S 31 SF 165/23 AB). Zur Begründung führte der Antragstellervertreter aus, die Vorsitzende habe am Ende des Termins vom 03.05.2023 die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 04.05.2023 angekündigt und dann die Verhandlung geschlossen, obwohl der Antragstellervertreter bereits darauf hingewiesen hätte, dass § 47 Abs. 2 ZPO eine Fortsetzung am folgenden Tag nicht erlaube. Darin liege ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen habe es bereits zuvor Verstöße gegen Verfahrensrecht gegeben, nämlich hinsichtlich der Art und Weise der Befragung der Zeugin D. (siehe oben). Die in diesem Zusammenhang ergangenen Beschlüsse seien auf die erhobenen Beanstandungen nicht eingegangen, sondern hätten sich auf eine gar nicht beanstandete Unzulässigkeit einer Frage bezogen.
Die mündliche Verhandlung wurde am 04.05.2023 fortgesetzt. Der Antragstellervertreter und der Beklagte im Verfahren betraten den Sitzungssaal trotz zweimaligem Aufruf nicht. Die Vorsitzende teilte mit, dass die Sitzung dennoch fortgesetzt werde und die Kammer beabsichtige, gemäß § 47 Abs. 2 ZPO zu verfahren. Die Zeugen M., E1., M1., H1. und P. wurden vernommen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten wurde aufgehoben mit der Begründung, diese Anordnung habe dazu gedient, dem Beklagten die Sach- und Rechtslage vor Augen zu führen. Anschließend teilte die Vorsitzende mit, die Verhandlung werde am 20.06.2023 fortgesetzt, die Ladungen aufgrund Ladungsverfügung vom 02.05.2023 würden den Beteiligten alsbald zugehen. Die Sitzung wurde um 12:24 Uhr unterbrochen.
Die Ladungsschreiben vom 04.05.2023 wurden gezeichnet von der Geschäftsstelle der 61. Kammer "auf Anordnung der Vorsitzenden der 61. Kammer". Die ebenfalls am 04.05.2023 ausgedruckte zugehörige Verfügung ist "i.V." unterzeichnet vom geschäftsverteilungsplansmäßigen Vertreter der Vorsitzenden der 61. Kammer, RiSG R..
Am 04.05.2023 um 11:12 Uhr ging per elektronischem Rechtsverkehr ein weiteres Ablehnungsgesuch des Antragstellervertreters gegen die Vorsitzende der 61. Kammer und die ehrenamtlichen Richter H. und Z. ein (vormaliges Aktenzeichen S 31 R 174/23 AB). Zur Begründung dieses Ablehnungsgesuchs führt der Antragstellervertreter aus, die 61. Kammer habe die mündliche Verhandlung am 04.05.2023 fortgesetzt, obwohl über die bisherigen Ablehnungsgesuche noch nicht entschieden war. Hierin liege ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO, da § 47 Abs. 2 ZPO nur die Fortführung eines Termins erlaube, nicht mehrerer Termine. Dieser Verstoß sei vorsätzlich begangen worden, da der Antragstellervertreter zuvor darauf hingewiesen habe, dass eine Fortsetzung rechtswidrig sei. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass das zweite Ablehnungsgesuch am Nachmittag des 03.05.2023 und somit außerhalb der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei. Sämtliche Verstöße gegen Verfahrensrecht, die mit den drei Ablehnungsgesuchen begründet wurden, seien bewusst und gewollt begangen worden. Hieraus ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit.
Am 04.05.2023 um 17:49 Uhr ging ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 61. Kammer ein (vormaliges Aktenzeichen S 31 SF 166/23 AB). Zur Begründung wird vorgetragen, die Vorsitzende der 61. Kammer habe trotz der vorangegangenen Ablehnungsgesuche die Protokolle vom 02., 03. und 04.05.2023 unterzeichnet. Sie habe ferner einen weiteren Termin für den 20.06.2023 anberaumt. Im Übrigen sei der Vorsitzenden bewusst gewesen, dass die Termine vom 02., 03. und 04.05.2023 eigenständige Termine gewesen seien, denn in der Ladung stehe, es "ist Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf (...).". Auch habe die Vorsitzende am 04.05.2023 laut Protokoll festgestellt, dass der Beklagte und sein Vertreter "zum heutigen Termin" nicht erschienen seien.
Ferner habe die Vorsitzende der 61. Kammer am 04.05.2023 die Ausführung einer Verfügung vom 02.05.2023, nämlich die Ladung auf den 20.06.2023, angeordnet. Auch hierin liege ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO, vorsätzlich begangen auf Grund des Hinweises des Antragstellervertreters.
Ferner bestehe auch deshalb Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der 61. Kammer, weil das persönliche Erscheinen des dortigen Beklagten im Termin vom 04.05.2023 mit der Begründung aufgehoben worden sei, ihm habe "die Sach- und Rechtslage vor Augen geführt" werden sollen. Hieraus sei ersichtlich, dass die Vorsitzende offensichtlich nicht den Rechtsstandpunkt des Beklagten teile und dies auch schon bei der Ladung mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Fall gewesen sei. Sie habe sich somit schon vor der mündlichen Verhandlung auf eine Bewertung der Sach- und Rechtslage festgelegt, die sie dem Beklagten habe vor Augen führen wollen. Hieraus und zusätzlich aus der Missachtung sämtlicher bisherige Ablehnungsgesuche ergebe sich ihre Voreingenommenheit.
Mit Schriftsatz vom 05.05.2023 ergänzt der Antragstellervertreter die Begründung seines Ablehnungsgesuchs vom 04.05.2023, 17:49 Uhr durch Vortrag einer Zusammenfassung des bereits Vorgetragenen. Er macht ferner geltend, die Vorsitzende der 61. Kammer erwecke den Eindruck, sie nehme die Ablehnungsgesuche nicht ernst, es ginge ihr nicht um deren inhaltliche Überprüfung, sondern allein um die Erledigung des Prozesses.
Nach Registrierung der vier Ablehnungsgesuche und Eingang bei der 31. Kammer forderte die Vorsitzende der 31. Kammer dienstliche Stellungnahmen der Vorsitzenden der 61. Kammer und, soweit auch die ehrenamtlichen Richter H. und Z. abgelehnt worden waren, auch deren dienstliche Stellungnahmen an.
Der ehrenamtliche Richter Z. erklärt mit Schreiben vom 12.05.2023, er sehe keinerlei Anhaltspunkte und Gründe einer Befangenheit. Er sehe sich "an Gesetze und Verfahrensordnung unabhängig, unparteiisch, unvoreingenommen, objektiv und neutral verpflichtet".
Die ehrenamtliche Richter H. erklärt mit Schreiben vom 15.05.2023, der vom Antragstellervertreter in seinem handschriftlichen Antrag (also im Antrag vom Vormittag des 03.05.2023) dargestellte Ablauf entspreche ihrer Wahrnehmung. Hinsichtlich der Zeugenvernehmung per Ton- und Videoübertragung habe die Vorsitzende unter Hinzuziehung der genannten Gesetzestexte ihre von der Meinung des Antragstellervertreters abweichende Rechtsauffassung erläutert. Dies sei ihr als Laie schlüssig erschienen, weshalb sie für die Zeugenvernehmung in der dargestellten Form gestimmt habe. Sie selber habe vor Verhandlungsbeginn keine Kenntnis von dem Fall gehabt und sei nicht voreingenommen. Aus ihrer Sicht sei erkennbar gewesen, dass die Vorsitzende das Verfahren korrekt durchführen wolle. Diese habe deshalb auch Rücksprache gehalten "mit dem eingeteilten "Befangenheitsrichter am Sozialgericht" ". Ihr sei die Rolle des Antragstellervertreters bewusst, im gesetzlichen Rahmen das bestmögliche Ergebnis für seinen Mandanten zu erreichen, es sei selbstverständlich, dass dazu auch Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gehörten.
Die Vorsitzende der 61. Kammer nimmt in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 19.05.2023 auf die Schriftsätze des Antragstellervertreters sowie die Gerichtsakte Bezug. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Termine vom 02., 03. und 04.05.2023 jeweils unterbrochen, nicht geschlossen wurden. Eine Unterbrechung beende den Termin nicht, sondern sei lediglich eine Sitzungspause; die Verhandlung werde noch am anberaumten Termin fortgesetzt.
Die 31. Kammer zog die vorläufigen Abschriften der auf Tonträger aufgezeichneten Zeugeneinvernahmen bei. Sie wurden dem Antragstellervertreter zusammen mit den dienstlichen Stellungnahmen übersandt mit Gelegenheit zur Stellungnahme, verbunden mit dem Hinweis, dass mit der Vorsitzenden der 31. Kammer hinsichtlich der Ablehnungsgesuche keine Rücksprache stattgefunden habe.
Der Antragstellervertreter bat mit Schriftsatz vom 23.05.2023, der Vorsitzenden der 61. Kammer aufzugeben, mitzuteilen, mit welchem "Befangenheitsrichter am Sozialgericht" sie Rücksprache gehalten habe. Die Angaben der ehrenamtlichen Richterin H. ließen es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass im Hintergrund andere, nicht der 61. Kammer angehörige Personen Einfluss auf die Verfahrensführung und möglicherweise die Entscheidung des Rechtsstreits nehmen könnten.
Die Verfahren S 31 SF 159/23 AB, 165/23 AB, 166/23 AB und 174/23 AB wurden mit Beschluss vom 26.05.2023 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Der Antragsteller erhielt nach entsprechendem Antrag Einsicht in die beigezogene Akte Az.
Mit Schriftsatz vom 26.05.2023 regte der Antragstellervertreter an, die verbundenen Verfahren wieder zu trennen. Ferner bat er um Mitteilung, ob der Vorsitzenden der 61. Kammer aufgegeben worden sei, mitzuteilen, mit welchem "Befangenheitsrichter am Sozialgericht" sie sich am 03.05.2023 besprochen habe.
Mit Schriftsatz vom 05.06.2023 nahm der Antragstellervertreter Stellung zu den dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter:
Zur Stellungnahme des ehrenamtlichen Richters Z. trägt er vor, dessen Stellungnahme genüge nicht den Anforderungen des § 44 Abs. 3 ZPO, da er nicht auf das Vorbringen des Antragstellervertreters eingehe, wonach der ehrenamtliche Richter dem Beklagten gegenüber voreingenommen und unsachlich eingestellt sei aufgrund bewusster Missachtung des Antragserfordernisses in § 110a Abs. 2 SGG und bewussten Hinwegsetzens über die Wartepflicht des § 47 Abs. 2 ZPO. Es handele sich hier um innere Tatsachen, die sich dem Akteninhalt nicht entnehmen ließen. Die dienstliche Stellungnahme des ehrenamtlichen Richters Z. erwecke beim Antragsteller den Eindruck, dieser sei nicht bereit, sich mit dessen Vorbringen zu befassen. Hinzu komme, dass der ehrenamtliche Richter Z. die "Dreistigkeit" besitze, zu erklären, er sehe sich (...) an Gesetze und Verfahrensordnung (...) neutral verpflichtet. Dies habe ihn aber nicht daran gehindert, sich, so die Auffassung des Antragstellervertreters, bewusst und gewollt über die gesetzliche Regelung in § 110a Abs. 2 SGG hinwegzusetzen und am 04.05.2023 an der mündlichen Verhandlung mitzuwirken. Zumindest in Zusammenschau mit den Ablehnungsgesuchen gegen den ehrenamtlichen Richter Z. begründe die dienstliche Stellungnahme ernstliche Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit und sachlichen Einstellung.
Zur dienstlichen Stellungnahme der ehrenamtlichen Richterin H. trägt der Antragsteller vor, auch einem ehrenamtlicher Richter sei die Kenntnis des Gesetzes abzuverlangen, Leitschnur seines Handelns sei zuvörderst das Gesetz und nicht Erläuterungen des Gesetzes durch den Berufsrichter. Auch die ehrenamtliche Richterin H. habe vorsätzlich gegen Verfahrensrecht (§ 110 A Abs. 2 SGG, § 47 Abs. 2 ZPO) verstoßen. Der Antragsteller müsse befürchten, dass die ehrenamtliche Richterin H. auch künftig ihr Handeln an den Auffassungen anderer Personen, insbesondere der Vorsitzenden der 61. Kammer, orientieren werde. All dies begründe die Besorgnis der Befangenheit.
Zur dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden der 61. Kammer führt der Antragstellervertreter aus, ein Verweis auf den Akteninhalt reiche nicht aus zur Beurteilung innerer Tatsachen. Die dienstliche Stellungnahme sei unzulänglich und bestärke damit die Besorgnis der Befangenheit. Der Antragsteller habe die Gründe seiner Ablehnungsgesuche im Einzelnen dargelegt und dürfe erwarten, dass die abgelehnte Richterin auf die geltend gemachten Ablehnungsgründe eingehe. Ferner sei die dienstliche Stellungnahme unverständlich, da zum einen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei den Terminen am 02., 03. und 04.05.2023 um einen Termin, andererseits ausgeführt werde, dass "die Termine am 02.05.2023, 03.05.2023 sowie am 04.05.2023 jeweils unterbrochen, nicht geschlossen wurden". Somit gehe die Vorsitzende der 61. Kammer offenbar selbst davon aus, dass mehrere Termine vorlagen. Dies korrespondiere auch mit den erfolgten Terminsladungen.
Weiterhin werden die Ablehnungsgründe gegen die Vorsitzende der 61. Kammer mit Schriftsatz vom 05.06.2023 erweitert:
Die Vorsitzende der 61. Kammer habe nach Angaben der ehrenamtlichen Richterin H. im Verlauf der Sitzung vom 03.05.2023 Rücksprache mit einem "Befangenheitsrichter" genommen. Der Antragsteller schließe daraus, dass die Vorsitzende der 61. Kammer ihr Verhalten offenbar an dem Ergebnis dieser Besprechung ausgerichtet habe. Darüber habe sie jedoch die Parteien nicht unterrichtet, ein Aktenvermerk über diese Besprechung sei nicht vorhanden. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass andere, nicht der 61. Kammer angehörende Personen Einfluss auf die Verfahrensführung und möglicherweise die Entscheidung des Rechtsstreits nehmen könnten. Dies rechtfertige Zweifel an der unabhängigen Verhandlungsführung und Entscheidungsfindung der Vorsitzenden der 61. Kammer. Das Ablehnungsgesuch werde daher nunmehr auch auf die Besprechung mit dem "Befangenheitsrichter" gestützt.
Schließlich werde das Ablehnungsgesuch nunmehr auch darauf gestützt, dass der Vertreter der Vorsitzenden der 61. Kammer, RiSG R., die Ladung vom 04.05.2023 unterschrieben habe. Es sei davon auszugehen, dass diese Unterschrift aufgrund einer wie auch immer gearteten Veranlassung der Vorsitzenden der 61. Kammer erfolgt sei, was bedeuten würde, dass diese ihren Vertreter in Kenntnis dessen, dass kein Vertretungsfall vorgelegen habe, veranlasst habe, als nicht gesetzlicher Richter eine ihr aufgrund der angebrachten Ablehnungsgesuche verwehrte Amtshandlung vorzunehmen.
Zu den mit Schriftsatz vom 05.06.2023 erstmalig vorgetragenen Ablehnungsgründen wurde eine weitere dienstliche Stellungnahme der Vorsitzenden der 61. Kammer eingeholt. Diese wurde am 27.06.2023 dahingehend abgegeben, dass auf den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 05.06.2023 und die Gerichtsakte Bezug genommen werde.
Zu dieser weiteren dienstlichen Stellungnahme nahm der Antragstellervertreter mit Schriftsatz vom 13.07.2023 Stellung. Er bemängelt, dass die Vorsitzende der 61. Kammer sich nicht dazu geäußert habe, ob sie sich tatsächlich mit einem "Befangenheitsrichter" besprochen habe, ob sie ihren geschäftsverteilungsplanmäßigen Vertreter veranlasst habe, am 04.05.2023 eine Terminsverfügung zu unterschreiben. Dies entspreche nicht den Anforderungen an eine dienstliche Stellungnahme im Sinne von § 44 Abs. 3 ZPO. Sinn einer dienstlichen Stellungnahme sei es, die tatsächliche Basis für die zu treffende Entscheidung zu erweitern. Dieser Sinn werde durch die Äußerung der Vorsitzenden der 61. Kammer nicht erfüllt. Die dienstliche Stellungnahme verstärke deshalb den Eindruck der Befangenheit.


II.
Die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende der 61. Kammer und die ehrenamtlichen Richter H. und Z. sind zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 60 SGG i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung eines Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten verständlich sein.
Die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der 61. Kammer sowie der ehrenamtlichen Richter H. und Z. ist in diesem Sinne nicht begründet.
Der Antragstellervertreter ist der Auffassung, dass die Vorsitzende der 61. Kammer sowie teilweise auch die ehrenamtlichen Richter vorsätzlich gegen Verfahrensrecht verstoßen hätten.
Hierzu ist zunächst anzumerken, dass es nicht Sache des Befangenheitsrichters ist, zu überprüfen, ob die verfahrensrechtlichen Vorschriften des SGG und der ZPO eingehalten sind. Die Frage, ob solche Verstöße überhaupt anzunehmen sind, ist vielmehr - ebenso wie die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit eines Urteils - allein der Beurteilung der zweiten Instanz im Rahmen eines etwaigen Berufungsverfahrens vorbehalten.
Dies gilt sowohl für die Frage, ob § 47 Abs. 2 ZPO die Fortsetzung einer mündlichen Verhandlung trotz Befangenheitsantrag auch dann erlaubt, wenn sie erst am folgenden Tag stattfindet, als auch für die Frage, ob § 396 ZPO erlaubt, eine Zeugenvernehmung mit der Frage zu beginnen, in welchem Zeitraum eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt wurde, ebenso für die Frage, ob das wirtschaftliche Lohnen dieser Tätigkeit für die Beurteilung des Streitgegenstands relevant ist; ferner für die Frage, ob ein Ablehnungsgesuch, das während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung per elektronischem Rechtsverkehr eingereicht wird, im Sinne von § 47 Abs. 2 ZPO "während der Verhandlung" gestellt ist.
Die Besorgnis der Befangenheit vermögen Verstöße gegen Verfahrensrecht, soweit sie überhaupt vorliegen, nur dann zu rechtfertigen, wenn es sich um derart eklatante Verstöße handelt, dass aus Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten angenommen werden muss, die verfahrensrechtliche Handhabung beruhe auf Voreingenommenheit, Parteilichkeit oder sonstigen sachfremden Erwägungen, gegebenenfalls auch allein der Erwägung, einen Prozess zu beenden. Dies kommt dann in Betracht, wenn die verfahrensrechtliche Handhabung willkürlich anmutet, grob und offensichtlich rechtswidrig ist, oder es Anhaltspunkte dafür gibt, dass vorsätzlich gegen geltendes Recht verstoßen worden wäre.
Grobe und offensichtliche Rechtsverstöße vermag die 31. Kammer in den vom Antragstellervertreter zur Begründung seiner Ablehnungsgesuche angeführten Sachverhalten nicht zu erkennen, da die aufgeworfenen, oben im einzelnen angesprochenen Fragen nur durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften zu beantworten sind (etwa die Frage, was unter "Termin" im Sinne von § 47 Abs. 2 ZPO zu verstehen ist, was unter "im Zusammenhang angeben" im Sinne von § 396 ZPO zu verstehen ist, ob § 47 Abs. 2 auch die Unterzeichnung des Protokolls eines Termins nach Ablehnungsgesuch erlaubt, ob ein per elektronischem Rechtsverkehr übermitteltes Ablehnungsgesuch während der Unterbrechung einer mündlichen Verhandlung "während der Verhandlung" im Sinne von § 47 Abs. 2 ZPO gestellt ist, ob eine Frage an einen Zeugen für die Beurteilung des Streitgegenstands maßgeblich ist, ob ein auf Grundlage von § 110a Abs. 1 SGG ergangener Beschluss über die Übertragung einer Zeugenvernehmung in Ton und Bild dahingehend abgeändert werden kann, dass diese Vernehmung gemäß § 110a Abs. 2 SGG erfolgt, und ob eine solche Vernehmung dann ohne entsprechenden Antrag zulässig ist). Es liegt in der Natur der Rechtswissenschaft, dass Gesetze, die abstrakt-generellen Charakter haben, zur Anwendung im konkret-individuellen Fall der Auslegung bedürfen, so auch in den hier streitigen Fragen. Grobe und offensichtliche Verstöße jedenfalls sind nicht zu erkennen. Die jeweilige vom Antragstellervertreter vertretene Rechtsauffassung zu den aufgeworfenen Fragen stellt nicht die einzig mögliche Auslegung der genannten Vorschriften dar.
Ebenso wenig kann der Vorsitzenden der 61. Kammer ein vorsätzlich rechtswidriges Handeln unterstellt werden, wie vom Antragstellervertreter behauptet. Er begründet diesen Vorwurf damit, dass er auf die einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen hingewiesen habe. Aus dem Vertreten einer Rechtsauffassung, die von seiner abweicht, schließt er auf eine vorsätzliche Rechtsverletzung.
Mit diesen Ausführungen vermag der Antragstellervertreter nicht zu überzeugen.
Allein die Tatsache, dass das Gericht sich der Rechtsauffassung des Antragstellervertreters nicht anschließt, bedeutet nicht, dass das Gericht sich entschieden hätte, vorsätzlich entgegen geltendem Recht zu entscheiden. Es bedeutet lediglich, dass das Gericht sich der Rechtsauslegung des Antragstellervertreters nicht anschließt.
Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich ferner nicht aus der Begründung des Beschlusses der 61. Kammer vom 04.05.2023, mit welchem die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten aufgehoben wurde mit der Begründung, diese Anordnung habe dazu gedient, dem Beklagten "die Sach- und Rechtslage vor Augen zu führen". Der Antragstellervertreter meint, daraus schließen zu können, dass die Vorsitzende der 61. Kammer sich bereits bei der Ladung und somit vor der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Bewertung der Sach- und Rechtslage, welche sie dem Beklagten vor Augen führen habe wollen, festgelegt habe. Hieraus ergebe sich ihre Voreingenommenheit.
Hierzu ist zum einen anzumerken, dass sich allein schon aus der Semantik nicht erschließt, dass ein "vor Augen führen" der Sach- und Rechtslage zwingend beinhalte, dass das Gericht sich bereits darauf festgelegt hätte, diese Sach-und Rechtslage anders zu beurteilen, als der Beklagte (siehe die unterschiedlichen Bedeutungen der Redewendung "vor Augen führen" unter www.duden.de, Abruf vom 06.06.2023: unter anderem "vorwerfen", aber auch "bewusst machen", "klarmachen", "herausarbeiten"). Vielmehr ist aus der Tatsache, dass das Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen durchgeführt hat, ersichtlich, dass das Gericht die Sachlage zum Zeitpunkt der Ladung gerade nicht für abschließend geklärt hielt.
Aus Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten gibt die Begründung des genannten Beschlusses vom 04.05.2023 somit keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden der 61. Kammer zweifeln.
Zum Vortrag des Antragstellervertreters, die Vorsitzende der 61. Kammer habe am 04.05.2023 angeordnet, eine Ladungsverfügung vom 02.05.2023 (Ladung zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 20.06.2023) auszuführen, ist darauf hinzuweisen, dass die Ladungsverfügung am 04.05.2023 mit Blick auf die noch offenen Ablehnungsgesuche gerade nicht von der Vorsitzenden der 61. Kammer unterzeichnet wurde, sondern von ihrem Stellvertreter, RiSG R.. Auch der diesbezügliche Vortrag des Antragstellervertreters ist daher nicht geeignet, die Ablehnungsgesuche zu stützen.
Der Vortrag, die Vorsitzende der 61. Kammer habe ihren Vertreter zur Unterschrift der Ladungsverfügung veranlasst, obwohl ein Vertretungsfall nicht vorgelegen habe, ist ebenso wenig geeignet, das Ablehnungsgesuch zu begründen. Zur Frage, ob während der Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter zuständig ist, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. etwa OLG Frankfurt a.M., 17.03.2022, 3 UF 215/21: kein Vertretungsfall; Göertz in Anders/Gehle, ZPO, 81. Auflage 2023, § 47 Rn 8, Stichwort "Rechtsmittelanfrage": Vertretungsfall). Die Annahme der Vorsitzenden der 61. Kammer, der Vertretungsfall habe vorgelegen, gibt daher keinen Anlass, an ihrer Unvoreingenommenheit zu zweifeln.
Dass die Vorsitzende der 61. Kammer ihren Vertreter darüber hinaus dazu "veranlasst" haben soll, ist eine Behauptung des Antragstellervertreters, für die Anknüpfungstatsachen nicht ersichtlich sind. Natürlich ist anzunehmen, dass die Vorsitzende der 61. Kammer ihren Vertreter vom Vertretungsfall unterrichtet hat, so wie das auch bei sonstigen Vertretungsfällen, etwa bei Urlaub, der Fall ist. Ob der Vertreter die Ladungsverfügung unterschreibt oder nicht, ist allein seine Entscheidung. Dass er diese Entscheidung eigenverantwortlich getroffen hat, ist dessen dienstlicher Stellungnahme vom 23.06.2023 im Verfahren S 31 SF 202/23 AB zu entnehmen.
Eine vom Antragstellervertreter erbetene Stellungnahme der Vorsitzenden der 61. Kammer zu der Frage, mit welchem Befangenheitsrichter sie im Zusammenhang mit den Ablehnungsgesuchen Rücksprache gehalten habe, war nicht veranlasst. Sofern eine solche Rücksprache stattgefunden haben sollte, gäbe dies keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden der 61. Kammer zu zweifeln. Vielmehr spricht es für ihre Unvoreingenommenheit, wenn sie für die Entscheidung, wie mit den Ablehnungsgesuchen zu verfahren ist, neben dem Gesetzestext und dazu vorhandener Literatur und Rechtsprechung auch ein Rechtsgespräch mit einem Kollegen oder einer Kollegin führt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die 61. Kammer ihre Beschlüsse zur jeweiligen Fortsetzung des zuvor unterbrochenen Termins nicht gleichwohl in Unabhängigkeit gefasst hätte. Die Mitteilung seitens der Vorsitzenden der 31. Kammer an den Antragstellervertreter vom 23.05.2023, dass jedenfalls mit der Vorsitzenden der 31. Kammer keinerlei Rücksprache stattgefunden habe, war unabhängig davon insofern veranlasst, als ansonsten möglicherweise ein Ausschluss der Vorsitzenden der 31. Kammer wegen Vorbefassung in Betracht gekommen wäre.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die mündliche Verhandlung am 03.05.2023 nicht, wie vom Antragstellervertreter vorgetragen, geschlossen wurde, sondern lediglich unterbrochen.
Im Übrigen handelt es sich beim Vortrag des Antragstellervertreters, der Vorsitzenden der 61. Kammer gehe es nicht um die inhaltliche Prüfung der Ablehnungsgesuche, sondern allein um die Erledigung des Prozesses, um eine reine Behauptung, für die es aus Sicht eines vernünftig denkenden Prozessbeteiligten keine Anknüpfungstatsachen gibt. Auch diese Behauptung ist daher nicht geeignet, die Ablehnungsgesuche zu begründen.
Eine ausdrückliche Stellungnahme der Vorsitzenden der 61. Kammer und der ehrenamtlichen Richter zu inneren Tatsachen, also dazu, ob vorsätzlich geltendes Recht missachtet wurde, ist nicht notwendig, da der Antragstellervertreter auch hierzu keine Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat, die irgendeinen Anhaltspunkt bieten für vorsätzliche Rechtsbeugung. Die unzutreffende Auffassung des Antragstellervertreters, jedes Abweichen von seiner Rechtsauffassung indiziere vorsätzlichen Rechtsbruch, stellt jedenfalls keinen tauglichen Anhaltspunkt dar. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich die Prüfung, ob Vorsatz anzunehmen oder zu befürchten ist, erübrigt, wenn - wie oben dargelegt - schon objektiv die Rechtswidrigkeit der Verfahrensführung nicht festzustellen ist.
Der Antragstellervertreter vermag im Übrigen auch dahingehend nicht zu überzeugen, dass ehrenamtlichen Richtern umfassende Rechtskenntnis abzuverlangen sei. Es liegt auf der Hand, dass ein Berufsrichter, der die Voraussetzungen des § 5 DRiG erfüllen muss, den ehrenamtlichen Richtern hinsichtlich der Rechtskenntnis überlegen ist, und die Ehrenamtlichen als juristische Laien zu Wortlaut, Anwendungsbereich und Auslegung von Gesetzen auf Erläuterungen des Berufsrichters angewiesen sind, um ihr gleichberechtigtes Stimmrecht sinnvoll ausüben zu können.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass an dienstliche Stellungnahmen ehrenamtlicher Richter keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind (vgl. zur dienstlichen Stellungnahme einer Schöffin: BGH, Beschluss vom 12.03.2002, 1 StR 557/01, Beck RS 2002, 3706).
Die Stellungnahmen der ehrenamtlichen Richter Z. und H. enthalten keine Äußerungen, die die Besorgnis ihrer Befangenheit befürchten ließen. Sie lassen vielmehr erkennen, dass sie sich des Kerns ihrer richterlichen Pflicht, unvoreingenommen an der Verfahrensführung und Entscheidungsfindung mitzuwirken, bewusst sind. Ausdrücklich zurückzuweisen ist insbesondere der Vorwurf der "Dreistigkeit" an die ehrenamtliche Richterin H., der wiederum allein auf der haltlosen Annahme des Antragstellervertreters beruht, jedwede von seiner Auffassung abweichende Entscheidung über Verfahrensrecht könne nur vorsätzlich rechtswidriges Handeln sein.
Auch das weitere Vorbringen des Antragstellervertreters in den Schriftsätzen vom 05.06.2023 und 13.07.2023 verhilft den Ablehnungsgesuchen nicht zum Erfolg. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zur Frage der Rücksprache mit einem "Befangenheitsrichter" und zur Frage des Vorliegens eines Vertretungsfalls Bezug genommen.
Zu Inhalt und Umfang der dienstlichen Stellungnahmen ist anzumerken, dass diese grundsätzlich im Ermessen des abgelehnten Richters stehen. Eine dienstliche Stellungnahme kann auch allein durch Bezugnahme auf den Inhalt der Akten und des Ablehnungsgesuchs erfolgen. Ungenügend ist die dienstliche Stellungnahme dann, wenn Tatsachen, die zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unverzichtbar sind, nicht mitgeteilt werden. Dies ist hier nicht der Fall. Zwar enthalten die dienstlichen Stellungnahmen keine Äußerung dahingehend, ob ein vorsätzliches Handeln dergestalt, dass Verfahrensrecht wissentlich und willentlich missachtet werden sollte, vorlag. Eine Stellungnahme hierzu ist für die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche jedoch nicht nötig, da ein solches vom Antragstellervertreter postuliertes vorsätzliches Handeln nur dann in Betracht käme, wenn die aus Sicht des Antragstellervertreters vorliegenden Verstöße gegen Verfahrensrecht objektiv als eklatante Rechtsverstöße anzusehen wären. Dies ist gerade nicht der Fall, vielmehr können die vom Antragstellervertreter thematisierten verfahrensrechtrechtlichen Fragen nur im Wege der Auslegung geltenden Verfahrensrechts beantwortet werden, was unterschiedliche Interpretationen zulässt, weshalb vorsätzlicher Rechtsbruch nicht in Betracht kommt.
Zusammenfassend sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Vorsitzende der 61. Kammer oder die ehrenamtlichen Richter Z. und H. aus Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten Anlass gegeben hätten, an ihrer Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für vorsätzliche Verstöße gegen geltendes Recht erkennbar.

Die Ablehnungsgesuche waren daher zurückzuweisen.

 

 

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