L 2 SO 730/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 3354/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 730/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Gründe


I.
Zwischen den Beteiligten im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfeleistungen für Bekleidung während der Sicherungsverwahrung.

Der 1961 geborene Kläger befindet sich seit dem 04.10.2018 in der Abteilung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt F1 (JVA) zum Vollzug der Sicherungsverwahrung. Er fragte erstmals mit auf den 08.05.2020 datiertem Schreiben (gemeint wohl 08.05.2021) bei der Beklagten nach, ob und unter welchen Voraussetzungen er Bekleidungsgeld bekommen könne. Die JVA habe einen hierauf gerichteten Antrag mit der Begründung abgelehnt, er könne auch (gebrauchte) Gefangenenkleidung gestellt bekommen. Die Beklagte wertete die Anfrage als Antrag und lehnte diesen mit Bescheid vom 19.05.2021 ab.

Mit Schreiben vom 19.07.2021 teilte der Kläger mit, bei seiner Anfrage habe es sich noch nicht um einen Antrag gehandelt, sondern um eine Voranfrage. Er stelle nun einen ordentlichen Antrag auf Gewährung von Bekleidungsgeld. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.07.2021 (erneut) ab. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.08.2021 Widerspruch mit der Begründung, für die Sicherungsverwahrung gelte vorrangig nicht das StVollzG, sondern das Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg Buch 5 (Vollzug der Sicherungsverwahrung, <JVollzGB V BW>). Zur Kleidung werde in § 18 JVollzGB V BW u.a. gesagt, dass die Justizvollzugsanstalt auf Antrag Kleidung zur Verfügung stelle. Hieraus folge, dass ein Tragen von Anstaltskleidung nicht ein „Unterbringungsstandard/Regelfall“ sei, sondern sozusagen eine „beanspruchbare Notlösung“. Kein Untergebrachter trage Anstaltskleidung. Einer der Hintergründe dieser Bekleidungssituation in der Sicherungsverwahrung dürfe sein, dass Sicherungsverwahrte Strafgefangenen gegenüber besser zu stellen seien, weil ihrer Inhaftierung keine Strafen mehr zugrundeliegen würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 2 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalte. Nach § 130 StVollzG gälten für die Sicherungsverwahrung grundsätzlich die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend (§§ 3 bis 119 und 120 bis 126 StVollzG). Nach § 20 StVollzG trage der Gefangene Anstaltskleidung. Für die Freizeit erhalte er eine besondere Oberbekleidung. Der Verwahrte habe gegenüber der Vollzugsbehörde u.a. Anspruch auf volle Verpflegung (§ 21 StVollzG), Ausstattung mit Bettwäsche und Bekleidung        (§ 20 StVollzG), eine wohnliche Ausstattung seines Haftraumes unter Berücksichtigung seiner persönlichen Bedürfnisse (vgl. §§ 131, 144 StVollzG) sowie auf Taschengeld (§ 133 StVollzG). Damit sei der Bedarf gedeckt. Daneben sei für gleichartige Leistungen der Bedarfsdeckung durch Mittel der nachrangigen Sozialhilfe kein Raum (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2015 - L 15 SO 103/12 - und Beschluss vom 03.09.2009 - L 15 SO 41/09 B PKH -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 04.03.2015 - L 3 AS 94/15 B ER -). Bezüglich eines möglichen Anspruchs auf Bekleidungsbeihilfe gingen daher die Regelungen im StVollzG den Regelungen im Sozialhilferecht mit der Folge vor, dass dieses keine Anwendung finde (VG Aachen, Urteil vom 10.07.2007 - 2 K 3070/04 -). In den entsprechenden Regelungen des StVollzG werde vorausgesetzt, dass der Sicherungsverwahrte, der eigene Kleidung tragen wolle, auch über eigene Kleidung verfüge. Habe er keine eigene Kleidung, sei er gehalten, die gemäß § 20 StVollzG kostenlos zur Verfügung gestellte Anstaltskleidung zu tragen. Ein behaupteter Anspruch eines Sicherungsverwahrten auf Leistungen zur Beschaffung eigener Kleidung sei als Frage des Strafvollzugs gegenüber der JVA geltend zu machen (VG Aachen, a.a.O.). Das vom Kläger zitierte JVollzGB V regele die Ausgestaltung der Unterbringung, schaffe jedoch keine isolierte Anspruchsgrundlage für die Untergebrachten, insbesondere nicht den hier begehrten Anspruch auf eine zusätzliche, also über die Regelungen des StVollzG hinausgehende Ausstattung mit Bekleidung. So spreche selbst der zitierte § 18 JVollzGB V BW davon, dass der Untergebrachte eigene Kleidung tragen dürfe und ansonsten solche von der Justizvollzugsanstalt gestellt bekomme. Hieraus ergebe sich kein eigener Anspruch darauf, eigene Kleidung nach Wunsch zu erhalten.

Dagegen hat der Kläger am 09.11.2021 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und dazu ausgeführt, er befinde sich zur Zeit als Sicherungsverwahrter in der JVA F1. Er sei ohne Arbeit und erhalte ein „Taschengeld" i.H.v. 127,24 € und ca. 75 € für Essen.
Die Beklagte argumentiere, dass er Anstaltskleidung tragen müsse und dass hierdurch sein Bedarf für Bekleidung gedeckt sei. Eine diesbezügliche Unterstützung nach SGB XII komme somit nicht in Frage. Er verbüße allerdings keine Strafe mehr, sondern sei Untergebrachter. Die Unterbringung sei als resozialisierungsorientierte Vollzugs-Form - auch hinsichtlich der Lebensqualität - praktisch vom Regelvollzug abzugrenzen. Daher dürfe Untergebrachten auch nicht auferlegt bzw. zugemutet werden, Anstaltskleidung zu tragen; sie dürften eigene Kleidung tragen (§ 18 JVollzGB V). Seine teils eingelagerte eigene Kleidung sei teilweise aus Sicherheitsgründen in der JVA nicht erlaubt, im Übrigen zu alt und nicht mehr brauchbar. Zur Anstaltskleidung sei zu bemerken, dass diese in der Regel nicht neu, sondern gebraucht ausgehändigt werde, meist nicht richtig passe und oft auch defekt bzw. nicht mehr funktionstüchtig sei. Sie sei vorwiegend in „uni“ gehalten (meist blau) und von ihrem Erscheinungsbild in Kombination angezogen eigentlich nur anstaltsintern zumutbar. Das Erscheinungsbild eigne sich insbesondere weder für Stadtausführungen, Familienheimfahrten, geschweige Gerichtstermine. Da eine JVA aber auch kein „Sozialhilfeleister“ sei, der Regelungen und Entscheidungen auf der Grundlage des allgemeinen Sozialrechts (mit einheitlichen Sozialversorgungs-Standards) treffe, sei es durchaus angemessen, wenn er sich als Untergebrachter mit Sozialleistungs-Anträgen an Stadtverwaltungen wende. Als Untergebrachter in einer JVA dürfe er hinsichtlich seiner Ansprüche auf Sozialleistungen nicht schlechter gestellt werden als jedermann. Dies ergebe sich auch aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Alle seine Bemühungen, intern Bekleidungsgeld zu bekommen, seien erfolglos geblieben, seine Anträge hierauf abgelehnt worden. Einen diesbezüglichen Antrag bei der Strafvollstreckungskammer im Jahr 2019 habe er nach einem entsprechenden Hinweis der Kammer und wegen des Kostenrisikos zurückgenommen.

Auf Anfrage des SG hat der Leiter der JVA F1 unter dem 15.03.2022 schriftlich u.a. mitgeteilt, über die Regelungen des JVollzGB V BW sei die Versorgung der Untergebrachten in jeglicher Hinsicht abgedeckt. Bei unterschiedlicher Bewertung der Ansprüche aus dem JVollzGB V BW zwischen Untergebrachten und Anstalt stehe jenen der Rechtsweg zur Strafvollstreckungskammer offen, die ggf. die Anstalt zu weitergehenden Maßnahmen verpflichten könne. Die JVA halte in der Bekleidungskammer im Bereich der Ausstattung mit Kleidung im Bedarfsfall für jeden Insassen einen umfangreichen Kleidungsfundus vor. Voraussetzung sei, dass die Bedürftigkeit des Insassen festgestellt werde. Grundsätzlich werde dabei neuwertige Kleidung an die Insassen ausgehändigt. In der Regel gebe es keine Engpässe bei der Ausstattung mit Kleidung. Bedürftige Insassen könnten erhalten: Socken/Unterhose/Oberhose/Oberhemd/Schuhe/Pullover/Sweatshirt/Oberjacke/Gürtel. Zwischen dem Angebot für Strafgefangene und Sicherungsverwahrte werde kein Unterschied gemacht. Jeder Untergebrachte könne bei Bedarf zur Absolvierung einer Behandlungsausführung nach § 11 Abs. 3 JVollzGB V eine komplette Bekleidungsgarnitur zu seinen Effekten bekommen, die er dann stets bei der Ausführung anziehen könne.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 15.01.2024 abgewiesen. Der Kläger habe weder nach dem SGB XII noch nach dem JVollzGB V BW einen Anspruch gegen die Beklagte auf Geldleistungen zum Zwecke der Beschaffung eigener Kleidung. Weder die Verbüßung einer Freiheitsstrafe noch die Unterbringung in einer JVA würden grundsätzlich Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen ausschließen. Die Voraussetzungen der für den geltend gemachten Bedarf in Betracht kommenden sozialhilferechtlichen Anspruchsgrundlagen seien aber nicht erfüllt.
Ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 27 Abs. 1 SGB XII sei ausgeschlossen, da der Kläger den Bedarf aus seinem Vermögen bestreiten könne. Der Anspruch des Klägers gegen die JVA auf die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für Kleidung nach § 18 Satz 3 JVollzG V BW stelle ein einzusetzendes Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII dar. Ein Anspruch nach § 67 Satz 1 SGB XII sei ebenfalls ausgeschlossen, da aufgrund des Anspruchs des Klägers nach § 18 JVollzGB V BW gegen die JVA keine sozialen Schwierigkeiten resultierten, die er nicht aus eigener Kraft, nämlich durch Geltendmachung des Anspruchs, überwinden könne. Ein Anspruch nach § 73 SGB XII sei ebenfalls ausgeschlossen, da der anspruchsbegründende Bedarf der Bekleidung sachlich bereits von der Hilfe zum Lebensunterhalt erfasst sei, und somit keine „sonstige Lebenslage“ vorliege. Sonstige in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen des SGB XII seien nicht ersichtlich. Auch eine Ungleichbehandlung im Sinne des grundrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) liege nicht vor. Der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht, weil die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen, die gleichermaßen für in Freiheit lebende Hilfesuchende gelten würden, beim Kläger nicht erfüllt seien. Der Kläger könne sich schließlich gegenüber der Beklagten nicht auf § 18 Satz 3 JVollzGB V BW berufen, denn Schuldner des Anspruchs sei die Vollzugsbehörde.

Gegen das am 02.02.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.03.2024, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben und dazu ausgeführt, § 18 JVollzGB V BW gewähre Untergebrachten das Tragen eigener Kleidung. Weder in diesem Paragraphen noch in anderen Gesetzen werde jedoch bestimmt, dass bei hierfür fehlenden eigenen Mitteln nach § 20 StVollzG verfahren werden müsste, welcher Gefangenen Anstaltskleidung auferlege. § 18 JVollzGB V BW beschränke Untergebrachte im Falle der Mittellosigkeit nicht auf Anstaltskleidung, sondern gewähre darauf nur einen Anspruch.
Es sei nicht richtig, dass er seinen Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln, nämlich aus seinem Vermögen bestreiten könnte, was einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hierfür nach § 19 Abs.1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs.1 SGB XII ausschließen würde. Denn dieses „Vermögen", welches nach § 90 Abs.1 SGB XII bereits in einem Anspruch auf Erhalt von Anstaltskleidung gemäß § 18 JVollzGB V BW als vorhanden betrachtet werden solle, stelle letztendlich nur ein Vermögen dar, schäbige und entwürdigende, nicht untergebrachtengerechte Strafgefangenen-Kleidung zu bekommen. Dies würde Untergebrachten nicht nur das Recht auf Menschenwürde nach Art. 1 GG verletzen, sondern ihnen auch ihr Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung (hier persönlich zumutbare und gefällige Kleidung betreffend) nach Art. 2 GG nehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,


das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Juli 2021 und des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2021 zu verurteilen, ihm Geldleistungen zur Beschaffung eigener Kleidung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Das SGB XII sei als nachrangiges Versorgungssystem hier nicht einschlägig. Der Kläger bekomme seinen geltend gemachten Bedarf an Kleidung bereits anderweitig gedeckt.


Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 23.07.2024 und 15.10.2024 darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit besteht, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweist, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.


Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Streitgegenstand sind das Urteil des SG vom 15.01.2024 und der Bescheid der Beklagten vom 27.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2021, durch welche die Gewährung von Geldleistungen zur Beschaffung eigener Kleidung abgelehnt wurde. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass dem Kläger kein hierauf gerichteter Anspruch gegen die Beklagte nach dem SGB XII zusteht und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der weiteren Begründung auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist (lediglich) auszuführen, dass der Kläger auch nach der Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII hat. Nach der Rechtsprechung können grundsätzlich auch für Personen, die sich im Vollzug einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung befinden, sozialhilferechtliche Leistungsansprüche in Betracht kommen. Es kommt aber im Einzelfall darauf an, ob der Zweck bzw. die Eigenart des Vollzuges die Hilfeleistung ausschließen, ob der mit der Hilfeleistung verfolgte Zweck auch während der Freiheitsentziehung erreicht werden kann und schließlich, ob der geltend gemachte Bedarf anderweitig, etwa durch den Vollzugsträger, gedeckt wird, denn Sozialhilfe wird grundsätzlich nur nachrangig gewährt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.09.2015 - L 15 SO 103/12 - m.w.N.). Der Kläger ist nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen. Denn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) kann der Kläger, der grundsätzlich erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ist, wegen der Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II nicht erhalten, da er sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befindet und dort nach eigenen Angaben nicht arbeitet.

Nach § 19 Abs. 1 SGB XII ist Personen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel dieses Buches zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Hiervon ausgehend teilt der Senat die Auffassung, dass ein Anspruch auf eine Bekleidungsbeihilfe gegen die Beklagte weder aus §§ 19, 27b SGB XII noch aus sonstigen Bestimmungen des SGB XII folgt. Denn der gesamte Bedarf des Klägers, insbesondere der hier geltend gemachte Bedarf an Bekleidung bzw. Bekleidungsbeihilfe, ist anderweitig gedeckt (§ 2 Abs. 1 SGB XII).

§ 27b SGB XII beschreibt den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen. Durch das Bundesteilhabegesetz wurde der Satz 2 des Absatzes 1 hinsichtlich des Umfangs des notwendigen Lebensunterhaltes in Einrichtungen hinsichtlich Höhe und Inhalt konkretisiert. Insbesondere wurden die einzelnen Bedarfselemente der Leistungen der Grundsicherung präzisiert. Absatz 2 regelt nach wie vor den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, darunter den Barbetrag und eine Bekleidungspauschale. Die Festlegung der Höhen dieser Leistungen ist in Absatz 3 (Barbetrag) und Absatz 4 (Bekleidungspauschale) verschoben. Einrichtungen sind stationäre und teilstationäre Einrichtungen. § 27b SGB XII ist nur auf Einrichtungen im engeren sozialhilferechtlichen Sinne anwendbar.
Der Begriff der teilstationären und stationären Einrichtung wird in § 13 Abs. 2 SGB XII legaldefiniert (BSG, Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R - BSGE 106, 264 ff. Rn. 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr. 2 Rn. 12). Bei einer Einrichtung des Maßregelvollzugs handelt es sich - wie bei Strafanstalten - nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 2 SGB XII nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne des SGB XII (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 06.08.2020 - L 8 SF 3/20 B (SO) - juris Rn. 6; Busse in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 27b Rn. 41). Allerdings hat das BSG ausgeführt, dass Untersuchungsgefangene wegen der insoweit bestehenden Regelungslücke einen Anspruch auf einen Barbetrag analog § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII haben können (Urteil vom 14.12.2017 - B 8 SO 16/16 R - SozR-4-3500 § 27b Nr. 1).

Eine vergleichbare Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 27b SGB XII auch für in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) untergebrachte Personen gebieten würde, liegt zur Überzeugung des Senats nicht (mehr) vor. Denn der Gesetzgeber des Landes Baden-Württemberg hat die Regelungslücke durch Erlass des JVollzGB geschlossen, dessen Buch V den Vollzug der Sicherungsverwahrung regelt. Der Landesgesetzgeber hat insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. Art. 70 Abs. 1 GG) infolge der Föderalismusreform I vom 28.08.2006 (BGBl. I, 2034) mit der Einführung des JVollzGB BW Gebrauch gemacht. Das StVollzG gilt daher, soweit es durch das JVollzGB BW ersetzt wurde, nicht mehr als Bundesrecht fort (vgl. Art. 125a Abs. 1 GG). Gemäß § 18 JVollzGB V BW dürfen die Untergebrachten insbesondere eigene Kleidung tragen, soweit sie für Reinigung und Instandsetzung auf eigene Kosten sowie für regelmäßigen Wechsel sorgen (Satz 1 a.a.O.). (Nur) für die Arbeitszeit kann das Tragen von Anstaltskleidung angeordnet werden (Satz 2 a.a.O.). Bei weiterem Bedarf oder auf Antrag der Untergebrachten stellt die Justizvollzugsanstalt u.a. Kleidung zur Verfügung und ordnet diese persönlich zu (Satz 3 a.a.O.). Die Vorschrift räumt daher Untergebrachten zunächst einen Anspruch darauf ein, eigene Kleidung zu tragen. Verfügen Untergebrachte nicht über (ausreichend) private Kleidung, haben sie gemäß § 18 Satz 3 JVollzGB V BW einen Anspruch darauf, dass ihnen anstaltseigene Kleidung durch die JVA zur Verfügung gestellt oder ihre eigene Kleidung entsprechend ergänzt wird. Dabei sind Oberbekleidung und Unterwäsche persönlich zuzuordnen, d.h. die Verwahrten erhalten nach der Reinigung stets dieselben Stücke wieder ausgehändigt („persönliche Gefangenenbekleidung“; vgl. BeckOK Strafvollzug BW/Egerer, 19. Ed. 2023, JVollzGB V § 18 Rn. 1, 4).
Private Kleidung können die in der JVA F1 untergebrachten Sicherungsverwahrten unmittelbar vom zugelassenen Fachhandel beziehen. Der Kaufpreis kann entweder von Dritten außerhalb der Anstalt (z.B. Verwandte und Bekannte) beim Händler bezahlt oder - je nach Lage des Einzelfalls - vom freien Eigengeld oder vom Überbrückungsgeld (vgl. § 48 Abs. 3) des Untergebrachten abgebucht werden (BeckOK, a.a.O., § 18 Rn. 1, 6). Nach § 49 Abs. 2 JVollzGB V BW dürfen Untergebrachte monatlich drei Siebtel von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen (Hausgeld) und das Taschengeld nach Absatz 1 für den Einkauf oder anderweitig verwenden.

Hiervon ausgehend entspricht, wie bereits das SG im angegriffenen Urteil ausgeführt hat, die Praxis der JVA F1 ausweislich der Auskunft vom 15.03.2022 diesen gesetzlichen Vorgaben und führt zur Deckung des Bedarfs an Bekleidung. Die JVA hält danach in der Bekleidungskammer einen umfangreichen Bekleidungsfundus vor und händigt bei Bedürftigkeit grundsätzlich neuwertige Kleidung an die Insassen aus. Die dem Kläger zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, die nach seinen eigenen Angaben ca. 125 € Taschengeld und 75 € für Essen monatlich betragen, sind ausreichend, um erforderlichenfalls ergänzend eigene (neue) Bekleidung zu kaufen, sofern die von der Anstalt zur Verfügung gestellte nicht ausreicht bzw. nicht gefällt. Eine Bedarfsunterdeckung ist insoweit nicht erkennbar.
Sofern die einschlägigen gesetzlichen Regelungen des JVollzGB V BW bzw. die auf seiner Grundlage ergehenden ggf. belastenden oder abgelehnten Maßnahmen den Kläger in eigenen Rechten verletzen sollten, ist - worauf bereits das SG hingewiesen hat - Schuldner dieses Anspruchs nicht die Beklagte als Sozialhilfeträger, sondern die Vollzugsbehörde, gegen die Rechtsschutz gemäß § 83 JVollzGB V BW nach Maßgabe der §§ 109 bis 121b StVollzG bei den Strafvollstreckungskammern der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erlangen ist (s. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.09.2009 - L 15 SO 41/09 B PKH - juris Rn. 18).

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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