Bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status einer als Entlastungsassistentin gemäß § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV tätigen psychologischen Psychotherapeutin, die über keine vertragspsychotherapeutische Zulassung verfügt und ihre Leistungen mithilfe der entlasteten zugelassenen Psychotherapeutin abrechnet, spricht die Einbindung der Entlastungsassistentin in den vertragsarztrechtlichen Rechtsrahmen mit nicht unerheblichem Gewicht für eine abhängige Beschäftigung. Eine determinierende Wirkung folgt daraus jedoch nicht. Ist die zu beurteilende Tätigkeit ansonsten – insbesondere hinsichtlich der Organisation des anteilig übernommenen Praxisbetriebs, der Patientenakquise, der Behandlungsplanung, der Verwendung eigener Arbeitsmaterialien und des Abschlusses eigener Behandlungsverträge mit Patienten – von größtmöglicher Selbstbestimmung und Trennung der Praxisbetriebe geprägt und tritt die Entlastungsassistentin werbend am Markt auf, liegen überwiegende Indizien für eine selbständige Tätigkeit vor.
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2023 zu Ziffer I. wie folgt neu gefasst wird:
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2020 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin im Zeitraum 1. November 2018 bis 31. Dezember 2019 für die Beigeladene zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Entlastungsassistentin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung der Beklagten, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 als Entlastungsassistentin in der Zeit vom 1. November 2018 bis 31. Dezember 2019 aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die geborene Klägerin und die Beigeladene zu 1 sind Diplom-Psychologinnen und Psychologische Psychotherapeutinnen. Die Klägerin wurde 2018 als psychologische Psychotherapeutin approbiert. Die Beigeladene zu 1 verfügte im streitigen Zeitraum über eine Genehmigung zur Abrechnung und Durchführung von psychotherapeutischen Leistungen und nahm mit einer Praxis in der Rstraße in Berlin Mitte an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil.
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin genehmigte der Beigeladenen zu 1 am 29. Oktober 2018, die Klägerin für die Zeit ab dem 25. Oktober 2018 wegen der Pflege naher Angehöriger nach § 32 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) als Entlastungsassistentin zu beschäftigen. Die Klägerin nahm diese Tätigkeit Ende November 2018 auf.
Am 1. Dezember 2018 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1 schriftlich folgende „Vereinbarung zur Beschäftigung einer Entlastungsassistentin“:
Präambel
[Die Beigeladene zu 1] ist Psychologische Psychotherapeutin, niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie beabsichtigt, gem. § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV vorübergehend [die Klägerin] als Entlastungsassistentin ab dem 1. Dezember 2018 zu beschäftigen. [Die Klägerin] ist ebenfalls Psychologische Psychotherapeutin.
[…]
§ 1 Vertragsgegenstand und Vertragsdauer und Vertragsumfang
(1) Die Entlastungsassistentin wird für die Praxisinhaberin in dem von der KV Berlin genehmigten Zeitraum tätig.
[…]
(4) Die Beschäftigung erfolgt in der Betriebsstätte (Vertragsarztsitz) der Praxisinhaberin.
(5) [Die Klägerin] übernimmt vorerst 5 bis 15 Therapieeinheiten pro Woche. Der Stundenumfang kann im gegenseitigen Einvernehmen verändert werden.
[…]
§ 2 Pflichten der Entlastungsassistentin
(1) Die Tätigkeit umfasst die ordnungsgemäße Führung der Praxis für Rechnung der Praxisinhaberin. Dabei hat die Entlastungsassistentin den allgemeinen Anordnungen der Praxisinhaberin für die Praxisführung Folge zu leisten. Bei der Ausübung ihrer therapeutischen Tätigkeit ist die Entlastungsassistentin nicht an Weisungen der Praxisinhaberin gebunden. Im Verhinderungsfall wird die Entlastungsassistentin unverzüglich die Praxisinhaberin informieren.
[…]
§ 3 Vergütung
(1) Die Praxisinhaberin zahlt der Entlastungsassistentin für sämtliche erbrachte Leistungen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung vergütet werden, ein Honorar von 55 Prozent der Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung.
(2) Die Entlastungsassistentin erklärt, dass es sich bei der Praxisinhaberin i.d.R. nicht um ihrer alleinige Auftraggeberin handelt. Die Erfüllung sozial- bzw. steuerrechtlicher Pflichten obliegt der Entlastungsassistentin.
(3) Die Auszahlung der Honorare erfolgt nach Vorlage ordentlicher Rechnungen innerhalb von 4 Wochen nach Auszahlung durch die Kassenärztliche Vereinigung.
§ 4 Haftung
(1) Die Entlastungsassistentin versichert, dass für ihre Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrages eine Berufshaftpflichtversicherung in angemessener Höhe besteht. Die Praxisinhaberin erklärt, dass ihre persönliche Haftung für die Tätigkeit der Entlastungsassistentin durch ihre Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt ist.
(2) Die Entlastungsassistentin verpflichtet sich, die Praxisinhaberin von Schadensersatzansprüchen Dritter freizustellen, die in Ausübung der Tätigkeit entstanden sind und nicht von einer Versicherung abgedeckt werden. Dies gilt auch für Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung, die auf einem Verschulden der Entlastungsassistentin beruhen.
[…]
Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Bl. 31 bis 34 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Klägerin übte ihre Tätigkeit als Entlastungsassistentin im Umfang von 5 bis 10 Stunden pro Woche aus. Neben der Tätigkeit als Entlastungsassistentin führte die Klägerin Psychotherapien auch auf Selbstzahler- und Kostenerstattungsbasis durch und warb für diese Tätigkeiten auf einer eigenen Internetseite (www.p.de). Dazu nutzte sie sowohl die Räume der Beigeladenen zu 1 als auch von ihr angemietete Räume an anderen Orten in Berlin. Des Weiteren war sie neben diesen Tätigkeiten als Bundesbeamtin in Teilzeit tätig. Seit dem 1. Juli 2020 verfügt die Klägerin über einen eigenen Kassensitz. Die von ihr als Entlastungsassistentin behandelten Patienten nahm sie nach dem Ende dieser Tätigkeit sämtlich in ihre anderen Tätigkeiten mit.
Die Klägerin konnte ihre Tätigkeit in den Räumen der Beigeladenen zu 1 an drei Tagen nachmittags oder abends und an einem Tag vormittags ausüben. Urlaubszeiten konnte sie frei wählen. Dienstliche Besprechungen fanden nicht statt. Es wurde lediglich zu Beginn der Tätigkeit die Raumbelegung abgesprochen. Teamarbeit, Gruppentherapien, Dienstpläne oder eine gemeinsame Patientendatei gab es nicht, ebenso wenig Supervisionen oder Kontrollen durch die Beigeladene zu 1. Für die Kosten der externen Supervisionen kam die Klägerin selbst auf. Die Klägerin war für Fortbildungen selbst verantwortlich, bei der Terminvereinbarung (im Rahmen der vereinbarten Zeitfenster) und in der Behandlungsplanung völlig frei und unabhängig von der Praxis der Beigeladenen zu 1 erreichbar. Zuweisungen von Patienten über die Praxis der Beigeladenen zu 1 gab es nicht. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1 akquirierten ihre Patienten jeweils selbständig. Die im Vertrag vorgesehen allgemeinen Anordnungen beschränkten sich auf die Benutzung der Räumlichkeiten und beinhalteten beispielweise, die Außentür zweifach abzuschließen.
Auf dem Klingelschild in der Rstraße stand auch der Name der Klägerin. Es waren weder ein gemeinsamer Telefonanschluss oder Anrufbeantworter, noch eine gemeinsame E-Mail-Adresse, ein gemeinsamer Praxisempfang oder gemeinsames Praxispersonal vorhanden. Die Klägerin nutzte eigene Arbeitsmittel wie einen eigenen Drucker, eigene Software und eigene Visitenkarten. Die Dokumentation führte sie extern auf Papier durch.
Die Klägerin pflegte ihre Leistungen in das Abrechnungssystem „Elefant“ der Beigeladenen zu 1 ein. Die Beigeladene zu 1 rechnete ihre eigenen Leistungen und die der Klägerin gemeinsam mithilfe dieses Abrechnungssystems gegenüber der KV ab. Zugleich stellte die Klägerin ihre Leistungen der Beigeladenen zu 1 in Rechnung. Von dieser erhielt die Klägerin Abschlagszahlungen in Höhe von 400 Euro monatlich sowie die Zahlungen der KV für ihre Leistungen (wie vertraglich vereinbart abzüglich 45, später 40 Prozent, sowie unter Anrechnung der Abschlagszahlungen). Fiel ein Patient aus, erhielt sie von der Beigeladenen zu 1 keine Vergütung. Im Ergebnis erhielt die Klägerin damit Zahlungen von der Beigeladenen zu 1 nur für tatsächlich erbrachte und von der KV vergütete Leistungen. Der Abzug von den Vergütungen der KV (in Höhe von 45, später 40 Prozent) beinhaltete auch eine Raummiete in Höhe von 180 Euro pro Monat.
Die Klägerin nutzte eigene Formulare z.B. für Schweigepflichtentbindungen, Datenschutzerklärungen und Erstaufnahmen. Am Standort Rstraße nutzte sie nach Absprache mit den Hauptmietern auch Räume, die nicht zur Praxis der Beigeladenen zu 1 gehörten, für ihre psychotherapeutische Tätigkeit. Sie schloss eigene Verträge mit den Patienten.
Am 24. Juni 2019 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status hinsichtlich der Tätigkeit als Entlastungsassistentin bei der Beigeladenen zu 1.
Mit Bescheid vom 27. November 2019 stellte die Beklagte nach Anhörung fest, dass in der Tätigkeit als Entlastungsassistentin bei der Beigeladenen zu 1 seit dem 1. November 2018 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass es sich um eine Assistenz im Umfang von fünf bis zehn Stunden handele, die Klägerin nicht umfänglich die Pflichten des Auftraggebers übernehme und die Bezahlung pro Therapiestunde erfolge. Zudem würden die Räumlichkeiten des Auftraggebers genutzt und Abrechnungen über das Abrechnungssystem des Auftraggebers abgewickelt. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass auch eigene Patienten in den Praxisräumen behandelt würden, die Behandlung von Privatpatienten durch die Klägerin abgerechnet werde und dass auch eigene Arbeitsmaterialien genutzt würden. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin sei in die Arbeitsorganisation und die betrieblichen Abläufe der Praxis der Beigeladenen zu 1 eingegliedert. Ein Gewinn- und Verlustrisiko sei nicht erkennbar. Die Klägerin setze ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und erhalte eine erfolgsunabhängige Stundenpauschale. Eine eigene betriebliche Einrichtung von wesentlichem Wert werde nicht unterhalten.
Am 31. Dezember 2019 endete die Tätigkeit der Klägerin als Entlastungsassistentin bei der Beigeladenen zu 1.
Den von der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. November 2019 erhobenen Widerspruch wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2020 zurück. Sie führte aus: Die streitige Tätigkeit bestehe darin, unterstützende psychotherapeutische Leistungen für die Praxis der Beigeladenen zu 1 zu erbringen. Es bestehe die Verpflichtung, die Leistung persönlich zu erbringen. Dass die Klägerin eigenverantwortlich tätig sei, stelle kein entscheidungserhebliches Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar. Eine detaillierte Anweisung durch den Arbeitgeber sei bei qualifizierten Tätigkeiten in der Regel nicht erforderlich. Die Klägerin habe sich mit Annahme des Auftrages in die vorgegebene Betriebsstruktur eingegliedert. Sie arbeite fremdbestimmt. Ein Unternehmerrisiko fehle vollständig. Der Wille, nicht sozialversicherungspflichtig tätig zu werden, sei unerheblich.
Dagegen hat die Klägerin am 19. Mai 2020 Klage erhoben. Sie sei im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben völlig frei gewesen, welche Therapien sie durchführe. Sie habe 55, später 60 Prozent der Vergütung der jeweiligen Leistungen erhalten. Für eine Probatorik habe sie zum Beispiel 46,70 Euro von 77,90 Euro erhalten, für einen Test 11,30 Euro von 18,90 Euro. Durch die Abgabe in Höhe von 40 Prozent habe sie sich an den Unterhaltskosten der Praxis beteiligt. Sie habe frei wählen können, welche Patienten sie behandele. Es habe keinerlei Zuweisungen von Patienten über die Praxis der Beigeladenen zu 1 gegeben. Sie sei unabhängig von der Praxis der Beigeladenen zu 1 erreichbar gewesen. Überschneidungen mit dieser Praxis habe es nicht gegeben. Die Räume der Beigeladenen zu 1 habe sie aufgrund der Vorgaben der KV genutzt, wonach die Leistungen an dem für die Betriebsstättennummer registrierten Ort durchzuführen seien. Bis April 2020 hätten nur 20 Prozent der therapeutischen Leistungen ortsunabhängig im Rahmen von Videosprechstunden durchgeführt werden dürfen. Soweit sie privattherapeutisch tätig gewesen sei, habe sie die Therapien sowohl in der Praxis der Beigeladenen zu 1 als auch in selbst angemieteten Räumen in Berlin durchführen können und durchgeführt. Dass nur sie persönlich die Leistungen habe durchführen dürfen, sei nicht auf Weisungen der Beigeladenen zu 1 zurückzuführen, sondern darauf, dass die Entlastungsassistenz personengebunden genehmigt werde und Psychotherapien für bestimmte Therapeuten bewilligt würden. Eine Einbindung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1 habe allein darin bestanden, dass Leistungen in der von der KV genehmigten Praxis hätten erbracht werden müssen und über die Betriebsstättennummer der Beigeladenen zu 1 mit der KV abgerechnet worden seien. Der einzige Kontakt zwischen der Beigeladenen zu 1 und ihr habe – nach der Schlüsselübergabe für die Praxisräume – darin bestanden, dass sie Rechnungen gegenüber der Beigeladenen zu 1 gestellt habe. Die Beigeladene zu 1 und sie hätten an unterschiedlichen Tagen und Zeiten in der Praxis gearbeitet. Sie hätten sich völlig selbstbestimmt organisiert. Es habe weder einen gemeinsamen Telefonanschluss oder Anrufbeantworter, noch eine gemeinsame E-Mail-Adresse, noch einen gemeinsamen Praxisempfang oder gemeinsames Praxispersonal gegeben. Von der Beigeladenen zu 1 sei lediglich die Elefant-Praxis-Software zur Leistungserfassung gestellt worden. Deren Nutzung sei von der KV vorgeschrieben worden. Für die Mitbenutzung der Praxis und des Inventars habe sie über den vereinbarten Abschlag bezahlt. Die Patienten seien unabhängig voneinander akquiriert worden. Ihr Name habe auf dem Klingelschild in der Rstraße gestanden. Zur Diagnostik habe sie unabhängig von der Beigeladenen zu 1 ein eigenes PC-gestütztes Auswertungsprogramm genutzt. Darüber hinaus habe sie zahlreiche weitere eigene Arbeitsmittel genutzt, unter anderem einen eigenen Drucker, eigene Visitenkarten und einen eigenen Webauftritt. Die Kosten der Supervision in Höhe von 200 Euro im Monat habe sie selbst getragen. Die Dokumentation habe sie ausschließlich extern auf Papier durchgeführt. Sie habe mit den Patienten individuelle Verträge (etwa Ausfallhonorarvereinbarungen) geschlossen, während die Beigeladene zu 1 auf Verträge gänzlich verzichtet habe. Soweit in dem Vertrag vom 1. Dezember 2018 allgemeine Anordnungen genannt würden, sei die Benutzung der Räumlichkeiten gemeint gewesen, z.B., dass die Außentür zweifach habe abgeschlossen werden sollen. Hinsichtlich der Tätigkeit als Entlastungsassistentin habe es keine Anordnungen gegeben. Soweit sie eine bestimmte Stundenanzahl habe tätig sein müssen, beruhe dies darauf, dass ein bestimmtes Mindeststundenkontingent von der KV vorgegeben gewesen sei. Die Beigeladene zu 1 sei verpflichtet gewesen, eine Mindestzeit von 120 Stunden im Quartal zu erfüllen. Einen Teil dieser Stunden habe die Beigeladene zu 1 im Rahmen der Entlastungsassistenz an sie weitergegeben, nämlich eine Mindestzeit von 65 Stunden im Quartal bzw. 260 Stunden im Jahr. Ihr habe es freigestanden, in einem Quartal gar nicht tätig zu sein und dafür in anderen Quartalen mehr. Dass es sich um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe, werde auch daran deutlich, dass sie sämtliche Patienten im Zuge des Praxiswechsels mitgenommen habe. Ihre unternehmerischen Risiken und Chancen hätten sich nicht von denen der Beigeladenen zu 1, deren Selbständigkeit niemand anzweifele, unterschieden. Ein unternehmerisches Risiko habe unter anderem darin bestanden, dass Psychotherapeuten für Langzeittherapien zeitaufwändige Anträge stellen müssten und offen sei, ob die Anträge bewilligt werden oder Patienten die Therapie abbrechen.
Dem ist die Beklagte im Wesentlichen mit den folgenden Erwägungen entgegengetreten: Fachliche Weisungen der Praxisinhaberin seien im Hinblick auf die Ausbildung von Psychotherapeuten nicht erforderlich. Auch Personen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden, setzten in erster Linie ihr Fachwissen und die eigene Arbeitskraft ein und handelten situationsbedingt entsprechend der ihnen übertragenen Aufgabe. Auch diese unterlägen in der Regel keiner ständigen Überwachung. Es bestehe kein erhebliches unternehmerisches Risiko. Die pauschale Abgeltung im Rahmen einer Kostenbeteiligung stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da sie nur fällig geworden sei, wenn die Klägerin auch tatsächlich gearbeitet habe. Das unternehmerische Risiko habe allein bei der Auftraggeberin gelegen, da sie die Unterhaltskosten der Praxis unabhängig von der Tätigkeit der Klägerin habe tragen müssen. Entlastungsassistenten unterschieden sich hinsichtlich ihrer weisungsgebundenen Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation regelmäßig in keiner Weise von angestellten Ärzten (Verweis auf § 95 Abs. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 32b Ärzte-ZV). Der Entlastungsassistent nutze die fremde Praxiseinrichtung, das zur Verfügung gestellte Personal und arbeite mit dem Praxispersonal zusammen.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2023 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 27. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2020 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. Dezember 2019 für die Beigeladene zu 1 als selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Die Klägerin sei nicht abhängig beschäftigt gewesen. Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 geschlossene Vertrag weise überwiegend Regelungen auf, die für eine Selbständigkeit sprächen. Er begründe weder ein umfassendes Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1 noch lasse er ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis erkennen. Die Klägerin habe selbst über Zeit und Dauer der von ihr angebotenen Sprechstunden entschieden. Die Verpflichtung, Sprechstunden anzubieten, habe nur in einem sehr geringen Umfang bestanden und dazu gedient, den Anforderungen des Versorgungsauftrages nach § 19a Ärzte-ZV gerecht zu werden. Dienstpläne habe es nicht gegeben. Ebenso wenig habe die Klägerin genaue Arbeitszeiten mitteilen müssen. Die Verpflichtung, sich während der Therapiestunden in den Räumen der Beigeladenen zu 1 aufzuhalten, sei nicht Ausdruck einer Weisung, sondern auf die rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen zurückzuführen. Die Klägerin habe auch keine erfolgsunabhängige Vergütung erhalten, sondern einen Anteil der Zahlungen der KV für erbrachte Leistungen. Sie sei selbständig unter eigenem Namen aufgetreten und habe ihre Patienten eigenständig akquirieren müssen. Eine Eingliederung in die Betriebsabläufe der Beigeladenen zu 1, die für eine abhängige Beschäftigung spreche, habe es ebenfalls nicht gegeben. Zwar habe die Klägerin das Abrechnungssystem der Beigeladenen zu 1 genutzt. Dies habe aber dazu gedient, die Leistungen für die Betriebsstätte gegenüber der KV gemeinsam abrechnen zu können. Die Klägerin habe auch selbst entschieden, welcher Abrechnungsfaktor gelte. Zudem habe die Klägerin über eigene Betriebsmittel wie eine Software für Tests verfügt und diese genutzt. Soweit sie Infrastruktur der Beigeladenen zu 1 genutzt habe, sei die Klägerin dafür im Wege des Abschlags, der 180 Euro für die Miete enthalten habe, aufgekommen.
Gegen das ihr am 7. November 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. November 2023 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung der Berufung vor: Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 19. Oktober 2021 (B 12 R 1/21 R) entschieden, dass eine Entlastungsassistenz dann als abhängige Beschäftigung einzuordnen sei, wenn diese in die Praxis funktionsgerecht dienend eingegliedert sei, ohne die Stellung einer Praxisinhaberin einzunehmen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Klägerin habe den allgemeinen Anordnungen der Beigeladenen zu 1 Folge leisten müssen. Sie sei an die Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1 gebunden und damit in die Arbeitsabläufe der Beigeladenen zu 1 eingegliedert gewesen. Das Weisungsrecht könne bei Spezialisten aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch könne die Dienstleistung fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhalte. Die Beigeladene zu 1 habe die Klägerin als Entlastungsassistentin beauftragt, um ihre Versorgungspflicht und damit ihren Betriebszweck zu erfüllen. Wer als Erfüllungsgehilfe eine Leistung für einen Auftraggeber erbringe, die dieser einem Dritten vertraglich als Hauptleistungspflicht schulde, sei typischerweise in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert. Vertragliche Vorgaben des Dritten wirkten dann gegenüber Erwerbstätigen, als ob der Auftraggeber sie geäußert habe (Verweis unter anderem auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Juni 2022, L 4 BA 52/18, zitiert nach juris, Rn. 122). Die Abrechnungsstruktur – die der Erfüllungsgehilfenkonstellation entspreche – sei ebenfalls eine Indiz für eine abhängige Beschäftigung (Verweis auf BSG, Urteile vom 19. Oktober 2021, B 12 R 17/19, zitiert nach juris, Rn. 28, und vom 28. Juni 2022, B 12 R 3/20, zitiert nach juris, Rn. 21). Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess könne selbst dann noch gegeben sein, wenn lediglich der Geschäfts- oder Betriebszweck vorgegeben und es dem Beschäftigten überlassen werde, welche Mittel er zur Erreichung der Ziele einsetze (Verweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 2019, L 8 BA 12/18 B ER, zitiert nach juris, Rn. 25). Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Pflichten lediglich auf Berufsrecht beruhten. Das Bundessozialgericht habe mehrfach entschieden, dass berufsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der Weisungen i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ausgenommen seien (Verweis auf BSG, Urteil vom 27. April 2021, B 12 KR 27/19 R, zitiert nach juris, Rn. 15). Gemäß § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV habe die Beigeladene zu 1 die Klägerin zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anhalten müssen. Die Beigeladene zu 1 stehe berufsrechtlich als Gesamtverantwortliche ein. Auch sei die Freiheit hinsichtlich der Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend ein Zeichen für Selbständigkeit (Verweis auf BSG, Urteil vom 27. April 2021, B 12 KR 27/19).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, nicht abhängig beschäftigt gewesen zu sein, verweist auf das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts und wiederholt im Wesentlichen ihr früheres Vorbringen. Die Argumente der Beklagten führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin sei keine Erfüllungsgehilfin der Beigeladenen zu 1 gewesen. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung zum Kundeneinsatz von Erfüllungsgehilfen bei Dienstleistern finde vorliegend keine Anwendung. Weder die KV noch die Krankenkassen seien Kunden. Auch das Abrechnungssystem spreche nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Abrechnung über das Abrechnungssystem der Beigeladenen zu 1 habe lediglich dazu gedient, die Leistungen im Rahmen der Krankenversicherungsabrechnung für die Betriebsstätte gemeinsam abzurechnen. Es hätten sich zwei Selbständige ein Abrechnungssystem geteilt. Die Rechnungen hätten die Krankenkassen gezahlt.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen im Verhandlungstermin nicht erschienen sind. Sie sind auf diese Möglichkeit in den Ladungen hingewiesen worden.
I. Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Gegenstand des Verfahrens sind das erstinstanzliche Urteil vom 26. Oktober 2023 und der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2020.
II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Urteil des Sozialgerichts war lediglich im Tenor zu korrigieren, da die hier vorgenommene Feststellung, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. Dezember 2019 für die Beigeladene zu 1 als selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 7a SGB IV in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung ist eine isolierte Elementenfeststellung zum Vorliegen oder Nichtvorliegen einer selbständigen Tätigkeit unzulässig. Zu entscheiden ist über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, B 12 R 8/18 R, zitiert nach juris, Rn. 21). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall einer Tätigkeit, die vor dem 1. April 2022 endete, anwendbar (vgl. zur Anwendbarkeit des § 7a SGB IV aF z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2024, L 1 BA 78/20, zitiert nach juris, Rn. 49). Dem trägt der vom Senat neugefasste Tenor Rechnung.
2. In der Sache ist die Entscheidung des Sozialgerichts allerdings nicht zu beanstanden. Es hat zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben, denn die Klägerin unterlag im Rahmen ihrer Tätigkeit als Entlastungsassistentin nicht der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) statthafte Klage ist zulässig und begründet.
a. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Statusfeststellungsbescheides ist § 7a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IV (in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung). Danach entscheidet die Beklagte auf Antrag über die Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung.
Der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI). Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, zitiert nach juris, Rn. 12) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. Urteil des Senats vom 4. Juli 2024, L 9 BA 8/22, zitiert nach juris, Rn. 174).
Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und der gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder sind daher grundsätzlich nicht – auch nicht im Sinne einer „Regel-Ausnahme-Aussage“ – möglich (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2024, B 12 BA 9/22 R, zitiert nach juris, Rn. 14, m.w.N.; Urteil des Senats vom 10. Oktober 2024, L 9 BA 22/22, zitiert nach juris, Rn. 33). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2024, B 12 BA 8/22 R, zitiert nach juris, Rn. 13).
Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Erst auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen. Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbaren, eine selbständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person – als selbständig oder beschäftigt – allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 R 17/19 R, zitiert nach juris, Rn. 18).
b. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die Indizien für eine selbständige Tätigkeit der Klägerin. Dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt. Auf die überzeugenden Urteilsgründe wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zu ergänzen ist:
Für abhängige Beschäftigung spricht die „funktionsgerecht dienende“ Eingliederung der Klägerin in die Struktur der Praxis der Beigeladenen zu 1 zu dem Zweck, mithilfe der Klägerin den Versorgungsauftrag der Beigeladenen zu 1 zu erfüllen. Damit ging einher, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Entlastungsassistentin am Betriebssitz der Beigeladenen zu 1 auszuüben hatte (§ 1 Abs. 4 des Vertrages vom 1. Dezember 2018). Sie musste zudem einen Mindestumfang an Therapieeinheiten persönlich abdecken (§ 1 Abs. 5 des Vertrages vom 1. Dezember 2018) und nutzte das System Elefant der Klägerin und deren Betriebsstättennummer zur Abrechnung. Insoweit erhielt die Tätigkeit der Klägerin äußerlich teilweise ein Gepräge vom Praxisbetrieb der Beigeladenen zu 1.
Diese Gesichtspunkte führen jedoch nicht schon zur Annahme von Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Zu berücksichtigen ist, dass diese Gesichtspunkte im Wesentlichen nicht Ausdruck von Weisungen und Pflichten im Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1 und der Klägerin waren, sondern ihren Grund in den Vorgaben des vertragsarztrechtlichen Zulassungsregimes und des Berufsrechts hatten (zur Ausübung der psychotherapeutischen Tätigkeit am Sitz der Niederlassung vgl. § 20 Abs. 1 der Berufsordnung der Kammer für Psychologische Psychotherapeuten im Land Berlin vom 30. November 2013; zur Pflicht von Psychotherapeuten, in ausreichendem Umfang für psychotherapeutische Behandlungen zur Verfügung zu stehen vgl. § 19a Ärzte-ZV sowie Kirchhoff, in: BeckOK SozR, Stand 1. Dezember 2024, § 19a Ärzte-ZV, Stand 1. Dezember 2024, Rn. 12; zur persönlichen Leistungserbringung durch die Klägerin vgl. den Bescheid der KV Berlin vom 29. Oktober 2018, wonach sich die Genehmigung der Entlastung auf die Klägerin bezieht).
Diese Vorgaben, einschließlich des Wortlauts „Beschäftigung von Assistenten“ in § 32 Ärzte-ZV, stehen der Erbringung von psychotherapeutischen Leistungen durch freie Mitarbeiter des zugelassenen Leistungserbringers nicht grundsätzlich entgegen. Die Abgrenzungsmaßstäbe des § 7 Abs. 1 SGB IV werden nicht berufsrechtlich überlagert. Die Statusfeststellung hat auch nicht den Zweck, Regelungen des Vertragsarztrechts sicherzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 R 1/21 R, zitiert nach juris, Rn. 26). Dem Leistungserbringerrecht der GKV kommt bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage keine übergeordnete Wirkung zu. Insbesondere kann einem Zulassungserfordernis nicht per se eine determinierende Wirkung in Bezug auf die Frage des Vorliegens von Beschäftigung entnommen werden, weil die Regelungen unmittelbar ausschließlich das Verhältnis zwischen der Krankenkasse (bzw. hier: der KV) und dem zugelassenen Leistungserbringer betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2018, B 12 KR 11/17 R, zitiert nach juris, Rn. 20; vgl. zu Heilmittelerbringern auch BSG, Urteil vom 24. März 2016, B 12 KR 20/14 R, zitiert nach juris, Rn. 26 ff.; BSG, Beschluss vom 8. April 2024, B 12 R 4/23 B, zitiert nach juris, Rn. 10: „keine determinierende Wirkung“ der Regelungen des Leistungserbringungsrechts in § 124 SGB V in Bezug auf das Vorliegen von Beschäftigung).
Dass dem Zulassungsinhaber – hier der Beigeladenen zu 1 – eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zukommt und die tätig werdenden Personen in eine vorgegebene Arbeitsorganisation notwendig im Sinne abhängiger Beschäftigung eingegliedert sind, kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden (vgl. auch § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV, wonach der Vertragsarzt/Psychotherapeut Assistenten zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten nur „anzuhalten“ hat, sowie, in Bezug auf Mitarbeiter einer Ergotherapiepraxis, die ihre Leistungen über die Zulassung der Praxisinhaberin nach § 124 SGB V abrechneten, Urteil des Senats vom 23. Januar 2025, L 9 BA 65/23, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Regulatorische Vorgaben sind bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung lediglich zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R, zitiert nach juris, Rn. 26).
Etwas anderes folgt hier auch nicht aus § 2 Satz 2 des Vertrages vom 1. Dezember 2018, wonach die Entlastungsassistentin den allgemeinen Anordnungen der Praxisinhaberin für die Praxisführung Folge zu leisten hatte. Diese Regelung bezog sich im Wesentlichen lediglich auf den ordnungsgemäßen Umgang der Klägerin mit den ihr zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten. Bei der Ausübung ihrer therapeutischen Tätigkeit war die Klägerin ausdrücklich nicht an Weisungen der Praxisinhaberin gebunden (§ 2 Satz 3 des Vertrages vom 1. Dezember 2018).
Daneben bestehen im vorliegenden Fall erhebliche Anhaltspunkte für eine Selbständigkeit der Klägerin. Abgesehen von der Eingliederung, die auf vertrags- und berufsrechtlichen Vorgaben beruhte (siehe soeben), übte die Klägerin ihre Tätigkeit weitestgehend unabhängig vom Praxisbetrieb der Beigeladenen zu 1 aus. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1 akquirierten ihre Patienten jeweils selbständig (zum „Antragen“ von Patienten als Abgrenzungsmerkmal vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016, B 12 KR 20/14 R, zitiert nach juris, Rn. 23). Zuweisungen von Patienten über die Praxis der Beigeladenen zu 1 fanden nicht statt. Es wurden – wie bei psychotherapeutischen Leistungen üblich – weder Patienten ausgetauscht noch mitbehandelt. Ebenso wenig gab es Teamarbeit, Gruppentherapien, Dienstpläne, eine gemeinsame Patientendatei, Supervisionen oder Kontrollen durch die Beigeladene zu 1. Für die Kosten ihrer externen Supervisionen kam die Klägerin selbst auf. Die Klägerin war auch für Fortbildungen selbst verantwortlich. Sie war bei der Terminvereinbarung (im Rahmen der vereinbarten Zeitfenster) und in der Behandlungsplanung völlig frei und unabhängig von der Praxis der Beigeladenen zu 1 erreichbar. Auf dem Klingelschild in der Rstraße stand – nach außen erkennbar – der Name der Klägerin. Es waren weder ein gemeinsamer Telefonanschluss oder Anrufbeantworter, noch eine gemeinsame E-Mail-Adresse, ein gemeinsamer Praxisempfang oder gemeinsames Praxispersonal vorhanden. Die Klägerin nutzte eigene Arbeitsmittel wie einen eigenen Drucker und eigene Visitenkarten, zudem eigene Formulare z.B. für Schweigepflichtentbindungen, Datenschutzerklärungen und Erstaufnahmen. Sie schloss selbständig Verträge mit Patienten. Die Dokumentation führte sie selbständig extern auf Papier durch.
Dass die Klägerin die Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1 nur in vorfestgelegten Zeitfenstern nutzen konnte, in denen die Beigeladene zu 1 die Räume nicht selbst nutzte, spricht nicht gewichtig für eine abhängige Beschäftigung. Zwar ging damit eine Einschränkung der Tätigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht einher. Diese Einschränkung ging aber – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – nicht weiter als bei einer lediglich tage- oder stundenweisen Anmietung von gewerblichen Räumen. Darüber hinaus sorgte die Aufteilung der Raumbelegung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 für eine – Selbständigkeit indizierende – zusätzliche Trennung der Praxisabläufe. Soweit die Aufteilung auch dazu dienen sollte, Mindestsprechstundenzeiten sicherzustellen, wären damit wiederum vornehmlich nur regulatorische Vorgaben und nicht Weisungsbefugnisse ausgefüllt worden (siehe oben).
Gegen eine fremdbestimmte Tätigkeit spricht zudem, dass die Klägerin in den Räumen der Beigeladenen zu 1 auch eigene Patienten auf Kostenerstattungs- oder Selbstzahlerbasis behandeln konnte, bei Bedarf auf andere Räume in der Rstraße, die nicht zur Praxis der Klägerin gehörten, auswich, und die von ihr als Entlastungsassistentin behandelten Patienten nach dem Ende dieser Tätigkeit sämtlich in ihre anderen Tätigkeiten mitnahm.
Die Bezahlung der Klägerin spricht weder entscheidend für noch gegen eine selbständige Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung mag sprechen, dass die Klägerin von der Beigeladenen zu 1 monatliche Vorauszahlungen auf die KV-Vergütungen erhielt. Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass die Klägerin im Ergebnis 55, später 60 Prozent der KV-Vergütung erhielt. Diese Zahlungsweise mit einem (anteilig) durchgereichten behandlungsbezogenen KV-Honorar lässt darauf schließen, dass die Beigeladene zu 1 im Wesentlichen nur die Funktion eines „Abrechnungsvehikels“ hatte, das der nicht selbst über eine Zulassung verfügenden Klägerin den Zugang zur Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten eröffnete. Dafür und wohl für die Nutzung der Räume der Beigeladenen zu 1 behielt die Beigeladene zu 1 – untypisch für abhängig Beschäftigte – 45, später 40 Prozent der Vergütung ein.
Das eher geringe unternehmerische Risiko der Klägerin, die für ihre Tätigkeit kaum eigenes (Wagnis-)Kapital aufbringen musste, spricht nicht entscheidend gegen eine selbständige Tätigkeit. Indem die Klägerin die vertragspsychotherapeutische Zulassung der Beigeladenen zu 1 für die Abrechnung von Leistungen nutzte, war es ihr möglich, vorübergehend gesetzlich Versicherte im Rahmen des Sachleistungssystems zu behandeln, ohne über eine eigene vertragspsychotherapeutische Zulassung verfügen zu müssen. Die Klägerin trat gleichsam zeitlich begrenzt in die Zulassung der Beigeladenen zu 1 ein, die aufgrund der Pflege naher Angehöriger vorübergehend zeitlich verhindert war. In diesem Rahmen war sie als Entlastungsassistentin nach außen hin nicht anders tätig als die Inhaberin des Praxissitzes selbst. Die fehlende Investition in den eigenen Praxissitz geht mit diesem Modell einer Inanspruchnahme der Zulassung der Beigeladenen zu 1 zu Abrechnungszwecken zwangsläufig einher und wird daher bereits unter dem Gesichtspunkt der Eingliederung aus Gründen des Vertragsarzt- und Berufsrechts erfasst (siehe oben). Abgesehen von den (bereits unter dem Gesichtspunkt der Eingliederung erfassten) Kosten des Praxissitzes fallen bei im Wesentlichen reinen Dienstleistungen wie der Psychotherapie keine größeren Kosten für das Tätigwerden an, so dass das Fehlen weiterer erheblicher Investitionen ebenfalls kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 3/17 R, zitiert nach juris, Rn. 18; Urteil des Senats vom 4. Juli 2024, L 9 BA 8/22, zitiert nach juris, Rn. 180). Im Übrigen fällt die fehlende Investition in den eigenen Praxissitz auch deshalb nicht besonders ins Gewicht, weil die Übernahme eines Praxissitzes in Berlin mit erheblichen Wartezeiten verbunden ist und es der Klägerin nach ihrer Approbation im Jahr 2018 daher gar nicht möglich war, sofort eine eigene vertragspsychotherapeutische Zulassung zu erhalten. Schließlich bestanden unternehmerische Risiken immerhin insofern, als die Klägerin bei ausfallenden Terminen keine Vergütung von der Beigeladenen zu 1 erhielt. Ebenso wenig erhielt sie eine Vergütung für zeitaufwändige Anträge, wenn Therapien nicht bewilligt wurden oder Patienten die Therapien abbrachen. Die bloße Arbeitsbereitschaft wurde – anders als typischerweise bei festangestellten Mitarbeitern – nicht vergütet (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2021, L 11 BA 4123/20, zitiert nach juris, Rn. 53). Daran ändern auch die Vorauszahlungen nichts.
Insgesamt überwiegen zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Einzelfall in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Zwar ist mit nicht unerheblichem Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen, dass die Klägerin – aus Gründen der für Psychotherapeuten geltenden vertragsarzt- und berufsrechtlichen Vorgaben – in den (regulatorischen Rahmen für den) Praxisbetrieb der Beigeladenen zu 1 eingebunden war, insbesondere dadurch, dass die Klägerin am Betriebssitz der Beigeladenen zu 1 tätig werden musste, einen Mindestumfang an Leistungen persönlich abdecken musste und in das Abrechnungssystem der Beigeladenen zu 1 eingebunden war. Dieser Eingliederung war immanent, dass die Klägerin auf eine eigene vertragspsychotherapeutische Zulassung nebst Folgekosten verzichten konnte. Diese Indizien treten jedoch hinter denen zurück, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Zum einen erscheinen die genannten Indizien nicht als Ausdruck von Weisungsbefugnissen im Verhältnis der Beigeladenen zu 1 zur Klägerin, sondern des – nicht determinierenden – Regulierungsrahmens. Zum anderen war die Tätigkeit der Klägerin im Übrigen von größtmöglicher Selbstbestimmung und Trennung vom Praxisbetrieb der Beigeladenen zu 1 geprägt. Dies betraf die gesamte Organisation des von der Klägerin übernommenen anteiligen Praxisbetriebs von der Patientenakquise über die Behandlungsplanung bis hin zur Verwendung eigener Arbeitsmaterialien und dem Abschluss eigener Behandlungsverträge mit Patienten. Eine fremdbestimmte Tätigkeit war auch von außen nicht erkennbar, zumal die Klägerin mit einer eigenen Internetseite werbend am Markt auftrat. Im Gesamtbild war die Klägerin damit eine teilweise an die Stelle der Beigeladenen zu 1 tretende Platzhalterin anlässlich der vorübergehenden Verhinderung der Beigeladenen zu 1, damit diese auf ihrem Praxissitz ihren Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V weiterhin beanstandungsfrei erfüllen konnte.
Aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung folgt für den vorliegenden (Einzel-)Fall nicht anderes. Insbesondere unterscheidet sich die hier zu beurteilende Tätigkeit ganz erheblich von der Tätigkeit, die der – von der Beklagten zitierten – Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2021 (B 12 R 1/21 R) zugrunde lag. Diese war im Gegensatz zu der Tätigkeit der Klägerin dadurch gekennzeichnet, dass eine unregelmäßig aushelfende Ärztin Geräte und andere Arbeitsmittel der Praxis wie Schutzkleidung benutzte, Patienten zugewiesen bekam und von Angestellten der Gemeinschaftspraxis unterstützt wurde und auf diese zwingend angewiesen war; um eine Entlastungsassistentin handelte es sich dort im Gegensatz zum Berufungsvorbringen der Beklagten gerade nicht, sondern um eine vollständig im Team arbeitende Vertretungsärztin.
Die Berufung der Beklagten war daher (mit der im Tenor genannten Maßgabe) zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die genaue Bedeutung der vertragsarztrechtlichen Rahmenbedingungen für die Statusbeurteilung – hier in Bezug auf eine Entlastungsassistentin – höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist.