Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Februar 2025 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt A1, G1, beigeordnet.
Gründe
Die am 17. März 2025 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 17. Februar 2025 bei dem SG eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerde ist auch insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, denn der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den Betrag von 750 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Antragsteller hat insoweit klargestellt, dass er auch im Beschwerdeverfahren nicht nur die (vorläufige) Gewährung von Leistungen nach § 3, § 3a AsylbLG unter Ansatz der Regelbedarfsstufe 1 statt 2 begehrt (monatliche Differenz: 44,00 Euro), sondern daneben weiterhin die Anwendung der Besitzstandsklausel des § 28a Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 3a Abs. 4 AsylbLG und damit die Berücksichtigung der für 2024 geltenden Regelbedarfssätze (monatliche Differenz bezüglich der Regelbedarfsstufe 1: 19,00 Euro). Unter Ansatz einer Leistungsdauer von maximal zwölf Monaten zur Bemessung des Beschwerdewerts im Eilverfahren (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. Dezember 2016 – L 8 AY 51/16 B ER – juris) ergibt sich mithin ein Betrag von 756,00 Euro.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Das SG hat den am 29. Januar 2025 eingegangenen und auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichteten Eilantrag des Antragstellers zu Recht als unbegründet abgelehnt. Denn hinsichtlich des Ansatzes der für 2024 festgesetzten Regelbedarfssätze – gleich welcher Regelbedarfsstufe – anstelle der für 2025 geltenden ist bereits kein Anordnungsanspruch und hinsichtlich der Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 statt 2 im Rahmen der dem Antragsteller gewährten Leistungen nach § 3, § 3a AsylbLG jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Selbst wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet ist, vermindern sich zwar die Anforderungen an den Anordnungsgrund, aber auch in diesem Fall kann auf einen Anordnungsgrund nicht verzichtet werden (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Juli 2021 – L 7 AY 1929/21 ER-B – juris; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rdnr. 29).
Wie das SG in dem Beschluss vom 17. Februar 2025 bereits zutreffend ausgeführt hat, enthält das AsylbLG keine der Regelung des § 28a Abs. 5 SGB XII entsprechende Besitzstandsklausel für den Fall, dass ansonsten – wie vorliegend – die Fortschreibung der Regelbedarfe zu einer Verringerung der Regelbedarfshöhe führt. Insbesondere ist § 28a Abs. 5 SGB XII nicht über § 3a Abs. 4 AsylbLG anwendbar, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt. Nach § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG werden die „Geldbeträge nach den Absätzen 1 und 2 […] jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach § 40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben.“ § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG bezieht sich damit nicht auf § 28a SGB XII (in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII) in Gänze oder auch nur umfassend auf die in den Absätzen 2 bis 5 des § 28a SGB XII geregelte Fortschreibung (vgl. § 28a Abs. 1 SGB XII) als solche, sondern einzig auf die nach den Maßgaben des § 28a SGB XII ermittelten Veränderungsraten, welche eine Grundlage für die Basisfortschreibung und die ergänzende Fortschreibung bilden und – ausschließlich – in den Absätzen 2 bis 4 des § 28a SGB XII geregelt werden (s. auch Siefert, jurisPR-SozR 22/2024 Anm. 1). § 28a Abs. 5 SGB XII beinhaltet gerade keine die Veränderungsraten betreffende Regelung, sondern eine Ausnahme von der Anwendung des Ergebnisses der Fortschreibung: „Ergeben sich aus der Fortschreibung nach den Absätzen 2 bis 4 für die Regelbedarfsstufen Eurobeträge, die niedriger als die im Vorjahr geltenden Eurobeträge sind, gelten die für das Vorjahr bestimmten Eurobeträge solange weiter, bis sich aus einer nachfolgenden Fortschreibung höhere Eurobeträge ergeben.“ Da § 3a AsylbLG einzig die Heranziehung der vorgenannten Veränderungsraten bestimmt, ergibt sich auch aus der Einbeziehung der RBSFV 2025 kein anderes Ergebnis, welche in ihrem § 1 Abs. 1 die maßgeblichen Veränderungsraten konkret benennt. Soweit daneben § 1 Abs. 2 RBSFV die Anwendung des § 28 Abs. 5 SGB XII aufgrund der nach der Fortschreibung niedrigeren Eurobeträgen der Regelbedarfsstufen beinhaltet, ist dies schlicht von § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG nicht erfasst.
Anderes ergibt sich – entgegen der in dem Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 14. Februar 2025 (S 16 AY 11/24 ER) vertretenden Auffassung, auf welche sich der Antragsteller beruft – auch nicht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. September 2014 (BT-Drs. 18/2592, S. 25), welcher der Einführung des § 3 Abs. 4 AsylbLG in der Fassung vom 23. Dezember 2014 (a. F.) zugrunde lag. In dem Gesetzentwurf heißt es u.a. „Die im Gesetz für das Jahr 2014 festgeschriebenen Beträge zum Bargeldbedarf und den Geldbeträgen nach Absatz 2 ergeben sich durch Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten Beträge. Dabei wurden die bei den Regelbedarfen nach dem SGB XII vorgenommenen Fortschreibungen exakt nachvollzogen. Dies betrifft sowohl die Veränderungsraten als auch die einzelnen Berechnungsregeln.“ In dem vorgenannten Beschluss wird hierzu ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mithin die bei den Regelbedarfen nach dem SGB XII vorgenommenen Fortschreibungen im Anwendungsbereich des AsylbLG „exakt nachvollzogen“ werden sollten und die Fortschreibung unzweifelhaft die Bestandsschutzregel des Absatz 5 enthalte, bei welcher es sich ersichtlich um eine Berechnungsregel handele. § 3a Absatz 4 AsylbLG verweise nach dem Willen des Gesetzgebers auf den gesamten § 28a SGB XII und damit auch auf § 28a Abs. 5 SGB XII und nicht lediglich isoliert auf einzelne Absätze des § 28a SGB XII, da der Verweis auf die „einzelnen Berechnungsregeln“ in der Gesetzesbegründung anderenfalls völlig überflüssig gewesen wäre.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass auch § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. lediglich bestimmt hat, dass die Fortschreibung der Regelbedarfe entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII erfolgt – und gerade nicht schlicht entsprechend der Fortschreibung als solcher. Weiter handelt es sich bei § 28a Abs. 5 SGB XII nach hiesiger Auffassung auch nicht um eine Berechnungsregel, sondern eine Bestimmung, welche eine Abweichung von dem nach den Berechnungsregeln gefundenen Ergebnis erlaubt bzw. vorgibt. Insbesondere aber konnte der 2014 verabschiedete und 2015 in Kraft getretene § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG a.F. die Besitzschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII bereits deswegen noch nicht einbeziehen und konnte diese auch nicht in der entsprechenden Gesetzesbegründung (mit-)gemeint gewesen sein, weil § 28a Abs. 5 SGB XII erst mit dem Bürgergeld-Gesetz vom 16. Dezember 2022 eingeführt worden und am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist.
Soweit der Antragsteller schließlich hinsichtlich der Berechnung der Veränderungsrate der Regelbedarfe im AsylbLG die Besorgnis äußert, dass Güter in die Berechnung eingeflossen sein könnten, die in dem Grundbedarf gar nicht enthalten seien, lässt sich auf diese Vermutung kein Anspruch auf die vorläufige Bewilligung von über die gesetzlich bestimmte Höhe hinausgehenden Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz stützen.
Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Gewährung von Leistungen nach § 3, § 3a AsylbLG unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 – damit in einer monatlichen Höhe von 441 Euro insgesamt für den notwendigen und den notwendigen persönlichen Bedarf anstelle von 397 Euro – für den in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebrachten Antragsteller fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, genügt nicht, um generell einen unabwendbaren Nachteil annehmen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2017 – 1 BvR 171917 – juris Rdnr. 8). Das SG – auf dessen Ausführungen zur Frage des diesbezüglichen Anordnungsanspruchs der Senat Bezug nimmt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) – hat hierzu zutreffend insbesondere ausgeführt, der der Antragsteller müsse substantiiert und einzelfallbezogen einen konkreten Bedarf darlegen, der nicht gedeckt sein solle und dessen Unterdeckung eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren erforderlich mache bzw. welche durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr korrigierbaren und irreparablen Schäden drohten. Der Antragsteller habe nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten Bedarfe nicht gedeckt sein sollten und dass deren Unterdeckung eine gerichtliche Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung erforderlich machte. Eine Bedarfsunterdeckung von 10 % begründe nach Auffassung des Gerichts keine Notlage, welche eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderte. Der Antragsteller habe auch keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen eine Notlage erkennbar sei, die sich aufgrund eines Fehlbetrages i. H. v. 44 Euro monatlich ergeben würde. Dem schließt sich der Senat an, denn auch im Beschwerdeverfahren beschränkt sich der Vortrag des Antragstellers insoweit – im Wesentlichen wortgleich, wie in anderen von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers geführten Verfahren – auf allgemein gehaltene und nicht konkretisierte, geschweige denn substantiierte Angaben wie das Nichtvorhandensein ausreichender Geldmittel für eine gesunde Ernährung oder die fehlende Möglichkeit der Ansparung für ein Handy oder ein Fahrrad.
Trotz des Unterliegens in der Sache ist dem Antragsteller für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gem. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu gewähren und ein Rechtsanwalt beizuordnen, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und dessen Rechtsverfolgung jedenfalls hinsichtlich der Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat sowie nicht mutwillig erschienen ist (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn insbesondere wird die Grenze der Bedarfsunterdeckung, bis zu der in der Rechtsprechung ein Anordnungsgrund verneint wird, nicht einheitlich beurteilt. So wird etwa – jeweils in Abhängigkeit vom Einzelfall – teilweise ein Anordnungsgrund auch bei nur geringfügigsten Unterdeckungen bei existenzsichernden Leistungen bejaht (s. Landessozialgericht [LSG] Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2018 – L 7 AS 1/18 B ER – juris Rdnr. 10), teilweise aber auch erst bei deutlich größeren Unterdeckungen – bis zu 30 Prozent – angenommen (s. zum Ganzen Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG, Stand: 25. März 2025, Rdnr. 427 ff.). Für die verfassungsrechtlich gebotene (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Mai 2016 – 2 BvR 1267/15 – juris Rdnr. 10) Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe ist jedoch – wie bei ungeklärten Rechtsfragen im Übrigen – die Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten nicht von dem Zufall abhängig zu machen, welcher Auffassung das jeweils erkennende Gericht zuneigt, solange andere, für den Antragsteller günstigere Auffassungen ernsthaft in Betracht kommen. So verhält es sich hier.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AY 196/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 879/25 ER-B
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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