I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Betrag von 79.018,02 € zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 79.018,02 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als zweitangegangener Reha-Träger von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 79.018,02 €, die ihr durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für C., geboren xx.xx.xxxx (im Folgenden: Versicherter), entstanden sind, nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) beanspruchen kann.
Vom 27.01.2009 bis 03.03.2009 wurde dem Versicherten von der Beklagten eine medizinische Rehabilitationsleistung im Reha-Zentrum x. in B. gewährt. In dem ärztlichen Entlassungsbericht wurde unter Pkt. 11.3 ausgeführt, dass der Versicherte arbeitsunfähig entlassen werde und aus sozialmedizinischer und sozialdienstlicher Sicht eine berufliche Umorientierung für sinnvoll gehalten werde. Eine entsprechende Beratung zu Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben sei erfolgt. Zur Begründung wurde die Diskrepanz zwischen Anforderungsprofil der bisherigen Tätigkeit und dem verbliebenen Leistungsvermögen angeführt.
Am 24.02.2009 beantragte der Versicherte bei der Beklagten eine Umschulung als berufliche Rehabilitationsmaßnahme. Die Beklagte leitete den Antrag am 25.02.2009 an die Klägerin weiter und gab an, sie sei nicht zuständig. Mit Schreiben vom 05.06.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie für die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation eintrete, sie jedoch um Prüfung der Zuständigkeit wegen der vorausgegangenen medizinischen Rehabilitationsleistung bitte und ihren Erstattungsanspruch anmelde.
Mit Schreiben vom 16.07.2009 legte die Beklagte dar, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei dem Versicherten nicht erfüllt seien und während der medizinischen Rehabilitation nur eine Beratung durchgeführt worden sei. Eine Antragstellung durch den Versicherten sei nicht erfolgt und der Vorgang sei daher abgeschlossen worden.
Am 02.09.2009 bat die Klägerin die Beklagte um Überprüfung Ihrer Entscheidung und Bestätigung des Erstattungsanspruchs. Mit Schreiben vom 22.06.2010 wurde an das Schreiben vom 02.09.2009 erinnert. Am 07.12.2010 wurde an die Schreiben vom 02.09.2009 und 22.06.2010 erinnert.
Mit Schreiben vom 02.12.2013 wurde der Beklagten der Erstattungsanspruch beziffert und eine Frist zur Begleichung des Erstattungsanspruchs bis 19.12.2013 gesetzt. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 05.06.2014 den Erstattungsanspruch zurück, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Die Klägerin führte vom 07.09.2009 bis 03.11.2011 berufliche Reha-Maßnahmen für den Versicherten durch. Zunächst erfolgte vom 07.09.2009 bis 02.10.2009 eine Eignungsabklärung / Arbeitserprobung für Arbeitspädagoge Reha, ein Reha-Assessment, im Berufsförderungswerk (BfW) W. Vom 26.01.2010 bis 03.05.2010 nahm der Versicherte an einem Rehabilitationsvorbereitungslehrgang (RVL) teil. Anschließend machte der Versicherte eine Fachausbildung zum Arbeitspädagogen / Reha als Qualifizierungsmaßnahme vom 04.05.2010 bis 03.11.2011. Seit 01.02.2012 ist der Versicherte als Gruppenleiter bei der Lebenshilfe beschäftigt.
Mit Klageschrift vom 07.11.2014 reichte die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg ein.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei originär zuständig für berufliche Reha-Leistungen, da gem. § 11 Abs. 2a Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI) die Reha unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehe erforderlich wurde. Sie habe den Anspruch rechtzeitig angemeldet, zunächst dem Grunde nach und später beziffert. Die Anmeldung dem Grund nach sei am 05.06.2009 erfolgt und genüge den Anforderungen von § 111 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X).
Die Klägerin beantragt daher sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 79.018,02 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist hierzu auf § 111 SGB X, wonach die Jahresfrist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht eingehalten sei, da das Schreiben der Klägerin vom 05.06.2009 nur eine vorsorgliche Anmeldung beinhalte. Insbesondere enthalte dieses Schreiben keine Angaben über Art und Umfang der künftigen Leistungen. Zur wirksamen Anmeldung eines Erstattungsanspruchs gehören aber Grund, Art, Umfang und Zeitraum der Leistung. Bei künftigen Leistungen müsse jedoch der Rechtssicherungswille ausreichend erkennbar werden, dies sei allerdings nicht erfolgt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die Akten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten erklärten im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung per Gerichtsbescheid.
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig, §§ 51, 54 Abs. 5, 57 Abs. 1 SGG und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Aufwendungen für die erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 79.018,02 € an den Versicherten für die Zeit vom 07.09.2009 bis 03.11.2011, da die Anspruchsvoraussetzungen gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX erfüllt sind.
§ 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX lautet:
Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.
Danach besteht ein spezialgesetzlicher Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Reha-Trägers gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) grundsätzlich vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte von dem Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (BSG, Urteil vom 06.03.2013, B 11 AL 2/12 R). Vorliegend ist die Erstattungsvorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGBIX anwendbar, da die Beklagte den bei ihr eingegangenen Leistungsantrag des Versicherten am Tag des Antragseingangs an die Klägerin - und damit noch unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern gem. § 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - weitergeleitet hatte. Dementsprechend hatte die Klägerin die Leistungen an den Versicherten als zweitangegangener Reha-Träger im Sinne von § 14 SGB IX erbracht.
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs ist weiter, dass nach Bewilligung der Leistung durch den vorleistenden Reha-Träger festgestellt wird, dass der andere Träger für die Leistung zuständig ist. Eine solche Erstattungslage besteht mithin nicht, wenn der zweitangegangene Reha-Träger selbst für die erbrachte Leistung nach den Vorschriften seines Leistungsrechts zuständig ist. Dies ist aber nicht der Fall.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden gem. §§ 13 und 16 SGB VI iVm §§ 33-38 SGB IX von der Beklagten erbracht.
Nach § 11 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, die bei Antragstellung 1. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder 2. eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.
Nach § 11 Abs. 2a SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an Versicherte erbracht, 1. wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder 2. wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.
Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Leistungserbringung aus § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI, denn im Abschlussbericht der medizinischen Rehabilitation in B. wurde festgestellt, dass der Versicherte eine berufliche Umorientierung im Rahmen einer beruflichen Reha-Leistung benötigt.
Mit Wirkung vom 01.01.1993 wurde Abs. 2a durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom 18.12.1992 (BGBl. I. 2044) eingefügt und trat am 01.01.1993 in Kraft. Dadurch wurden erleichterte Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geschaffen. Der Gesetzgeber hat mit Einfügung des Abs. 2a gerade das Ziel verfolgt, eine Erweiterung der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers zu bewirken.
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI sind hier erfüllt, da das Wort "unmittelbar" dahingehend auszulegen ist, dass damit keine zeitliche Begrenzung, sondern ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der medizinischen Reha und der beruflichen Reha zu fordern ist. Spätestens bei Beendigung der medizinischen Reha-Leistung muss der Bedarf für eine berufliche Reha-Maßnahme zu Tage treten (vgl. Günniker in: Hauck/Noftz SGB, 09/11, § 11 SGB VI Rdnr. 21, 23-25). Dies ist hier gegeben, da im Abschlussbericht der medizinischen Reha die nötigen Feststellungen enthalten sind.
Das Gericht ist überzeugt, dass der Erstattungsanspruch auch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 SGB X geltend gemacht wurde.
Gem. § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Gem. Satz 2 beginnt die Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Denn die Klägerin hat bereits am 05.06.2009 den Anspruch dem Grunde nach angemeldet. Dieses Schreiben ist der Beklagten auch am 09.06.2009 zugegangen.
Zwar war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, für welchen Zeitraum die Leistungen erbracht werden müssen und die Höhe der Leistungen war auch noch nicht erkennbar. Das Gericht verweist aber hierzu auf Mutschler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 111 SGB X Rdnr. 13,16-17,20-21, wonach keine überzogenen Anforderungen an den Erstattungsanspruch zu stellen sind. Entscheidend ist, dass ein unbedingtes Einfordern vorliegt und der Wille, rechtssichernd tätig zu werden, deutlich erkennbar wird. Daher wird grundsätzlich ein konkreter Erstattungsanspruch mit den wesentlichen Umständen des Leistungsempfängers, des Leistungsgrundes und ggf. des Leistungszeitraumes gefordert.
Andererseits kann aber auch ein künftig erst noch entstehender Erstattungsanspruch geltend gemacht werden (Becker in Hauck/Noftz, SGB, 12/13, § 111 SGB X). Da es hierbei genügt, wenn der Wille des erstattungsberechtigten Leistungsträgers zur Rechtssicherung erkennbar wird, liegt hier keine nur vorsorgliche und unverbindliche Anmeldung vor. Denn die Klägerin hat eindeutig mitgeteilt, dass sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Versicherten erbringen wird, sie die Beklagte für eigentlich zuständig hält und deshalb ihren Erstattungsanspruch bereits jetzt geltend macht. Dieser letzte Satz wurde auch fett gedruckt.
Diese Anmeldung des Erstattungsanspruchs dem Grunde nach muss zur Überzeugung des Gerichts auch zur Wahrung des § 111 SGB X genügen, denn sonst macht die Geltendmachung eines künftigen Anspruchs keinen Sinn. Es liegt nämlich in der Natur der Sache, dass im Voraus noch nicht bekannt ist, wie lange und wie teuer eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme wird.
Nach alldem ist somit festzustellen, dass der Erstattungsanspruch rechtzeitig dem Grund nach angemeldet wurde und auch die Bezifferung rechtzeitig mit Schreiben vom 02.12.2013 erfolgt ist. Dieser Anspruch ist insbesondere auch nicht verjährt, da gem. § 113 SGB X der Anspruch erst in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Da die Rehabilitationsmaßnahme bis 03.11.2011 dauerte, war die Frist von vier Jahren sowohl z. Zt. der Bezifferung (02.12.2013) als auch z. Zt. der Klageeinreichung (10.11.2014) noch nicht abgelaufen. Auch eine Verwirkung des Erstattungsanspruchs liegt nicht vor.
Die Höhe der Aufwendungen für die berufliche Rehabilitationsleistung wurde von der Beklagten nicht bestritten und das Gericht konnte auch keine zu Unrecht angesetzten Aufwendungen erkennen.
Die Klage ist somit begründet. Der Klägerin steht zu Recht ein Erstattungsanspruch zu.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG (Gerichtskostengesetz). Streitig war eine bezifferte Geldforderung in Höhe von 79.018,02 €, daher war der Streitwert auf diesen Betrag festzusetzen.