S 21 AY 114/25 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
21
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 21 AY 114/25 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Bestehen bei einer gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG) keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Zuweisungsbescheids in eine Arbeitsgelegenheit nach § 5 Abs. 4 AsylbLG, verringern sich im Rahmen der Interessenabwägung die Anforderungen an das öffentliche Vollzugsinteresse.

Die mit den Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG verfolgten Ziele, wie der beginnende Spracherwerb der Leistungsberechtigten, die Vermeidung negativer Auswirkungen von Beschäftigungslosigkeit und Ermöglichung sinnstiftender, tagesstrukturierender Tätigkeiten sprechen dafür, Zuweisungsentscheidungen zeitnah umzusetzen.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einem Bescheid über die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 5 AsylbLG streitig.

Der im Jahr 1975 geborene, alleinstehende Antragsteller (im Folgenden: AS) ist iranischer Staatsbürger. Er befindet sich im Asylverfahren und ist Inhaber einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Ab dem 11.03.2025 ist dem AS eine Beschäftigung als Kommissionierer bei der A G GmbH in Vollzeit 40h/Woche erlaubt. Mit Zuweisungsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 12.08.2024 wurde der AS ab dem 13.08.2024 dem Landkreis Greiz zugewiesen. Seitdem ist er in der vom Antragsgegner (AG) betriebenen Gemeinschaftsunterkunft in der R Straße in G untergebracht.

Mit Bescheiden vom 08.08.2024, 25.11.2024 bzw. 17.01.2025 bewilligte der AG dem AS ab dem 13.08.2024 Asylbewerberleistungen nach § 3 i. V. m. § 3a Abs. 1 und 2 AsylbLG; ab dem 01.01.2025 beläuft sich deren Höhe auf 245 Euro für Verpflegung, Bekleidung und Gesundheitspflege und 196 Euro für persönliche Bedürfnisse.

Mit Zuweisungsbescheid vom 07.11.2024 hatte der AG den AS beginnend ab 18.11.2024 einer Arbeitsgelegenheit nach § 5 AsylbLG bei der Kreiskrankenhaus G-R GmbH, W in G mit einem Stundenumfang von maximal 25 Stunden/Woche im Bereich von Hilfs- und Unterstützungsarbeiten in verschiedenen Bereichen des Krankenhauses zugewiesen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Hiergegen legte der AS Widerspruch ein und stellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht, der unter dem Aktenzeichen S 21 AY 1347/24 ER geführt wurde. Dort machte er zunächst geltend, dass der Bescheid die wöchentliche Arbeitszeit nicht regele und die Zusätzlichkeit der Arbeit fraglich sei, später führte er aus, dass unklar sei, ob die Arbeitsgelegenheit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 AsylbLG entspricht. Auch nach der Gesetzesänderung sei die Abgrenzung zu einem regulären Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis erforderlich.

Ab dem 16.12.2024 besucht der AS einen Integrationskurs mit einer Einsatzzeit montags bis donnerstags von 8:00 Uhr bis 11:15 Uhr. Die Arbeitsgelegenheit im Krankenhaus trat er nicht an. Das Krankenhaus teilte dem AG mit, dass es den AS gern in der IT-Abteilung beschäftigen würde, auch weil er gute Englischkenntnisse besitze. Es würde sich um unterstützende Mitarbeit bei der Programmierung des neuen Intranets, der Neuerarbeitung des Mitarbeiterportals sowie die Entwicklung eines internen Wiki-Programms handeln.

Am 27.01.2025 erließ der AG einen Widerrufs- und Zuweisungsbescheid, womit er den Bescheid vom 07.11.2024 mit Wirkung zum 07.01.2025 widerrief. Die Kreiskrankenhaus G-R GmbH habe – ohne Angaben von Gründen – mitgeteilt, dass für den AS keine Möglichkeit der Beschäftigung im Dienstleistungszentrum mehr gesehen werde. Es sei sinnlos, den AS mit einem Bescheid zu beschweren, der aufgrund der Änderung der Sachlage nicht mehr umsetzbar sei. Gleichzeitig wies der AG den AS nunmehr mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf des 30.04.2025 einer Arbeitsgelegenheit im IT/EDV-Bereich der Kreiskrankenhaus G-R GmbH mit Einsatzzeiten montags bis donnerstags 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags 5 Stunden im Zeitraum 09:00 Uhr bis 16:00 Uhr, maximal 17 Stunden/wöchentlich zu. Die Arbeitsgelegenheit entspreche der Ausbildung und bisherigen beruflichen Betätigung des AS, der angegeben habe, in seiner früheren Heimat als Programmierer tätig gewesen zu seien. Die Unterrichtszeit des Integrationskurses sei berücksichtigt worden, der AS habe hinreichend Pausenzeit und Gelegenheit, den Arbeitsort fußläufig zu erreichen. Die Tätigkeitsbeschreibung im Bescheid entsprach der o. g. Mitteilung des Krankenhauses.

Unter Ziff. 5 des Verfügungssatzes ordnete der AG die sofortige Vollziehung der Ziff. 2, 3 und 4 des Bescheides an. Als Begründung führte er u. a. aus, dass durch ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Zuweisung die Maßnahme unterlaufen werden könnte. Sinn und Zweck sei aber gerade die sofortige und unmittelbare Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit zur besseren Integration und Vorbereitung auf die nach Möglichkeit dauerhafte Aufnahme einer Arbeitstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder eine Berufsausbildung. Es solle eine sinnstiftende, tagesstrukturierende und die Sprachkenntnisse fördernde Tätigkeit angeboten werden, so dass negative Auswirkungen der Beschäftigungslosigkeit vermieden würden. Die gemeinwohlorientierten Tätigkeiten trügen dazu bei, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und ermöglichten den Leistungsberechtigen, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Im Hinblick auf die mögliche Rechtsfolge der Leistungskürzung nach § 5 Abs. 4 S. 2 AsylbLG bei unbegründeter Ablehnung sei hier eine analoge Anwendung von § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG angezeigt.

Am 27.01.2025 legte der AS über seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.01.2025 ein. Laut einem Vermerk vom 31.01.2025 (Bl. 36 VA) äußerte der AS gegenüber der Sozialbetreuung, dass ihm die Atmosphäre im Krankenhaus Greiz nicht passe und er deshalb dort nicht arbeiten möchte. Er möchte gern einem anderen Träger zugewiesen werden.

Der AS-Bevollmächtigte hat am 27.01.2025 den Eilantrag unter S 21 AY 1347/24 ER für die Zeit ab dem 07.01.2025 für erledigt erklärt. Mit Beschluss der Kammer vom 18.02.2025 wurde der Antrag abgelehnt.

Am 27.01.2025 hat der AS über seinen Bevollmächtigten einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Altenburg gestellt mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.01.2025. Gleichzeitig hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt. Zunächst bat er um Übermittlung einer Beschreibung der dem AS zugewiesenen Tätigkeit. Es bleibe unklar, ob die Arbeitsgelegenheit den Anforderungen des § 5 AsylbLG entspricht. Abstrakt betrachtet diene die Tätigkeit in einem Krankenhaus der Allgemeinheit, insoweit komme dem Wortlaut der Norm keine hinreichende Eingrenzungsfunktion zu. Nach dem Willen des Gesetzgebers bleibe weiterhin die Abgrenzung zu einem regulären Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis erforderlich. Hier sei weder aufgezeigt noch glaubhaft gemacht, dass die seitens des AS zu verrichtende Tätigkeit nicht auch regulären Arbeitsverhältnissen entspreche bzw. durch einen regulären Beschäftigten ausgeübt würde, wenn der AS es nicht tue. Durch die Arbeit des AS würde die Arbeit eines Programmierers/Mitarbeiters im IT-Bereich ersetzt. Dies entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen.

Der AS beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 27.01.2025 gegen den Bescheid vom 27.01.2025 wiederherzustellen.

Der AG beantragt sinngemäß,

den Antrag abzulehnen.

Er hält die Zweifel der AS-Seite an der Rechtsmäßigkeit der Zuweisung für nicht durchgreifend. Die Arbeitsgelegenheit sei an den Angaben des AS zu seinen beruflichen Qualifikationen orientiert und die Kommunikation sei wegen der Englischkenntnisse auch möglich. Er gehe nicht davon aus, dass eine Tätigkeitsbeschreibung im arbeitsrechtlichen Sinne zugrunde liegen müsse. Es werde sich in der Praxis erweisen, ob die Fähigkeiten und Fertigkeiten des AS ausreichen, ggf. könne ein Abbruch der Maßnahme im Interesse des Trägers oder des AS erfolgen. Die konkrete Aufgabe wäre vor Ort in Abhängigkeit der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des AS vom Träger des Krankenhauses zu bestimmen gewesen. Gedacht worden sei an unterstützende Tätigkeiten in den digitalen Arbeitsabläufen des Krankenhauses, je nach Eignung und betrieblichen Erfordernissen auch die Überwachung von Updates und die Prüfung und Sicherstellung von Hard- und Software. Gründe für eine Unzumutbarkeit der Tätigkeit seien nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung der geringen Einsatzzeiten, der Notwendigkeit von Einarbeitung und Kontrolle und Zuweisung von Aufgaben dürfte schwerlich davon auszugehen sein, dass die wirtschaftliche Nutzung der Arbeitskraft des Asylbewerbers die „treibende“ Kraft der Zuweisung der Arbeitsgelegenheit sein könne.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.01.2025 ist unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob der strittige Verwaltungsakt sofortige Geltung haben soll oder ob der Verwaltungsakt vorläufig keine Wirkung entfalten darf. Der AG hat im Bescheid vom 27.01.2025 die sofortige Vollziehung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet. Das Begehren des AS richtet sich somit auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 5). Mit dem Erfolg dieses Begehrens würden die dem AS durch den Zuweisungsbescheid auferlegten Verhaltenspflichten außer Vollzug gesetzt. Da der Bescheid offenbar weiterhin Geltung beansprucht – jedenfalls hat keiner der Beteiligten mitgeteilt, dass der AS ggf. entsprechend seiner Arbeitserlaubnis zwischenzeitlich einer Beschäftigung nachgeht – ist auch vom fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen (vgl. hierzu Burkiczak in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2025, § 86b Rn. 162). 

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den AG ist formell rechtmäßig getroffen worden, insbesondere genügt die Begründung den besonderen Erfordernissen (vgl. Keller, a. a. O., § 86a Rn. 21b). Die umfangreiche Begründung auf Seite 4 des Bescheides vom 27.01.2025 enthält die Gesichtspunkte, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat. Sie lässt erkennen, warum nach Ansicht des AG auch gerade bezogen auf den konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen überwiegt (zu den Anforderungen vgl. z. B.: LSG Hessen, Beschluss vom 29.12.2008 - L 7 SO 62/08 B ER).

Die Vollzugsanordnung war auch materiell rechtmäßig, da bei der Interessenabwägung das Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse überwiegt.

Zwar ist in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG im Rahmen der Prüfung von § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG das Regel-Ausnahmeverhältnis umgekehrt wie in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1–4 SGG. Bei § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG spricht die Ausgangsregel des § 86a Abs. 1 SGG dafür, dass im Zweifel das öffentliche Vollzugsinteresse zurückzustehen hat (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 23.03.2011 – L 11 KA 97/10 B ER; Keller, a. a. O., § 86b Rn. 12d). Dem gegen eine Zuweisungsentscheidung eingelegten Widerspruch kommt grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu, zumal § 5 AsylbLG in § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG nicht genannt ist (vgl. Bayerisches LSG, Beschl. v. 20.12.2023 – L 8 AY 45/23, Rn. 29; Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 5 AsylbLG, Rn. 73; anders als bei einem etwaigen späteren Aufhebungsbescheid).

Bei der im Rahmen des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht vorzunehmenden Abwägung sind aber maßgeblich auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen (vgl. Keller, a. a. O., § 86a Rn. 22a; LSG Hessen, Beschl. v. 29.12.2008 - L 7 SO 62/08 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.11.2016 – L 7 SO 3546/16 ER-B, Rn. 14). Nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Gerichts bestehen hier keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheids, so dass sich bei fehlenden Erfolgsaussichten für den Widerspruch gleichzeitig die Voraussetzungen an das besondere Vollziehungsinteresse verringern.

Nach § 5 Abs. 4 AsylbLG sind arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Der AS ist Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, da er über eine Aufenthaltsgestattung verfügt. Er ist arbeitsfähig - für etwas anderes fehlen Anhaltspunkte -, nicht erwerbstätig und nicht mehr im schulpflichtigen Alter. Auch die sonstigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1-3 AsylbLG lagen vor.

Das Kreiskrankenhaus G-R GmbH ist eine Einrichtung eines kommunalen Trägers i. S. d. Abs. 1. Das angestrebte Arbeitsergebnis – unterstützende Mitarbeit bei Programmierung eines Intranets, der Neuerarbeitung eines Mitarbeiterportals und internen Wiki-Programms – diente der Allgemeinheit. Auf das Merkmal der Zusätzlichkeit kommt es seit der Gesetzesänderung mit Wirkung ab 27.02.2024 (Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21.02.2024) nicht mehr an. Nach der Gesetzesbegründung soll die Anpassung den Ländern und Kommunen gerade ermöglichen, die nach dem AsylbLG bestehenden Regelungen zu Arbeitsgelegenheiten in breiterem Maße zu nutzen (BT-Drs. 20/10090, S. 23). Eine enge Auslegung erscheint daher nicht angezeigt.

Der Allgemeinheit dienen Arbeitsergebnisse von Arbeiten, die wettbewerbsneutral sind, nicht überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen (Gewinnerzielung) oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dienen. Die Regelungen des § 16d SGB II können entsprechend herangezogen werden (vgl. Frerichs, a. a. O., § 5 Rn. 43; Birk in: LPK-SGB XII, 13. Aufl. 2024, AsylbLG § 5 Rn. 6). Das Allgemeinwohlinteresse ist zu bejahen, wenn die Tätigkeiten der Erfüllung von Aufgaben dienen, die im weiteren Sinne der öffentlichen Hand obliegen. Als gemeinnützig sind Arbeiten anzusehen, die unmittelbar den Interessen der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet dienen. Zu den denkbaren Betätigungsfeldern rechnen z. B. die Förderung von Landschafts- und Denkmalschutz, Kunst und Kultur, Wissenschaft, Bildung und Erziehung, Altenpflege, Religion, Sport, Entwicklungshilfe oder öffentlichem Gesundheitswesen einschließlich Pflege (vgl. Voelzke in: Hauck/​Noftz, SGB II, 2024, § 16d Rn. 86).

Vorliegend bezieht sich der AS-Bevollmächtigte mit seinem Vortrag zur fraglichen Abgrenzung der Arbeitsgelegenheit von einem regulären Beschäftigungsverhältnis hauptsächlich darauf, dass durch die Arbeit des AS die Arbeit eines Programmierers bzw. Mitarbeiters im IT-Bereich ersetzt würde. Abgesehen davon, dass der AG ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die konkreten Arbeitsaufgaben erst vor Ort in Abhängigkeit der tatsächlichen Einsatzfähigkeit und Vorkenntnisse des AS hätten eruiert werden sollen, geht aus den vorliegenden Mitteilungen des Krankenhausträgers nicht hervor, dass es sich um Tätigkeiten handeln sollte, die üblicherweise von regulären Beschäftigten erbracht werden.

Da ausdrücklich von „unterstützender Mitarbeit“ die Rede ist, dürfte es sich hier nicht um eine Aufgabenübertragung zur selbständigen und eigenverantwortlichen Ausführung, sondern um Hilfsarbeiten bei einfachen Programmier- und Entwicklungstätigkeiten bzw. im gesamten Bereich der digitalen Arbeitsabläufe handeln, die sich auf vielfältige Art und Weise darstellen können. Auch wäre die vom AG angesprochene Überwachung von Updates oder Prüfung von Hard- und Software sicherlich nicht zwangsläufig nur von angestellten IT-Fachleuten zu erbringen. Insofern ist nicht ersichtlich, dass im Rahmen der Arbeitsgelegenheit eine mit einer Beschäftigung eines IT-Mitarbeiters auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vergleichbare Tätigkeit ausgeübt würde. Darüber hinaus sprechen die kurze Dauer des vorgesehenen Einsatzes für nur drei Monate und die begrenzten täglichen Arbeitszeiten, die notwendige Einarbeitung des AS und enge Begleitung durch vorhandene Mitarbeiter eher dagegen, dass der Krankenhausträger hiermit deutliche erwerbswirtschaftliche Vorteile anstrebt bzw. generiert.

Die Arbeitsgelegenheit war für den AS ausreichend bestimmt nach ihrer Art sowie ihrer räumlichen und zeitlichen Ausgestaltung. Es war angegeben, bei welchen Handlungen im IT/EDV-Bereich ein Einsatz in Betracht kam, an welchem Ort und in welchem zeitlichen Umfang die Arbeit erfolgen sollte (der Umfang von maximal 17 Stunden ist nicht zu beanstanden, vgl. z. B. Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 5 AsylbLG, Rn. 18; Birk, a. a. O., § 5 Rn. 6). Selbst die Lage der Arbeitsstunden an den einzelnen Wochentagen war bereits weitgehend im Zuweisungsbescheid bestimmt. Für den Freitag war dies nicht unbedingt erforderlich ist. Denn es kann genügen, wenn die konkrete Bestimmung des täglichen Beginns und des Endes dem Träger überlassen wird (ebenso Bayerisches LSG, Beschl. v. 20.12.2023 – L 8 AY 45/23 B, Rn. 45), zumal so die Möglichkeit der individuellen Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten nach dessen Verfügbarkeit oder Wünschen eröffnet bleibt. Betreffend die Tage Montag bis Donnerstag wurde Rücksicht auf den vom AS wahrgenommenen Integrationskurs genommen und beachtet, dass genügend Pausen- und Wegezeit verbleibt. Dass die Arbeitsgelegenheit neben dem Besuch des Integrationskurses nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Das Krankenhaus ist von der Gemeinschaftsunterkunft aus fußläufig oder mit dem Bus zu erreichen. 

Auch ansonsten sind keine Gründe vorgebracht oder ersichtlich, aus denen sich Zweifel an der Zumutbarkeit der Arbeitsgelegenheit für den AS ergeben würden. Es liegt auch keiner der in § 11 Abs. 4 SGB XII (i. d. F. bis 31.12.2022) genannten Gründe für eine Unzumutbarkeit vor. Insbesondere hat der AS auf die explizite Fragestellung des Gerichts, welche konkreten Einwände dieser gegen die Arbeitsgelegenheit für sich geltend macht, keinerlei einzelfallbezogene Ausführungen gemacht. Aus der Verwaltungsakte geht hervor, dass der AS wohl eine persönliche Abneigung gegen die Arbeitsatmosphäre im Krankenhaus G hat. Dies hat er jedoch auch im Gespräch mit der Sozialbetreuung am 31.01.2025 nicht genauer begründet und im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens überhaupt nicht thematisiert. Insofern bleiben die Beweggründe des AS, sich den zugewiesenen Arbeitsgelegenheiten vollständig zu entziehen, obwohl der AG ihm bereits im Hinblick auf die anzunehmenden Interessen und Fähigkeiten entgegenkam, letztlich im Dunkeln. Auch zu der nunmehr seit 11.03.2025 eröffneten Möglichkeit einer Beschäftigung als Kommissionierer bei der A G GmbH hat der AS trotz Anfrage des Gerichts keinerlei Erklärung abgegeben.

Im Rahmen der Interessenabwägung sind schließlich die Folgen, die eintreten würden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet und dann ein Rechtsbehelf Erfolg haben würde, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet und ein Rechtsbehelf keinen Erfolg haben würde (vgl. Keller, a. a. O., § 86a Rn. 20a). Die Kammer hält unter besonderer Berücksichtigung der Ziele, die nach dem gesetzgeberischen Willen mit § 5 Abs. 1, 4 AsylbLG verfolgt werden, das Vollzugsinteresse im Ergebnis für überwiegend. Neben den Zielen der gesellschaftlichen Teilhabe, des beginnenden Spracherwerbs und einer ersten Heranführung an den Arbeitsmarkt (BT-Drs. 18/8615, 36; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 5 Rn. 3) erfordern vor allem die vom AG genannte Vermeidung negativer Auswirkungen von Beschäftigungslosigkeit und Ermöglichung sinnstiftender, tagesstrukturierender Arbeiten eine zeitnahe Umsetzung der Aufgabenübertragung. Diese Ziele sind nur sinnvoll zu erreichen, wenn die Arbeitsgelegenheiten so früh wie möglich begonnen und durchgeführt werden und nicht erst mit einer bei einem Widerspruchsverfahren ggf. monatelangen Verzögerung. Die unmittelbare Heranziehung des AS erscheint im Hinblick auf die stets unter Berücksichtigung aktueller Verhältnisse bzw. Änderungen in den persönlichen Umständen zu prüfende Zumutbarkeit auch verhältnismäßig. Demgegenüber hat der AS – wie bereits ausgeführt – nichts dazu vorgetragen, inwiefern mit der unmittelbaren Aufnahme der unterstützenden Mitarbeit im IT-Bereich des Krankenhauses und Durchführung bis zur Entscheidung über den Widerspruch für ihn irreparable Folgen verbunden sein sollten. Auch der Kammer sind solche negativen und nicht rückgängig zu machenden Auswirkungen nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Soweit der AS die Gewährung von PKH beantragt hat, konnte auch dieser Antrag keinen Erfolg haben. Aus den zuvor dargelegten Gründen hatte der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von vornherein keine hinreichende Erfolgsaussicht, § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO.

Rechtskraft
Aus
Saved