S 1 AS 599/24 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 599/24 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 188/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Der Antrag wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Mit Bescheid vom 08.07.2024 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2024 bis 31.01.2025 in Höhe von monatlich 692,10 Euro. Unter dem 27.08.2024 führte die Antragsgegnerin ein Kontenabrufersuchen beim Bundeszentralamt für Steuern durch. Diesem war zu entnehmen, dass der Antragsteller zu 1) neben zahlreichen bereits geschlossenen Konten Kontoinhaber eines Kontos bei der F. AG (DEXXXX1), Verfügungsberechtigter für ein Konto bei der G. Sparkasse (DEXXXX2), Kontoinhaber der Konten bei der H. Bank AG (DEXXXX3 und DEXXXX4) sowie Inhaber eines Schließfaches bei der H. Bank (XXXX5) sei. Zudem sei er Kontoinhaber eines Kontos bei der K. Bank AG. Die Antragstellerin zu 4) sei ebenfalls neben bereits geschlossenen Konten Inhaberin eines Kontos bei der H. Bank (DEXXXX6) sowie Kontoinhaberin eines Kontos bei der K. Bank AG (DEXXXX7). Mit Schreiben vom 16.09.2024 stellte die Antragsgegnerin die laufenden Leistungen vorläufig ein und hörte den Antragsteller zu 1) zu der vorläufigen Zahlungseinstellung an. Dies begründete sie damit, dass nach den Informationen der Antragsgegnerin der Antragsteller zu 1) Einkommen aus Selbstständigkeit (A. und M. GbR) seit Beginn des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II habe, das er nicht angegeben habe. Des Weiteren würden Bankkonten existieren, die er nicht angegeben habe und die im Rahmen eines Kontoabrufverfahrens festgestellt worden seien. Unter dem 16.09.2024 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu 1) unter anderem zur Vorlage der Kontoauszüge für die sich aus dem Kontoabrufverfahren ergebenden Konten des Antragstellers zu 1) sowie der Antragstellerin zu 4) auf. Der Antragsteller zu 1) reichte daraufhin bei der Antragsgegnerin eine Bescheinigung einer Gewerbeanzeige der Stadt Neu-Isenburg ein, aus der sich ein am 01.02.2020 angemeldetes und am 31.12.2021 abgemeldetes Einzelunternehmen des Antragstellers zu 1) ergab. Zudem erklärten die Antragsteller mit anwaltlichen Schreiben vom 25.09.2024, dass es sich bei den Konten der H. Bank um Geschäftskonten handele, die alle mit Ende der Firma beendet worden seien. Von den Konten bei der F., mit der Kontonummer X1 am Ende, den Konten bei der Sparkasse G., sowie weiteren Konen bei der L. und der N. habe der Antragsteller zu 1) keine Kenntnis. Mit Bescheid vom 15.10.2024 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 08.07.2024 zum 30.09.2024 auf. Dies begründete die Antragsgegnerin damit, dass Kontoauszüge folgender bestehender Konten nicht vorgelegt worden seien: 

Konten der Antragstellerin zu 4): 
- H. Bank AG DEXXXX6 Errichtungsdatum: 20.11.2020 (fortbestehend) 
- K. Bank AG DEXXXX7 Errichtungsdatum: 30.04.2023 (fortbestehend)
Konten des Antragstellers zu 1)
- F. AG DEXXXX1 Errichtungsdatum: 09.10.2008 (fortbestehend) 
- G. Sparkasse DEXXXX2 Kontoinhaber: P. Verfügungsberechtigter: A. A. Errichtungsdatum: 18.01.2006 (fortbestehend) 
- H. AG DEXXXX3 Errichtungsdatum: 12.10.2020 (fortbestehend) 
- H. Bank AG DEXXXX4 Errichtungsdatum: 09.08.2024 (fortbestehend) 
- H. Bank AG DEXXXX3 Kontoinhaber: M. Wirtschaftlich Berechtigter: A. A. Errichtungsdatum: 12.10.2024 (fortbestehend) 
- H. Bank SFXXXX5 Errichtungsdatum: 19.10.2023 (fortbestehend) 
- K. Bank AG DEXXXX8 Errichtungsdatum: 07.02.2023 (fortbestehend)

Darüber hinaus sei zwar eine Gewerbeabmeldung eingereicht worden. Beide Gesellschafter hätten jedoch weiterhin eine Verfügungsberechtigung für das Konto des jeweils anderen. Das Geschäftskonto habe zudem weit über die Gewerbeabmeldung hinaus bestanden. Die Auflösung der Konten sei erst im Februar 2024 erfolgt, die Gewerbeabmeldung sei jedoch bereits auf das Jahr 2021 datiert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.10.2024 erhob der Antragsteller zu 1) Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.10.2024. Hierbei verwies er im Wesentlichen auf den Vortrag vom 25.09.2024. Zudem reichte er eine Erklärung der H.-Bank vom 14.10.2024 ein, in der diese die Auflösung des Kontos der Antragstellerin zu 4) mit der Kontonummer DEXXXX6 bestätigt. Die Erklärung enthält einen handschriftlichen Zusatz, dass das Konto am 30.08.2021 aufgelöst worden sei. Zudem reichte er eine Erklärung der H. Bank ein, in der diese erklärt, dass die Konten DEXXXX3, DEYXXX3, DEXXXX4, DEYXXX4 nicht mehr vorhanden seien, d.h. auch kein Zugriff des Antragstellers zu 1) mehr auf diese Konten bestehe. Zudem erklärt die H. Bank, dass das Konto DEXXXX4 mit der Person des Antragsstellers/Verknüpfung nicht in ihrem Hause existiere. 

Am 23.10.2024 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt gestellt. 

Die Antragsteller begründen ihren Antrag im Wesentlichen mit dem Vortrag aus dem Widerspruch. Zudem würden sie aktuell nur vom Kindergeld und dem Einkommen der Antragstellerin zu 4) (ca. 800-900 Euro) leben. Aufgrund der Aufhebung der Leistungen würden sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. 

Die Antragsteller beantragen, 

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, 
den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verweist im Wesentlichen auf Ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Es bestünden weiterhin Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger nicht ausreichend dargelegt seien. In Bezug auf die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers zu 1) sei trotz Gewerbeabmeldung im Jahr 2021 das Geschäftskonto erst im Februar 2024 aufgelöst worden und nicht auszuschließen, dass bis zur Auflösung hierüber Buchungen abgewickelt worden seien und ein Guthaben bestanden habe. Die Konten bei der H.-Bank AG seien zwar laut Schreiben der H.-Bank AG vom 09.10.2024 nicht mehr vorhanden, hätten jedoch zum Zeitpunkt des Kontenabrufverfahrens im August 2024 noch bestanden. Kontoauszüge seien nicht vorgelegt worden. In Bezug auf den Inhalt des Schließfachs bei der H.-Bank seien keine Nachweise über den Inhalt und die Herkunft etwaiger Wertsachen vorgelegt worden. Zudem seien die Kontoauszüge des seit dem Jahr 2008 bestehenden Kontos des Antragstellers zu 1) bei der F. nicht vorgelegt worden. Auch die Kontoauszüge des Kontos bei der Sparkasse L. der Frau P., über das der Antragsteller zu 1) die Verfügungsbefugnis besitze seien nicht vorgelegt worden, sowie auch keine Guthaben weiterer bereits geschlossener Konten des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 4) mitgeteilt worden. 

Unter dem 03.01.2025 hat das Gericht die Antragsteller zur Vorlage der aktuellen Kontoauszüge der letzten drei Monate des noch bestehenden Kontos DEXXXX1 bei der F. AG des Antragstellers zu 1., sowie des Kontos DEXXXX2, über das der Antragsteller zu 1. verfügungsberechtigt ist, gebeten. Außerdem hat es um Übersendung einer Stellungnahme über den Inhalt des vorhandenen Schließfaches bei der H. Bank XXXX5 des Antragstellers zu 1., sowie ggf. hierüber vorliegender Nachweise gebeten.

Weitere Kontoauszüge wurden in der Folge nicht eingereicht. Die Antragsteller verweisen auf ihren Vortrag bezüglich der Konten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen.


II.

Der Antrag ist zulässig aber unbegründet. 

Für den Zeitraum vom 23.10.2024 bis 31.01.2025 ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15.10.2024 gemäß § 86 b Abs. 1 S.1 Nr. 2 Alt. 1 SGG statthaft. Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG iVm § 39 Nr. 1 SBG II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der – wie vorliegend der Fall- Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. 
Bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides gegen das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Es sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht besteht. Sind die Erfolgsaussichten nicht absehbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung. Es gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten umso geringer, je schwerer die Verwaltungsmaßnahme wirkt. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. § 86b Rn. 12f.). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG im Sinne einer generalisierten Interessenbewertung eine Grundsatzentscheidung zugunsten des Vollzugsinteresses getroffen hat (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 29. August 2011 - B 6 KA 18/11 R - juris, Rn. 12; vgl. schon Senatsbeschluss vom 4. September 2017 - L 2 AS 397/17 B ER - juris) (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Mai 2019 – L 2 AS 125/19 B ER).

Vorliegend war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23.10.2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.10.2024 nicht anzuordnen, da der Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.10.2024 nicht offensichtlich rechtswidrig ist, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache darüber hinaus jedoch offen sind und im Rahmen einer Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin nicht überwiegt. 

Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung vorläufig bewilligter Leistungen für die Zukunft ist § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II. Demnach ist die vorläufige Entscheidung nach Absatz 1 für die Zukunft zurückzunehmen, soweit sie rechtswidrig ist. Zwar stützte die Antragsgegnerin die Aufhebung der Leistungen im Bescheid vom 15.10.2024 explizit auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der besagt, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. In Abgrenzung dazu regelt § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II den Fall einer von Anfang an auf unzutreffenden Annahmen basierenden rechtswidrigen vorläufigen Entscheidung.  
Vorliegend bestanden die Konten der Antragsteller bereits bei Erlass des Leistungsbescheids am 08.07.2024, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt der Antragsgegnerin noch nicht bekannt waren. Zur Feststellung der Änderung kommt es weder auf die im ursprünglichen Bescheid genannten noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung – oder später – angenommenen Verhältnisse an, sondern auf die bei Erlass des Bescheides in Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung (BeckOGK/Sandbiller, 15.11.2024, SGB X § 48 Rn. 24). Die Tatsache allein, dass die Antragsgegnerin den Aufhebungsbescheid vom 15.10.2024 auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt hat, führt allein jedoch noch nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Denn das Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2011 - B 4 AS 22/10 R Rn. 26). Nichts Anderes kann auch für § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II gelten. Insbesondere erfordert eine Aufhebung nach § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II wie auch § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X keine Ermessensentscheidung. 
Auf der Grundlage des § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II erweist sich der Bescheid vom 15.10.2024 für die Zukunft nicht als offensichtlich rechtswidrig.
Für die Vergangenheit schließt § 41a SGB II eine Anpassung zu Ungunsten des Leistungsberechtigten mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß §§ 45; 48 SGB X nicht grundsätzlich aus (vgl. Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 41a (Stand: 21.08.2024) Rn. 43). Auch auf der Grundlage des § 45 SGB X ist die Rücknahme für die Vergangenheit ab dem 30.09.2024 entsprechend der obigen Ausführungen zum Ersetzen der Rechtsgrundlage jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig, da auch die Rücknahme nach § 45 SGB X gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III eine gebundene Entscheidung ist, sofern die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen. Es ist vorliegend nach summarischer Prüfung im Eilverfahren zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Leistungsbescheid vom 08.07.2024 auf Angaben beruht, die die Antragsteller zumindest grob fahrlässig unvollständig gemacht haben. Auch die Rücknahme für die Vergangenheit ist somit nicht offensichtlich rechtswidrig. Auch der Umstand, dass die Antragsteller vor Erlass des Aufhebungsbescheids vom 15.10.2024 nicht von der Antragsgegnerin angehört worden sind, vermag nicht zum Erfolg des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz führen. Solange eine Heilung durch Nachholung der Anhörung im Hauptsacheverfahren noch möglich ist, ist keine endgültige Rechtsverletzung und damit auch keine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache gegeben (vgl. LSG Hessen (6. Senat), Beschluss vom 06.02.2024 – L 6 AS 413/23 B ER).
 
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Ob die Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II waren, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Insoweit kommt es entscheidend auf die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller an, welche mangels Vorlage der Kontoauszüge des Antragstellers zu 1) des Kontos DEXXXX1 bei der F. AG, sowie der weiteren angeforderten Kontoauszüge zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend geprüft werden können. 

Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung überwiegt vorliegend das Aussetzungsinteresse der Antragsteller nicht gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Zu berücksichtigen ist zunächst der gesetzgeberische Wille in Bezug auf die sofortige Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Zwar war vorliegend zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigen, dass es sich bei den aufgehobenen Leistungen um existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II handelt und dass den Antragstellern bei unrechtmäßiger Nichtgewährung der Leistungen ein Leben unterhalb des Existenzminimums droht. Auf der anderen Seite war jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 4) einer Erwerbstätigkeit nachgeht und monatlich ca. 900,00 Euro verdient. Darüber hinaus beruhen die Zweifel der Antragsgegnerin an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller darauf, dass bei Antragstellung nicht alle zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Konten mitgeteilt wurden und auch im Rahmen dieses Verfahrens trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Beklagte und das Gericht, die angeforderten Kontoauszüge insbesondere des Kontos des Antragstellers zu 1) DEXXXX1 bei der F. AG nicht vorgelegt wurden. Es obliegt den Antragstellern selbst, die Zweifel an der Hilfebedürftigkeit zu beseitigen und die angeforderten Kontoauszüge vorzulegen oder alternativ, sofern sie vortragen, dass die Konten nicht bestehen würden oder keine Kenntnis von den Konten besteht, Belege der entsprechenden Bank vorzulegen, die nachweisen, dass die Konten nicht mehr vorliegen.

Für den Zeitraum ab dem 01.02.2025 ist der Antrag auf vorläufige Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt hierfür einen Anordnungsanspruch, das heißt einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, sowie einen Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Entscheidend ist, ob es dem Antragsteller bei einer Interessenabwägung nach den Umständen des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, weil in der Zwischenzeit irreversible Nachteile drohen.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sich beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen solchen verzichtet werden kann (Landessozialgericht – LSG - Hessen Beschl. v. 9.12.2021 – L 4 SO 218/21 B ER). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen. Hierbei ist die Obliegenheit zur Glaubhaftmachung nicht auf das Tatsächliche beschränkt, sondern verlangt die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes selbst (vgl. LSG Hessen v. 04.07.2022 - L 8 KR 125/22 B ER). Welche Anordnung zu treffen ist, beurteilt sich gemäß Abs. 2 Satz 4 iVm § 938 Abs. 1 ZPO nach dem Ermessen des Gerichts (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 30).
Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Gemäß § 7 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II haben Personen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, die hilfebedürftig sind. Aufgrund der obigen Ausführungen haben die Antragsteller trotz Aufforderung durch das Gericht nicht alle Kontoauszüge ihrer bestehenden Konten, insbesondere nicht die Kontoauszüge des Antragstellers zu 1) des Kontos DEXXXX1 bei der F. AG vorgelegt und damit nicht glaubhaft gemacht, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern können. Da ein Anordnungsanspruch bereits nicht gegeben ist, kam es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes vorliegend nicht mehr an. 

Der Antrag war daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
 

Rechtskraft
Aus
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