Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. April 2025 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die am 4. April 2025 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 3. April 2025 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Sie ist jedoch unbegründet.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.
Für das vorliegend geltend gemachte Begehr der Antragstellerin, die als Inhaberin einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gehört (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr (vorläufig) Leistungen zur Krankenbehandlung nach § 4 AsylbLG wegen der bei ihr bestehenden Fuchsbandwurm-Infektion zu gewähren, kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung in Betracht.
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B – FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER B – FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – FEVS 57, 164).
Es liegt schon kein Anordnungsanspruch vor. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Variante 1 AsylbLG für die Leistungen nach diesem Gesetz die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für deren Bereich für den Leistungsberechtigten eine Wohnsitzauflage besteht, örtlich zuständig. Eine Wohnsitzauflage liegt für die Antragstellerin jedoch nicht für den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landkreises O1 als Vertreterin des Antragsgegners, sondern für die Stadt O2 vor. Da die Wohnsitzauflage nicht als Nebenbestimmung zur Duldung erlassen wird, sondern einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, wirkt die räumliche Beschränkung unabhängig von der Geltungsdauer der Duldung bis zu ihrer Änderung oder Aufhebung fort. Anderenfalls könnte sich ein Ausländer der Wohnpflicht entziehen, indem er keine Verlängerung seiner Duldung mehr beantragt (Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – W 10 E 18.32094 – juris Rdnr. 20 m. w. N.; Senatsbeschluss vom 15. März 2021 – L 7 AY 390/21 ER-B – juris Rdnr. 10).
Ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit gegen den Antragsgegner kann vorliegend auch nicht auf § 11 Abs. 2 Satz AsylbLG gestützt werden, wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat. Nach dieser Regelung darf Leistungsberechtigten in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie entgegen einer Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, von der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Behörde regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs für die Reise zu dem Ort gewährt werden, an dem sie entsprechend der Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen haben. Die begriffliche Einschränkung („regelmäßig“) zeigt dabei aber, dass in atypischen Fällen auch weitere Leistungen zu erbringen sind. Wenn besondere Gründe vorliegen, die einen Verbleib am Ort des tatsächlichen Aufenthalts zwingend erfordern oder eine Rückkehr in das Gebiet der räumlichen Beschränkung unzumutbar erscheinen lassen, kann die unabweisbar gebotene Hilfe i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG auch weitergehende Leistungen umfassen, die bis zu den regulären Leistungen (vgl. die §§ 3, 4 und 6 AsylbLG) reichen können. Insoweit gilt allerdings ein strenger Maßstab (Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 11 AsylbLG, Stand 1. Mai 2024, Rdnr. 54; s. auch Senatsbeschluss vom 15. März 2021 – L 7 AY 390/21 ER-B). Fälle des zwingenden Erfordernisses des Verbleibens am aktuellen Aufenthaltsort können dabei auch medizinischer Art sein, etwa, wenn die leistungsberechtigte Person schlechthin transportunfähig ist oder die Rückkehr die konkrete Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands birgt (Groth, a.a.O. Rdnr. 55). Eine derartige Sachlage ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn, wie der behandelnde Facharzt B1 in seiner sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem SG vom 3. April 2025 bestätigt hat, besteht bei der Antragstellerin Reisefähigkeit und sind spezialisierte infektiologische Zentren im Ruhrgebiet vorhanden, in denen die Behandlung der Antragstellerin in Nordrhein-Westfalen durchgeführt werden könnte.
Auch ein Anordnungsgrund liegt nicht vor. Denn die Antragstellerin hat die Möglichkeit, die geltend gemachten Leistungen bei der Stadt O2 in D1 als für die Durchführung des AsylbLG zuständiger Gemeinde (vgl. § 1 Satz 1 Gesetz zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes Nordrhein-Westfalen) zu beantragen, da für deren Bezirk eine Wohnsitzauflage besteht und deren Bereich deshalb gem. § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG als gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin gilt. Entsprechend hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin selbst bereits angekündigt, auch einen diesbezüglichen Eilantrag bei dem örtlich zuständigen Sozialgericht in Nordrhein-Westfalen zu stellen. Vor diesem Hintergrund war eine – auch im Rahmen eines Eilverfahrens grundsätzlich mögliche, aber anders als im Hauptsachverfahren nicht zwingende (Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 75 SGG, Stand 15. Juni 2022, Rdnr. 26) – Beiladung der Stadt O2 vorliegend nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AY 727/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 1115/25 ER-B
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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