L 6 U 3288/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3289/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3288/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 20. Juli 2017, bei dem er beim Entladen des LKW durch eine umfallende Palette verletzt wurde und sich unter anderem eine Fraktur am Hüftgelenk zuzog.

Er ist 1960 in der Türkei geboren und im kurdisch-alevitischen Gebiet circa 100 km entfernt zur syrischen Grenze aufgewachsen. Er hat auf Baumwoll- und Gemüsefeldern gearbeitet und ist 1995 als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Er war unter anderem als Reinigungskraft, Lagerarbeiter und zuletzt als LKW-Fahrer in einer Spedition tätig, die auch für D1 gefahren ist. Er ist seit 1981 verheiratet, seine Ehefrau ist seit 1997/98 in Deutschland und arbeitet halbtags als Reinigungskraft. Die drei Kinder leben nicht mehr im Haushalt des Klägers, bewohnt wird eine Dreizimmerwohnung mit 75 m2 (vgl. Anamnese S4).

Der Durchgangsarztbericht des H1 beschrieb den Kläger als unter Medikamenteneinfluss nicht adäquat ansprechbar. Am Folgetag habe er angegeben, dass er schwere Fenster habe ausladen müssen. Er habe die Hebebühne des Fahrzeugs nach unten gesenkt und einen Kollegen um Mithilfe gebeten, die er nach eigenen Angaben nur unzureichend erhalten habe. Die schwere Last (circa 300 kg schwere Fenster) sei ins Rutschen gekommen, auf ihn gefallen, sodass er unter der Last zu Boden gedrückt und mit dem Kopf auf dem Betonboden aufgeschlagen sei.

Die Reaktion sei unter Opiateinfluss verlangsamt gewesen, temporal links habe eine Platzwunde bestanden. Die gesamte Wirbelsäule sei ohne Klopf- oder Druckdolenz, der Thorax stabil seitengleich belüftet, das Becken stabil. Im Röntgen hätten sich keine Verletzungszeichen am Thorax, der Brustwirbelsäule (BWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) gezeigt. Periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität der unteren Extremitäten seien nicht beeinträchtigt, es zeigten sich insbesondere keine Anhaltspunkte für eine Nervus ischiadicus Läsion rechts. Am rechten Hüftgelenk habe eine Acetabulumfraktur mit Hüftgelenksluxation bestanden. Es sei eine unmittelbare Reposition des rechten Hüftgelenks, eine Schmerztherapie und eine stationäre Aufnahme zur operativen Behandlung erfolgt.

Aus dem Polizeibericht ergab sich, dass der Kläger versucht habe, die von der Firma bestellte Ware von der Laderampe des LWK auf einen Hubwagen zu laden. Die Ware habe sich auf zwei aufeinandergestapelten Europaletten befunden, welche nach Angaben des Zeugen S1 sehr instabil gestanden hätten. Die Laderampe des LKW habe sich circa 1 Meter vom Boden befunden. Als der Kläger den Hubwagen unter die unterste Palette geschoben habe, sei die Ware aufgrund ihres Eigengewichts nach hinten auf den Kläger umgekippt, welcher hinter dem Hubwagen gestanden habe. Das Gewicht der Ladung habe 412,49 kg betragen, ein Fremdverschulden und arbeitsrechtliche Verstöße hätten nicht festgestellt werden können.

Der Kläger wurde am 24. Juli 2017 nach Reposition des Hüftgelenkes und intensivmedizinischer Überwachung (vgl. Entlassungsbericht der Kliniken des Landkreises L1) in das Universitätsklinikum F1 verlegt und dort stationär bis zum 7. August 2017 behandelt. Die operative Versorgung und der postoperative Verlauf seien regelrecht gewesen, mit der Teilbelastung habe begonnen werden können. Im Operationsbericht des Z1 wurde zur Operationstechnik dargelegt, dass eine Beugung des rechten Beines zum Schutz des Nervus ischiadicus im Hüft- und Kniegelenk erfolgt sei. Der Nervus ischiadicus sei identifiziert und der Hohmann-Heber vorn wie hinten unter Schonung des Nervus ischiadicus eingesetzt worden.

Am 7. August 2017 wurde der Kläger zur Rehabilitation in das P1-Klinikum K1 verlegt. Dieses beschrieb zum Aufnahmebefund eine mögliche Teilbelastung rechts von 20 kg, eine muskuläre Insuffizienz im rechten Bein, eine eingeschränkte Flexion der rechten Hüfte von 70° für drei Monate postoperativ sowie eine eingeschränkte allgemeine Gehstrecke. Unfallunabhängig bestehe eine hochgradige osteoligamentäre Spinalkanalstenose L2/3 und etwas weniger ausgeprägt bei L1/2, rezidivierende linksseitige und rechtsseitige Lumboischialgien bis in die Wade, eine claudicatio-spinalis-Symptomatik persistierend mit unsicherem Gangbild wie eine geringe Spondylose mit zum Teil ausgeprägten Spondyarthrosen in allen Etagen.

Während der Rehabilitation wurde am 5. September 2017 eine Heilverfahrenskontrolle in der Universitätsklinik F1 durchgeführt. Das Röntgen habe regelrecht einliegende Schrauben ohne Anhalt für Materialbruch, Lockerung oder Dislokation gezeigt. Die Frakturspalten seien noch flau abgrenzbar, die Artikulation im Hüftgelenk erhalten. Bezogen auf die Acetabulumfraktur handele es sich um einen komplikationsfreien Heilungsverlauf mit regelrecht einliegendem Osteosynthesematerial. Bei angegebenen Schmerzen, die vom unteren Rücken über das Gesäß bis in die untere Extremität ausstrahlten, sei eine erneute Kernspintomographie (MRT) empfohlen worden, da in den Voraufnahmen 2015 bereits hochgradige Spinalkanalstenosen sowie fortgeschrittene Osteochondrosen beschrieben seien.

Der Kläger wurde am 14. September 2017 arbeitsunfähig aus der Rehabilitation entlassen. Der Verlauf sei insbesondere durch die vorbestehende lumbale Spinalkanalstenose verzögert gewesen. Das Gangbild an zwei Unterarmgehstützen sei bei Vollbelastung leicht unsicher, die Gehstrecke betrage eigenamnestisch 100 Meter. Die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenkes habe für Extension/Flexion bei 0-0-95° und Außen-/Innenrotation bei 30-0-20° gelegen.

Bei der sehr wechselhaften Schmerzsymptomatik stünden die Lumboischialgien, rechts größer links, im Vordergrund. Neurologisch zeige sich kein frisches fokal-neurologisches Defizit, Parästhesien bestünden im Bereich der unteren Extremitäten, rechts größer links. Die Symptome der Spinalkanalstenose hätten die Beschwerden durch die Acetabulumfraktur rechts überlagert. Es sei schwierig zu differenzieren, welche Kausalität die angegebenen Beschwerden hätten.
 
Psychisch habe sich bereits bei Aufnahme eine stabile Stimmungslage ohne posttraumatische Ängste gezeigt. Die bisherige berufliche Tätigkeit als LKW-Fahrer sei aufgrund der schweren Hebe- und Tragetätigkeiten nicht leidensgerecht.

Im Bericht der R1-Tagesklinik F1 GmbH über die ärztliche Eingangsuntersuchung vom 25. Oktober 2017 wurde dargelegt, dass die rechte Hüfe nicht voll habe gestreckt werden können. Die OP-Narbe sei reizlos, in Rückenlage wäre eine Streckung möglich. Die Beinlängen seien seitengleich, das linke Bein sei klinisch unauffällig. Es sei ein Belastungsaufbau unter Vollbelastung vorgesehen. In der ärztlichen Schlussuntersuchung vom 9. November 2017 wurde ein schlecht koordiniertes Gangbild beschrieben. Die Kraftentfaltung von Hüft- und Kniegelenk sei jedoch gut, die OP-Narbe reizlos verheilt. Die Streckung/Beugung der Hüfte sei mit 0-5-100°, die Innen-/Außenrotation mit 30-0-20° und das Ab-/Anspreizen mit 30-0-30° möglich. Das gestreckte Bein könne auf der Rückenlage kraftvoll angehoben werden, die Abduktion in Seitenlage gelinge kraftvoll. Im Vordergrund der weiteren Therapie müsse nun die konsequente Hilfsmittelentwöhnung und die Rückgewinnung des Vertrauens in der Belastbarkeit der rechten Hüfte stehen.

T1 führte im Zwischenbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 1. Dezember 2017 aus, dass der Kläger weiterhin Beschwerden von der rechten Hüfte im Sinne eines brennenden Schmerzes nach distal ausstrahlend bis zum Fuß angebe. Die Untersuchung in der Universitätsklinik F1 habe eine langstreckige Spinalkanalstenose ergeben. Die Beschwerden seien von unfallbedingten Beschwerden kaum abzugrenzen, sodass empfohlen werde, die unfallbedingte Behandlung zum Jahresende zu beenden.

Nach dem Bericht der R1-Tagesklinik F1 über die ärztliche Schlussuntersuchung vom 1. Dezember 2017 bestand ein sicheres Gangbild mit einer Stockstütze in der linken Hand. Das stockfreie Gehen sei ausreichend sicher, es bestehe noch eine deutliche, teils symptomatische, teils angstgesteuerte Belastungseinschränkung und Bewegungsbehinderung. Eine Lumboischialgie durch Bandscheibenpathalogie lasse sich durch die klinische Untersuchung ausschließen. Bemerkenswert sei der Achilles- und Patellarsehnenreflexausfall rechts und der deutliche Anspannungsschmerz des Musculus piriformis. Es sei anzunehmen, dass der Ischiasnerv im Narbenbereich um den Musculus piriformies irritiert werde. Leider sei bei der Ängstlichkeit und der Verspannung während der Untersuchung noch keine sichere Beurteilung möglich.

T1 führte nach weiterer Untersuchung am 15. Dezember 2017 aus, dass aufgrund der weiteren Computertomographie (CT) die bg-liche Behandlung fortgesetzt werden solle. Der Kläger habe im Januar einen Termin in der Universitätsklinik F1 zur segmentalen Diagnostik an der Wirbelsäule, hierdurch lasse sich ggf. eine Abgrenzung zwischen der unfallbedingten und nichtunfallbedingten Schmerzsymptomatik erreichen.

Im Zwischenbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 9. Januar 2018 gab. S2, Universitätsklinikum F1, an, dass der Kläger über seit mehreren Jahren bestehende schmerzhafte Beschwerden im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in das rechte Bein berichtet habe. Linksseitig bestünden wenige bis gar keine Beschwerden. 2010 sei eine Dekompressionsoperation durchgeführt worden. Bisher sei bei bildmorphologischem Nachweis einer Spinalkanalstenose im Bereich der LWS eine konservative Behandlung erfolgt. Eine Physiotherapie während der letzten Monate habe nicht geholfen, ein sensomotorisches Defizit werde verneint, ebenso Blasen-Mastdarm-Störungen.

Der Kläger habe eigenständig die Kabine betreten, das Entkleiden und Umlagern sei ohne Hilfe erfolgt. Es habe ein leichter Druck- und Klopfschmerz im Bereich der unteren LWS und BWS sowohl über den Dornfortsätzen als auch paravertebral bestanden. Die Inklination gelinge bis 70° möglich, die Zeichen nach Lasèque und Bragard rechts seien positiv gewesen, es bestehe eine volle Kraft und intakte Sensibilität der unteren Extremitäten. Zehen- und Hackenstand sowie Hackengang seien uneingeschränkt möglich. Neurologisch (Untersuchung durch den Z2) habe sich das Potenzial des Nervus peroneus nicht reproduzieren lassen. Die Schmerzsymptomatik sei unter Amitryptilin rückläufig gewesen. Durchgeführt worden sei eine Facettengelenkinfiltration L2/3, eine weitere am 22. Januar 2018 an L3/4.

Auf Nachfrage der Beklagte teilte das Universitätsklinikum F1 mit Schreiben vom 26. Januar 2018 mit, dass der Kläger bei dem Unfall eine dorsale Hüftgelenkluxation mit Azetabulumfraktur rechts, eine Kopfplatzwunde mit arterieller Blutung links und ein stumpfes Thorax-/Abdominaltrauma erlitten habe. Die schon vorbestehende, symptomatische und nun im Verlauf exazerbierte, langstreckige Spinalkanalstenose der LWS sei hiervon unabhängig zu sehen und nicht zu Lasten der Beklagten zu behandeln.

Die Beklagte veranlasste eine ambulante Heilverfahrenskontrolle am 23. Februar 2018 bei S3, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) T2. Dabei zeigte sich am rechten Hüftgelenk eine Beweglichkeit für die Extension/Flexion von 20-0-100°, für die Innen-/Außenrotation von 30-0-5° und für die Abduktion/Adduktion von 5-0-10°. Es hätten Hypästhesien im gesamten Unterschenkels sowie geringer ausgeprägt im Bereich des medialen Oberschenkels bestanden.

Es handele sich um eine schwere Hüftgelenksverletzung rechtsseitig, deren Unfallfolgen auch weiterhin im Vordergrund stünden. Die beklagten Beschwerden seien nicht auf die Spinalkanalstenose zurückzuführen, sondern könnten zwanglos über die durchgeführte CT-Diagnostik mit fehlender knöcherner Durchbauung und größeren Defektzonen sowie den heterotopen Ossifikationen periartikulär erklärt werden. Weiterhin habe sich eine deutlich angespannte psychische Situation mit differentialdiagnostischem Verdacht auf eine Anpassungsstörung bzw. bei stattgehabten Schädel-Hirn-Trauma (SHT) einem möglichen Frontalhirnsyndrom ergeben. In der Initialdiagnostik sei trotz ausgeprägter Situation und stark blutender Kopfplatzwunde keine Schnittbildgebung des Schädels erfolgt, sodass weitere intrakranielle Unfallfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten.

Zum Untersuchungszeitpunkt hätten keine grob neurologischen Auffälligkeiten bestanden, aus forensischen Gründen solle aber eine Kernspintomographie (MRT) erfolgen, ebenso eine psychotraumatologische Abklärung. Eine Komplex-Stationäre-Rehabilitation (KSR) werde empfohlen. Mit einer zeitnahen Reintegration in das Arbeitsleben sei nicht zu rechnen, die Operation der konkurrierenden Spinalkanalstenose solle verschoben werden. Eine zweifelsfreie Trennung der sich überlappenden Beschwerden sei nicht vornehmbar, jedoch überwögen die Unfallfolgen.

Zur Akte gelangte das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung des Arztes M1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 19. Dezember 2017. Danach hätten sich in der Untersuchung keine psychischen Auffälligkeiten gezeigt, es habe eine leichte Sprachbarriere bestanden. Das An- und Ausziehen sei ohne Umstände erfolgt. Es habe sich eine etwas schwach angelegte Rückenstreckmuskulatur gezeigt, die Wirbelsäulenfunktion sei in allen Abschnitten befriedigend. Der Finger-Boden-Abstand (FBA) betrage 30 cm, das Zeichen nach Schober habe bei 10:13 cm gelegen. In der Rotations- und Seitneigungsbewegungen hätten leichte Einschränkungen bestanden, die HWS sei frei beweglich. Das Zeichen nach Lasèque als möglicher Hinweis für eine Wurzelkompression sei rechts endgradig positiv bei 80°.

An den unteren Extremitäten sei das Gangbild verlangsamt und rechts hinkend. Es werde eine Stockstütze an der linken Hand verwendet, das Umhergehen im Untersuchungszimmer sei aber ohne diese möglich. Das Becken und die Hüften seien normal konfiguriert mit einer reizlosen Operationsnarbe rechts nach osteosynthetischer Versorgung einer Acetabulumfraktur. Die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks sei gegenüber links und der Norm eingeschränkt, die Flexion gelinge bis 120°. Es zeige sich eine leichte Einschränkung der Funktion im rechten Kniegelenk, die Extension/Flexion sei mit rechts 0-0-120° und links 0-0-140° möglich. Der Zehen- und Hackenstand sei rechts nur unsicher demonstrierbar, der Einbeinstand könne mit dem rechten Bein nicht eingenommen werden. Links seien der Einbeinstand sowie der Zehen- und Hackenstand normal möglich, der PSR und die ASR beidseits nicht auslösbar.

Durch die Therapie habe eine deutliche Verbesserung der Hüftgelenksfunktion erreicht werden können, eine Vollbelastung sei möglich. Es bestehe noch eine Verlangsamung des Gangbildes mit Einschränkung der Wegefähigkeit. Eine Gehstrecke von ein bis zwei Kilometern sei inzwischen aber wieder möglich. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate sei mit einer weiteren Besserung der Hüftgelenkssituation und des Gangbildes zu rechnen. Eine Indikation zu einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme bestehe nicht.

Die Leistungsfähigkeit sei durch die Unfallfolgen deutlich eingeschränkt, eine Tätigkeit als LKW-Fahrer nicht mehr leidensgerecht. Innerhalb von zwei bis drei Monaten sei damit zu rechnen, dass leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne bückende und knieende Arbeitsanteile, ohne Begehen von Leitern und Gerüsten wieder vollschichtig durchgeführt werden könnten.

Vom 28. März bis 3. Mai 2018 befand sich der Kläger zur KSR in der BGU T2. Nach dem Vermerk der Rehabilitationsmanagerin habe dieser bei einem persönlichen Gespräch eine deutliche Depression gezeigt und von einer tiefen Kränkung durch den Arbeitgeber berichtet, der sich vor dem Unfall nicht an die ärztlichen Anweisungen zur maximalen Belastung gehalten, ihn aber auch nicht gekündigt habe. Dieser habe sich seit dem Unfall nicht einmal bei ihm gemeldet. Die behandelnde Ärztin habe angegeben, dass eine psychologische und psychiatrische Mitbehandlung eingeleitet worden sei. Bezüglich der Beschwerden von Rücken und Hüfte seien diese nur schwer auseinanderzuhalten. Die Rentengewährung der DRV für zwei Monate sei nochmals zu hinterfragen, da eine solche nicht sinnvoll erscheine.

Nach dem Entlassungsbericht zeigte sich die Fraktur der rechten Hüfte in der CT vollständig konsolidiert. Es sei ein fokaler Substanzverlust im Bereich des dorsalen Pfeilers mit entsprechend endgradiger Kortikalisirregularität gegeben. In der MRT habe sich kein Nachweis struktureller Hirnparenchymveränderungen oder eine Raumforderung ergeben.

Neurologisch bestehe ein lokales Schmerzsyndrom im Bereich der rechten Hüfte. Darüber hinaus liege eine Spinalkanalstenose mit klarer claudicatio-spinalis-Symptomatik vor. Die aktuelle Gehstrecke betrage 200 m, eindeutige Paresen bestünden nicht. In Absprache mit W1 sei eine Elektrophysiologie zur Differenzierung nicht sinnvoll.

Psychiatrisch sei eine depressive Episode diagnostiziert worden, Hinweise auf eine posttraumatische Störung hätten sich nicht ergeben. Es bestehe eine zwanghafte Persönlichkeitsstruktur, ggf. zusätzlich eine organisch-affektive Störung. Wirbelsäulenchirurgisch bestehe hinsichtlich der Spinalkanalstenose keine Operationsindikation.

Psychologisch habe sich im Verlauf der engmaschigen psychologischen Mitbetreuung die Symptomatik einer depressiven Episode mit Schwierigkeiten der Unfall- und Unfallfolgenverarbeitung bei Niedergestimmtheit und Affektlabilität gezeigt, mit anankastischer Neigung, großer Unsicherheit und ausgeprägtem Grübeln. Zudem bestünden Ängste in der Öffentlichkeit Hilfe zu benötigen, Angst vor Operationen sowie große Schwierigkeiten mit Ungewissheit umzugehen. Eine ambulante Psychotherapie sei empfohlen worden.

Es bestehe ein gemischt nozizeptiv-neuropathisches Schmerzsyndrom und eine Lumboischialgie rechts mehr als links nach Acetabulumfraktur. Im Verlauf seien die Analgetika-Dosen angepasst worden. Trotzdem persistierten die seit dem Unfall neu aufgetretenen Schmerzen im Bereich des rechten Hüftgelenks.

Der stationäre Aufenthalt sei komplikationslos verlaufen, trotz ausführlicher Bemühungen habe ein Verzicht auf Unterarmgehstützen nicht erreicht werden können. Die ausgeprägten Hüftgelenksbeschwerden hätten im Vordergrund gestanden, aber auch die angespannte psychische Situation. Letztere sei durch den konsillarischen Psychiater als unfallunabhängige depressive Episode eingeordnet worden, die sich durch das Unfallereignis verschlimmert habe. Eine eigenständige unfallabhängige psychische Erkrankung, wie eine Anpassungsstörung oder eine PTBS, liege nicht vor.

Ein wirbelsäulenchirurgisches Konzil habe keinen akuten operationspflichtigen Interventionsbedarf hinsichtlich der vorbestehenden Spinalkanalstenose ergeben. Die Beschwerden seien vor dem Unfall kompensiert und stellten nicht den Hauptfokus der Symptomatik dar. Ein endoprothetisches Konzil habe radiologisch keinen Handlungsbedarf ergeben. Die MRT des Schädels habe keine Traumafolgen gezeigt, ein hirnorganisches Psychosyndrom aufgrund einer strukturellen Hirngewebsschädigung sei damit ausgeschlossen worden. Zweifelsfrei bestünden unfallunabhängige Vorschädigungen im Bereich der Wirbelsäule, die eine partielle Überlagerung der Beschwerden zeigten. Hauptursächlich für die aktuell bestehende Bewegungseinschränkung sei jedoch das Unfallereignis.

Im Zwischenbericht nach ambulanter Untersuchung vom 4. Juni 2018 führte die BGU T2 aus, dass der Kläger mit hinkendem Gangbild und einem Stock das Untersuchungszimmer betreten habe. Am rechten Hüftgelenk sei der Weichteilmantel intakt gewesen, habe keine Rötung und keine Schwellung gezeigt. Die Beweglichkeit für Extension/Flexion habe bei 0-0-110°, die Innen-/Außenrotation bei 20-0-10° gelegen. Es zeige sich kein Beckenkompressionsschmerz, keine Leistendruckschmerzen und ein positives Zeichen nach Lasèque. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien intakt. Aufgrund des stagnierenden Heilverlaufs und weiterhin erheblicher Schmerzen sei die Vorstellung in der Endoprothesensprechstunde empfohlen worden, ebenso solle Psychotherapie durchgeführt werden.
Im Bericht über die Vorstellung in der Endoprothesensprechstunde am 8. Juni 2018 wurde dargelegt, dass sich ein ausgeprägt rechtshinkendes Gangbild bei ausgeglichener Beinlänge gezeigt habe. Die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenkes habe für Extension/Flexion 0-0-110°, Abduktion/Adduktion 40-0-20° und Innen-/Außenrotation 20-0-30° betragen. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine weitgehend verheilte Fraktur ohne ausgeprägte posttraumatische Arthrose. Eine Differenzierung der Beschwerden von der Hüfte und der Wirbelsäule sei nahezu nicht möglich. Es werde eine Punktion des rechten Hüftgelenkes durchgeführt, um einen chronischen Infekt auszuschließen sowie ein Lokalanästhetikum ins Hüftgelenk zu injizieren, um eine bessere Differenzierung der Schmerzgenese zu erzielen. Soweit eine erhebliche Schmerzreduktion erreicht werde, müsse erneut über die Indikation zur Implantation einer Totalendoprothese (TEP) nachgedacht werden.

Im Folgebericht mit Weiterbehandlungsantrag (Psychotherapeutenverfahren) vom 4. Juli 2018 führte M2 aus, dass der Kläger bewusstseinsklar und orientiert gewesen sei. Es bestehe eine depressive Stimmung sowie eine gedankliche Fixierung auf Schmerz, Unfallfolgen und Zukunftsängste. Suizidale Tendenzen seien nicht erkennbar. Diagnostiziert wurde eine Anpassungsstörung, als weiteres belastendes Ereignis der Arbeitsplatzverlust infolge des Unfalls benannt. Die Beklagte gewährte daraufhin 10 weitere Sitzungen.

Am 29. Juni 2018 führte die BGU T2 eine Punktion des rechten Hüftgelenks durch. Dabei ließ sich keine Gelenkflüssigkeit aspirieren, es sei eine Infiltration mittel Popivacian erfolgt. Aufgrund der Wiedervorstellung am 13. Juli 2018 wurde dargelegt, dass bei bekannter langstreckiger Spinalkanalstenose und diffusen Beschwerden im gesamten rechten Bein die Vorstellung zu Lasten der Krankenversicherung in der Neurochirurgie empfohlen worden sei. Sofern von dort keine OP-Indikation gesehen werde, sei erneut eine TEP zu prüfen. Die Punktion des rechten Hüftgelenkes habe keinen Infektverdacht ergeben, durch die Infiltration von Betäubungsmitteln habe aber keine Besserung der Beschwerden erzielt werden können.

Am 21. August 2018 stellte sich der Kläger in der Wirbelsäulensprechstunde der Universitätsklinik F1 vor, die eine neurologische Vorstellung veranlasste. Diese kam zu dem Ergebnis, dass am ehesten eine Kombination aus mehreren Beschwerdeursachen bestehe, die Hauptursache der gesundheitlichen Probleme werde im Bereich der Spinalkanalstenose gesehen. Es werde daher keine operative Intervention an der Hüfte empfohlen. Im Bericht über die Wiedervorstellung am 14. September 2018 wurde dargelegt, dass die neurologische Verlaufskontrolle am 29. August 2018 außer einem sensiblen Defizit im Bereich des rechten Nervus suralis keine Anhaltspunkte für eine periphere Nervenschädigung ergeben habe. Die Beschwerden des rechten Gesäßes seien am ehesten durch die operativ versorgte Acetabulumfraktur zu erklären. Die Leiden im Sinne einer Claudicatio spinalis seien passend zu der totalen Spinalkanalstenose L2/3 und der relativen Spinalkanalstenose L4/5. Aufgrund der Voroperationen auf beiden Höhen sei zunächst eine Dekompression und Fusion L2/3 rechts empfohlen worden. Der Kläger sei darüber aufgeklärt worden, dass wahrscheinlich keine Besserung der Schmerzsymptomatik der rechten Hüfte zu erzielen sei, sondern lediglich die schon lange vorbestehenden Beschwerden gebessert werden könnten. Es bestehe weiter Arbeitsunfähigkeit, es ergebe sich keine Änderung hinsichtlich der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), da die Operation der Wirbelsäule unfallunabhängig zu werten sei. Eine Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit vor der Operation sei nicht möglich.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der F2 über die stationäre Rehabilitation vom 7. Dezember bis 28. Dezember 2016 bei. Darin wurden als Diagnosen ein chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom, Unterarmschmerzen rechts, eine Gonalgie sowie Unterschenkelschmerzen rechts, Fußschmerzen rechts bei Mittelfußarthrose und eine Depression benannt. Leichte körperliche Arbeiten könnten vollschichtig ausgeführt werden, für die letzte berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit sei das Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne einer betrieblichen Umsetzung seien eingeleitet worden.

Der Kläger habe über Lendenbeschwerden mit ständiger Ausstrahlung bis in den rechten Fußbereich mit einer Schmerzintensität zwischen 8 und 9 berichtet. Hinzu komme eine eingeschränkte Gehstrecke auf circa 1.000 Meter ohne Hilfsmittel. Weiter seien Knie- und Unterschenkelschmerzen sowie Fußschmerzen rechts angegeben worden. Während des Aufenthaltes sei keine Schmerzlinderung und keine Besserung der Beweglichkeit erzielt worden.

Die MRT aus Dezember 2015 zeige eine hochgradige osteoligamentäre Spinalkanalstenose L3/4. Das Zeichen nach Lasèque sei rechts positiv bei 45°, die Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar, der PSR rechts nicht auslösbar. Das Gangbild sei kleinschrittig und hinkfrei, an den unteren Extremitäten sei die Hüftgelenksbeweglichkeit abgesehen von einer eingeschränkten Innenrotation beidseits frei. Die Beweglichkeit der Kniegelenke habe für Extension/Flexion 0-0-135° betragen, Ergussbildungen bestünden keine. Der Kläger beschreibe Sensibilitätsstörungen im Unterschenkel sowie im Fußbereich rechts (kein Gefühl). Bei der Sozialberatung habe der Kläger über Schwierigkeiten bei seiner beruflichen Tätigkeit beim Be- und Entladen berichtet.

Weiter wurde der Bericht der H2-Klinik M3 über die stationäre Behandlung vom 17. bis 19. November 2010 beigezogen (Diagnose: Übelkeit und Erbrechen, V.a. infektiöse Gastritis, bekannte Depression).

Nach Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 2018 die Zahlung von Verletztengeld mit Ablauf des 16. Januar 2019 ein. Mit einem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nicht mehr zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die einen Anspruch auf Übergangsgeld begründeten, seien nicht zu erbringen.

Am 27. November 2018 stellte M2 erneut einen Verlängerungsantrag hinsichtlich des Psychotherapeutenverfahrens unter Wiederholung ihrer Angaben aus dem vorangegangenen Bericht. Die Beklagte gewährte daraufhin weitere 10 Sitzungen.

Das Interdisziplinäre Schmerzzentrum der Universitätsklinik F1 gab aufgrund der tagesstationären algesiologischen Diagnostik vom 29. Januar 2019 an, dass der Kläger – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – beschrieben habe, seit vielen Jahren unter lumbalen Rückenschmerzen zu leiden. 2010 sei eine operative Dekompression L2/3 und L4/5 durchgeführt worden. Postoperativ sei die Taubheit im Bereich des Fußes und des Unterschenkels rechts verstärkt worden. Darüber hinaus seien brennende Schmerzen (wie mit heißem Wasser übergossen) aufgetreten. Diese Schmerzen hätten präoperativ schon bestanden. Letztes Jahr sei es zu einem Arbeitsunfall gekommen, der Kläger habe selbst keine Erinnerung an das Unfallgeschehen, auch nicht an den Abtransport mit dem Hubschrauber. Es sei eine dorsale Hüftluxation operativ behandelt worden, postoperativ werde über eine massive Verstärkung der Schmerzsymptomatik berichtet. Bei psychischer Beschäftigung mit den Schmerzen komme es zu einer deutlichen Schmerzzunahme, dann träten auch Schmerzen im Bereich des linken Unterschenkels auf. Eine Depression sei vorbeschrieben, die ambulante Psychotherapie finde bei einem deutschsprachigen Therapeuten statt.

Psychopathologisch sei der Kläger wach und bewusstseinsklar gewesen, zu allen Qualitäten orientiert. Die Angaben zur Vorgeschichte habe er nur unvollständig machen können, eine Schilderung des Unfalls sei ihm nicht möglich gewesen. Psychomotorisch sei er deutlich schmerzgeplagt, im Verhalten adäquat. Anhalt für Störungen des formalen oder inhaltlichen Denkens bestehe keiner.

Eine klare Differenzierung der angegebenen Schmerzsymptomatik und Zuordnung zu einer bildgebend aktuell wieder vorliegenden Spinalkanalstenose sei nicht möglich, es liege ein gemischtes Beschwerdebild vor. Eine erneute Operation der Spinalkanalstenose komme für den Kläger nicht in Frage, nachdem die Beschwerdesymptomatik nach der letzten Dekompressionsoperation massiv zugenommen habe. Darüber hinaus bestünden schmerzverstärkende psychosoziale Belastungsfaktoren. Es sei zu prüfen, ob die ambulante Psychotherapie durch einen Dolmetscher unterstützt werden müsse. Eine Vorstellung bei einem Psychiater sei im Hinblick auf die sicherlich vorliegende Depression zu empfehlen.

Bei der ambulanten Wiedervorstellung am 8. März 2019 wurde ausgeführt, dass eine eigenständige Aufdosierung der Schmerzmedikation bislang nicht erfolgreich gewesen sei, hausärztliche Unterstützung sei notwendig. Bei dem Kläger imponiere weiterhin eine deutliche depressive Komponente, eine ambulante Psychotherapie erfolge, allerdings nicht in Muttersprache und ohne Dolmetscher. Am 10. April 2019 wurde darlegt, dass die Medikation mit Pregabalin zwar eingeleitet worden, die dringend angeratene Dosissteigerung aber nicht erfolgt sei. Weiterhin imponiere eine depressive Verstimmung mit Flashbacks bezüglich des Unfallgeschehens und starker emotionaler Beteiligung.

M2 führte in einem weiteren Folgebericht aus, dass der Kläger bislang nur wenig von der ambulanten Behandlung habe profitieren können. Dies sei in der ständigen Beschäftigung mit medizinischen Maßnahmen und Untersuchungen sowie den eingeschränkten Verständnis- und Ausdrucksmöglichkeiten begründet. Eine stationäre Behandlung mit muttersprachlichem Angebot und koordiniertem multimodalen Behandlungsansatz werde dringend empfohlen. Im Folgebericht vom 23. April 2019 gab M2 an, dass bei dem Kläger wohl schon im Vorfeld des Unfalls depressive Stimmungen bestanden hätten, die sich allerdings infolge des Unfalls und der dadurch erlittenen Verlusterfahrungen (Arbeitsplatz, körperliche Einschränkungen) verstärkt hätten. Weiterhin solle eine Bearbeitung des Unfalls und die Bearbeitung der depressiven Symptomatik im Vordergrund stehen. Es müsse zunächst eine stationäre psychosomatische Behandlung erfolgen, bis zu deren Beginn solle der Kläger niederfrequent von ihr begleitet werden. Im Rahmen der stationären Behandlung sei zu klären, welche weitere ambulante Behandlung sinnvoll sei.

Nach Gutachterauswahl holte die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des K2 aufgrund ambulanter Untersuchung ein. Dieser teilte vorab, nach erfolgter Untersuchung, mit, dass er den Verdacht habe, dass durch die Schwere des Arbeitsunfalls eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ausgelöst worden sei. Der D-Arzt-Bericht beschreibe einen schweren Unfall. Der Kläger habe diesen Unfall in sog. Flash-back-Träumen immer wieder reaktiviert, er meide heute die auslösende Situation (das Fahren eines entsprechend ausgerüsteten D1-Transporters). Er zeige sich in seiner gesamten Reaktionslage verändert. Eine stationäre Behandlung mit Schwerpunkt einer PTBS sei zu Lasten der BG durchzuführen. Das schriftliche Gutachten wurde zunächst nicht vorgelegt.

Nach weiterer Gutachterauswahl holte die Beklagte das orthopädisch-unfallchirurgische Sachverständigengutachten des S2 aufgrund ambulanter Untersuchung – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – vom 25. März 2019 ein. Danach sei eine direkte und konkrete Beantwortung der Fragen trotz des anwesenden Übersetzers kaum möglich gewesen. Soweit eruierbar beschreibe der Kläger als Hauptbeschwerden Schmerzen, die von rechts gluteal bis ins rechte Knie ausstrahlten. Diese träten vor allem im Sitzen auf. Die Beschwerden bestünden erst seit dem Unfall bzw. der operativen Versorgung. Die Gehstrecke sei unter Schmerzen auf wenige hundert Meter eingeschränkt. Zur Mobilisation benötige er eine Gehhilfe rechtsseitig. Es bestehe ein kontinuierliches Brennen im Bereich der rechten Fußspitze, das sich verschlimmere, wenn er sich aufrege. Dies habe bereits weniger ausgeprägt schon vor dem Unfall bestanden. Eine Taubheit/Gefühlsstörung im Bereich des rechten Unterschenkels bestehe unverändert bereits seit dem Unfall. Es werde eine Gangunsicherheit und Kraftlosigkeit der rechten unteren Extremität beschrieben. Gelegentlich bestehe eine Blasenschwäche, weiter werde eine erektile Dysfunktion beschrieben, die seit dem Unfall deutlich schlimmer sei.

Der Kläger sei eigenständig an einer rechtsseitig geführten Gehhilfe in Entlastungshinken der rechten unteren Extremität mobil. Der Entkleidungsvorgang erfolge selbstständig, allerdings sehr langsam und schmerzbedingt erschwert, was gestenreich unterstrichen werde. Der FBA sei mit 27 cm schmerzbedingt deutlich eingeschränkt bei weitestgehend regelhafter Entfaltung der LWS. Die übrige Wirbelsäule zeige sich klinisch unauffällig. Der Einbeinstand sei linksseitig komplikationslos möglich, rechtsseitig aufgrund von Schmerzen nicht durchführbar. Beim aufrechten Stand in unbekleidetem Zustand zeigten sich unauffällig gerade anatomische Gelenkachsen beider unterer Extremitäten. Inspektorisch bestehe eine seitengleich normal entwickelte Muskulatur. Die Hüftgelenkskonturen und Weichteile seien unauffällig, während der Untersuchung seien ischialgieforme Schmerzen, bis in die Großzehe ziehend, angegeben worden. Die Beweglichkeit für Streckung/Beugung habe rechts 0-0-110° und links 5-0-130° betragen, die für das Abspreizen/Anführen 40-0-20° rechts und 45-0-30° links. Ein Taubheitsgefühl werde entlang der gesamten Oberschenkelaußenseite sowie allumfassend am Unterschenkel distal des Kniegelenks bis einschließlich des rechten Fußes angegeben. Die Zeichen nach Lasèque und Bragard seien rechtsseitig positiv, könnten aber nicht sicher reproduzierbar untersucht werden. Das inspektorisch unauffällige rechte Kniegelenk ohne palpatorischen Gelenkerguss zeige eine Druckschmerzhaftigkeit über dem lateralen Gelenkspalt bei bestehender Bandstabilität und uneingeschränkter Beweglichkeit. Alle Kraftgrade rechtsseitig seien am ehesten schmerzbedingt auf 4/5 eingeschränkt, ebenso die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks.

Der beschriebene Unfallmechanismus und der weitere Verlauf passe zu lokalisierten Beschwerden im Bereich des rechten Hüftgelenks und Bewegungseinschränkungen in diesem. Erschwerend kämen die vorbestehenden Erkrankungen mit Depression und langstreckiger Spinalkanalstenose mit überlagernder Symptomatik hinzu. Retrospektiv sei die unfallchirurgisch bedingte Arbeitsunfähigkeit auf sechs Monate posttraumatisch festzulegen. Ob aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestehe, sei in einem gesonderten Gutachten zu beurteilen. Die strukturelle langstreckige Spinalkanalstenose der LWS sei durch den Unfall nicht verschlimmert worden. Aus unfallchirurgischer Sicht betrage die MdE 10 vom Hundert (v. H.). Das Unfallereignis sei aus orthopädischer Sicht nicht wesentliche Ursache der Ischialgieformen Beschwerden inklusive Sensibilitätsstörungen der rechten unteren Extremität, diese seien der vorbestehenden absoluten Spinalkanalstenose zuzurechnen.

Der W2 führte beratungsärztlich aus, dass das Gutachten des S2 nicht überzeugend sei. Es würden zwar mutmaßlich richtige Aussagen zum Unfallzusammenhang der aktuell geklagten Beschwerden gemacht. Eine kritische Auseinandersetzung und argumentative Begründung mit Abwägen von Pro- und Kontraargumenten auch gemäß der Literatur erfolge aber an keiner Stelle. Folge man den gemachten Aussagen, die nicht wirklich fundiert seien, sei die getroffene Einschätzung mit einer MdE von 10 v. H. nachvollziehbar. Dem entsprechend sei auch unfallchirurgisch die Arbeitsfähigkeit ab Februar 2018 nachvollziehbar.

Das Gutachten wurde daraufhin am 20. April 2020 ergänzt und ausgeführt, dass die möglichen Ursachen für die persistierenden Beschwerden vielfältig seien. Es kämen ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Spinalkanalstenose, ein Schaden der azetabulären Gelenkoberfläche, eine Schädigung des Nervus ischiadicus und eine heterotope periartikuläre Ossifikation in Betracht. Inwiefern das chronische Schmerzsyndrom und die depressive Episode Einfluss auf das Beschwerdebild hätten, sei neurologisch-psychiatrisch zu klären. In jedem Fall habe sich der Kläger während der Untersuchung in einer psychischen Ausnahmesituation nahe der Dekompensation gezeigt. Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung seien massiv erschwert gewesen.

Bereits vor dem Unfallereignis habe eine langstreckige, hochgradige bis absolute Spinalkanalstenose der LWS bestanden. Deshalb hätten bereits zwei Operationen stattgefunden. Persistierende Beschwerden prätraumatisch, insbesondere mit prätibialer Hypästhesie rechts seien durch den Kläger angegeben und mehrfach dokumentiert worden. Die zweifache Operation, rezidivierende MRT-Untersuchungen und mehrere Briefe des niedergelassenen Orthopäden wiesen auf eine stärkere klinische Manifestation der Spinalkanalstenose hin und sprächen gegen eine Bagatellisierung der prätraumatischen Symptomatik.

Eine klassische Claudicatio-Symptomatik habe bereits prätraumatisch bestanden. Unabhängig davon könne eine klinisch stumme oder geringgradige Symptomatik jederzeit (unfallunabhängig) dekompensieren. Das Ausmaß der Schmerzen sei dabei nicht an das Ausmaß der Stenose gebunden, die Beschwerden zum größten Teil mit denen einer symptomatischen Spinalkanalstenose vereinbar.

Durch das Unfallereignis sei es, wie durch CT und MRT kurz nach dem Unfall belegt, zu keiner organischen Veränderung/Verletzung der Strukturen im LWS-Bereich gekommen. Eine posttraumatische neurologische Untersuchung inklusive ENG habe bei schlechter Reproduzierbarkeit keine abschließende Aussage ermöglicht. Die Vereinbarkeit der Beschwerden mit denen einer symptomatischen Spinalkanalstenose sei mehrfach bestätigt, in einer Stellungnahme von 2018 schon als unfallunabhängig attestiert worden.

Demgegenüber habe die BGU T2 zwar Symptome einer Spinalkanalstenose beobachtet, die Ursache der Beschwerden aber in der Folge der Acetabulumfraktur gesehen. Durch spezifische Maßnahmen inklusive KSR habe keine Verbesserung erreicht werden können, eine solche sei durch einen prothetischen Gelenkersatz der Hüfte als nicht aussichtsreich beurteilt worden. Währenddessen sei die Indikation zur Operation der Spinalkanalstenose wiederholt worden.

Zwar gebe der Kläger entgegen der klassischen Symptomatik vor allem Beschwerden im Sitzen an, allerdings verbessere sich die Schmerz-Situation durch Einnehmen einer Schonhaltung mit Lehnen des Oberkörpers nach links und somit Aufdehnung der vorrangig betroffenen stenosierten rechtsseitigen Neuroforamina. Die bestehenden Beschwerden seien deshalb vereinbar mit einer klinischen Exazerbation der klinisch-radiologisch gesichert vorbestehenden Spinalkanalstenose. Gleichzeitig bestünden klinisch-radiologische Befunde, die weitere möglicherweise koexistente Kausalitäten für die Beschwerdesymptomatik, zumindest teilweise, darstellten.

Im Rahmen einer traumatischen Hüftluxation könne es in etwa 10 % der Fälle zu Verletzungen von Nerven kommen. Gemäß dem initialen D-Arztbericht habe sich trotz luxiertem Hüftgelenk bei Acetabulumfraktur kein klinischer Hinweis auf eine Schädigung des Nervus ischiadicus gezeigt. Intraoperativ habe sich dies bestätigt, es werde eine „Identifikation der N. ischiadius und Medialisieren […] unter Schonung des Nervus ischiadicus“ beschrieben. Eine postoperative fachneurologische Beurteilung habe keine Aussage bei mangelnder Reproduzierbarkeit ergeben. Zum Untersuchungszeitpunkt habe eine motorische Funktionalität und ein nicht-atrophierter Muskelbefund der unteren Extremität im Seitenvergleich bestanden, die auf eine intakte Nervenfunktion hinwiesen. Eine lokale Irritation des Nervens erscheine anhand der CT-Bildgebung unwahrscheinlich, lasse sich aber nicht abschließend beurteilen.

Eine klinische Symptomatik bei persistierendem Gelenkschaden oder posttraumatischer Arthrose der rechten Hüfte könne sich ebenfalls mit Beschwerden im Bereich der Leiste oder gluteal äußern. Zwar zeige sich die Acetabulumfraktur mittlerweile knöchern konsolidiert, bei Defektschäden auf Gelenk- und Knorpelniveau sei allerdings von keiner vollständigen Restitutio auszugehen. Eine eingeschränkte Beweglichkeit des Hüftgelenks decke sich mit diesem Befund, wobei die klinische Untersuchung aufgrund der Schmerzsituation in ihrer Verwertbarkeit eingeschränkt sei. In den Röntgenaufnahmen zeige sich eine allenfalls geringgradige Zunahme der Coxarthrose. Das Osteosynthesematerial liege unverändert ein, ohne Hinweis auf Folgeschäden. Die leichte periartikuläre Ossifikation könne indessen lokale Druckbeschwerden im Bereich der Gelenkkapsel und entsprechende Bewegungseinschränkungen verursachen.

Gemäß den klassischen Leitsymptomen seien die ausstrahlenden lumboischialgieformen Schmerzen und Sensibilitätsdefizite der Spinalkanalstenose zuzurechnen und somit unfallunabhängig. Die lokalen Hüftbeschwerden mit Einschränkung der Beweglichkeit hingegen seien der posttraumatischen Präarthrose und heterotopen periartikulären Ossifikation zuzuordnen, als Folge der Acetabulumfraktur zu sehen und damit als unfallabhängig zu werten. Eine genauere klinisch-radiologische Differenzierung der Beschwerden-Ursache bzw. ihrer Kausalität sei aus unfallchirurgischer Sicht nicht möglich.

Der W2 schloss sich dem Gutachten beratungsärztlich nunmehr an. Die Einschätzung der MdE mit maximal 10 v. H. sei unfallchirurgisch korrekt.

Im Befundbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. Juni 2019 gab die Universitätsklinik F1, Interdisziplinäres Schmerzzentrum, an, dass der Kläger eine Schmerzverstärkung nach einem Sturzerlebnis vor drei Wochen, bei beim er sich keine ernsthafte Verletzung zugezogen habe, berichtet. Die Medikation mit Lyrica werde regelmäßig eingenommen, in der vorherigen Woche sei es zu einem Todesfall in der Familie gekommen, in diesem Rahmen sei ebenfalls eine Schmerzverstärkung wahrgenommen worden.

Vom 4. Juni bis 16. Juli 2019 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der M7Klinik. Im Entlassungsbericht wurde zum Aufnahmeanlass angegeben, dass der Kläger als Folge des Arbeitsunfalls 2017 eine Anpassungsstörung und eine Depression entwickelt habe. Bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen habe keine Möglichkeit bestanden, in türkischer Sprache eine Psychotherapie zu finden. Deshalb habe die BG eine stationäre Rehabilitation bewilligt.

Der Kläger habe berichtet, seit über einem Jahr unter gedrückter Stimmung und starken Stimmungsschwankungen zu leiden. Die Depression habe sich nach dem Arbeitsunfall verstärkt mit multiplen körperlichen Schmerzen, Antriebsminderung, Müdigkeit, Reizbarkeit, Vergesslichkeit und Konzentrationsproblemen. Er berichte über Panikattacken mit Angst vor Konflikten in sozialen Situationen und von Schwierigkeiten, sich vor fremden Leuten oder in Gruppen zu äußern. Über frühere Behandlungen habe der Kläger keine genauen Angaben machen können.

Es hätten sich seitengleiche Muskeleigenreflexe und keine pathologischen Reflexe gezeigt. Sensibilität, Koordination sowie Gang- und Standbild seien unauffällig, Nervendehnungszeichen bestünden nicht. Bis auf das rechte Hüftgelenk bestehe eine freie Gelenkbeweglichkeit der oberen und unteren Extremität. Neurologisch sei der Befund orientierend unauffällig. Die Muskeleigenreflexe seien symmetrisch auslösbar, die Feinmotorik, Koordination und Sensibilität unauffällig. Es zeige sich kein Hinweis auf ein fokalneurologisches Defizit.

Die Befunde in der psychologischen Testdiagnostik mit Verschlechterung der Werte vor der Entlassung entsprächen nicht dem klinischen Eindruck. Möglicherweise sei dieses Ergebnis durch die aktivierten Ängste vor den Anforderungen des Alltagslebens nach der Entlassung bedingt.

Bei der Aufnahme sei der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen. Im Kontakt wirke er etwas zurückhaltend und misstrauisch. Auffassung und Gedächtnis erschienen leicht, die Konzentration stark reduziert zu sein. Im Affekt wirke er deprimiert, niedergedrückt, rat- und hoffnungslos. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei eingeengt. Von Traumaerleben werde berichtet, psychomotorisch wirke er herabgesetzt. Das formale Denken sei geordnet, leicht verlangsamt, inhaltlich eingeengt auf die vergangenen und aktuell ihm zugefügten Ungerechtigkeiten. Wahrnehmungsstörungen und Störungen des Ich-Erlebens sowie inhaltliche Denkstörungen im Sinne von Wahnerleben seien nicht zu eruieren.

Als Auslöser der PTBS und der Depressionssymptomatik sei der Arbeitsunfall von 2017 anzunehmen. Der schwer traumatisierte Patient sei danach kaum in der Lage gewesen, sein Leben zu strukturieren. Er habe mit sozialem Rückzug, Vermeidungsverhalten und Selbstwertproblemen reagiert. Seine Stressbewältigungsmechanismen und Problemlösungsstrategien reichten nicht aus, um mit dieser schweren Belastung umzugehen. Zudem werde die Symptomatik durch das chronische Schmerzsyndrom verstärkt. Verstärkerverlust, negative Zukunftsgedanken und die damit verbundenen Ängste trügen zur Aufrechterhaltung der Symptomatik bei.

Bei unzureichenden Deutschkenntnissen sei die Einbindung in das Migrantenkonzept erfolgt. Die in diesem Bereich tätigen Therapeuten ermöglichten die muttersprachliche Therapie und verfügten über vertiefte und differenzierte Kenntnisse des Lebensalltags und der Geschichte, sowie weiterer kultureller und religiöser Besonderheiten des kleinasiatischen Raums und der dort herrschenden Konflikte. Die durch die Tatsache der Migration selbst entstandenen und häufig anzutreffenden interkulturellen Probleme der Identifikation und kulturellen Zugehörigkeit könnten dort aufgegriffen und fachpsychotherapeutisch bearbeitet werden. Da der Kläger aus einer vorherigen Behandlung bekannt gewesen sei, habe zügig eine vertrauensvolle Beziehung hergestellt werden können.

Dieser habe sich zunehmend besser auf die muttersprachlichen Gespräche eingelassen und habe seine aktuellen Belastungen nachvollziehbar darstellen können. Mit ihm seien anhand kognitiver Methoden die dysfunktionalen und selbstwertmindernden Grundannahmen thematisiert worden.

Aus somatischer Sicht sei der Aufenthalt ohne Komplikationen verlaufen. Es werde die Fortführung der Medikation unter fachärztlicher Betreuung empfohlen. Eine Fortführung der Einzel-Krankengymnastik sei sinnvoll. Eine geplante Traumaexposition habe aufgrund der unzureichenden Stabilität nicht durchgeführt werden können.

Im Verlaufsbericht des Universitätsklinikums F1 über die ambulante Vorstellung vom 27. September 2019 wurde dargelegt, dass die Beweglichkeit des Hüftgelenks sehr gut und schmerzfrei mit Extension/Flexion 10-0-120°, Außen-/Innenrotation 30-0-30° und Abduktion/Adduktion 30-0-20° sei. Insbesondere bestehe kein Rotationsschmerz im Bereich der Leiste. Lediglich bei der übermäßigen passiven Innenrotation würden stechende Schmerzen beklagt. Bei der Untersuchung in Linksseitenlage zeige sich das Punctum maximum der Beschwerden direkt dorsal des Trochanters, im Verlauf der Außenrotatoren.

Die CT habe keine wesentliche posttraumatische Coxarthrose links gezeigt. Auch der fehlende Rotationsschmerz und die fehlenden Leistenschmerzen sprächen nicht für eine solche. Eine operative Revision sei nicht sinnvoll, empfohlen werde eine lokale Infiltration. Eine relevante MdE verbleibe, diese solle im Rahmen eines Gutachtens nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit evaluiert werden.

Im Bericht über die weitere ambulante Vorstellung am 31. Oktober 2019 wurde erneut dargelegt, dass sich kein Hinweis auf eine wesentliche posttraumatische Coxarthrose links ergebe. Eine physiotherapeutische Behandlung sei empfohlen, bislang aber nicht eingeleitet worden. Einmalig sei eine Infiltrationstherapie durch den Orthopäden erfolgt, diese habe für circa eine Stunde zur Schmerzlinderung beigetragen. Aktuell bestehe keine Indikation zur Änderung der medikamentösen Therapie. Die empfohlene Physiotherapie solle aufgenommen werden.

M2 erstattete am 6. Dezember 2019 einen Behandlungsbericht und legte dar, dass der Kläger unter anhaltenden Schmerzen, anhaltenden belastenden Erinnerungen an den Unfall und Gedankenkreisen in Bezug auf seine Gesundheit und Zukunftsperspektive, eine erhöhte Erregbarkeit und Reizempfindlichkeit leide. Es bestünden eine Minderung der Konzentrationsfähigkeit, Schlafstörungen wie depressive Gedanken und Stimmungen. Infolge der Schmerzen fühle er sich sehr eingeschränkt. Selbst die mit viel Freude verbundene Tätigkeit in seinem Kleingarten könne er nur sehr eingeschränkt ausführen. Seine sozialen Aktivitäten hätten sich seit dem Unfall sehr stark reduziert, er treffe kaum Menschen, weil er nicht mehr arbeite. Cafébesuche könne er sich nicht oft leisten. Seine ständige Anwesenheit zu Hause und die depressiven Stimmungen wirkten sich auf die eheliche Beziehung negativ aus, es komme immer wieder zu Streitigkeiten.

Der Kläger sei freundlich zugewandt und angemessen offen im Gespräch. Er sei von gepflegter Erscheinung, kraftlos und merklich körperlich eingeschränkt wirkend, dabei stimmungsmäßig reduziert. Die affektive Belastung sei im Gespräch deutlich spürbar, insbesondere beim Unfallbericht und der Schilderung der Schmerzen. Die Schwingungsfähigkeit sei vorhanden, aber nach unten ausgelenkt. Es bestehe kein Hinweis auf inhaltliche oder formale Denkstörungen, dabei sei er inhaltlich stark auf die Schmerzsymptomatik fokussiert. Die intrusiven Symptome seien zwischenzeitlich reduziert, aber weiterhin vorhanden. Der Kläger habe insgesamt 27 Behandlungstermine wahrgenommen. Zu Beginn hätten der Aufbau einer therapeutischen Beziehung und die emotionale Stabilisierung im Vordergrund gestanden. Nach der Stabilisierung sei traumakonfrontativ gearbeitet worden. Der Kläger habe sich auf die Konfrontation eingelassen, die intrusive Symptomatik sei reduziert worden. Es zeige sich weiterhin eine starke emotionale Belastung, sobald der ehemalige Arbeitgeber, der Unfall oder die körperliche Situation zur Sprache kämen. Da der Kläger möglicherweise aufgrund der eingeschränkten Deutschkenntnisse nicht ausreichend von der Behandlung habe profitieren können, sei eine stationäre muttersprachliche Behandlung eingeleitet worden. Seitdem hätten drei weitere Behandlungstermine zur emotionalen Unterstützung stattgefunden. Für die Fortführung der Psychotherapie werde eine muttersprachliche Behandlung empfohlen. Arbeitsfähigkeit bestehe keine.

Ausweislich eines Aktenvermerks vom 3. Februar 2020 gab die Beklagte den Antrag des Klägers auf Pflegegeld an die Pflegekasse ab.

Am 10. Februar 2020 ging das neurologisch-psychiatrische Gutachten des K2 bei der Beklagten ein. Darin führte dieser aus, dass der Kläger beim alleinigen Ausladen von schwere Fenstern, die auf Paletten verpackt gewesen seien, aus einem LKW in Schwierigkeiten geraten sei. Auf dem Hof der Firma, also seinem Ziel, habe er sich zuvor noch um Unterstützung bei einem Mitarbeiter bemüht. Hierbei sei es zu dem Unfall gekommen. Die schweren Paletten seien nicht ausreichend stabil auf der Hebebühne gewesen, eine sei umgestürzt und der Kläger darunter geraten. Beim Eintreffen des Notarztes sei er nur bedingt bzw. kurzfristig nicht ansprechbar gewesen.

Im November 2011 habe eine Behandlung im J1 stattgefunden. Rechtsseitige Beschwerden hätten im Zusammenhang mit der erwähnten Diagnose der lumbalen Spinalkanalstenose offensichtlich nicht bestanden. Bei fehlendem Vorerkrankungsverzeichnis und mangelhafter Beherrschung des deutschen Idioms seien wesentliche weitere Vorerkrankungen bis auf die einmalige Erwähnung einer Depression im Rehabilitationsarztbericht der F2 im Dezember 2016 nicht dokumentiert bzw. seien nicht benannt worden.

Der Kläger habe offensichtlich seit vielen Jahren finanzielle Probleme sowie beständige Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber D1. In einem Bericht der versorgenden F3 Klinik werde bemerkt, dass sein Vorarbeiter es nicht einmal für nötig gehalten habe, an das Krankenbett des Klägers zu kommen, um sich nach dem Gesundheitszustand zu erkundigen. Im Februar 2018 sei es zu einem Polytrauma gekommen, bei dem der Kläger multiple Prellungen erlitten habe.

Der Kläger habe angegeben, von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr zu schlafen, er nehme keine Medikamente, in letzter Zeit schlafe er eigentlich wieder besser, eine Tagesmüdigkeit sei verneint worden. Die aktuelle Medikation bestehe aus 25 mg Amitriptylin zur Nacht, eine Schmerzmedikation erfolge nach ärztlicher Vereinbarung.
An den unteren Extremitäten seien die fehlenden ASR und PSR rechts aufgefallen, links seien diese gut auslösbar. Das Vibrationsempfinden sei rechts im Bereich des Segments L5 und S1 bis hinab auf die Großzehe gemindert, auf der linken Seite scheine es ausreichend, deutlich different zu den Angaben auf der rechten Seite. Das monopedale Stehen sei links nicht möglich, rechts schmerzbedingt unsicher, monopedales Hüpfen sei beidseits nicht möglich. Das Gangbild sei schmerz- und lähmungsbedingt erheblich beeinträchtigt, dabei werde das rechte Bein nur mit einer Gehhilfe, die überwiegend, aber nicht dauerhaft genutzt werde, sicher aufgesetzt.

Psychiatrisch sei bei der Kontaktaufnahme deutlich geworden, dass das deutsche Sprachbild weder geistig noch verbal adäquat kommuniziert werden könne. Die deutsche Aussprache sei ungenau, es fehle an ausreichendem Wortschatz, aber auch an der Fähigkeit, entsprechende Formulierungen zu finden. In dieser Situation zeige sich, dass die Anwesenheit des Herrn B1, eines Nachbarn des Klägers aus F1, konstruktiv genutzt werden könne. Dieser kenne den Kläger seit über 15 Jahren.

Somit sei trotz der Sprachbarriere deutlich, dass der Kläger zur Situation, zum Tagesdatum, aber auch zum Jahr ausreichend orientiert gewesen sei. In der Untersuchungssituation habe er sich nach anfänglichen Problemen mit Misstrauen freundlich zugewandt gezeigt, von der Affektmodulation her sei er auffällig gewesen. Die Affektauslenkungen seien phasenweise erhöht, es komme zu Episoden mit Affektlabilität, sogar bis hin zur Inkontinenz. Mehrfach sei der Kläger in Tränen ausgebrochen. Auf Bemerkungen des Herrn B1 habe er sich allerdings wieder zurückgenommen und sachlich geantwortet, sodass eine zusammenhängende und kontigente Berichterstattung möglich gewesen sei. Konzentrationsstörungen, vermehrte Ablenkbarkeit sowie Affektlabilität seien während aller Termine erhalten geblieben, auch bei der Anamneseerhebung. Bezüglich der Gedächtnisstruktur bestünden Auffälligkeiten, die Zuordnung einzelner Unfallereignisse zu den einzelnen Verletzungen, die jeweiligen Verläufe seien nicht immer gewärtig. Bei Korrekturen anhand der eigenen Aufzeichnungen sei er kooperativ gewesen, bezüglich des Unfalls von Februar 2018 und der Vorerkrankung „Depression“ 2016 bestünden jedoch Unklarheiten. Der Antrieb des Klägers sei wechselhaft, im Zusammenhang mit den Affektauffälligkeiten phasenweise sogar vermehrt. Inhaltliche Denkstörungen seien nur in Form der mangelnden Kontingenz, also des sog. roten Fadens zu erkennen, der dem Kläger häufiger abhandenkomme. Produktive Symptome hätten sich nicht feststellen lassen. Die Affektlage sei stets subdepressiv bis weinerlich, die Antriebslage wechselhaft, die Intention unruhig. Insgesamt sei der Eindruck eines Patienten mit einer depressiven Störung, der zur Introjektion, zum Selbstmitleid, aber auch zur Affektkontamination anderer sachlicher Inhalte neige. Eine psychometrische Testung sei nicht durchgeführt worden.

Im Hinblick auf die bekannte Verdachtsdiagnose einer PTBS sei zu bemerken, dass sich der Kläger bei beiden Ordinationen im Mai 2019 und am 24. Januar 2020 weder von der vegetativen Anamnese noch vom Affekt im Hinblick auf eine PTBS verändert gezeigt habe. Die früher offensichtlich von der M2 wahrgenommenen Hinweise auf eine PTBS hätten jetzt, fast drei Jahre nach dem Unfall nicht mehr objektiviert werden können.

In neurologischer Hinsicht hätten sich Auffälligkeiten im Hinblick auf die Hypakusis, den seit 2005 bekannten Tinnitus, zum anderen im Hinblick auf eine mögliche Betroffenheit des Nervus ischiadicus rechts mit Ausfällen in den Segmenten L5 und S1 rechts ergeben. Die motorischen Funktionen der Nervus peronaeus seien nicht beeinträchtigt, allerdings die sensiblen. Vor dem Hintergrund des phasenweise leicht paretischen Gangbildes sowie der Unfähigkeit, auf dem rechten Bein zu stehen bzw. bipedal zu hüpfen, habe sich der mögliche Hinweis auf eine Schwäche der rumpfnahen Muskulatur der Glutaeusgruppe ergeben. Bei dem Versuch, Lähmungen der Gluteusmuskulatur zu objektivieren, sei die Kooperation des Klägers nicht ausreichend gewesen. Dennoch seien neben den beiden ausgefallenen Reflexen PSR und ASR unter Berücksichtigung der angegebenen Sensibilitätsstörungen die genannten Symptome der Muskulatur auffällig gewesen. Sie hätten über eine reine Nervenläsion hinaus auf weiter cranial gelegene Ursachen, namentlich eine Schädigung des Nervus ischiadicus hingewiesen. In psychiatrischer Hinsicht hätten sich gegenwärtig keine sicheren Anhaltspunkte für eine PTBS ergeben, dennoch habe eine depressive Stimmungslage mit Neigung zur Affektlabilität bestanden. In der Elektrophysiologie hätten sich Hinweise auf eine deutliche Schädigung des rechten Nervus peronaeus gezeigt, zum anderen sei auch der Morbus tibialis rechts betroffen (Ischiadicusschaden?). Auf der linken Seite fänden sich deutlich Anhaltspunkte für eine axonale Polyneuropathie.

Die Elektroneurographie der peripheren Nerven der unteren Extremitäten hätte mögliche Hinweise auf eine Schädigung des Nervus ischiadicus dexter mit Betroffenheit der peripheren Nervenfunktion des Nervus peronaues und des Nervus tibialis rechts ergeben. Am deutlichsten geschädigt sei der rechte Nervus peronaeus. Da der Kläger bereits wegen einer Spinalkanalstenose L4/L5 voroperiert sei, seien die Vorbefunde genau bewertet worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die damals bestehende Symptomatik die linke untere Extremität betroffen habe. Später dann – wobei die Erklärung durchaus offen bleibe – würden nach dem Arbeitsunfall allerdings rechtsgewichtete Beschwerden bzw. ausschließlich rechtsseitig Schmerzen am ehesten in den Segmenten L5 und S1 geschildert. Der klinisch-neurologische Befund spreche für eine Schädigung des rechtsseitigen Nervengeflechts an den unteren Extremitäten. Die jetzt geschilderten Beschwerden im rechten Ober- und Unterschenkel einschließlich der elektroneurographischen Befunde seien Folgen des Arbeitsunfalls und ließen sich nicht auf eine vorbestehende Schädigung beziehen. Bewegungsbeeinträchtigungen und Beschwerden, vor allem des rechten Hüftgelenks und seit einiger Zeit auch im rechten Kniegelenk seien ausschließlich Folgen des Unfalls.

Die biographische Entwicklung zum Unfallereignis sei die eines Migranten mit einer auffallenden biographischen Karriere, die durch soziale Benachteiligung, aber auch durch Unentschlossenheit und durch bestimmte familiäre Details bedingt gewesen sei. Das Interdisziplinäre Schmerzzentrum und die P2 seien auf die Lebensumstände detailliert eingegangen. Als Folge des Unfallereignisses sei es nicht nur zur Kündigung und dem Verlust des Arbeitsverhältnisses gekommen, sondern zu einem erheblichen sozialen Abstieg, zu Partnerschaftsproblemen, Schwierigkeiten in der Familie und zu einer schweren und anhaltenden Selbstwertkrise, die sich unabhängig von der PTBS eingestellt habe. Diese Selbstwertkrise beruhe nicht nur darauf, dass der Kläger über Schmerzen klage, sondern dass er im traditionellen Selbstbild eines kurdisch-türkischen Familienvaters weitestgehend demontiert worden sei. Der Kläger verfüge nicht über eine sehr resiliente Grundstruktur, auch müsse ihm zugutegehalten werden, dass er seit Juli 2017 als Folge des Unfalls mit seinen Sequelae unter einem schweren psychischen Dauerstress stehe. Mit einer Wiederaufnahme einer sinnvollen Arbeit im alten Arbeitszusammenhang könne jedenfalls nicht gerechnet werden. Andere leidensgerechte Tätigkeiten seien ebenfalls nicht zuzumuten, da aufgrund der Funktionsstörung der rechten Hüfte körperliche Tätigkeiten de facto nicht ausgeführt werden könnten. Insofern sei die biographische Entwicklung seit dem Unfallereignis schwer beeinträchtigt, wenn es nicht gelinge, dem Kläger wenigstens einen Teil seiner Schmerzen zu nehmen.

Der aktuelle psychiatrische Befund sei der eines schwer depressiven Syndroms bei körperlicher Erkrankung. Der Kläger schildere, wie er sich mit der Bedrohung seiner vitalen Existenz durch die körperliche Erkrankung ständig konfrontiert sehe. Das Denken sei auf die Beschäftigung mit der Krankheit eingeengt. Sonst bestünden keine auffälligen Veränderungen der Denkweise. Eine depressive Erkrankung sei bereits vor dem Unfall beschrieben, über deren Art und Schwere aber keine Aussage möglich sei. Hier sei es sinnvoll, das Vorerkrankungsverzeichnis beizuziehen. Für die rechte Hüftregion habe er als aussichtsreiche Therapiemaßnahme eine Röntgentherapie eingeleitet. Die MdE sei seit dem Unfall ununterbrochen auf 100 v. H. einzuschätzen. Die MdE von 100 v. H. sei gleichbedeutend mit anhaltendem Krankenstand und werde voraussichtlich so lange bestehen, bis es gelinge, die Schmerzen im rechten Hüftbereich zu lindern. Hierzu sei der Kläger nach F1 in die Strahlenklinik zur Therapie überwiesen worden. Die unfallbedingte MdE werde unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit auf 50 v. H. eingeschätzt.

F4, BGU M4, führte beratungsärztlich aus, dass dem Gutachten nicht gefolgt werden könne. Im Hinblick auf die geltend gemachte körperliche Beschwerdesymptomatik sei zunächst einmal abzuwarten, was sich letztendlich unfallchirurgisch als Unfallfolge tatsächlich darstelle. Bei Sichtung des Gutachtens sei möglicherweise tatsächlich eine leichte Ischiadicusschädigung rechts trotz vorbestehender Spinalkanalstenose anzunehmen, wobei sich der Gutachter aber letztendlich doch etwas widerspreche. Vorwiegend seien sensible Reizerscheinungen angegeben, die maximal zu einer MdE von 10 v. H. führten.

Weiter behaupte der Gutachter, dass eine PTBS vorliege, was aber aufgrund der psychologischen Berichterstattung so nicht festzustellen sei. Vielmehr gehe man dort von einer Anpassungsstörung bei chronischem Verlauf des Beschwerdesyndroms und dann von einer depressiven Symptomatik aus, wobei schon vorbestehend eine Depression dokumentiert sei. Es sei denkbar, dass aufgrund der massiven körperlichen Beschwerden eine Anpassungsstörung auf Dauer anerkannt werden müsse, da hier das Zeitkriterium nicht gelte und die depressive Begleitsymptomatik zumindest anteilig mit zu beurteilen sei.

Im Rentengutachten werde beschrieben, dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeit als Berufskraftfahrer nicht möglich sei. Insofern sei zumindest die Diagnose einer andauernden Anpassungsstörung mit depressiver Begleitreaktion zu akzeptieren und hier sei, auch unter Berücksichtigung der Ischiadicusreizsymptomatik eine MdE von 30 v. H. maximal zu begründen. Im Übrigen stehe und falle die Diagnose einer Anpassungsstörung mit der Tatsache, welche chirurgischen Unfallfolgen tatsächlich vorlägen. Hierzu bedürfe es einer adäquaten chirurgischen Begutachtung.

In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme, unter Berücksichtigung des ergänzten Gutachtens des. S2, legte F4 dar, dass das orthopädische Gutachten die Unfallfolgen mit einer MdE von 10 v. H. bemesse und davon ausgehe, dass der überwiegende Anteil schwerwiegender körperlicher Beeinträchtigungen unfallfremder Natur sei, insbesondere durch die Spinalkanalstenose bedingt mit schon vorbestehender Claudicatio. Es sei also ganz klar festzuhalten, dass die berufliche Desintegration schon aufgrund der schwerwiegenden körperlichen Veränderungen angenommen werden müsse und nicht aufgrund der residuellen Symptomatik bei Acetabulumfraktur, die nur mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten sei.

Die Untersucher beschrieben einen psychisch sehr stark beeinträchtigten Patienten, wobei aber ganz klar sei, dass vorbestehend schon eine Depression bekannt gewesen sei. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nur eine ganz geringfügige residuelle Symptomatik körperlicher Art als eindeutig unfallunabhängig klassifiziert werden könne, sei eine dauerhafte Verschlechterung einer depressiven Störung im Sinne einer Anpassungsstörung, die durch die körperlichen Beschwerden unterhalten werden, nicht zu postulieren. Auf neuropsychiatrischem Fachgebiet bestünden keine objektivierbaren Unfallfolgen, eine messbare MdE ergebe sich nicht.

Im Verlaufsbericht der Universitätsklinik F1 – Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie –über die ambulante Vorstellung vom 6. März 2020 wurde ausgeführt, dass ein unverändertes Beschwerdebild mit stichartigen Schmerzen im Gesäß bei längerem Sitzen bestehe. Die Beschwerden seien belastungsabhängig. Das weiteren beklage der Kläger von der LWS in das rechte Bein ausstrahlende Schmerzen mit brennendem und neuropathischen Charakter. Diese könnten dezidiert von den lokalen Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte getrennt werden. Es bestünden keine Leistenschmerzen.

Die rechte Hüfte zeige reizlose Haut- und Narbenverhältnisse, bei deutlichen Druckschmerz im Bereich der Außenrotatoren. Die Extension/Flexion sei mit 0-0-120°, die Innen-/Außenrotation mit 90° und die Abduktion/Adduktion ebenfalls mit 90° möglich. Es lägen kein Rotationsschmerz im Bereich der Leiste und kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz im Hüftgelenk vor, die Fußpulse seien beidseits gut tastbar. An der LWS bestünden reizlose Haut- und Narbenverhältnisse, kein Druckschmerz über der Dornfortsatzreihe. Es bestünden ausstrahlende Schmerzen von der LWS bis in den Fuß mit brennendem Charakter bei Schmerzzunahme bei Inklination. Beidseits zeigten sich volle Kraftgrade bei Kniegelenksextension, ein sensibles Defizit sei keines angegeben worden, die PSR und ASR seien rechts nicht auslösbar. Es zeigten sich nach wie vor zwei Krankheitsbilder. Zum einen bestehe die Schmerzsymptomatik im Bereich des Zugangs der rechten Hüfte. Hier sei es durch die vorangegangene Infiltration zu einer kurzzeitigen deutlichen Beschwerdelinderung gekommen, eine erneute sei empfohlen worden. Bezüglich der Beschwerdesymptomatik im Bereich der LWS (hier erfolge die Behandlung durch die Krankenkasse) sei bei Spinalkanalstenose die Durchführung einer erneuten Diagnostik im Sinne einer MRT der LWS empfohlen worden. Die Beschwerden im Bereich des rechten Hüftgelenks seien unfallbedingt, die Symptomatik im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in das rechten Bein unfallunabhängig.

Der C1 legte nach ambulanter Untersuchung vom 20. März 2020 dar, dass sich rechtsseitig ein etwas hinkendes Gangbild beim Kläger gezeigt habe. Der Zehen- und Hackengang sei regelrecht, das Aufstehen aus der Hocke frei, manifeste Paresen hätten nicht bestanden, auch keine Muskelatrophie. Hypästhesien und Hypalgesie seien am lateralen Unterschenkel rechts bis zum Fußrücken angegeben worden, ansonsten sei die Oberflächensensibilität allseits ungestört. Das Zeichen nach Lasèque sei rechts bei 80° positiv, links negativ.

Diagnostisch bestehe eine intermittierende Lumboischialgie mit Wurzelreizsyndrom L5 rechts neben einer claudicatio spinalis bei degenerativen Veränderungen der LWS mit Spinalkanalstenose. Dementsprechend finde sich im Dermatom L5 rechts ein sensibles Defizit, die evozierten Potentiale seien etwas verzögert. Klinisch und elektrophysiologisch bestehe kein Nachweis einer motorischen Beteiligung. Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall aus 2017 sei nicht erkennbar, ebenso keine zwingende OP-Indikation.

Im weiteren Befundbericht der Universitätsklinik F1, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie (Untersuchung vom 15. Mai 2020), wurde eine claudicatio spinalis mit sensiblem L5-Syndrom rechts bei langstreckiger absoluter Spinalkanalstenose L2/3, L3/4 und L4/5 beschrieben. Diese sei durch die MRT der LWS vom 27. März 2020 bestätigt worden. Eine operative Therapie werde im Hinblick auf den radiologischen Befund empfohlen.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2020 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Unfall habe zu einer Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk geführt. Unabhängig von dem Unfall bestehe eine langstreckige hochgradige knöcherne Enge des Rückenmarkkanals der LWS mit chronischem Schmerzsyndrom und Sensibilitätsdefiziten sowie eine Depression.

Im Widerspruchsverfahren gelangte der vorläufige Entlassungsbericht der Universitätsklinik F1 über den stationären Aufenthalt vom 23. Juni bis 20. Juli 2020 zur Akte. Danach habe der Kläger von ausstrahlenden Schmerzen im medialen Unterschenkel bis in die Großzehe von brennendem Charakter rechts berichtet. Diese träten vor allem nach einer Gehstrecke von etwa 200 bis 300 Meter auf. Eine Besserung könne durch Hinsetzen erfolgen. Der Kläger verneine lokale lumbale Beschwerden. Motorische Ausfälle oder Störungen der Blasen-Mastdarm-Funktion bestünden nicht. Der FBA habe bei 30 cm gelegen, die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei altersentsprechend frei. Die MRT der LWS habe eine absolute Spinalkanalstenose L2/3, L3/4 und L4/5 gezeigt, bei anlagebedingt sehr engem Spinalkanal. Weiter bestehe sich eine claudicatio spinalis mit sensiblem L5-Syndrom rechts bei langstreckiger Spinalkanalstenose L2/3, L3/4 und L4/5. Nach üblicher präoperative Vorbereitung sei eine Spondylodese im Sinne einer TLIF erfolgt. Der perioperative Verlauf habe sich komplikationslos gestaltet. Die postoperative CT-Kontrolle habe eine regelrechte Schraubenlage gezeigt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2020 zurück. Infolge der inzwischen knöchern konsolidierten Acetabulumfraktur seien als funktionelle Beeinträchtigungen Bewegungseinschränkungen des rechten Hüftgelenks verblieben, die mit einer MdE von unter 20 v. H. zu bemessen seien. Unfallunabhängig liege die bereits vorbestehende hochgradige knöcherne Enge des Rückenmarkkanals der LWS vor, die nachweislich der bildgebenden Untersuchungen durch den Unfall nicht verschlimmert worden sei. Das chronische Schmerzsyndrom mit ausstrahlenden lumboischialgieformen Schmerzen und Sensibilitätsdefiziten im Bereich des rechten Beines sei ursächlich auf diese unfallunabhängige Erkrankung zurückzuführen. Aus den medizinischen Unterlagen gehe eine stärkere klinische Manifestation der Spinalkanalstenose in der Zeit vor dem Unfallereignis hervor. Die beklagten Beschwerden seien überwiegend mit denen einer symptomatischen Spinalkanalstenose vereinbar. Zudem habe das Unfallereignis zu keiner organischen Veränderung der Struktur im Bereich der LWS geführt. Da sich die Schmerzen jedoch durch das Einnehmen einer Schonhaltung, bei der die vorrangig betroffenen stenosierten rechtsseitigen Neuroforamina aufgedehnt würden, verbessere, seien diese Beschwerden ebenfalls mit einer klinischen Exazerbation (Verschlimmerung) der klinisch-radiologisch gesicherten Spinalkanalstenose zu begründen. Hinweise auf eine traumatisch bedingte Schädigung der Nervus ischiadicus hätten sich intraoperativ nicht ergeben. Die erhobenen Untersuchungsbefunde wiesen ebenfalls auf eine intakte Nervenfunktion hin. Lediglich die lokalen Hüftbeschwerden rechts mit Einschränkung der Beweglichkeit seien ursächlich dem Unfall zuzuordnen, die jedoch nach gutachterlicher Aussage keine rentenberechtigende MdE bedingten. Die erfolgte Ursachenbewertung stehe in Übereinstimmung mit dem Bericht der Universitätsklinik F1 vom 9. März 2020. Das neurologisch-psychiatrische Zusammenhangsgutachten des K2 überzeuge nicht, da dieses den für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Beweis- und Kausalitätsanforderungen nicht genüge.

Am 22. September 2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und das ärztliche Attest des K2 vom 27. Oktober 2020 vorgelegt. Danach sei es bei dem Kläger durch den Unfall neben den bekannten körperlichen Ausfällen auch zu einer PTBS gekommen. Es hätten unmittelbar nach dem Unfall Schlafstörungen eingesetzt, er wache jede Nacht auf und habe Traumerlebnisse, in denen die schwere Palette erneut auf ihn herabfalle. Es sei ein Vermeidungsverhalten dahingehend entwickelt worden, die Arbeit bei der Firma D1 aufzugeben und die Tätigkeit als LKW-Fahrer gänzlich zu unterlassen. Seine eigenen wirtschaftlichen Umstände und die wirtschaftlichen Bedingungen seiner Familie hätten ihn allerdings dazu gezwungen, sich mit der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer ständig zu befassen. Es sei im Februar 2018 zu einem erneuten Unfallgeschehen mit multiplen Prellungen gekommen, durch das die bereits erlebte psychische Beschädigung reaktiviert worden sei. Der Kläger habe immer noch dauerhafte Beeinträchtigungen des geistig-seelischen Erlebens auszuhalten müssen, als er die Arbeit wieder aufgenommen habe. Die Komplexität des Krankheitsgeschehens bei Erleiden einer PTBS sei bei dem Kläger dadurch erschwert und wenig einsehbar, da sich dieser nicht in der Lage sehe, mit seiner restriktiven Sprachbeherrschung des deutschen Idioms adäquate Mitteilungen zu erzielen. Während der stationären Rehabilitationsaufenthalte sei diese Sprachbarriere der wesentliche Grund, weshalb die objektiven Symptome nicht adäquat erkannt, eher nikidiert und dementsprechend bei der Beurteilung vernachlässigt worden seien. In Zusammenschau der Befunde sei deshalb davon auszugehen, dass bereits die psychischen Folgeerscheinungen des Unfalls und die später einsetzende Re-Traumatisierung zu einem anhaltenden mittelschwer bis schwer ausgeprägten Psychosyndrom geführt hätten, das alleine mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 bis 100 zu belegen sei.

Ebenso ist der Befundbericht des Universitätsklinikums F1 über die ambulante Behandlung vom 20. April 2021 vorgelegt worden. Danach habe die MRT vom 10. Februar 2021 eine konstante, hochgradige, knöchern bedingte Spinalkanalstenose im Segment L2/3 links sowie im Segment L4/5 gezeigt. Weiter bestünden links betonte knöcherne Spinalkanalstenosen in den Segmenten L1/2 und L2/3, im Segment L2/3 höhergradig.

Anamnetisch habe die Symptomatik auf eine Radikulopathie L4 bzw. L5 rechtsseitig hingedeutet. Zur weiteren Differenzierung sei zunächst die Infiltration des rechten Iliosakralgelenks sowie in der Folge ggf. des rechten Trochanter major nötig. Weitere operative Möglichkeiten im Bereich der LWS sowie die Anbindung an das Schmerzzentrum seien besprochen worden.

Im weiteren Befundbericht vom 31. August 2021 ist ausgeführt, dass sich das Gangbild deutlich eingeschränkt gezeigt habe. Es bestehe ein Druckschmerz in der unteren LWS und ein Druckschmerz über dem Trochanter major rechts. Bei Seitneigung der LWS komme es zu einer Schmerzverstärkung beidseits, das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ. Es bestünden kein Hüftrotations- oder Stauchungsschmerz, keine Paresen und symmetrisch schwache Muskeleigenreflexe.

Aus schmerztherapeutischer Sicht bestehe ein schweres chronisch-neuropatisches Schmerzsyndrom, die Schmerzausstrahlung werde entsprechend dem Dermatom L5 beklagt. Ein Teil der Schmerzen sei auch mit einer Ischiadicusschädigung in Einklang zu bringen. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei ebenso empfohlen worden wie eine ambulante psychiatrische Behandlung.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des S4 – unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin – aufgrund ambulanter Untersuchungen vom 14. Juni 2021 und 5. August 2021 erhoben. Dieser hat zunächst um Klärung gebeten, ob vor 2019 Behandlungen in der M5-Klinik durchgeführt worden seien. Die Deutsche Rentenversicherung hat mitgeteilt, dass von ihr derartige Leistungen nicht erbracht worden seien.

Weiter hat er darauf hingewiesen, dass eine für die türkische und kurdische Sprache beeidigte Dolmetscherin hinzugezogen worden sei, nachdem der vom Kläger benannte Dolmetscher nur für die türkische Sprache beeidigt sei. Schlussendlich sei dem Kläger bedeutet worden, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht dazu diene, dass ein Dritter seine Sicht über Dinge des ihm persönlich bekannten Probanden schildere.

Der Kläger hat zum Tagesablauf angegeben, dass er morgens zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr aufstehe, seine Tabletten nehme und sich aufs Sofa setze. Sie würden auch mal in ihren Kleingarten fahren. Wenn seine Frau da sei, gehe er mit ihr nach der Arbeit spazieren. Er schaue Fernsehen, bis er einschlafe. Er fahre kein Auto mehr. Früher sei er schon so mit der Arbeit beschäftigt gewesen, dass er keine anderen Beschäftigungen ausgeübt habe.

Zu dem Unfallereignis habe der Kläger angegeben, dass er einem Staplerfahrer gesagt habe, er solle den Rollwagen mit abfangen. Der aber habe gesagt, dass sei seine Arbeit. Dann habe er nichts mehr mitbekommen. Erst am Folgetag sei er wieder bei Bewusstsein gewesen, er erinnere sich nicht daran. Später habe er erfahren, dass die Polizei, der Krankenwagen und ein Hubschrauber aus der Schweiz dagewesen seien und er ins Krankenhaus gekommen sei. Drei Monate nach dem Unfall und der Operation habe er sich etwas erholt. Er habe immer Gehstöcke, er könne nicht stehen, er falle dann hin. Wenn er zu Boden falle, könne er nicht ohne Hilfe aufstehen. Er habe Schmerzen in der Hüfte bis zur Kniekehle und den Zehen. Er erinnere sich an den Unfall und fühle sich danach schwächer.

Er habe früher schon eine Spinalkanalerkrankung gelitten, sei deswegen operiert worden. Seitdem sei es schlimmer geworden. Er trage jetzt einen Gürtel, letzten Monat habe er Spritzen bekommen, das habe nichts gebracht. Ihm seien Schmerztherapien in der Universitätsklinik verschrieben worden, wenn es nichts bringe, müsse er erneut operiert werden. Die Hüfte rechts sei bei dem Unfall verletzt worden, die rechte Seite bis unten. Auf die Frage, wo genau die Beschwerden im Bein bestünden, habe der Kläger mit dem Gehstock auf den Fußrücken rechts und seitlich auf das Schienbein gedeutet, was dem Segment L5 entsprochen habe.

Beim Gehen sei es, als wenn die Kniekehle locker werde. Links am Kopf habe er eine Verletzung gehabt, er sei auf Beton gefallen, habe Blutungen gehabt und sei dann weg gewesen. Es stimme nicht, dass es 300 kg gewesen seien, es habe sich um 700 kg gehandelt, die Feststellungen der Polizei seien falsch. Die Operation der Wirbelsäule habe keine Verbesserung gebracht, es sei seitdem noch schlechter. Er werde verspottet, wenn er laufe, die Menschen fragten, ob er getrunken habe. Er sei erst nach dem Unfall in psychiatrischer Behandlung gewesen. Er habe immer gearbeitet und sei nach dem Unfall zusammengebrochen. Nach der Wirbelsäulenoperation habe er Krankengymnastik bekommen. Arbeitsversuch habe er keinen mehr gemacht, so nehme ihn niemand. Er sei nicht in der Lage, in den Garten zu gehen. Da falle er hin, wenn er versuche, Unkraut zu jäten. Ohne Medikamente könne er nicht schlafen. Er traue sich gar keine Arbeit zu.

Wenn er rede, werde das Brennen im Bein rechts noch schlechter. Demonstriert worden sei wieder eine Schwäche mit Einknicken in den Kniegelenken. Es gebe nichts mehr, das ihm Freude mache, doch die Zeit, wenn die Enkel für ein bis zwei Stunden kämen, freue ihn. Auf ausdrückliche Nachfrage habe der Kläger verneint, dass es einen weiteren Unfall, von dem K2 berichtet habe, gegeben habe.

Der Kläger sage aus, sich erst wieder an den Folgetag nach dem Unfall zu erinnern. Er habe später alles erfahren. Er habe mitbekommen, dass die Familie benachrichtigt worden sei. Er habe Schmerzen in der Hüfte und im rechten Knie. Auf die Frage, ob er vor dem Unfall Depressionen gehabt habe, habe der Kläger angegeben, dass er beim Hausarzt gewesen sei, der ihm Medikamente aufgeschrieben habe. Er sei nie bei einem Nervenarzt in Behandlung gewesen. Die Medikamente wegen Depressionen hätten nur kurze Zeit geholfen, vor zwei bis drei Monaten habe er in der Universitätsklinik Spritzen bekommen. Mit der Therapeutin M2 spreche er normal deutsch, es habe aber Probleme gegeben, weshalb er von ihr nach K3 geschickt worden sei. Bei mehreren Versuchen, zu seinem früheren psychischen Befinden etwas zu erfahren, habe der Kläger keine Antworten gegeben und jeweils das Thema gewechselt.

Bei dem Unfall sei eine schwere Scheibe auf ihn gefallen. Als er letzte Woche dort beim Auftraggeber gewesen sei, weil er eine Kopie des Lieferscheins hätte haben wollen, habe man ihm gesagt, dass es 300 kg gewesen seien und man angenommen habe, er sei gestorben. Zum Glück sei ein Krankenwagen in der Nähe gewesen, er wisse es nicht, man habe es ihm so erzählt. Nochmals konkret befragt nach dem Tag des Unfalls habe der Kläger erklärt, er wisse nicht mehr, wie er losgefahren sei. Er habe keine Erinnerung mehr, er erinnere sich nur an das Geräusch einer Schere, als seine Kleidung aufgeschnitten worden sei. Nach dem Unfall wisse er nichts mehr. Er sei erst abends zu sich gekommen, als er schon am Kopf genäht gewesen sei.

Am Unfalltag sei zunächst alles in Ordnung gewesen. Er habe den Anhänger in E1 gelassen, sei dann in Richtung A1 gefahren, dann erinnere er sich an nichts. Wenn der Staplerfahrer ihm geholfen hätte, wäre der Unfall nichts passiert. Der Kläger sei damit konfrontiert worden, dass er doch angegeben habe, sich an nichts zu erinnern. Darauf habe er bekundet, der Meinung zu sein, dass der Staplerfahrer ihm habe helfen müssen. Es sei ein Wunder, dass er überlebt habe. Normalerweise würden Staplerfahrer helfen, auf die Frage, woher er wisse, dass der Staplerfahrer ihm nicht geholfen habe, habe der Kläger angegeben, dass andere Personen es erzählt hätten.

Das An- und Auskleiden sei mit Hilfe des Sachverständigen erfolgt. Der Kläger habe dabei seinen Rücken überstreckt. Es sei eine Leibbinde getragen und Gehstöcke seien benutzt worden. Neurologisch habe ein normaler Muskeltonus ohne Muskelatrophien bestanden. Bei mehrfacher Prüfung seien keine Paresen zu erfassen gewesen. Bezogen auf die rechte Körperhälfte habe sich eine reduzierte Mitarbeit und eine Wechselinnervation gezeigt. Letztlich könnten jedoch bei der Einzelmuskelprüfung nach wiederholter Untersuchung an Arm und Bein auch rechts Paresen ausgeschlossen werden.

Die Ziel- und Wechselbewegungen seien unauffällig, der Romberg letztlich sicher bei mehrfacher Prüfung. Das Gehen erfolge mit zwei Gehstöcken. Am rechten Bein werde zirkulär eine starke Gefühlsminderung am kompletten Bein und Fuß angegeben. Das Vibrationsempfinden am Innenknöchel werde rechts stark vermindert beschrieben.

Der Kläger sei immer wieder auf den Unfall, dessen Schwere und das hohe Gewicht der Last zu sprechen gekommen. Auf Nachfrage sei stetes Abwehren feststellbar, bei kritischen Nachfragen habe er versucht, das Thema zu wechseln. Er sei bewusstseinsklar und orientiert, wirke durchaus energievoll und keinesfalls antriebsgemindert. Er erscheine missmutig, missgelaunt und auch freudlos, immer wieder werde eine Kränkbarkeit deutlich. Das affektive Schwingungsvermögen sei aufgehoben, der Gedankengang zusammenhängend, das Denken ausgerichtet auf den erlittenen Unfall. Selten scheine der Gedankengang etwas sprunghaft, auffällige Denkinhalten zeigten sich keine.

Es bestehe ein körperliches Krankheitsgefühl, das fast ausschließlich auf den Unfall von 2017 zurückgeführt werde. Ein weitergehendes psychiatrisches Krankheitsempfinden lasse sich nicht erfassen, die Beschwerdeschilderung und -darstellung sei von einer Aggravation körperlicher und letztlich auch psychischer Einschränkungen und einem demonstrativen Verhalten gekennzeichnet.

Bei der Untersuchung sei in Erfahrung zu bringen gewesen, dass der Kläger noch berichten könne, wie er den Anhänger seines LKW abgekoppelt habe und dann Richtung A1 gefahren sei. Dann reiße die Erinnerung ab. Wie bei der jetzigen Begutachtung sei durch mehrfache Befragung, so auch im Schmerztherapiezentrum der Universität F1, zu sichern gewesen, dass an das eigentliche Unfallereignis keine Erinnerung bestehe. Von dieser nicht vorhandenen eigenen Erinnerung müsse abgegrenzt werden, was ihm andere über den Unfall erzählt hätten. Durch diese Fremdschilderungen habe sich der Kläger eine eigene Erinnerung an den Unfall und die Abläufe zurechtgelegt und sicher zum Teil auch verinnerlicht. Diese aus Fremdschilderungen gewonnenen Pseudoerinnerungen hielten aber einer kritischen Überprüfung nicht stand. Der Kläger habe erklärt, sich nicht an den Unfall erinnern zu wollen, während er in der Tat überhaupt keine eigene Erinnerung daran habe.

Neurologisch seien Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlung in das rechte Bein geklagt worden, wobei in etwa das Segment der Nervenwurzel L5 rechts angedeutet worden sei. Solche ausstrahlenden Beschwerden seien schon früher beschrieben, insbesondere im Heilverfahren 2016. Bei der Begutachtung seien keine Ausfälle der Kraftentfaltung feststellbar gewesen und durch Zusatzuntersuchungen keine abgelaufenen Schäden an Nervenwurzeln der unteren LWS. Wegen der demonstrativ aggravatorischen Verhaltensweise und einer teilweise völlig fehlenden Mitarbeit seien mehrere Untersuchungen notwendig gewesen.

Ein auffälliger Befund habe sich nicht erheben lassen. Die bei der jetzigen Begutachtung gemachten Gefühlsangaben, dass es rundherum am rechten Bein von oben bis unten zum Fuß bezüglich Berührung, Schmerz und auch Tiefensensibilität deutlich weniger gespürt werde als links, sei medizinisch nicht nachvollziehbar, durch technische Untersuchungen widerlegt und vor dem Hintergrund des demonstrativ aggravatorischen Verhaltens zur Herausstellung körperlicher Einschränkungen einzuordnen. Psychiatrisch habe der Kläger zunächst mit Vehemenz negiert, jemals früher wegen einer Depression krankgeschrieben oder in Behandlung gewesen zu sein. Er habe dann im Gespräch versucht, das Thema zu wechseln und erst nach mehrfacher klarer Konfrontation mit den Akteninhalten eingestanden, dass er schon behandelt worden sei.

Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis gingen seit 2010 bis 2017 Krankschreibungen aufgrund depressiver Episoden, auch somatoformer Beschwerden und chronischer Schmerzen bei Wirbelsäulenerkrankungen hervor. Noch im März 2017 hätten über neun Tage und im Mai/Juni über vier Tage Krankschreibungen aufgrund mittelgradiger depressiver Episoden bestanden. Auch in der Zeit nach dem Unfall seien verschiedene depressive Episoden beschrieben worden.

Die Verständigung bei einzelnen Untersuchungen sei zwar durch die eingeschränkten Deutschkenntnisse schwierig gewesen, doch wiederholt seien Untersuchungen im Beisein von Übersetzern erfolgt. Es könne von einer rezidivierenden depressiven Störung mit abgrenzbaren Depressionsphasen gesprochen werden, zum Untersuchungszeitpunkt habe keine depressive Episode bestanden. Zu diagnostizieren gewesen sei eine Dysthymia. Die P2 K1 habe unmittelbar nach dem Unfall die Stimmung ausdrücklich als stabil bezeichnet und es seien keine posttraumatischen Ängste berichtet worden. Trotz der bekannten Neigung zum Auftreten von Depressionen sei es zu keiner Anpassungsstörung gekommen. Im Februar 2018 habe er in der BGU T2 angegeben, dass er Erinnerungen an den Unfall habe, die ihn belasteten. Dies sei trotz der gleichzeitig gestellten Diagnose einer Gehirnerschütterung, die stets mit einer Erinnerungslücke verbunden sei, seltsamerweise nicht kritisch hinterfragt worden.

Grundsätzlich sei festzuhalten, dass nicht jeder Schmerz, der nicht sofort zu lindern sei, automatisch somatoform sei. Es komme hinzu, dass naturgemäß bei einer Depressivität, einer Störung der Stimmung, körperliche Beschwerden stärker empfunden würden, als ein Mensch in einer stabilen psychischen Verfassung vergleichbare Beschwerden wahrnehme. Dies habe jedoch mit einer somatoformen Störung nichts zu tun, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei nicht zu diagnostizieren.

Wie in zahlreichen Verfahren sei mit immer längerem Abstand zum Unfall irgendwann auch eine PTBS angeführt worden. Erstmal im Februar 2018 werde in der BGU T2 angegeben, dass belastende Erinnerungen an den Unfall bestünden, wobei erwiesen sei, dass der Kläger in der Realität überhaupt keine eigene Erinnerung an den Unfall habe. Während der KSR im März 2018 habe der Psychiater keinen Hinweis auf eine PTBS gesehen und die M2 habe im Juli 2018 nur eine Anpassungsstörung diagnostiziert.

Erstmals im Bericht der M5Klinik aus Juni 2019 werde neben einer mittelgradigen depressiven Episode eine PTBS diagnostiziert und diese Diagnose sei so von der M2 fortgeführt worden. Dem Bericht sei zu entnehmen, dass der Kontakt zum Kläger sehr schnell herstellbar gewesen sei, da er aus früheren Behandlungen bekannt gewesen sei. Ein früherer Bericht sei jedoch nicht zu erhalten gewesen, die Klinik sei bereits konkursbedingt seit geraumer Zeit nicht mehr in Betrieb.

Sowohl nach der ICD-10 als auch nach der DSM-V sei ein Traumaerleben unabdingbar notwendig. Da der Kläger aber eine Erinnerungslücke für das gesamte Unfallgeschehen habe, könne er etwas für ihn nicht bewusst Erlebtes, nicht Erinnerbares auch nicht als Trauma erinnern. Aus Schilderungen der Umgebung und verschiedener Personen habe sich der Kläger eine eigene Version zusammengereimt, die jedoch einer kritischen Prüfung nicht standhalte. So werde immer wieder unkritisch übernommen, dass der Kläger einen Staplerfahrer gebeten habe, ihm zu helfen. Tatsächlich könne sich der Kläger aber gar nicht daran erinnern, ob ein Staplerfahrer überhaupt vor Ort gewesen sei, ob er diesen um Hilfe gebeten habe und ob dieser das abgelehnt habe. Er nehme nur an, dass üblicherweise ein Staplerfahrer da sei, den er normalerweise um Hilfe fragen würde. Immer wieder werde unkritisch, unter emotionaler Parteinahme mit dem Kläger, seine Selbstsicht übernommen, dass ihm nicht geholfen worden sei, während man in der Realität überhaupt nicht wisse, ob dieser um Hilfe gebeten habe. Er selbst wisse dies auch nicht, sondern habe nur die Vermutung, dass er jemanden gefragt haben könne.

Allgemein-körperlich gebe es keinen Zweifel, dass die Hüfterkrankung und auch eine gewisse Schmerzhaftigkeit als Unfallfolge anzusehen seien. Nach den bislang vorliegenden Unterlagen werde aus orthopädisch-chirurgischen Gründen von einer MdE unter 20 v. H. ausgegangen. Davon abzugrenzen seien die vorbestehenden chronischen Schmerzen bei Spinalkanalstenose (engem Wirbelsäulenkanal), die sich nochmals verschlechtert hätten, so dass er 2020 erneut habe operiert werden müssen. Bei Schmerzerleben sei außerdem immer zu berücksichtigen, dass bei einer depressiven Stimmung Schmerzen nochmals stärker empfunden würden.

Neurologisch habe der Kläger eine Gehirnerschütterung verbunden mit Bewusstlosigkeit und Erinnerungslücken erlitten, die nie Schäden hinterlasse. Mittels MRT sei abgeklärt, dass keinerlei Beeinträchtigung der Hirnsubstanz vorliege, aus neurologischer Sicht sei eine MdE nicht zu begründen.

Psychiatrisch bestehe eine vorbestehende Neigung zum Auftreten depressiver Episoden, diese Neigung heile, wenn sie bei einem Menschen bestehe, nie aus. Mit jeder depressiven Episode im Laufe des Lebens steige die Gefahr, dass eine weitere depressive Episode auftrete, oft dann völlig aus sich heraus und kaum noch angestoßen durch äußere Umstände. In Einzelfällen könne durch einen Unfall eine depressive Episode ausgelöst werden, die dann aber auch wieder abklinge. Die zugrundeliegende Erkrankung, eine rezidivierende depressive Störung, die Neigung zum Auftreten von Depressionen, könne durch einen Unfall jedoch nicht ausgelöst werden. Bei dem Kläger sei durch den Unfall keine depressive Episode verursacht worden, nicht einmal eine Anpassungsstörung. Vielmehr sei eine stabile psychische Verfassung berichtet. Die vorbestehende rezidivierende depressive Störung sei durch den Unfall nicht richtungsgebend verschlimmert worden, der Unfall selbst habe vielmehr zu überhaupt keiner psychischen Beeinträchtigung geführt. Psychiatrisch ergebe sich ebenfalls keine MdE.

Er weiche von den zum Teil unverständlichen und in sich widersprüchlichen Ausführungen des K2 ab. Dieser attestiere ein Beinahe-Tod-Erleben und eine PTBS. Gleichzeitig gebe er in seinem Gutachten an, keine Hinweise auf eine PTBS mehr objektivieren zu können. Er teile also eine Erkrankung mit, könne diese aber gleichzeitig nicht objektivieren. In seinem ärztlichen Attest werde Abweichendes zum Gutachten für die Beklagte ausgeführt. Ein behauptetes weiteres Unfallereignis sei nicht nachvollziehbar. Ganz verworren werde es dann, wenn von einer Retraumatisierung durch den im Unklaren bleibenden Unfall 2018 ausgegangen werde und diese dann zu einem mittelschwer bis schwer ausgeprägten Psychosyndrom geführt haben solle. Wenn es sich um eine psychische Retraumatisierung handele, führe diese nicht zu einem Psychosyndrom, sprich zu einer Hirnschädigung. So etwas sei medizinisch abwegig.

Im Nachgang zu dem Sachverständigengutachten ist das Attest K2 zur Akte gelangt. Danach habe es sich um einen schweren Arbeitsunfall gehandelt, bei dem es bei unsachgemäßem Umgang mit 300 kg schweren Paletten zum Verlust der Kontrolle über dieselben gekommen sei. Darüber hinaus sei – es habe sich um einen katastrophenähnlichen Verlauf gehandelt – als unmittelbare psychiatrische Traumafolge eine PTBS aufgetreten. Er verweise in diesem Zusammenhang auf die klinisch-wissenschaftlichen Kriterien der ICD-10. In den vergangenen Jahren habe sich in der wissenschaftlichen Diskussion der Langzeitfolgen eines Unfalls, der zu einer PTBS geführt habe, herauskristalisiert, dass eine PTBS längst nicht drei Jahre anhalte. Der Unfall habe im Jahr 2017 stattgefunden, jetzt schreibe man das Jahr 2022. Die Interpretation des Ablaufs sei eindeutig. Nach über drei Jahren spreche man nicht mehr von einer PTBS, sondern von einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Nach gründlicher Analyse des Unfallhergangs, der initialen und in der Zwischenzeit veränderten, aber immer wieder auftretenden psychischen Beschwerden sowie der jetzigen psychiatrische Querschnittssymptomatik bestehe kein Zweifel daran, dass es bei dem Kläger nicht zu einer einfachen Verlaufsform der PTBS gekommen sei, sondern dass darüber hinaus eine jahrelange, mittlerweile chronifizierte Störung des geistig-seelischen Gleichgewichts im Sinne einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bis auf den heutigen Tag nachweisbar sei.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Oktober 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall keine Gesundheitsstörungen erlitten, die eine rentenberechtigende MdE von 20 v. H. begründeten. Aufgrund der Acetabulumfraktur seien lokale Hüftbeschwerden und eine eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Hüftgelenk verblieben. Dies begründe eine MdE von 10 v. H., unfallunabhängig bestehe eine Claudicatio spinales rechts. Auf psychiatrischen Fachgebiet lägen keine durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitseinschränkungen vor, wie aus dem Sachverständigengutachten des S4 folge. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers hätten nicht zu überzeugen vermocht. Soweit Verständigungsschwierigkeiten geltend gemacht worden seien, ergäben sich hierfür keine Anhaltspunkte. In der Nachbesprechung mit der Dolmetscherin seien solche nicht ersichtlich geworden, konkrete Fehler habe der Kläger nicht benennen können. Dass S4 die depressiven Episoden nicht berücksichtigt habe, treffe nicht zu. Diese seien gewürdigt und als nicht unfallabhängig eingestuft worden. Den Ausführungen des K2 habe insgesamt nicht gefolgt werden können.

Am 22. November 2022 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG übersehe, dass er nicht nur eine Pfannenfraktur, sondern auch eine Kompression erlitten habe. Weiterhin seien die in der Hüfte befindlichen Schrauben einschränkend M6 komme zu dem Ergebnis, dass die Fraktur im Bereich des Hüftgelenks mit begleitender Ausrenkung des Hüftgelenks Langzeitfolgen für eine spätere posttraumatische Coxarthrose neben dem Risiko einer zeitnahen Hüftausrenkung habe. Ergänzend hat er ein Schreiben der S5 GmbH (der damaligen Adressatin der Lieferung) vorgelegt, wonach das Gesamtgewicht der Ladung circa 513,49 kg gewogen habe.

Der Kläger beantragt, sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2020 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Neue rechtserhebliche und bisher unberücksichtigte Gesichtspunkte ergäben sich nicht.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das orthopädische Gutachten des M6 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 27. Juni 2023 erhoben. Dieser hat ausgeführt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit am 20. Juli 2017 schwere Europaletten mit gestapelten Fenstern ausgeladen habe. Dabei sei eine Palette umgekippt und auf die rechte Körperseite des Klägers gestürzt, der darunter eingeklemmt worden sei. Am Unfalltag sei eine Reposition des luxierten Hüftgelenks vorgenommen worden. Die operative Versorgung der Acetabulumfraktur sei in der Universitätsklinik F1 erfolgt.

Der Kläger habe vordergründig über immobilisierende Schmerzen vor allem in der rechten Gesäßhälfte mit Ausstrahlung in das rechte Bein sowie über ein Instabilitätsgefühl und eine schmerzhafte Kraftminderung der unteren Extremität geklagt, wodurch er beim Gehen eingeschränkt sei und Gehstützen benötige. Nach der Operation und der Rehabilitation seien die Beschwerden im Bereich der rechten Extremität dauerhaft und belasteten ihn sehr. Zusätzlich sei eine Spinalkanalstenose bekannt, die Beschwerden hätten sich durch die Wirbelsäulenoperation 2020 aber nicht gebessert. Aktuell nehme er täglich Schmerzmittel ein. Er sei psychisch ziemlich angeschlagen, weil er sich nicht alleine versorgen könne. Das Gangbild sei unsicher und er brauche dauerhaft Gehstützen. Ihn belaste seine kleine Minirente, durch welche er kaum seine Alltagskosten finanzieren könne. So sei er auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie angewiesen. Vor seinem Unfall habe er sehr viel gearbeitet, er sei lange Jahre Kraftfahrer gewesen und habe diese Tätigkeit bis zum Unfall intensiv ausgeübt. Dass er jetzt nicht mehr so aktiv sein könne, belaste ihn sehr.

Das Untersuchungszimmer sei mit zwei Gehhilfen betreten worden, das Gangbild zeige sich auffällig unrund und unsicher. Das rechte Bein werde schlenkerartig nach vorn bewegt. Beim Aus- und Anziehen sei die Hilfe des Sohnes notwendig, der Ernährungs- und Allgemeinzustand zeige sich reduziert. Es falle auf, dass der Kläger nicht in der Lage sei, normal auf dem Stuhl zu sitzen, eine Entlastung der rechten Gesäßhälfte zeige sich auch auf der Liege, die nur mit Hilfe des Sohnes habe benutzt werden können.

An der Wirbelsäule habe der FBA 25 cm betragen, die Bewegungen hätten mit üblicher Geschwindigkeit ausgeführt werden können. Es bestehe eine linksseitige Schmerzhaftigkeit in der Seit- und Rotationsbewegung. Klinisch imponiere kein paravertebraler Hartspann der BWS, das Zeichen nach Ott betrage 30:30,5 cm, das Zeichen nach Schober 10:12 cm. Das Zeichen nach Lasèque sei ebenso wie das Zeichen nach Bragard links negativ, rechts aber deutlich positiv. Es bestehe ein klarer Dehnungsschmerz des Nervus ischiadicus. Bei der Überprüfung der Sensibilität zeige sich ein Defizit in den Dermatomen L4 bis S1 rechtsseitig, PSR und ASR seien rechts leicht abgeschwächt, der Zehen- und Hackenstand seien möglich. Die Beweglichkeit der Hüftgelenke betrage für Streckung/Beugung 0-0-110° rechts und 0-0-120° links, für Abspreizen/Anführen 30-0-20° rechts und 40-0-20° links. Auffällig seien starke Schmerzen rechts gluteal vor allem bei der Beugung. Die Streckung/Beugung der Kniegelenke sei beidseits mit 0-0-130° möglich.

In der Untersuchung habe sich ein in der Beweglichkeit normwertiges Hüftgelenk mit einer Abduktionskraft von 5/5 nach Janda gezeigt, ebenso eine Beugekraft mit 5/5 nach Janda. Insgesamt sei die Bewegung jedoch schmerzhaft eingeschränkt, insbesondere die Beugung bei gleichzeitiger Innenrotation des rechten Hüftgelenks. Dabei komme es zu starken ischialgieformen Schmerzen. Ein Leistendruckschmerz oder Trochanterklopfschmerz bestehe nicht, motorisch lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich einer Kraftschwäche vor. Die rechte untere Extremität zeige eine reduzierte Umfangsmessung gegenüber links, auffällig sei ein sensibles Defizit in den rechten Dermatomen L4, L5 und S1. Die Reflexe der rechten Extremität seien ebenfalls gegenüber der linken Extremität abgeschwächt. Ein Druck- oder Klopfschmerz über der BWS und LWS liege nicht vor. Auffällig sei hingegen ein paravertebraler Druckschmerz der unteren LWS beidseits.

Die vorgetragenen Beschwerden hätten eindeutig ihre Ursache in einer ausgeprägten mechanischen Irritation der Nervus ischiadicus an der am hinteren Acetabulum befindlichen eindrücklichen Ossifikationen, resultierend aus der ehemaligen Fraktur, sowie an zusätzlicher Nervenirritation an der einliegenden Rekoplatte. Hierin sei die Hauptursache für die Beschwerden zu sehen, welche sich in typischer Art und Weise bei dem Kläger äußerten. Die mechanische Reizung werde beim Sitzen und Beugen des Hüftgelenks noch deutlich verstärkt, welches für ihn äußerst schmerzhaft sei und zum Bild einer Nervenkompression des Nervus ischiadicus passe. Ebenso lasse sich damit das unrunde Gangbild mit der Notwendigkeit von Gehhilfe erklären, genauso die Sensibilitätsstörungen L4 bis S1. Der Nervus Ischiadicus setze sich aus den Nervenwurzeln L4 bis S3 zusammen. Eine mechanische Kompression könne daher zunächst die sensiblen Leitungsbahnen des Nervens verletzen, da diese im Gegensatz zu den motorischen Bahnen schwächer isoliert und damit vulnerabler seien. Es werde dringend die Neurolyse des Nervus ischiadicus, das Abtragen der Ossifikationen am dorsalen Acetabulumpfeiler und das Entfernen der einliegenden Platte empfohlen. Hierdurch seien die Beschwerden deutlich zu bessern.

Ein ischialgieformes Schmerzsyndrom könne auch durch eine Nervenwurzelkompression hervorgerufen werden. Bei dem Kläger liege gleichzeitig eine Spinalkanalstenose auf Höhe L2/3 und L4/5 vor. Patienten könnten besser den Berg hochlaufen, als den Berg runter und Fahrradfahren sei ebenfalls besser möglich als Gehen. Diese typische Spinalkanalstenosen-Symptomatik sei vom Kläger nie beschrieben worden. Im Vordergrund habe immer das rechtsseitige ischialgieforme Schmerzsyndrom gestanden, welches primär und vor allem in dieser alleinigen Symptomatik für eine Spinalkanalstenose untypisch sei. Auch die Spinalkanalstenose und deren klinische Symptomatik könne mit schmerzhaften Ausstrahlungen in die Beine oder das Bein vergesellschaftet sein. Die MRT vom 27. März 2020 habe aber Nervenwurzelkompressionen ausgeschlossen. Das Beschwerdebild einer Spinalkanalstenose und die vom Kläger vorgetragenen ischialgieformen Schmerzen rechtsseitig passten nicht wirklich zusammen, sodass es nicht verwunderlich sei, dass die Wirbelsäulenoperation 2020 zu keiner Beschwerdelinderung geführt habe.

Ebenfalls müsse darauf hingewiesen werden, dass es dem Kläger (bei bekannter Spinalkanalstenose) vor dem Unfall problemlos möglich gewesen sei, einen LKW mit 300 kg schweren Paletten zu be- und entladen. Erst anschließend seien dann ausgeprägte ischialgieforme Schmerzen aufgetreten, welche so akut mit einer chronischen und vor dem Unfall weitgehend unauffälligen Spinalkanalstenose nur unzureichend zu erklären seien. Die Konstellation von Acetabulumfraktur, operativer Frakturversorgung und ischialgieformem Schmerzsyndrom erscheine retrospektiv in einem viel naheliegenderen Zusammenhang. In der Untersuchung vom 9. Mai 2019 sei auf eine periphere Läsion des Nervus ischiadicus hingewiesen worden, der neurologische Gutachter K2 habe auf eine Kontusion der Nervus ischiadicus verwiesen, aber keinen Zusammenhang mit der Spinalkanalstenose erkennen können. Die Universitätsklinik F1 habe sich zu Unrecht für die absolute Spinalkanalstenose als beschwerdeführende Diagnose entschieden, obwohl fast alle Parameter für eine lokale Nervenirration sprächen.

Es sei nicht verwunderlich, dass diese dauerhaften und trotz aller Rehabilitationsmaßnahmen und durchgeführten Wirbelsäulenoperationen bestehende Schmerzproblematik, aufgrund der persistierenden Affektion des Nervus ischiadicus bei dem Kläger zur Verzweiflung und auch zur Depression geführt hätten. Die erheblichen schmerzbedingten Einschränkungen mit der notwendigen Hilfe beim An- und Auskleiden seien prinzipiell klare Indikatoren für die Beantragung eines Pflegegrades.

Auf das Unfallereignis sei das ausgeprägte ischialgieforme Schmerzsyndrom rechts aufgrund einer mechanischen Affektion des Nervus ischiadicus am rechten dorsalen Acetabulum durch die dort befindlichen Ossifikationen, Frakturreste und die einliegende Platte zurückzuführen. Prinzipiell bestehe eine Arbeitsunfähigkeit vom Unfalltag bis heute. Dies gelte sowohl für körperlich belastende wie für sitzende Tätigkeiten. Der Kläger sei mit einem solch ausgeprägten Schmerzsyndrom nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, sodass eine MdE von 70 v. H. begründet sei. Die erheblichen schmerzbedingten Einschränkungen mit der Hilfe beim An- und Auskleiden seien prinzipiell klare Indikatoren für die Beantragung eines Pflegegrades.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 20. Oktober 2022, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung einer Verletztenrente unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 19. September 2020 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 10. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, dem Kläger Verletztenrente aufgrund des Unfallereignisses vom 20. Juli 2017 zu gewähren, da die Unfallfolgen eine MdE von 20 v. H. nicht erreichen. Anhaltspunkte für einen Stützrententatbestand (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) bestehen nicht (vgl. auch die Übersicht über die Versicherungsfälle Bl. 1413 VerwAkte) und sind vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des M6 nach § 109 SGG folgt nichts anderes, insbesondere steht dessen – rechtliche – Einschätzung zur MdE nicht in Einklang mit den Bewertungsvorgaben und wird von seinen eigenen Befunden nicht getragen. Das SG hat die Klage mithin zu Recht abgewiesen.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (§§ 8, 9 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R –, juris, Rz. 12).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der jeweilige Versicherungsfall eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Die unfallversicherungsrechtliche Zurechnung setzt erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „Conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht („ex post“) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie auch zur MdE reichen, derentwegen das SGB VII mit der Rente ein Leistungsrecht vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Erstschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfall-versicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungs-rechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstat-bestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 9/07 R –, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 43, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R –, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 – L 6 U 50/15 –, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 37), wobei von einem normativ-funktionalen Krankheitsbegriff auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R –, juris, Rz. 22 m. w. N.), die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr 3, Rz. 17 m. w. N.).


Der Kläger hat bei seiner unfallversicherten Tätigkeit am 20. Juli 2017 einen Arbeitsunfall erlitten, den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid – für den Senat bindend (vgl. § 77 SGG) –sinngemäß als solchen und eine Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte als Unfallfolge anerkannt hat.

Weitere Unfallfolgen sind nicht zu berücksichtigen und eine MdE von wenigstens 20 v. H. wird dadurch nicht erreicht. Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der aktenkundigen Befundunterlagen, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), sowie der erhobenen Sachverständigengutachten, auch in Kenntnis des aktuellen orthopädischen Gutachtens, fest.

Bewegungseinschränkungen des Hüftgelenkes sind nach den einschlägigen Erfahrungssätzen mit einer MdE von 10 v. H. bei einer nur möglichen Streckung/Beugung von 0-10-90° und mit 20 v. H. bei einer möglichen Streckung/Beugung von 0-30-90° zu bewerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 581).

Derart ausgeprägte Funktionseinschränkungen bestehen beim Kläger aber nicht. Dieser ist vielmehr schon am 14. September 2017 aus der Rehabilitation mit einer möglichen Beweglichkeit für Extension/Flexion von 0-0-95° entlassen worden, eine Streckhemmung bestand somit bereits damals nicht (vgl. Entlassungsbericht der P2 K1). Während der ambulanten Rehabilitation (vgl. Bericht der R1-Tagesklinik von Oktober 2017) ist zwar ein leichtes Streckdefizit von 5° beschrieben, die Beugung mit 100° aber sogar besser befundet worden. Eine MdE-relevante Einschränkung der Beweglichkeit hat damit nicht bestanden. Der im Rentenverfahren beauftragte M1 hat im Dezember 2017 die Flexion sogar mit 120° gemessen, die BGU T2 hat im Februar 2018 eine Beweglichkeit von 0-0-100° befundet. Dazu passend wurde in der Endoprothesensprechstunde im Juni 2018 eine weitgehend verheilte Fraktur ohne ausgeprägte posttraumatische Arthrose gesehen, folgerichtig eine aktuelle Indikation zur Implantation einer Totalendoprothese verneint, was der Senat deren Bericht entnimmt, ohne dass eine solche zwischenzeitlich erfolgt wäre (vgl. zur MdE-Bewertung bei Totalendoporthesen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 586). Somit belegen die Therapieberichte eine kontinuierliche Besserung der Mobilität.

Aus dem Rentengutachten des S2 folgt nichts Anderes, dieser hat die Beweglichkeit mit 0-0-110° festgestellt. Eine solche ist bis zuletzt 2023 von dem Sachverständigen M6 ebenfalls erhoben worden. Letzterer hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich ein in der Beweglichkeit normwertiges Hüftgelenk zeigte, mit einer Abduktions- und Beugekraft von jeweils 5/5 nach Janda und damit nicht eingeschränkt. Somit hat sich bis zuletzt die bereits anfangs gezeigte weitgehende Wiederherstellung der Mobilität der Hüfte bestätigt.

Das korrespondiert mit dem in der R1-RehaTagesklinik F1 im Dezember 2017 beschriebenen sicheren Gangbild mit einer Stockstütze in der linken Hand, sogar das stockfreie Gehen wurde als ausreichend sicher eingeschätzt. Bei der ambulanten Untersuchung bei S2 wurde dann sogar eine volle Kraft und intakte Sensibilität der unteren Extremitäten dokumentiert. Dem Kläger waren der Zehen- und der Hackenstand sowie der Hackengang uneingeschränkt möglich, was eindrucksvoll die Richtigkeit der Einschätzung unterstreicht. Demzufolge hat S4 einen normalen Muskeltonus ohne Muskelatrophien festgehalten, was nichts anderes bedeutet, als dass der Kläger normal laufen kann. Denn andernfalls wäre nach fünf bis sechs Jahren totaler Schonung der Gliedmaße ein massiver Muskelschwund zu erwarten. Das heißt der Kläger kann laufen und tut das auch.

Soweit M6 die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden allein einer mechanischen Schädigung des Nervus ischiadicu zuschreiben will, folgt der Senat dem nicht. S2 hat nämlich, für den Senat überzeugend, herausgearbeitet, dass traumatische Hüftluxationen zwar theoretisch zu Nervenverletzungen führen können, solche beim Kläger aber tatsächlich nicht objektiviert worden sind (vgl. auch das Sachverständigengutachten des S4). Vielmehr weist der D-Arztbericht deutlich aus, dass sich eben keine Schädigung des Nervus ischiadicus zeigte, eine solche ergab sich intraoperativ ebenfalls nicht. Somit handelt es sich um reine Spekulation des M6, die dem erforderlichen Vollbeweis nicht genügt.

Das wird im Weiteren durch die Begutachtung des S2 gestützt, der schlüssig aufgezeigt hat, dass der Kläger eine Verbesserung der Schmerz-Situation durch Einnehmen einer Schonhaltung mit Lehnen des Oberkörpers nach links beschreibt. Das hat M6 im Übrigen ebenfalls beobachtet, allerdings ohne daraus die naheliegenden Schlüsse zu ziehen. Denn dadurch kommt es zu einer Aufdehnung der stenosierten rechtsseitigen Neuroforamina, was S2 weiter darlegt. Das Beschwerdebild sieht er deshalb nachvollziehbar als vereinbar mit einer klinischen Exazerbation der klinisch-radiologisch gesicherten vorbestehenden Spinalkanalstenose an. Hinsichtlich letzterer ist schon dem Rehabilitationsentlassungsbericht der P2 zu entnehmen, dass eine unfallunabhängige hochgradige osteoligamentäre Spinalkanalstenose bestanden hat und sich eine claudicatio-spinalis-Symptomatik mit unsicherem Gangbild zeigte, durch die der Heilungsverlauf hinsichtlich der Unfallfolgen verzögert wurde.

Soweit M6 seine Schlussfolgerungen mit dem Hinweis zu untermauern versucht, dass die Unfallursächlichkeit der Beschwerden schon daran erkennbar werde, dass der Kläger vor dem Ereignis problemlos in der Lage gewesen sei, die schweren Be- und Entladetätigkeiten zu verrichten, ist seine Einschätzung durch den Rehabilitationsentlassungsbericht der F2 aus 2016 widerlegt. Daraus ergibt sich nämlich in aller Deutlichkeit, dass bereits damals nur ein auf drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit bescheinigt sowie berufsfördernde Maßnahmen angeraten wurden. Der Kläger selbst hat dazu passend angegeben, die Be- und Entladetätigkeiten nicht mehr verrichten zu können. Die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens wurde auf Basis der Diagnose eines chronisch-rezidivierenden LWS-Syndroms gesehen. Der Kläger hat damals genau die ausstrahlenden Beschwerden in den Unterschenkel und den Fuß rechts beschrieben, die zu einer Schmerzintensität zwischen 8 und 9 und einer auf 1.000 Meter eingeschränkten Gehstrecke führten. Daneben wurden Knieschmerzen beklagt, bei der Untersuchung der unteren Extremitäten ist seinerzeit schon eine eingeschränkte Innenrotation der Hüftgelenke befundet worden. M6 übersieht insoweit auch, dass der Kläger selbst der Rehabilitationsmanagerin berichtet hat, dass der Arbeitgeber auf seine gesundheitlichen Einschränkungen keine Rücksicht genommen hat – von einer problemlos möglichen Verrichtung der schweren Tätigkeit, wie der Sachverständige glauben machen will, kann damit keine Rede sein.

Der Verweis von M6 auf die zwingende Notwendigkeit der beidseitigen und dauerhaften Nutzung von Gehstöcken überzeugt in Anbetracht der Aktenlage ebenfalls nicht. Der Sachverständige setzt sich nicht damit auseinander, dass sowohl die R1-Klinik als auch die BGU T2 versucht haben, den Kläger von den Hilfsmitteln zu entwöhnen, also eben keine medizinische Indikation hierfür gesehen haben. Passend hierzu hat M1 bei seiner Untersuchung den Kläger für einen bis zwei Kilometer gehfähig erachtet. Dem Entlassungsbericht der M5-Klinik 2019 ist sogar ein unauffälliges Gang- und Standbild ohne pathologische Reflexe und erhaltener Sensibilität zu entnehmen, somit ein Normalbefund.

Angesichts des Vorbefundes aus 2016, der eindeutig rechtsseitige Beschwerden benennt, erschließt sich nicht, worauf der Gutachter K2 seine Erkenntnis stützt, dass vor dem streitigen Unfallereignis nur linksseitige Beschwerden bestanden hätten und rechtsseitige erst nach dem Ereignis angegeben worden seien. Dem widerspricht weiter, dass die Rehabilitationsklinik das Zeichen nach Lasèque, als Hinweis auf eine Wurzelkompression (vgl. das Gutachten des M1) rechts ab 45° positiv befundet hat und nicht etwa links. Im Übrigen werden die Schlussfolgerungen des K2 zu möglichen Nervenschäden aufgrund des Unfallereignisses durch die Ausführungen des C1 schlüssig widerlegt, der nach Durchführung entsprechender Messungen unfallbedingte Schäden verneint und im Einzelnen dargelegt hat, dass sämtliche Pathologien auf die vorbestehende Spinalkanalstenose zurückzuführen sind.

Soweit M6 und K2 die vom Kläger beschriebenen Beschwerden am Knie ebenfalls dem Unfallereignis zuschreiben wollen, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil S2 bei seiner orthopädischen Untersuchung eine freie Beweglichkeit beider Kniegelenke, keinen Erguss und keine Bandinstabilität befundet, also einen Normalbefund erhoben hat. Abgesehen davon sind in das rechte Knie ausstrahlende Beschwerden ebenfalls schon in der Rehabilitation 2016 geklagt worden, diese somit jedenfalls vorbestehend.

Unabhängig davon korrespondiert die MdE-Bewertung des Sachverständigen M6 nicht mit den Erfahrungssätzen zur Einschätzung der MdE, sodass dieser – rechtlichen – Bewertung ebenfalls nicht gefolgt werden kann. Eine MdE von 70 v. H., wie sie der Sachverständige sehen will, entspricht einem vollständigen Ausfall der Nervus ischiadicus im oberen Bereich mit dem Nervus glutaeus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 230). Ein derartiger Befund liegt beim Kläger auch nach dessen Untersuchung bei weitem nicht vor. Denn der erforderliche Ausfall der Nerven ist nicht objektiviert. Vielmehr hat F4 beratungsärztlich schlüssig aufgezeigt, dass nur von einer leichten sensiblen Schädigung des Nervens ausgegangen werden kann, die keine höhere MdE als 10 v. H. rechtfertigt. Motorische Ausfälle sind von keinem der Sachverständigen gesehen worden, auch M6 hat erhaltene Kraftgrade beschrieben. Dementsprechend hat S2 als Unfallfolge auch nur Druckbeschwerden und eine leichte Bewegungseinschränkung am rechten Hüftgelenk benannt, durch die eine MdE von wenigstens 20 v. H. nach den aufgezeigten Maßstäben nicht erreicht wird.

Daneben kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass mehrfach (vgl. insbesondere den Entlassungsbericht der P2 K1) darauf hingewiesen worden ist, dass sich unfallbedingt keine Einschränkungen gegenüber den aus der vorbestehenden Spinalkanalstenose begründeten Beschwerden abgrenzen lassen, die unfallunabhängig bestehen. Allein der Umstand, dass M6 meint, die beschriebene Symptomatik lasse sich nicht mit einer Spinalkanalstenose in Einklang bringen, belegt den Unfallzusammenhang deshalb nicht. Denn das ändert nichts daran, dass bereits vor dem Unfallereignis eine Beschwerdesymptomatik bestanden hat, die so ausgeprägt war, dass Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit gesehen worden sind (vgl. oben). Von einer „unauffälligen Spinalkanalstenose“ kann somit keine Rede sein. Hiermit setzt sich der Sachverständige zu Unrecht ebenso wenig auseinander, wie mit den ausführlichen und überzeugenden Darlegungen des S2 dazu, dass eine bestehende – und durch die Vorbefunde gesicherte Claudicatio-Symptomatik – klinisch stumm sein, aber jederzeit unfallunabhängig dekompensieren kann. Eine solche unfallunabhängige Exazerbation ist beim Kläger durch die Universitätsklinik F1 mehrfach beschrieben worden.

M6 übergeht weiter, dass in den Endoprothesensprechstunde der BGU keine Entzündung im Hüftgelenk festgestellt werden konnte und die dort durchgeführte Infiltration mit Betäubungsmitteln ohne Effekt geblieben ist, wodurch untermauert wird, dass die Beschwerden der Spinalkanalstenose im Vordergrund stehen (vgl. auch die Befundberichte der Universitätsklinik F1) bzw. diejenigen vom Hüftgelenk ausgehenden jedenfalls überlagern (vgl. Entlassungsbericht der P2). Soweit die BGU T2 aufgrund der fehlenden knöchernen Durchbauung noch davon ausgegangen ist, dass die Beschwerden der Hüfte im Vordergrund stehen könnten, ohne eine Abgrenzung vorgenommen zu haben, ist durch die nachfolgenden radiologischen Aufnahmen belegt, dass eine knöcherne Durchbauung zwischenzeitlich eingetreten ist (vgl. schon den Entlassungsbericht der KSR) und werden die ausführlichen differenzierten Ausführungen des S2 hierdurch nicht in Frage gestellt.

Ebenso würdigt M6 nicht, dass S4 aus neurologischer Sicht dargelegt hat, dass die diffusen Beschwerdeangaben des Klägers im Bereich des rechten Beines medizinisch nicht erklärbar gewesen sind und er deshalb deutliche Anzeichen einer Aggravation gesehen hat, was damit korrespondiert, dass die Angaben des Klägers zur Nutzung der Gehstöcke deutlich variieren. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben dazu, wie und in welchem Umfang der Kläger bei den jeweiligen Untersuchungen zum Be- und Entkleiden in der Lage war, deutlich differieren, sodass der pauschale Verweis von M6 auf die Notwendigkeit der Zuerkennung eines Pflegegrades – der nicht streitgegenständlich ist – ebenfalls nicht überzeugt.


Bewertungsrelevante Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet bestehen nicht. Der Sachverständige S4 hat, für den Senat überzeugend, herausgearbeitet, dass bei dem Kläger keine eigene Erinnerung an das Unfallereignis besteht und damit unabhängig vom Diagnosesystem (ICD-10 oder DSM-V) kein traumatisches Ereignis im Sinne der Diagnosekriterien in Betracht kommt. Etwas nicht bewusst Erlebtes ist, so der Sachverständige weiter, nicht erinnerbar und kann daher auch in Träumen nicht erinnert werden. Die fehlende Erinnerung an das Unfallereignis ist bereits im Bericht des Schmerzzentrums der Universitätsklinik F1 beschrieben und vom Kläger gegenüber dem Sachverständigen S4 erneut bestätigt worden. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung bekräftigt, dass die Anerkennung einer PTBS als Unfallfolge ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte zum Unfallzeitpunkt bewusstlos war und demzufolge keinerlei Erinnerung an das Unfallgeschehen besteht, sondern dies nur im Nachhinein aus Erzählungen rekonstruiert wird (vgl. Senatsurteile vom 26. September 2013 – L 6 U 3246/12 –, juris, Rz. 49 und vom 16. März 2023 – L 6 VG 1749/22 –, juris, Rz. 159).

Beide Untersuchungen haben im Beisein von Dolmetschern stattgefunden. Die bei S4 anwesende Dolmetscherin konnte diesem detailliert schildern, wie sich der Kläger – überwiegend türkisch, weniger kurdisch – mit ihr verständigt hat. Anhaltspunkte für Verständigungsschwierigkeiten bestehen keine und sind vom Kläger auf ausdrückliche Nachfrage des SG auch nicht dargelegt worden. Dass der Sachverständige den vom Kläger vorgeschlagenen Dolmetscher nicht herangezogen hat, war schon deshalb folgerichtig, weil dieser offenbar nur für türkisch, nicht aber für kurdisch vereidigt gewesen ist. Im Übrigen hat der Sachverständige zu Recht darauf hingewiesen, dass der Dolmetscher Gewähr für eine wortgetreue Übersetzung bieten muss, was gegen die Heranziehung von persönlich bekannten Dolmetschern spricht. Die Thesen des K2, dass die Beschwerden des Klägers aufgrund der Sprachbarriere nicht hinreichend erfasst worden seien, sind damit in tatsächlicher Hinsicht widerlegt. Der Akte sind vielfältige Rechnungen für die Hinzuziehungen für Dolmetscher zu entnehmen, lediglich K2 hat hierzu offensichtlich keine Veranlassung gesehen, sondern hat auf die Hilfe eines Nachbarn des Klägers zurückgegriffen, ohne dies entsprechend zu würdigen. Hierzu hätte aber schon deshalb Veranlassung bestanden, da der Gutachter selbst ausführt, dass der Nachbar, als der Kläger in Tränen ausbrach, in die Untersuchung eingegriffen und den Kläger dazu gebracht habe sich zurückzunehmen. Unabhängig davon hat M1 bei seinem Gutachten für die DRV auf eine nur leichte Sprachbarriere hingewiesen. M2 hat mit dem Kläger 27 Therapiesitzungen durchgeführt und erst auf den Hinweis der BGU T2 überhaupt in Frage gestellt, ob die Therapie aufgrund einer Sprachbarriere ineffektiv gewesen sein könnte. Das begründet erhebliche Zweifel an der vorgetragenen Sprachbarriere, zumal der Kläger seit fast 30 Jahren in Deutschland lebt, hier auch gearbeitet hat und seit vielen Jahren zahlreiche ärztliche Behandlungen in deutscher Sprache in Anspruch nimmt, sich dort ganz offensichtlich verständigen kann.

Soweit der Kläger mehrfach behauptet, beim Entladen keine Hilfe von dem vor Ort anwesenden Staplerfahrer erhalten zu haben, hat S4, vor dem Hintergrund seiner Feststellung, dass der Kläger keine Erinnerung an den Unfall hat, nachvollziehbar dargelegt, dass es sich auch hierbei nur um eine bloße Mutmaßung des Klägers handelt, nicht einmal geklärt ist, ob überhaupt ein Staplerfahrer anwesend war. Unschlüssig ist es daher, wenn M2 angibt, eine Traumakonfrontation durchgeführt und dadurch beim Kläger die intrusive Symptomatik reduziert zu haben. Ihr therapeutisches Konzept ist damit offensichtlich von der unzutreffenden Vorstellung ausgegangen, der Kläger könne sich an den Unfall erinnern. Auf die von dem Kläger immer wieder aufgeworfene Frage nach dem tatsächlichen Ladungsgewicht kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an. Es kann daher dahinstehen, dass seine letzte Angabe von einem angeblichen Gewicht von 700 kg mit der zuletzt vorgelegten Bescheinigung, wonach das Gewicht 549 kg betragen habe, nicht korrespondiert.

Soweit sowohl die als auch der Gutachter K2 davon ausgehen, dass eine PTBS vorliege, gehen sie in tatsächlicher Hinsicht ebenfalls von falschen Anknüpfungstatsachen aus (vgl. oben). Der medizinischen Beurteilung sind ersichtlich nur die Angaben des Klägers zu Grunde gelegt und diese nicht hinreichend hinterfragt worden. Wenn K2 behauptet, die Befunde und Vorgeschichte gewürdigt zu haben, gehen diese Ausführungen damit fehl. Vielmehr ist ihm entgangen, dass der Kläger nicht aus eigener Erinnerung über das Ereignis berichtet, sondern nur das wiedergegeben hat, was er aufgrund von Erzählungen Dritter verinnerlicht hat (vgl. oben). Dies geht aus dem Bericht der Schmerzklinik der Universitätsklinik F1 deutlich hervor. Anders als der Kläger meint, beruhen die Schlussfolgerungen des S4 damit nicht auf einem überholten wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Dieser hat im Gegensatz zu K2 nur den tatsächlichen Sachverhalt zutreffend erhoben und seiner Beurteilung zu Grunde gelegt. Im Übrigen hat S4 schlüssig aufgezeigt, dass die Darlegungen des K2 in sich deshalb widersprüchlich sind, da er in seinem Gutachten für die Beklagte das Vorliegen einer PTBS selbst noch verneint hat, nun aber glauben machen will, weil die PTBS nicht über einen Zeitraum von drei Jahren anhalten könne, eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung diagnostizieren zu können. Wenn indessen eine PTBS schon nicht vorgelegen hat, kann diese auch nicht in eine andere Diagnose übergegangen sein. Wie überzeugend es deshalb sein kann, wenn K2 ein Vermeidungsverhalten des Klägers deshalb sehen will, weil dieser das Fahren von D1-Lastern vermeide, kann dahinstehen. Der Gutachter übersieht hier zum einen, dass der Kläger nur für ein Unternehmen gefahren ist, das u. a. auch für D1 Transporte durchgeführt hat, zum anderen, dass er infolge seiner zunächst bestehenden Arbeitsunfähigkeit und des dann eingetretenen Arbeitsplatzverlustes gar nicht an den Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Ob hieraus auf ein Vermeidungsverhalten geschlossen werden kann, erscheint mehr als fraglich.

Dass K2 die Verlaufsberichte, im Gegensatz zu S4, nicht gewürdigt hat, wird weiter daran deutlich, dass ihm entgangen ist, dass das P2 K1 in der unmittelbar an die operative Versorgung anschließenden Rehabilitation festgehalten hat, dass psychisch schon bei der Aufnahme eine stabile Stimmungslage ohne posttraumatische Ängste bestand. M1 hat damit korrespondierend im Dezember 2017 in seinem Gutachten für die DRV ebenso keine psychischen Auffälligkeiten gesehen. Woraus K2 entnimmt, dass der Kläger seine Arbeit wieder aufgenommen habe, bleibt ebenfalls offen. Der Kläger selbst hat gegenüber S4 jedenfalls bekundet, dass er keiner Arbeitstätigkeit mehr nachgegangen ist. Ebenso hat die M2 zunächst nicht mehr als eine Anpassungsstörung gesehen und erst nach dem Aufenthalt des Klägers in der M5-Klinik die dortige Diagnose einer PTBS übernommen, die aber, wie ausgeführt, zu Unrecht gestellt worden ist. M2 hat darüber hinaus nicht gewürdigt, dass dem Kläger für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit schon vor dem Arbeitsunfall ein nur noch eingeschränktes Leistungsvermögen bescheinigt worden ist (vgl. auch die beratungsärztlichen Ausführungen des F4) und er der Rehabilitationsmanagerin gegenüber selbst angegeben hat, dass der Arbeitgeber keine Rücksicht auf seine Einschränkungen genommen und ihn nicht gekündigt hat. Er selbst hat scheinbar wegen der drohenden Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nicht kündigen wollen. Diesen vorbestehenden Konflikt hat sie ebenso wenig berücksichtigt wie die Tatsache, dass die vermeintliche Verärgerung über das Verhalten des Arbeitgebers nach dem Arbeitsunfall keinen MdE-relevanten Umstand darstellt.

Korrespondierend hierzu ist während der KSR nur eine depressive Episode gesehen worden, Hinweise auf eine posttraumatische Störung wurden ausdrücklich verneint. In diesem Zusammenhang hat S4 überzeugend herausgearbeitet, dass Menschen mit einer vorbeschriebenen depressiven Störung dem Risiko ausgesetzt sind, unabhängig von äußeren Einflüssen, eine weitere depressive Episode zu erleiden, die depressive Störung als solche aber nicht durch das Unfallereignis ausgelöst wird. Vor dem Hintergrund des tatsächlich unauffälligen psychischen Befundes des Klägers nach dem Unfallereignis hat der Sachverständige S4 überzeugend sowohl eine vom Unfall ausgelöste depressive Episode als auch eine richtungsweisende Verschlimmerung verneint. Dass er darauf hinweist, dass die depressive Erkrankung beim Kläger dazu führt, dass dieser Schmerzen verstärkt wahrnimmt, ist nicht entscheidungsrelevant, da die depressive Erkrankung nicht unfallabhängig ist und keine unfallbedingten psychischen Störungen vorliegen. Es geht daher fehl, wenn M6 – fachfremd – meint, die Unfallfolgen hätten bei dem Kläger zu einer Depression geführt.

Dass die Depression vorbestehend war, ist in aller Deutlichkeit durch das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse belegt, das durch S4 im Einzelnen ausgewertet worden ist. Der Sachverständige hat weiter darauf verwiesen, dass der Kläger den Fragen nach den Vorerkrankungen bewusst ausgewichen ist und versucht hat, das Thema zu wechseln, hierzu also ganz gezielt und somit bewusstseinsnah keine Angaben machen wollte. Der Umstand, dass K2 das Fehlen des Vorerkrankungsverzeichnisses moniert hat, ist einer unzureichenden Aktendurchsicht geschuldet, da dieses aktenkundig (gewesen) ist. Soweit die M5-Klinik darauf hinweist, dass Vorbehandlungen nicht zu eruieren gewesen seien, ist dies schon deshalb unschlüssig, da im Weiteren ausgeführt wird, dass der Kontakt zum Kläger schnell herstellbar gewesen ist, da er aus der Vorbehandlung bekannt war – also Befunde bei der Klinik hätten aktenkundig sein müssen.

Letztlich ist durch die von der BGU T2 angeregte MRT des Schädels ein struktureller Hirnschaden durch das Unfallereignis ausgeschlossen worden und S4 hat schlüssig herausgestellt, dass die These des K2, wonach sich durch eine Retraumatisierung ein Hirnschaden herausbilden könne, medizinisch abwegig ist. Hierauf kommt es aber schon deshalb nicht an, da K2 das vermeintlich stattgehabte Ereignis schon gar nicht hinterfragt und konkret benannt hat und damit wiederum von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Gegenüber S4 hat der Kläger im Übrigen selbst angegeben, dass es kein zweites Unfallereignis gegeben hat.

Nachdem somit eine MdE von wenigstens 20 v. H. nicht erreicht wird, hat die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente zu Recht abgelehnt.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.



 

Rechtskraft
Aus
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