L 8 U 1805/24 WA

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1805/24 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers vom 25.04.2024 betreffend das Verfahren des Senats mit dem Aktenzeichen L 8 U 633/15 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.



Gründe

I.


Mit seiner am 25.04.2024 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobenen Wiederaufnahmeklage verfolgt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens L 8 U 633/15, welches durch Urteil des Senats vom 24.07.2015 - dem Kläger am 27.07.2015 in der JVA O1 zugestellt - abgeschlossen worden ist.

Mit diesem Urteil wurde auf die Berufung des Klägers der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2014 abgeändert und der Beklagten untersagt, Bescheide und Widerspruchsbescheide offen an die damalige JVA des Klägers zuzustellen bzw. zu übersenden sowie Mehrfertigungen von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden an die Justizvollzugsanstalt zu übersenden, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Der Tatbestand des Urteils vom 24.07.2015 lautet wie folgt:


Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Verletztengeld und Aufwendungsersatz bzw. Verdienstausfall sowie die Feststellung, dass Zahlungen auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben und die Unterlassung der offenen Übersendung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden an die JVA streitig.

Der 1975 geborene Kläger war zunächst Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) U1, zuletzt befindet er sich in der JVA O1. In der JVA U1 war der Kläger in der Schreinerei an der Plattensäge tätig gewesen. 

Der Kläger stellte sich am 22.11.2013 beim Durchgangsarzt F1 vor, der eine Zerrung des linken Schultergürtels angab (Blatt 1 der Beklagtenakte; zur Unfallanzeige der JVA vgl. Blatt 5 der Beklagtenakte); er habe am 06.11.2013 eine über 100 kg schwere Holzplatte heben müssen, sein Kollege habe losgelassen und er die volle Last abbekommen. F1 gab an, der Kläger sei ab 22.11.2013 arbeitsunfähig. Arbeitsfähigkeit trete voraussichtlich am 25.11.2013 wieder ein. In seinem Nachschaubericht vom 13.12.2013 (Blatt 6 der Beklagtenakte) hielt F1 den Kläger ab 22.12.2013 wieder für arbeitsfähig (zu Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 22.11.2013 bis 29.11.2013 vgl. Blatt 177 der Beklagtenakte).

Der Beklagte berechnete mit Bescheid vom 15.01.2014 (Blatt 42/43 der Beklagtenakte) Verletztengeld für den 22.11.2013, sowie für den Zeitraum vom 23.11.2013 bis 29.11.2013 in Höhe von insgesamt 58,18 € und zahlte diesen Betrag an das für den Kläger bei der JVA geführte Haftkonto. Mit Schreiben vom 28.01.2014 (Blatt 113 der Beklagtenakte) teilte der Kläger unter Angabe näherer Daten mit, Zahlungen seien an das Konto des K1 zu leisten.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 01.02.2014 Widerspruch (Blatt 117 der Beklagtenakte); Verletztengeld müsse aus Lohnstufe drei zuzüglich Zulagen berechnet werden, auch Zeiten der Begutachtung etc. berücksichtigt werden. Zudem seien 1,20 € Porto zu erstatten.

Am 06.02.2014 erfolgte zu Lasten der Beklagten eine MRT-Untersuchung der linken Schulter bei H1 (zum Bericht vgl. Blatt 136 der Beklagtenakte).

Die JVA teilte mit Schreiben vom 14.02.2014 (Blatt 129 der Beklagtenakte) der Beklagten mit, bei der Berechnung des Verletztengeldes sei die Lohnstufe 3 für das Jahr 2013 (1,62 €/Stunde) verwendet worden, zusätzlich die Leistungszulage von 4 %, sodass sich bei 7,7 Stunden x 1,62 € x 20 Tage ein Betrag von 249,48 € zuzüglich 4 % Leistungszulage (9,98 €), mithin insgesamt 259,46 €, ergebe.

Mit Fax vom 15.02.2014 (Blatt 153/154 der Beklagtenakte) wandte sich der Kläger u.a. gegen die Verletztengeldberechnung. Es seien Lohnstufe 3 und 5 % Zulage für eine Arbeitszeit von 6:48 Uhr bis 16:00 Uhr (abzüglich einer Stunde Pause) und der Verdienstausfall für den 06.02.2014 (ab 9:00 Uhr) zu bezahlen. Zahlungen seien auf das Konto von K1 zu leisten. Die JVA zahle nur 3/7 aus. Im Übrigen seien jetzt 3 x 60 Cent Porto zu bezahlen. Am 03.02.2014 sei um ca. 15:15 Uhr ein weiterer Arbeitsunfall eingetreten. Er beantrage Verletztengeld für den 04.02.2014.

Der Kläger meldete mit Schreiben vom 19.02.2014, dass er wegen seiner verletzten Schulter seit heute krankgeschrieben sei, er beantragte Verletztengeld (Blatt 152 der Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 20.02.2014 (Blatt 140 der Beklagtenakte) veranlasste die Beklagte die Zahlung von 1,20 € an Portokosten.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2014 (Blatt 155 der Beklagtenakte) zurück; die Berechnung des Verletztengeldes sei korrekt erfolgt. Der Widerspruchsbescheid war der JVA übersandt worden (Blatt 159 der Beklagtenakte).

Der Kläger hat am 03.04.2014 beim Sozialgericht (SG) Ulm Klage erhoben und beantragt,
die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 26.03.2014 zu 2013 U 205496 074 und 26.03.2014 zu 2014 U 032776 074 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger für
22.11.2013                    11,52 €
25.11.2013                   11,52 €
26.11.2013                    11,52 €
27.11.2013                    11,52 €
28.11.2013                    11,52 €
29.11.2013                   11,52 €
04.02.2014                    11,52 €
19.02.2014                    11,52 €
20.02.2014                    11,52 €
21.02.2014                   11,52 €
Verletztengeld zu bezahlen, hilfsweise den Kläger neu zu bescheiden.
es wird festgestellt, dass Zahlungen auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben.
die Beklagte wird verurteilt dem Kläger die Aufwendungen (Porto, Papier, Kuvert etc.) für Verletztengeldanträge etc. und Widerspruch zu ersetzen, sowie Verdienstausfall vom 06.02.2014.
der Beklagten wird es unter Androhung von Zwangs- oder Ordnungsmittel (§ 890 ZPO) untersagt Bescheide offen von der JVA an den Kläger zustellen zu lassen oder an diese zu übersenden.

Er habe ca. 45 Tage unverschuldete Fehlzeiten, die sich zusammen setzten aus
„2 Tage krank
AU aufgrund hier streitiger Arbeitsunfälle
Betriebsferien der Schreinerei,
Termin-Transporte in andere Anstalten (Übergangshaft) zur Wahrnehmung (Vorführung zu Gerichtsterminen) in andere JVA’s“.

Er habe in dieser Zeit in der JVA zwei Arbeitsunfälle gehabt und sei daher an den geschilderten Tagen krankgeschrieben gewesen. Die Beklagte verweigere ihm das entsprechende Verletztengeld. Zudem habe er die Beklagte deutlich darauf hingewiesen, dass Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur an „K1“ möglich seien. Dennoch habe die Beklagte einfach auf das Haftkonto überwiesen, mit der Folge dass nur 3/7 ausbezahlt worden seien, weshalb Erfüllungswirkung auch nur zu 3/7 eingetreten sei. Die Beklagte weigere sich, Porto und weitere Aufwendungen zu erstatten, „auch Verdienstausfall am 06.02.2014 durch MRT-Untersuchung“. Anstatt Schreiben und Bescheide direkt an ihn zu richten, schicke die Beklagte alles offen an die JVA und lasse diese alles an ihn zustellen. Er habe zuletzt in Lohnstufe 3 1,6602 €/Stunde mit 6%-Zuschlag insgesamt 1,75632 €/Stunde verdient. Gearbeitet werde von 6:48 Uhr bis 9:00 Uhr, von 9:15 Uhr bis 11:45 Uhr, 12:30 Uhr bis 16:00 Uhr, insgesamt 8,20 Stunden täglich. Der Tageslohn betrage 1,75632 € x 8,2 Stunden, mithin 14,401824 €. 80% Verletztengeld betrage daher täglich 11,52 €. Aufwendungen aus dem Arbeitsunfall seien zu ersetzen, insbesondere, dass er am 06.02.2014 „ca.1/2 Tag wegen MRT-Untersuchung der Schulter in Praxis H2“ gesessen habe und Verdienstausfall gehabt habe. Der Anspruch auf Unterlassung ergebe sich aus §§ 823, 1004 BGB. Die Beklagte müsse das Sozialgeheimnis wahren und könne Bescheide nicht offen von der JVA übergeben lassen; es gebe normalen Postverkehr.

Die Beklagte hat ausgeführt, Verletztengeld sei für alle Tage, an denen der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei, an das der Beklagten bekannte Konto bei der JVA U1 überwiesen worden. Dort sei es in Verwahrung. Für die Zeit vom 22.11.2013 bis zum 29.11.2013 sei es durch Bescheid vom 15.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2014 geregelt worden. Für den 04.02.2014 sei mit Bescheid vom 26.02.2014 Verletztengeld wegen eines Unfalls am 03.02.2014 gezahlt worden. Hiergegen habe der Kläger am 10.03.2014 Widerspruch erhoben. Das Vorverfahren laufe noch. Hinsichtlich der weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 19.02.2014 bis 21.02.2014, seien weitere Ermittlungen eingeleitet worden. Eine Stellungnahme der JVA U1 stehe noch aus. Die Zahlungen an das Haftkonto des Klägers sei seit Jahrzehnten gängige Verwaltungspraxis und nicht zu beanstanden. Zudem sei das Haftkonto laut Mitteilung der JVA U1 so gut gefüllt, dass der Kläger künftige Zahlungen in voller Höhe ausgezahlt bekomme. Das vom Kläger geltend gemachte Porto in Höhe von 1,20 € sei bereits am 25.02.2014 auf dieses Konto überwiesen worden. Im Übrigen seien nur die Kosten eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens zu übernehmen. Der Kläger habe aber mit seinem Widerspruch keinen Erfolg gehabt. Die JVA sei im Übrigen berechtigt, den Schriftverkehr eines Strafgefangenen zu überwachen. Außerdem werde zukünftig direkt an den Kläger zugestellt; eine Mehrfertigung sei jedoch der JVA zu übersenden, da diese in die Akte des Strafgefangenen abzulegen sei.

Der Kläger war auf Veranlassung der Beklagten am 24.04.2014 von G1 begutachtet worden (zum Gutachten vgl. Blatt 255/259 der Beklagtenakte).

Die Beklagte veranlasste mit Schreiben vom 29.09.2014 (Blatt 410 der Beklagtenakte) die Erstattung des Verdienstausfalls am 06.02.2014 wegen der MRT-Untersuchung i.H.v. 3,73 €; die Zahlung erfolgte auf das Konto des K1. Die JVA bat mit Schreiben vom 08.10.2014 (Blatt 416 der Beklagtenakte) um zukünftige Zahlung auf das Anstaltskonto.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2014 abgewiesen. Die Klage sei teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

Gegen den ihm am 09.02.2015 (Blatt 34a der SG-Akte) per Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.02.2015 beim SG (Blatt 35 der SG-Akte = Seite 2 der Senatsakte) „Antrag auf mündliche Verhandlung hilfsweise Berufung“ eingelegt. Die Voraussetzungen für einen Gerichtsbescheid hätten nicht vorgelegen, auch die Anhörung. Gegen Behörden seien Feststellungsklagen generell zulässig, auch wo eine Leistungsklage möglich sei. Die Behauptung der Beklagten, sie könne an Dritte zustellen oder bezahlen sei schlechtweg abwegig. Schon mangels Tatbestand und Gründe könne das Verfahren nur an das SG zurückgegeben werden.

Mit Schreiben vom 09.02.2015 hat der Kläger ausgeführt, es fehle der Tatbestand und die Gründe. Der Gerichtsbescheid müsse daher aufgehoben werden und die Sache an das SG zurückgegeben werden. In der Sache verweise er auf seinen Schriftsatz vom selben Tag an das SG.

Mit Schreiben vom 08.06.2015 hat der Kläger beantragt,
Aktenkopie, auch der Verwaltungsakte,
Terminsänderung nach § 227 ZPO; einer Begründung bedürfe es nicht.
PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts,
gemäß § 72 SGG einen Vertreter zu bestellen und die aus dem „LSG BW L 2 SF 3694/12 EK u. LG Karlsruhe 9 T 19/13“ bekannten Gutachter zur mündlichen Verhandlung zu laden,
einen Sachverständigen zu bestellen zum Beweis des Klagevortrags,
eine Fahrkarte zum (neuen) Termin, hilfsweise die Vorführung und
nach § 278 ZPO i.V.m. § 202 SGG einen Güterichter/Streitschlichter/Mediator zu bestellen und die Verfahren auszusetzen bis zum Schlichtungsende.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2014 insoweit abzuändern, als dieses die Feststellungsklage sowie die Unterlassungsklage abgewiesen hat und

festzustellen, dass Zahlungen der Beklagten auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben sowie

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln (§ 890 ZPO) zu untersagen Bescheide/Widerspruchsbescheide offen von der JVA an ihn zustellen zu lassen oder an diese zu übersenden bzw. Mehrfertigungen an diese zu senden,

im Übrigen den Rechtsstreit mündlich vor dem SG zu verhandeln.

Die Beklagte beantragt,
                        die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 16.07.2015 Terminänderung beantragt, er habe nur eine Stunde Akteneinsicht nehmen können, und den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit weiterem Schreiben vom 16.07.2015 hat der Kläger ausgeführt, sein Schreiben vom 10.08.2014 sei im PKH-Beiheft versteckt worden. Ob das Haftkonto leer sei oder voll habe mit der Sache nichts zu tun. Die Verteilung sei in § 53 StVollzG verbindlich geregelt. Gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 203 StGB habe er einen Unterlassungsanspruch, weil Bescheide bewusst offen zugestellt würden. Auch habe sich nie jemand mit der Höhe des Verletztengeldes befasst. In der Sache habe er auch mündliche Verhandlung beantragt, jedoch sei wegen des Meistbegünstigungsgrundsatzes das LSG an die falsche Rechtsmittelbelehrung des SG gebunden; im Übrigen sei die Sache als Ganzes zu betrachten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 23.07.2015 das Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.


Die Entscheidungsgründe des Urteils vom 24.07.2015 lauten wie folgt:

I.
1.
(Abwesenheit des Klägers und Terminverlegung)

Der Senat hat trotz Ausbleibens des Klägers im Termin entscheiden können, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG); dass der Kläger die Ladung erhalten hat, ergibt sich aus seinem Schreiben vom 08.06.2015 (Blatt 14/15 der Senatsakte).

Der Senat war auch nicht gehalten, den Rechtsstreit zu vertagen oder den Termin zu verlegen, weil der Kläger den Gerichtsort nicht hat erreichen können. Das persönliche Erscheinen des Klägers war nicht angeordnet worden, weshalb der Senat auch die Vorführung aus der JVA nicht angeordnet hat. Über den Antrag des Klägers, ihm – ggf. auch einer Begleitperson - Fahrtkostenerstattung zu gewähren, konnte das Gericht jedoch nicht entscheiden, die JVA O1 hat mit Email vom 22.07.2015 mitgeteilt, der Kläger sei weder Freigänger noch würde ihm Sonderausgang gewährt. Auch hat der Kläger seine finanzielle Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht, denn auch der bloße Hinweis auf seinen geringen Stundenlohn für die Arbeit in der JVA musste der Senat nicht veranlassen, Bedürftigkeit anzunehmen. Die Ablehnung des Verlegungsantrages ist mit richterlicher Verfügung vom 23.07.2015 des Vertreters des Senatsvorsitzenden dem Kläger mitgeteilt worden.

Der Termin musste auch nicht auf die Anträge des Klägers (Blatt 14/15 der Senatsakte) verlegt werden. Zwar kann nach §§ 153 Abs. 1, 110, 202 SGG und i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Vorliegend hat der Kläger keinerlei Gründe für sein Begehren vorgebracht, vielmehr darauf hingewiesen, dass es einer Begründung nicht bedürfte. Nachdem die Regelung des § 227 Abs. 3 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gilt (§ 110 Abs. 3 SGG), bedarf die Terminsverlegung erheblicher Gründe. Der Kläger hat solche nicht vorgebracht, für den Senat waren solche auch nicht ersichtlich, sodass schon die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht erfüllt waren; der Termin musste daher nicht vertagt bzw. verlegt werden, was mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 10.07.2015 ebenfalls dem Kläger bekannt gegeben worden war.

Auch der Umstand, dass der Kläger geltend gemacht hatte, lediglich kurz Einsicht in die Akten nehmen gekonnt zu haben, begründet keinen Anspruch auf Terminvertagung. Denn der Kläger hatte am 16.07.2015 für eine Stunde und am 22.07.2015 von 7:50 Uhr bis 9:20 Uhr Einsicht in die Akte. Das ergibt sich aus der entsprechenden Mitteilung der JVA vom 22.07.2015. Auch hatte der Kläger – seinen eigenen Angaben zufolge - am 16.07.2015 bereits die Akten im Wesentlichen durchgesehen; lediglich Band IV der Beklagtenakte war noch nicht durchgesehen. Dafür hatte er am 22.07.2015 ausreichend Zeit. Der Senat konnte sich daher davon überzeugen, dass der Kläger ausreichend Zeit zur Akteneinsicht hatte. Dies hat der Kläger auch gegenüber der JVA bestätigt (vgl. Mitteilung der JVA vom 22.07.2015). Hatte der Kläger aber ausreichend Zeit zur Akteneinsicht, musste der Termin nicht vertagt werden.


2.
(Vertreterbestellung nach § 72 SGG und Ladung von Gutachtern zur mündlichen Verhandlung)

Gemäß § 72 Abs. 1 SGG kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Vorliegend waren weder der Vorsitzende noch der Senat gehalten, einen solchen Vertreter zu bestellen, da der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des 2. und 11. Senats des LSG (L 2 SF 3694/12 EK und L 11 SF 293/14 EK) vom 29.04.2014 und 30.04.2014, welche ihn für prozessfähig gehalten haben, und die der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 27.06.2014 (L 8 AL 397/14 WA) zitiert hatte, eine Prozessunfähigkeit nicht als nachgewiesen ansieht. Damit waren weder die entsprechenden Gutachten beizuziehen noch die Gutachter zur Erörterung ihrer Ausführungen zu hören.

3.
(Bestellung eines Sachverständigen)

Soweit der Kläger beantragt hat (Blatt 14/15 der Senatsakte), einen Sachverständigen zum Beweis seines Klagevortrages zu bestellen, ist der Beweisantrag unzulässig. Denn der Antrag ist nicht auf den Beweis vorgetragener Tatsachen und deren sachverständige Bewertung gerichtet, sondern schlichtweg zur allgemeinen Bestätigung des Klagevorbringens. Da sich aber das Klagevorbringen auf rechtliche Bewertungen stützt, die zu beurteilen Aufgabe des Senats ist und die keiner gutachterlichen Bewertung zugänglich sind, war der Antrag abzulehnen.


4.
(Bestellung eines Güterichters/Streitschlichters/Mediators)

Der Antrag des Klägers auf Bestellung eines Güterichters/Streitschlichters/Mediators i.S.d. § 202 SGG i.V.m. §§ 278, 278a ZPO war abzulehnen.

Nach § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Nach § 278a ZPO gilt folgendes: (1) Das Gericht kann den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen. (2) Entscheiden sich die Parteien zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an. Beide Regelungen gelten über § 202 Satz 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren. Die Verweisung ist in jedem Prozessstadium zulässig (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl., § 278 ZPO, RdNr. 27). Sie liegt im Prozessleitungsermessen des Gerichts; eine Partei kann sie allenfalls anregen. Jedoch hält der Senat die wesentlichen Teile der vorliegend streitigen Fragen nicht für eine Mediation oder Streitschlichtung geeignet. Denn es handelt sich hierbei um Fragen, die durch Rechtsanwendung und Rechtsauslegung zu entscheiden sind und die einer Einigung durch gegenseitiges Nachgeben nicht zugänglich sind (so z.B. die Anträge 1, 2 und 3). Den entscheidungsreifen Rechtsstreit (im Hinblick auf Antrag 4) jedoch aufzutrennen lässt sich auch im Hinblick auf die Prozessökonomie und das Beschleunigungsgebot nicht rechtfertigen. Daher musste der Senat auch auf den Antrag des Klägers hin nicht einen Güterichter bestellen.


II.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, soweit sie die Streitgegenstände „Feststellung der nicht schuldbefreienden Zahlung auf das Haftkonto“ und die „Unterlassung der offenen Bekanntgabe von Bescheiden“ betrifft, und nur teilweise begründet.

Die Streitgegenstände „Verletztengeld“ und „Erstattung von Aufwendungen/Verdienstausfall“ sind nicht Gegenstand der Berufung; insoweit gilt der Gerichtsbescheid des SG als nicht ergangen, weil der Kläger auf den ihm erst am 09.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid mit am 16.02.2015 beim SG eingegangenen Schreiben vom 09.02.2015 mündliche Verhandlung beantragt hat (§ 105 Abs. 3 SGG), was er auch mit seinem Schreiben vom 16.07.2015 nochmals bestätigt hat. Daher hat das SG nach Ende des Berufungsverfahrens über die weiteren Streitgegenstände aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Insoweit wird es sich auch damit auseinanderzusetzen haben, ob der Kläger wohl im vorliegenden Verfahren als auch in einem anderen beim SG geführten Verfahren Verletztengeld und Auslagen-/Aufwendungsersatz nach dem Arbeitsunfall vom 06.11.2013 verlangt.

Mit seiner Klage vom 03.04.2014 hatte der Kläger verschiedene Klagebegehren anhängig gemacht (Zahlung von Verletztengeld; Erstattung von Aufwendungen und Verdienstausfall; Feststellung, dass Zahlungen auf das Haftkonto keine Erfüllungswirkung haben; Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung einer offenen Übermittlung von Widerspruchsbescheiden an die JVA). Bei diesen verschiedenen Klagebegehren handelt es sich um unterschiedliche, abtrennbare Streitgegenstände, die der Kläger zwar zulässigerweise (§ 56 SGG) mit einer Klage zusammen verfolgen konnte, die aber weiterhin ihren eigenständigen Charakter behalten haben. Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2014 hat das SG über diese verschiedenen Klagebegehren entschieden und die entsprechenden Klagen abgewiesen; dabei hat es insgesamt über das Rechtsmittel der Berufung belehrt.

Daraus folgt keine den Senat bindende Zulassung der Berufung i.S.d. § 144 Abs. 3 SGG. Denn die Bindungswirkung des § 144 Abs. 3 SGG tritt nicht durch eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung ein, sondern nur durch Berufungszulassung in der Urteilsformel; ausnahmsweise auch durch eine eindeutig ausgesprochene Zulassung in den Entscheidungsgründen ein (vgl. z.B. BSG 02.06.2004 – B 7 AL 10/04 B – juris m.w.N.). Damit war die Berufung nur insoweit statthaft, als die Berufung bereits Kraft Gesetzes statthaft war.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 01.04.2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt für die beiden Streitgegenstände „Verletztengeldzahlung" und „Aufwendungsersatz einschließlich Verdienstausfall“ weder einzeln noch zusammen den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bestimmten, bei Berufungseinlegung am 16.02.2015 maßgeblichen Wert von 750,00 €.

Zunächst handelt es sich nicht um Berufungen, die wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen; insbesondere hat der Kläger Verletztengeld für insgesamt nur 10 Tage à 11,52 € – dass diese einzelnen Tage in zwei Kalenderjahren (2013 und 2014) liegen, bedeutet nicht, dass es sich um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr handeln würde – und Erstattung von Aufwendungen (Porto, Papier, Kuvert etc.) sowie Verdienstausfall für den 06.02.2014, also auch insoweit keine laufenden Leistungen, jedoch auf Geldleistungen gerichtete Verwaltungsakte in Streit gestellt.

Zwar ist der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes bei mehreren Berufungen gem. § 202 SGG i.V.m. § 5 ZPO zusammen zu rechnen. Doch ergibt sich auch aus einer Zusammenrechnung kein Betrag, der die maßgebliche Schwelle von 750,00 € überschreiten würde. Denn die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gilt nur für Klagen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt zum Gegenstand haben. Insoweit können von einer Zusammenrechnung nach § 5 ZPO auch nur Klagen erfasst sein, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet sind. Andere, also nicht auf die in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannten Streitgegenstände gerichtete Klagen, können hierzu nicht hinzugerechnet werden. Werden im Wege objektiver Klagehäufung einerseits Ansprüche verfolgt, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte zum Gegenstand haben, und andererseits Ansprüche anderer Art, so können die auf diese verschiedenen Ansprüche entfallenden Gegenstandswerte nicht zusammengerechnet werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen 22.08.1995 - 10 A 3549/93 - NVwZ-RR 1996, 548-549 - juris RdNr. 9 unter Hinweis auf OVG Nordrhein-Westfalen 27.11.1992 - 13 A 2080/92 - soweit ersichtlich nicht veröffentlicht; ebenso LSG Baden-Württemberg 03.12.2010 – L 13 AS 2698/09 NZB – juris RdNr. 4). Eine solche Zusammenrechnung schließen Wortlaut und Zweck des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG aus (LSG a.a.O.). Sie ziehen der sonst geltenden Grundregel des § 202 SGG i.V.m. §§ 2, 5 ZPO für ihren Sachbereich Schranken. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG regelt das Rechtsmittelverfahren unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine Klage handelt, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, oder um eine Klage mit einem anderen Streitgegenstand. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG knüpft für diese Differenzierung an den Streitgegenstand an und erst innerhalb der dort beschriebenen Klagen an den Wert des Beschwerdegegenstandes (so OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. zu § 131 VwGO; LSG a.a.O.). Die Beschränkung der Berufungsmöglichkeit hängt also zunächst nicht vom Wert des Beschwerdegegenstandes, sondern vom Streitgegenstand der Klage ab. Damit mag es noch vereinbar sein, den Wert des Beschwerdegegenstandes mehrerer Klagen zusammenzurechnen, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte betreffen. Das System des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG würde indes durchbrochen, wenn zum Wert des Beschwerdegegenstandes auch noch der Wert von Ansprüchen hinzugerechnet wird, die durch § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht erfasst werden (LSG a.a.O.). Damit führt die gemeinsame Erhebung von Klagen unterschiedlicher Streitgegenstände i.S.d. § 56 SGG nicht dazu, dass die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid bereits wegen der Einbeziehung der zwei von § 144 Abs. 1 SGG nicht erfassten Klagen (Feststellungsklage, Unterlassungsklage) zulässig wäre (LSG a.a.O.).

Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 144 SGG spricht auch, dass damit willkürlich in einer Klage zusammengefasste Begehren – über die bereits nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i.V.m. § 202 SGG und § 5 ZPO hinausgehende Zusammenrechnung mehrerer artgleicher, weil auf Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteter Klagen hinaus – nicht dazu führen, dass an sich nicht berufungsfähige Streitgegenstände allein aus dem Grund einer zusammenhangslosen Verbindung der Klagebegehren insgesamt zu einer statthaften Berufung führen bzw. im Gefolge einer wegen anderer Streitgegenständen statthaften Berufung in ein Berufungsverfahren einbezogen wird.

So ist die vom Kläger erhobene Unterlassungsklage - keine „offene“ Übersendung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden - schon vom Ansatz her nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet, vielmehr auf ein im Rahmen des Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren durchzuführenden Verwaltungshandeln, sodass sie nicht zum Beschwerdewert der auf Geldleistung gerichteten Klagebegehren hinzugerechnet werden kann. Dasselbe gilt auch für die auf Feststellung, dass die Zahlungen auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben, gerichtete Feststellungsklage. Zahlungen auf das Haftkonto sind bisher – soweit ersichtlich im Umfang von 58,18 € (Blatt 42 ff der Beklagtenakte) und 1,20 € (Blatt 140 der Beklagtenakte), mithin insgesamt 59,38 € - nur in geringem Umfang erfolgt. Weitere Zahlungen sind bisher nicht dokumentiert. Da es dem Kläger aber um eine grundsätzliche Klärung der Rechtsbeziehung zur Beklagten, also auch eine in die Zukunft gerichtete Klärung unabhängig von konkreten Zahlungen, geht, handelt es sich bei der entsprechenden Feststellungsklage um eine Klage, die nicht auf Geldleistungen gerichtet ist, sondern sich mit den Modalitäten der Zahlung - hier konkret dem Recht des Versicherten auf Bestimmung der Erfüllungswirkung von gesetzlich geschuldeten Geldleistungen - bzw. den Pflichten der Beklagten aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis befasst. Gegenstand der Feststellungsklage ist daher eine spezifische Rechtsbeziehung aus dem Rechtsverhältnis des Klägers mit dem Unfallversicherungsträger, die lediglich aus unbestimmten, vergangenen und zukünftigen geldwerten Entschädigungsansprüchen resultiert und damit keine auf Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtete Klage zum Gegenstand hat. Auch diese Klage ist nicht beschwerdewerterhöhend anzurechnen.

Damit bedarf die Berufung hinsichtlich der Zahlung von Verletztengeld und der Erstattung von Aufwendungen/Verdienstausfall der Zulassung. Dass das SG insoweit hinsichtlich der Streitgegenstände „Verletztengeld“ und „Aufwendungsersatz/Verdienstausfall“ eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt hatte – das SG hatte insgesamt über das Rechtsmittel der Berufung belehrt – bedeutet keine Berufungszulassung; es hat auch sonst weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen die Berufung insoweit zugelassen. Wegen der insoweit unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des SG gilt für die Rechtsbehelfsfrist § 66 Abs. 2 SGG.

Nachdem der Kläger mit seinem Schreiben vom 09.02.2015 zunächst Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hatte, wird sich das SG hinsichtlich der Streitgegenstände „Verletztengeldzahlung“ und „Ersatz von Aufwendungen/Verdienstausfall“ nach § 105 SGG eine mündliche Verhandlung durchzuführen haben.

Diese Streitgegenstände sind auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn der unvertretene Kläger hat mit seiner Rechtsmittelerklärung „Antrag auf mündliche Verhandlung hilfsweise Berufung“ zu erkennen gegeben, dass er den jeweils zulässigen Rechtsbehelf einlegen will; mit seiner Erklärung „hilfsweise Berufung“ einlegen zu wollen, war insoweit keine unzulässige Bedingung gemeint, sondern der Hinweis darauf, dass entsprechend dem jeweiligen Streitgegenstand der jeweils zulässige Rechtsbehelf eingelegt werden sollte. Dies entnimmt der Senat nach zweckmäßiger Auslegung der als Prozesserklärung auslegungsfähigen Rechtsbehelfsschrift des Klägers vom 09.02.2015. Für die Frage, welches Rechtsmittel der Rechtsmittelführer eingelegt hat, kommt es gemäß § 106 Abs. 1 SGG und § 133 BGB zunächst auf dessen wirklichen Willen und auf dessen erkennbares Prozessziel an. Entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat. Dabei ist der Rechtsmittelführer nicht allein am Wortlaut festzuhalten (siehe schon BSG 08.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG 14.12.2006 – B 4 R 19/06 RSozR 4-3250 § 14 Nr. 3 = SozR 4-2600 § 12 Nr. 1, SozR 4-1500 § 145 Nr. 2 = juris RdNr. 14). In verfassungsorientierter Auslegung (Art 19 Abs. 4 GG) dürfen Rechtsmittelerklärungen nicht so ausgelegt werden, dass dem Rechtsmittelführer der Zugang zu den im SGG eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (stellv. BVerfGE 74, 228; 77, 275; BSG 14.12.2006 – B 4 R 19/06 RSozR 4-3250 § 14 Nr. 3 = SozR 4-2600 § 12 Nr. 1, SozR 4-1500 § 145 Nr. 2 = juris RdNr. 14). Dass der Kläger mit am 02.03.2015 beim LSG eingegangenem Schreiben (Blatt 8 der Senatsakte) „Berufung“ eingelegt hat, ist insoweit ohne Relevanz, da dieses Schreiben erst nach seiner beim SG am 16.02.2015 und beim LSG am 23.02.2015 eingegangen ist und im früheren Schreiben bereits die Einlegung der Rechtsbehelfe zu sehen ist; auch kann aus dem am 02.03.2015 eingegangenen Schreiben nicht geschlossen werden, der Kläger habe seine früher weitergehenden Rechtsbehelfe (teilweise) zurückgenommen.

Hinsichtlich der Streitgegenstände der „Feststellungsklage“ und der „Unterlassungsklage“ ist die Berufung dagegen statthaft, da § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Berufung nicht ausschließt. Die Berufung des Klägers ist daher alleine hinsichtlich seiner im Klageantrag Ziff. 2 und 4 ausgedrückten Begehren statthaft und zulässig.

Insoweit wurde auch das Begehren des Klägers verstanden und die Anträge entsprechend sachdienlich gefasst.

Das SG wird daher die mündliche Verhandlung hinsichtlich der Anträge des Kläger Ziff. 1 und 3 wieder zu eröffnen haben.

1.
Zahlungen auf Haftkonto
(Klageantrag 2)

Mit Klage und Berufung begehrt der Kläger die Feststellung, dass Zahlungen der Beklagten auf das für ihn bei der JVA geführte Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben.

Bei dieser Klage handelt es sich um eine Feststellungsklage i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als der Kläger das Bestehen eines Rechtsverhältnisses und die daraus resultierenden Rechtspflichten festgestellt haben möchte. Diese Klage und die hiergegen geführte Berufung sind zulässig aber unbegründet.

Der Klage kann insoweit nicht entgegengehalten werden, dass die Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage im Einzelfall oder allgemein subsidiär wäre. Denn zum Einen begehrt der Kläger nicht nur die Feststellung, dass konkrete, bereits getätigte oder anstehende Zahlungen keine schuldbefreiende Wirkung haben, sondern bezieht die Feststellung, dass Zahlungen auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben, auf alle – auch zukünftige - Zahlungen der Beklagten. Zum Anderen ist die Klärung von Fragen der über den Einzelfall hinausgehenden Zahlungsmodalitäten mit einer jeweils einen konkreten Zahlungsfall betreffenden Leistungsklage im Hinblick auf die dann in jedem Zahlungsfall zu erhebende Leistungsklage nicht prozessökonomisch. Darüber hinaus wäre eine Leistungsklage, gerichtet auf zukünftige Zahlungen auf ein anderes Konto nicht vorrangig, weil bei der Beklagten als einer Behörde wegen ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 2 GG) zu erwarten ist, dass sich diese auch ohne vollstreckungsfähiges Leistungsurteil an bestehende, aus Rechtsverhältnissen stammende und durch Feststellungsurteil beschriebene Pflichten halten wird (dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 55 RdNr. 19c m.w.N.).

Rechtsverhältnis i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind Rechtsbeziehungen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer sozialrechtlichen Regelung für das Verhältnis zwischen Personen oder einer Person und einer Sache ergeben (Breitkreuz a.a.O. § 55 RdNr. 4 m.w.N.). Dabei ist die Feststellung nicht darauf beschränkt, ob das Rechtsverhältnis als Ganzes besteht; zumindest über den Wortlaut von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG hinaus kann sich die Feststellungsklage auch auf einzelne aus dem Rechtsverhältnis ergebende Rechte und Pflichten (auch verfahrensrechtlicher Natur) innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses beschränken (Breitkreuz a.a.O. RdNr. 4; vgl. z.B. auch BSG 25.10.1978 – 1 RJ 32/78BSGE 47, 118-123 = SozR 1200 § 35 Nr. 1 = juris).

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung (§ 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG). Denn die Klage zielt auf die Klärung des Pflichtenkreises und damit der Rechtsposition des Klägers bzw. der Beklagten sowie auf die Beseitigung einer zwischen den Beteiligten umstrittenen Rechtslage mit der Folge der Ungewissheit, ob geleistete Zahlungen eine unstreitige Schuld zum Erlöschen gebracht haben (BSG 06.03.2003 – B 11 AL 27/02 RSozR 4-7822 § 3 Nr. 1 = SozR 4-6035 Art 49 Nr. 1).

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB I sollen - soweit die besonderen Teile des SGB - keine Regelung enthalten, Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem dort näher bestimmten Geldinstitut überwiesen werden. Die Wirkung der Erfüllung der Leistungspflicht durch den Schuldner bestimmt sich nach § 362 BGB, der entsprechend anzuwenden ist. § 362 BGB stellt hinsichtlich der Erfüllung eines Zahlungsanspruchs nicht auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg ab. Die Erfüllung tritt daher erst mit Eingang der Leistung beim Gläubiger (Erfüllungsort i.S.d. § 270 Abs. 1 BGB) ein, wobei es genügt, wenn die Geldleistung auf dem Konto, über das der Leistungsempfänger auch verfügungsberechtigt ist, gutgeschrieben wird (BSG 14.08.2003 – B 13 RJ 11/03 R –, SozR 4-7610 § 362 Nr. 1 = SozR 4-1200 § 47 Nr. 1 = juris RdNr. 19). Zahlt der Schuldner insoweit durch Überweisung, ist die Geldschuld entsprechend § 362 BGB erst erfüllt, wenn der geschuldete Betrag auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird, der Empfänger also über den geschuldeten Betrag gesichert verfügen kann (Grüneberg in Palandt, § 362 RdNr. 10; Pflüger in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 47 SGB I, RdNr. 17). Verfügt der Gläubiger über mehrere Konten und teilt er dem Schuldner ein bestimmtes Bankkonto mit, besteht grundsätzlich kein Einverständnis mit der Überweisung auf ein anderes Konto des Gläubigers (BSG 14.08.2003 – B 13 RJ 11/03 R –, SozR 4-7610 § 362 Nr. 1 = SozR 4-1200 § 47 Nr. 1 = juris RdNr. 19; BGH 05.05.1986 – II ZR 150/85BGHZ 98, 24, 30 = NJW 1986, 2428 = juris; FG Köln 12.10.1994 - 6 K 103/92 - EFG 1995, 354 = juris). Denn der Gläubiger kann aus unterschiedlichen Gründen ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Zahlung nicht auf ein beliebiges Konto erfolgt, z.B. weil das Konto gepfändet ist oder im Soll steht (BSG 14.08.2003 a.a.O. juris RdNr. 19; BGH a.a.O.). Die Zahlung eines Leistungsträgers auf ein anderes als von dem Leistungsempfänger bestimmtes Konto hat daher grundsätzlich keine Tilgungswirkung (BSG 14.08.2003 – B 13 RJ 11/03 R –, SozR 4-7610 § 362 Nr. 1 = SozR 4-1200 § 47 Nr. 1 = juris RdNr. 19; Heinrichs in Palandt, BGB, Komm, 61. Aufl., § 362 RdNr. 8). Teilt ein Gläubiger die Eröffnung eines Kontos mit und wünscht er die Zahlung noch ausstehender Beträge ausschließlich auf das neue Konto, so hat der Schuldner dem im Regelfall Folge zu leisten (BSG a.a.O. RdNr. 20). Liegt kein Ausnahmetatbestand vor, kommt der Überweisung des geschuldeten Zahlbetrages auf das ursprünglich genannte Konto keine Tilgungswirkung zu (BSG a.a.O. RdNr. 20; ebenso Kerwer in juris-PK-BGB, 7. Aufl., § 362 BGB, RdNr. 38). Der ausreichend klar und rechtzeitig an den Leistungsträger gerichtete Wunsch eines Leistungsberechtigten, die Überweisung auf ein bestimmtes Konto vorzunehmen, ist mithin grds. unbedingt zu beachten (Pflüger a.a.O.). Ob von Anfang an die Zahlung der Geldleistung auf ein bestimmtes Konto gewünscht war oder es sich um die Mitteilung einer Kontoänderung bei Fortbestand auch des alten Überweisungskontos handelt, ist dabei ohne Belang. Für dieses Ergebnis spricht nach Auffassung des BSG neben dem hauptsächlich herangezogenen § 362 BGB auch § 33 SGB I, nach dessen Satz 2 dem Wunsch des Leistungsempfängers grundsätzlich Rechnung zu tragen ist (Pflüger a.a.O. RdNr. 18).

Das in der Bestimmung zur Zahlung auf das Konto des K1 – der Kläger hatte nähere Daten einschließlich Kontonummer und Bankleitzahl angegeben (Blatt 113 der Beklagtenakte) - zu sehende Verlangen des Klägers auf Zahlung auf dieses Konto ist nicht deswegen unbeachtlich, weil der Wunsch zu unbestimmt oder missbräuchlich wäre. Vielmehr hat der Kläger klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, welches Konto er zur Inempfangnahme der Zahlungen der Beklagten zur Verfügung stellt. Auch steht der Beachtlichkeit des klägerischen Wunsches nicht entgegen, dass es sich um das Konto seines Vaters handelt. Denn als Gläubiger darf der Kläger frei bestimmen, welches Konto er für schuldbefreiende Zahlungen zur Verfügung stellt. Wie § 362 Abs. 2 BGB zeigt, kann der Leistung an einen Dritten Erfüllungswirkung zukommen. Nachdem der Kläger das Konto seines Vaters bestimmt hatte, ist die Zahlung an einen grds. nichtberechtigten Empfänger i.S.d. § 185 BGB genehmigt und hat daher Erfüllungswirkung. Dass es sich bei dem Konto seines Vaters um ein schwer zugängliches oder zum Zahlungsverkehr ungeeignetes Konto handelt, ist weder von den Beteiligten vorgetragen noch ersichtlich. Auch ist angesichts des Umstandes, dass die Beklagte teilweise Zahlungen auf das Konto des K1 geleistet hat und diese nicht zurückgeflossen sind, nicht anzunehmen, dass die Bankdaten falsch angegeben worden wären.

Jedoch sind gemäß § 52 StVollZG Bezüge des Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, dem Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben. Gemäß § 83 Abs. 2 Satz 2 StVollZG wird Geld dem Gefangenen als Eigengeld gutgeschrieben. Dem Gefangenen wird nach § 83 Abs. 2 Satz 3 StVollZG u.a. Gelegenheit gegeben über sein Eigengeld zu verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. Vorliegend durfte die Beklagte den Hinweisen der JVA vom 19.12.2013 und 08.10.2014 folgen und mit schuldbefreiender Wirkung auch auf das Haftkonto des Klägers (Anstaltskonto) Geldüberweisungen für den Kläger vornehmen.

Zum Eigengeld i.S.d. § 52 StVollZG gehören die Geldbeträge, die der Gefangene bei Strafantritt in die Anstalt mitbringt, Geldern, die ihm während der Haftzeit zugehen und Bezüge, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden (Callies/Müller-Dietz, StVollZG, 5. Aufl., § 52 RdNr. 1; Ullenbruch in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollZG, 5. Aufl., § 83 RdNr. 8). Außerdem gehören zu den zum Eigengeld gehörenden Bezügen die Einkünfte aus freier Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 39 Abs. 1 StVollZG) und aus Selbstbeschäftigung (§ 39 Abs. 2 StVollZG; vgl. Callies/Müller-Dietz a.a.O.; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollZG, 5. Aufl., § 52 RdNr. 2). Auch gehören Bezüge in Form von Arbeitsentgelt (§ 43 StVollZG) und Ausbildungsbeihilfe (§ 44 StVollZG) zum Eigengeld (dazu vgl. Laubenthal a.a.O.). Vorbehaltlich der Verfügungsbeschränkungen des § 83 Abs. 2 Satz 3 StVollZG kann der Häftling frei über das Eigengeld verfügen (Laubenthal a.a.O.RdNr. 3). Es ist nur in den Grenzen des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollZG unpfändbar. 

Gehört aber das in der JVA erwirtschaftete Arbeitsentgelt i.S.d. § 43 StVollZG zu den Bezügen, gehören auch von außerhalb der JVA stammende, aber während der Haftzeit an den Häftling gerichtete Zahlungen zu den Bezügen i.S.d. § 52 StVollZG, so gehören auch Zahlungen, die das Arbeitsentgelt i.S.d. § 43 StVollZG ersetzen und an den Häftling gerichtet sind, zu den Bezügen, die nach § 52 StVollZG zum Eigengeld genommen werden müssen. Damit gehört das Verletztengeld und die damit im Zusammenhang stehenden Zahlungen der Beklagten (Aufwendungsersatz, Verdienstausfall usw.) zu den Bezügen des Häftlings, die nach § 52 StVollZG zwingend zum Eigengeld zu nehmen sind. Damit durfte die Beklagte der Weisung des Klägers – Zahlung auf das Konto seines Vaters – nicht beachten und konnte auf das von der JVA angegebene Konto zahlen. Musste sie aber Kraft Gesetzes auf das Haftkonto zahlen und kann der Kläger – nur gering eingeschränkt – nach den Regelungen des StVollZG frei über das Eigengeld verfügen, so hat die Zahlung der Beklagten an den Kläger über die JVA und deren Haftkonto schuldbefreiende Wirkung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB (zur Erfüllungswirkung vgl. auch OLG Hamm 29.03.1988 – 1 Vollz (Ws) 367/87 – juris).

Aber auch schon allein das Ersuchen der JVA gegenüber der Beklagten, Zahlungen auf das Haftkonto vorzunehmen, war zulässig und hätte dazu geführt, dass die Beklagte jedenfalls auch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kläger auf das für ihn bei der JVA geführte Haftkonto zahlen durfte. Zwar mag der Kläger ein Interesse daran haben – er hat angegeben, die Justizkasse habe das Haftkonto gepfändet (nähere Umstände hat er nicht angegeben) -, dass Zahlungen nicht auf das Haftkonto erfolgen. Doch ist dieses Interesse vorliegend unbeachtlich, denn die JVA durfte aus vollzugsimmanenten Gründen die Beklagte ersuchen, auf das Haftkonto zu zahlen. So darf die JVA mit den ihr im StVollzG zugewiesenen Mitteln einerseits entsprechend dem Auftrag des § 3 Abs. 1 StVollzG darauf hinwirken, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden soll. Andererseits hat die JVA nach § 3 Abs. 2 StVollZG schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken. Dem entspricht, dass die JVA der aus dem engen, nicht immer kontrollierten und kontrollierbaren Zusammenleben in der Anstalt entspringenden Gefahr unerwünschter subkultureller Abhängigkeiten, denen die Gefangenen sich teilweise wegen der unnatürlichen Gruppenzwänge auch dann nicht mehr entziehen können, wenn sie es wollen (dazu vgl. Matzke in Schwind/Böhm a.a.O. § 52 RdNr. 3) entgegenwirken darf und muss. Hierzu gehört aber auch eine gewisse Kontrolle der Zahlungsmittel – jedenfalls dann, wenn deren Entstehungsgrund mit dem Gefängnisaufenthalt bzw. einer Tätigkeit in der JVA in engem Zusammenhang steht. So durfte vorliegend die JVA verfügen, dass das Verletztengeld, dessen Ursprung die versicherte Tätigkeit in der JVA ist, auf das für den Kläger geführte, seinem Zugriff unterliegende Haftkonto gezahlt wird. Insoweit durfte die Beklagte mit schuldbefreiender Wirkung zumindest auch auf das Haftkonto des Klägers überweisen.

Damit steht dem Kläger der von ihm geltend gemachte Feststellungsanspruch nicht zu; seine Berufung ist insoweit unbegründet.
2.
Bekanntgabe von Bescheiden
(Klageantrag 4)

Mit Klage und Berufung begehrt der Kläger, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verpflichten, es zu unterlassen, Bescheide offen von der JVA an ihn zustellen zu lassen oder an diese zu übersenden.

Bei dieser Klage handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG in Form einer Unterlassungsklage. Diese Klage und die deswegen geführte Berufung sind zulässig und teilweise begründet.

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Dagegen sieht § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X vor, dass wenn für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt ist, sich die Behörde an ihn wenden muss. Widerspruchsbescheide sind gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG dem Beteiligten bekannt zu geben.

Die Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten und Widerspruchsbescheiden, die nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG schriftlich zu ergehen haben, erfolgt – wie auch von der Beklagten praktiziert - regelmäßig mittels Übersendung per Post bzw. durch förmliche Zustellung. Hierzu hat die Beklagte den Bescheid so auf den Weg zu bringen, dass er den Kläger erreicht.

Beim Inhalt der Bescheide und von Widerspruchsbescheiden handelt es sich um Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 1 SGG, als es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) handelt, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden; jedenfalls enthalten die Bescheide und Widerspruchsbescheide solche Sozialdaten. Dabei hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis, § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB I).

Die Beklagte hat die in Bescheiden und Widerspruchsbescheiden enthaltenen Sozialdaten des Klägers auch verarbeitet i.S.d. § 35 SGB I. Verarbeiten ist u.a. das Übermitteln von Sozialdaten, wobei das Übermitteln jede Bekanntgabe von Sozialdaten umfasst, gleichgültig ob sie gespeichert wurden oder nicht (§ 67 Abs. 6 Satz 1, 2 Nr. 3 SGB X).  Eine solche Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder soweit der Betroffene eingewilligt hat (§ 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X). § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X und § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG, die die Bekanntgabe von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden betreffen erlauben jedoch lediglich eine Bekanntgabe an bestimmte Personen – an denjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, vorliegend also den Kläger bzw. an einen hierzu Bevollmächtigten. Die JVA selbst ist insoweit nicht vom Bescheid oder Widerspruchsbescheid betroffen, sodass ihr gegenüber nicht bekanntgegeben werden durfte. Auch liegt eine Einwilligung des Klägers in eine – spezifische - Bekanntgabe von Sozialdaten gegenüber der JVA nicht vor, geschweige denn eine erteilte (Zustellungs-)Vollmacht. Eine Erhebung von Sozialdaten durch die JVA – ohne Mitwirkung des Klägers – durch Übermittlung der Daten von der datenerhebenden Beklagten (§ 67a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB X) ist nur im Hinblick auf die erforderliche Zuordnung der Zahlung durch die JVA im dafür notwendigen Umfang erlaubt (z.B. Angabe im Verwendungszweck der Überweisung), betrifft jedoch gerade nicht Sozialdaten, wie z.B. Widerspruchsvorbringen, Bescheidinhalte usw., die zur Erfüllung der Zwecke des Strafvollzugs i.S. des StVollZG nicht erforderlich sind (§ 67b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 67d, 68, 69 und 78 SGB X).

Die Verpflichtung zur Wahrung des Sozialgeheimnisses verlangt von den in § 35 SGB I genannten Stellen, wozu auch die Beklagte gehört, die Sozialdaten durch positive Vorkehrungen zu schützen, d.h. alle Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, um zu verhindern, dass Sozialdaten in die Hände Unbefugter gelangen oder von Befugten unbefugt verwandt werden (Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I K § 35, RdNr. 70). § 35 Abs. 1 SGB 1 gibt dem Betroffenen ein subjektives öffentliches Recht gegen den Leistungsträger darauf, dass dieser seine Geheimnisse nicht unbefugt offenbart (BSG 25.10.1978 – 1 RJ 32/78BSGE 47, 118-123 = SozR 1200 § 35 Nr. 1= juris). Da die JVA weder berechtigter Adressat der Bescheide und Widerspruchsbescheide ist, noch eine Einwilligung vorliegt, ist die JVA zur Kenntnisnahme der Sozialdaten des Klägers unbefugt, weshalb die Beklagte Sozialdaten des Klägers an diesen so zu übermitteln hat, dass Unbefugte – auch die JVA - keine Kenntnis von diesen Daten nehmen können.

Dem steht nicht entgegen, dass die JVA aufgrund des zwischen ihr und dem Kläger als Häftling besonders ausgeprägten Anstaltsverhältnisses gemäß § 29 Abs. 3 StVollZG den (im Hinblick auf § 29 Abs. 1und 2 StVollZG) „übrigen“ Schriftwechsel überwachen darf, soweit es aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Dies stellt eine zulässige Einschränkung des Briefgeheimnisses dar (BVerfG ZfStrVo 1982, 126; Arloth in Arloth/Lückemann, StVollZG, § 29 RdNr. 1), die jedoch nicht sämtliche eingehenden Briefe zu überwachen erlaubt, sondern nur diejenigen – soweit nicht bereits nach § 29 Abs. 1 und 2 StVollZG eine Überwachung nicht stattfindet -, bei denen es tatsächliche Anhaltspunkte für Behandlungs-., Sicherheits- oder Ordnungsgründe gibt (Arloth a.a.O. RdNr. 4). § 29 Abs. 3 StVollZG gibt der JVA damit eine Befugnis, den Schriftverkehr des Klägers, mithin eingehende und ausgehende Post, zu öffnen und zu lesen. § 29 Abs. 3 StVollZG setzt aber ein Tätigwerden der JVA voraus, das durch besonders bestimmte – nicht alle - Mitarbeiter ausgeübt wird. Hierzu sieht Ziff. 2 Abs. 1 der VV zu § 29 StVollZG (vgl. Arloth a.a.O. vor RdNr. 1) vor, dass der Anstaltsleiter Art und Umfang der Überwachung bestimmt; er darf mit der Überwachung einzelne andere Bedienstete beauftragen. Die Befugnisnorm des § 29 Abs. 3 StVollZG wendet sich insoweit alleine an die JVA und nicht an die Beklagte. Daher darf die Beklagte nicht unter Hinweis auf § 29 Abs. 3 StVollZG der JVA an den Kläger gerichtete Bescheide und Widerspruchsbescheide übermitteln, zumal selbst bei angeordneter Überwachung des Schriftverkehrs bei der von der Beklagten praktizierten Verfahrensweise auch andere Bedienstete der JVA, die nicht zur Briefkontrolle befugt sind, Gelegenheit zur Kenntnisnahme der Sozialdaten haben.

Das hat die Beklagte gegenüber dem SG auch anerkannt, als sie mit Schreiben vom 08.07.2014 (Blatt 15/17 der SG-Akte) mitgeteilt hat, den Schriftverkehr mit dem Kläger künftig ihm direkt zuzustellen. Insoweit ist die Beklagte dem Klagebegehren des Klägers nachgekommen und hat ein Anerkenntnis abgegeben, der Klageantrag des Klägers ist damit erledigt, jedoch hat der Kläger das Anerkenntnis noch nicht angenommen.

Auch soweit die Beklagte aber angibt, der JVA eine Mehrfertigung für die Gefangenenpersonalakte zu übersenden, so besteht der Anspruch des Klägers. Nach Ziff. 58 Abs. 2 der Vollzugsgeschäftsordnung (dazu vgl. Arloth a.a.O., Anhang 3) sind zu den Personalakten alle Niederschriften, Verfügungen und sonstigen Schriftstücke zu nehmen, die sich auf den Gefangenen beziehen. Damit räumt die Vollzugsgeschäftsordnung lediglich der JVA die Ermächtigung bzw. Verpflichtung ein, bestimmte Dokumente zu den Akten zu nehmen. Dagegen ist die Beklagte, die nicht zum Strafvollzug gehört, nicht verpflichtet, die Vollzugsgeschäftsordnung zu befolgen. Da es sich bei der Gefangenenpersonalakte nicht um eine umfassende Dokumentation zum Leben des Gefangenen sondern um eine haftorientierte Sammlung von Daten handelt, ist die Beklagte auch nicht berechtigt, im Rahmen ihrer Tätigkeit Sozialdaten an die JVA zum Zweck der Aufnahme in die Gefangenenpersonalakte zu übermitteln. Denn insoweit beschränkt § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Übermittlungsbefugnis auf einzelne, bestimmte Daten, die nur im Einzelfall und auf Ersuchen der JVA übermittelt werden dürfen. Eine allgemeine Verwaltungspraxis bzw. die Bitte der JVA genügt insoweit nicht. Auch ist die Übermittlung von Sozialdaten an die JVA nicht zur Erfüllung sozialer Aufgaben (§ 69 SGB X) oder einer der anderen in den §§ 70 ff SGB X genannten Tatbeständen seitens der JVA erforderlich.

Nachdem i.S.d. § 67d Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 68 bis 77 SGB X weder eine Übermittlungsbefugnis noch eine Berechtigung nach einer anderen Rechtsvorschrift des SGB vorliegt, darf die Beklagte der JVA auch keine Mehrfertigung ihrer Bescheide zukommen lassen.

Insoweit ist der Unterlassungsanspruch des Klägers entsprechend § 1004 i.V.m. § 823 BGB des Klägers begründet, zumal – für den Fall des Fehlens eines Urteils - die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Diese wird aufgrund der Ankündigung der Beklagten, der JVA Mehrfertigungen der Bescheide und Widerspruchsbescheide zu schicken, vermutet. Diese Vermutung wurde durch die Beklagte nicht ausgeräumt (BSG 25.10.1978 – 1 RJ 32/78 – , BSGE 47, 118-123 = SozR 1200 § 35 Nr. 1= juris).

Der Kläger kann seinen Schutz- und Unterlassungsanspruch aus § 35 SGB I i.V.m. §§ 823, 1004 BGB auf dem Klagewege auch in der Sozialgerichtsbarkeit zulässigerweise mit der (vorbeugende) Unterlassungsklage durchsetzen (BSG 25.10.1978 – 1 RJ 32/78 –, BSGE 47, 118-123 = SozR 1200 § 35 Nr. 1= juris). Entsprechend war vorliegend zu tenorieren.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die JVA das Verletztengeld letztlich statt der Beklagten an den Häftling auszahlt und deshalb wissen muss, weshalb Gelder an einen Häftling auszubezahlen sind. Eine Beauftragung der JVA mit der Auszahlung der Leistungen der Beklagten i.S.d. § 189 SGB VII liegt nicht vor; zumal gerade auch in diesem Auftragsverfahren eine Übermittlung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden nicht erfolgt. Soweit die JVA über ihr Konto Gelder vereinnahmt, die sie nach §§ 52, 83 Abs. 2 Satz 2 StVollZG dem Eigengeld des Häftlings zuzurechnen hat, bedarf es für die Zurechnung zum Eigengeld des Häftlings grds. keiner Kenntnis des Zahlungsgrundes oder der sonstigen Angaben in den Bescheiden und Widerspruchsbescheiden, vielmehr reichen bei Zahlung auf das Anstaltskonto der JVA im Verwendungszweck der Überweisung Angaben zum Absender, zum Empfänger (Name und Vorname des Häftlings) und dessen Geburtsdatum bzw. dessen Buch-Nummer; dagegen bedarf es i.S. einer Zahlungs-/Leistungsbestimmung (vgl. z.B. § 366 BGB) durch den Schuldner ggf. eines Hinweises im Verwendungszweck der Überweisung, um dem Gläubiger Kenntnis vom Zahlungsgrund und dem Umfang der Erfüllungswirkung zu verschaffen, sodass insoweit Angaben im Zusammenhang mit der Überweisung möglich sind, auch wenn außer dem Schuldner und Gläubiger Dritte Kenntnis hiervon nehmen können. Jedoch bedarf es zur Zuleitung der Beträge an den Kläger nicht der Übersendung von Bescheiden, Widerspruchsbescheiden und Mehrfertigungen im unverschlossenen, für jeden einsichtigen Postverkehr.

Soweit der Kläger dagegen beantragt hat, mit der Verurteilung zur Unterlassung zugleich Zwangs- oder Ordnungsmittel anzudrohen, so ist die Berufung unbegründet. Denn der von ihm in Ansatz gebrachten § 890 ZPO – nach dieser Vorschrift können lediglich Ordnungsgeld und Ordnungshaft angedroht bzw. festgesetzt werden, nicht dagegen Zwangsmittel - handelt es sich um Maßnahmen der Vollstreckung, die anzudrohen sind (§ 890 Abs. 2 ZPO), für die ein Rechtsschutzinteresse bestehen muss. § 890 ZPO gilt gemäß § 198 SGG (vgl. SG Berlin 02.09.2011 – S 81 KR 372/11 – juris RdNr. 147) auch im Vollstreckungsverfahren nach dem SGG gegen Behörden. Jedoch hat der Kläger auch nicht im Ansatz dargelegt, dass sich die Beklagte, die nach Art. 20 Abs. 3 GG als Teil der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist, entgegen der Unterlassungsanordnung des Gerichts handeln wird. Vielmehr ist der Senat im Hinblick auf Art 20 Abs. 3 GG überzeugt, dass sich die Beklagte an das Urteil hält. Daher musste der Senat eine Androhung von Ordnungsmitteln i.S.d. § 890 Abs. 2 ZPO nicht in den Urteilstenor aufnehmen. Damit hat der Kläger hinsichtlich der Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO kein Rechtsschutzbedürfnis.

Damit war es der Beklagten zu untersagen, Bescheide (i.S.v. Verwaltungsakten i.S.d. § 31 SGB X)/Widerspruchsbescheide offen an die Justizvollzugsanstalt zuzustellen bzw. zu übersenden sowie Mehrfertigungen hiervon an die Justizvollzugsanstalt zu senden. Soweit der Kläger sinngemäß begehrt, der Beklagten zu untersagen, dass die genannten Dokumente ihn in der JVA verschlossen erreichen, so war sein Begehren ohne Erfolg, denn darauf, ob die JVA von ihrem Recht nach § 29 Abs. 3 StVollZG Gebrauch macht bzw. Post nur geöffnet weiterleitet, hat die Beklagte keinen Einfluss. Ebenso war das Begehren nach Androhung von Zwangs-/Ordnungsmitteln ohne Erfolg.

III.

Soweit der Kläger geltend macht, der angefochtene Gerichtsbescheid sei nicht mit Gründen versehen, auch lägen die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheids nicht vor, rechtfertigt dieser Vortrag, den der Senat nicht bestätigt finden konnte, nicht eine Aufhebung des Gerichtsbescheids i.S.d. § 159 SGG; insbesondere wurde der Kläger vorher angehört (vgl. Blatt 12, 12a des hinteren Teils der SG-Akte <PKH-Akte>; Zustellung des Hinweises am 11.08.2014 durch PZU).

Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen, soweit sie unbegründet war, im Übrigen war wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger auch hinsichtlich seiner Unterlassungsklage nur zum Teil obsiegt hat und ein Teil des Rechtsstreits noch beim SG zur mündlichen Verhandlung anhängig ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

IV.
 
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das vorliegende Verfahren war abzulehnen.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat schon seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, mithin seine Bedürftigkeit i.S.d. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff ZPO, nicht hinreichend glaubhaft gemacht., sodass bereits aus diesem Grunde PKH nicht gewährt werden konnte. 

Nach § 117 Abs. 3 und 4 ZPO sind die vom Bundesministerium der Justiz eingeführten Formulare zu verwenden. Damit sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des nach der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (BGBl I. 1994, Seite 3001) glaubhaft zu machen.

Vorliegend hat der Kläger zwar das Formular verwendet, jedoch hinsichtlich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich angegeben, zuletzt über Einnahmen über 40 € Hausgeld aus Zwangsarbeit in Strafhaft zu verfügen. Weitere Einnahmen und weiteres Vermögen wurden verneint. Ebenso wurde verneint, über Bank-, Giro-, Sparkonten und dergleichen zu verfügen. Aus dem Vortrag des Klägers im Verfahren ist dem Senat jedoch bekannt, dass der Kläger Einnahmen aus einer Beschäftigung in der JVA hat und über ein ihm zugeordnetes Haftkonto verfügt. Er selbst hat angegeben, dieses sei gepfändet. Angaben zum Umfang der Pfändung, zu dem auf dem Haftkonto befindlichen Vermögen aber auch zu seinen konkreten Einkünften aus der JVA-Beschäftigung hat der Kläger nicht gemacht. Widersprechen sich daher seine Angaben, so konnte der Senat nicht annehmen, dass Bedürftigkeit i.S.d. §§ 144 ff. ZPO hinreichend dargelegt oder gar glaubhaft gemacht wäre.

Angesichts des erst am 22.07.2015 eingegangenen Formulars mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, musste der Senat dem prozesserfahrenen Kläger keine weitere Frist zur Klärung bzw. Glaubhaftmachung seiner Angaben gewähren.

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts hat der Kläger zwar beantragt, diese kommt aber mangels dargelegter Bedürftigkeit nicht in Betracht; im Übrigen hat der Kläger keinen Rechtsanwalt benannt, den er beigeordnet haben will und auch nicht beantragt, dass der Senat einen Rechtsanwalt nach seiner eigenen Wahl beiordnet.

Damit war die Gewährung von PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen. Diese Ablehnung ergeht – auch wenn sie mit einem Urteil verbunden ist - als Beschluss und ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).


Das Urteil enthält eine Rechtsmittelbelehrung, nach welcher die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt werden konnte. Der Kläger hat im Anschluss beim BSG mehrere Verfahren betreffend das vorliegende Aktenzeichen geführt. Insoweit wird für weitere Einzelheiten auf die Akten verwiesen. Das BSG hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 07.12.2016 zu dem Aktenzeichen B 2 U 119/16 B zurückgewiesen und hierzu unter anderem ausgeführt, dass der Kläger einen Verfahrensmangel hinsichtlich der angegriffenen Entscheidung vom 24.07.2015 nicht hinreichend dargelegt habe.

Mit seinem Schreiben vom 25.04.2024 hat der Kläger die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils, die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und seine ungenügende Vertretung nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geltend gemacht, und gleichzeitig (erneut) Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision gegen das Urteil vom 24.07.2015 eingelegt (Aktenzeichen L 8 U 1351/24 NZB des Senats). Mit Beschluss des Senats vom 12.06.2024 ist von diesem Verfahren die Wiederaufnahmeklage des Klägers abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen L 8 U 1805/24 WA weitergeführt worden. Die unter dem Aktenzeichen L 8 U 1351/24 NZB noch anhängige Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision ist nach Anhörung des Klägers mit Beschluss des Senats vom 27.06.2024 an das hierfür instanziell zuständige BSG verwiesen worden.

Mit Verfügung vom 12.06.2024 ist der Kläger dazu angehört worden, dass der Senat beabsichtigt, die Wiederaufnahmeklage durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu verwerfen, wobei dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 05.07.2024 gegeben worden ist.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20.06.2024 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH), die Beiordnung eines Rechtsanwalts und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – unter Hinweis auf Art. 6 EMRK – beantragt. Außerdem hat er die erkennenden Richter des Senats, die für das Verfahren nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zuständig sind – ohne explizite Begründung – als befangen abgelehnt.

Der Kläger ist mit Verfügung des Berichterstatters vom 28.06.2024 darauf hingewiesen worden, dass auch in Kenntnis des Schreibens vom 20.06.2024 beabsichtigt ist, nach dem 05.07.2024 in der Stammbesetzung des Senats und mit Beschluss ohne mündliche Verhandlung über die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 8 U 633/15 zu entscheiden. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, von dieser Verfahrensweise abzuweichen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Kläger ist dem mit Schriftsatz vom 28.06.2024 entgegengetreten und hat hierzu seine bisherigen Argumente wiederholt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten und die beigezogenen Gerichtsakten des Verfahrens L 8 U 622/15 Bezug genommen. 


II.

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers ist aus mehreren voneinander unabhängigen Gesichtspunkten unzulässig und erscheint überdies rechtsmissbräuchlich. Der Senat konnte die unzulässige Wiederaufnahmeklage daher nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 und 2 SGG verwerfen (hierzu BSG, Beschluss vom 10.10.2012 - B 13 R 53/12 B, juris Rn. 11). Der Senat hat sein insoweit bestehendes Ermessen dahingehend ausgeübt, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, weil wegen der offenkundigen Unzulässigkeit der Klage bereits nach der Lage der Akten eine mündliche Verhandlung verzichtbar erschien.

Der Senat ist für die Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 584 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) als Berufungsgericht zuständig, da das vom Kläger angefochtene Urteil vom 8. Senat des LSG erlassen wurde. Nach § 584 Abs. 1 ZPO ist für Nichtigkeits- und Restitutionsklagen ausschließlich das Gericht zuständig, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 ZPO angefochten wird, ist das Berufungsgericht zuständig (Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage 2021, § 584 Rdnr. 2).

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 20.06.2024 steht einer Entscheidung des Senats in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung nicht entgegen. Der Senat war an dem Beschluss über die Wiederaufnahmeklage nicht durch das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 20.06.2024 gehindert, da dieses rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn kein Ablehnungsgrund benannt wird und ein solcher auch sonst nicht ersichtlich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.05.2013 – 2 BvR 909/06 u.a. –, BVerfGE 133, 377, 406; BVerfG, Beschl. v. 19.06.2012 – 2 BvR 1397/09 –, BVerfGE 131, 239, 252 f.; BVerfG, Beschl. v. 02.05.2006 – 1 BvR 698/06 –, BVerfGK 8, 59, 60; Hüßtege, in: Zöller, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 45 Rn. 1). Ein Befangenheitsantrag ist überdies regelmäßig dann rechtsmissbräuchlich, wenn wie hier alle Mitglieder eines Spruchkörpers abgelehnt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.03.2013 – 1 BvR 2853/11 –, juris, Rn. 28; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.05.2020 – L 6 AS 164/20 RG –, Rn. 5, juris).

Der Kläger mutmaßt zum einen, dass ein Fall des § 41 Abs. 6 ZPO (gesetzlicher Ausschlussgrund der Vorbefassung) vorliegen dürfte, was indes nach dem vollständigen personellen Wechsel im erkennenden Senat seit dem Urteil vom 24.07.2015 nicht zutrifft.

Außerdem verwahrt der Kläger sich unter Berufung auf Art. 6 EMRK gegen den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung. Im vorausgegangenen Verfahren L 8 U 633/15 ist jedoch bereits am 24.07.2015 mündlich verhandelt worden. Da im Wiederaufnahmeverfahren zunächst eine allein rechtliche Prüfung der Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme nach den § 579 f. ZPO zu erfolgen hat, kann unter diesem Aspekt beim Fehlen der Zulässigkeit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK eine Entscheidung durch Beschluss und ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. EGMR vom 08.12.1983 – 8273/78 Rn. 28, EuGRZ 1985, 225 – Axen; BVerfG vom 30.06.2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563; EGMR vom 22.02.1996 – 17358/90 Rn. 41 f., ÖJZ 1996, 430 – Bulut; zum Ganzen Karpenstein/Mayer/Meyer, 3. Aufl. 2022, EMRK Art. 6 Rn. 75).

1. Die Wiederaufnahmeklage ist bereits unzulässig, weil keine Anhaltspunkte für ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer Überprüfung der Entscheidung vom 24.07.2015 vorliegen.

Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 02.05.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43, 58). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis abhängig gemacht werden (vgl. nur BVerfG vom 05.12.2001 - 2 BvR 1337/00 u.a. -, BVerfGE 104, 220, 232 m.w.N.). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenübergestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (BSG vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr. 28, RdNr. 17; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, Vor § 51 RdNr. 16). Weil das Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ist, muss es noch im Zeitpunkt der Entscheidung bestehen (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R – RdNr. 10; BSG vom 28.05.2015 - B 12 KR 7/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 28 RdNr. 39; BSG vom 01.07.2021 - B 8 SO 36/20 BH – RdNr. 5) und ist auch vom Rechtsmittelgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, Vor § 51 RdNr. 20; BSG, Urteil vom 12.12.2023 – B 8 SO 7/22 R –, Rn. 13, juris).

Das hier angegriffene Urteil vom 24.07.2015 betraf abgesehen von den zahlreichen prozessualen Anträgen des Klägers entsprechend den zutreffenden Feststellungen im Tatbestand der angegriffenen Entscheidung – nachdem der Kläger im Berufungsverfahren die Gewährung von Verletztengeld nicht mehr weiter verfolgte – in der Sache nur noch die Feststellung, dass Zahlungen der Beklagten auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben (Klageantrag Ziff. 2 vor dem SG), sowie die Unterlassung seitens der Beklagten, Bescheide/Widerspruchsbescheide offen von der JVA an ihn zustellen zu lassen oder an diese zu übersenden bzw. Mehrfertigungen an diese zu senden (Klageantrag Ziff. 4 vor dem SG). Hinsichtlich des Unterlassungsantrags hatte der Kläger vollumfänglich Erfolg, so dass es insoweit bereits an einer Beschwer durch das angegriffene Urteil vom 24.07.2015 fehlt. Bezüglich der Feststellung, dass Zahlungen der Beklagten auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben, ist festzustellen, dass der Kläger aktuell nicht mehr in der JVA ist und daher dort auch kein Haftkonto mehr führt. Ein weiter vorhandenes berechtigtes Interesse an einer Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 SGG wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

2. Die Wiederaufnahmeklage ist auch deswegen unzulässig, weil die Fristen für eine Wiederaufnahme gemäß § 586 ZPO abgelaufen sind. 

Nach § 586 Abs. 1 ZPO sind Wiederaufnahmeklagen vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Maßgeblich ist insoweit das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen des Restitutionsklägers über die Wiederaufnahmetatsachen. Ein Kennenmüssen genügt nur, wenn sich die Partei oder ihr Vertreter der Kenntnisnahme bewusst verschließen. Die zutreffende rechtliche Einordnung, also die Kenntnis davon, dass die bekannt gewordenen Tatsachen einen Wiederaufnahmegrund darstellen, ist nicht maßgeblich (BGH VersR 1962, 175, 176; NJW 1993, 1596, 1597, NJW 1995, 332, 333; OLG München, Urteil vom 30.07.2020 – 29 U 706/19 –, Rn. 23, juris).

Das Urteil des Senats vom 24.07.2015 wurde dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 27.07.2015 in der JVA O1 zugestellt, so dass die Notfrist von einem Monat – noch abhängig von der Kenntnis des Klägers von dem Anfechtungsgrund – frühestens ab dem 27.08.2015 beginnen konnte. Der Kläger stützt seine Wiederaufnahmegründe (näher hierzu unten) auf Ausführungen, die sich aus dem Urteil vom 24.07.2015 selbst ergeben sollen, wozu er ausführlich aus dem Urteil zitiert. Daraus folgt jedoch, dass dem Kläger die Wiederaufnahmegründe bereits mit der Zustellung des Urteils bekannt waren. Der Kläger zitiert mit seiner Wiederaufnahmeklage ausschließlich in dem Urteil getroffene rechtliche Bewertungen, die er als unzutreffend ansieht. Der Kläger hat damit aber schon mehr als einen Monat vor Erhebung der Wiederaufnahmeklage positive Kenntnis der Tatsachen, die seiner Meinung nach den Wiederaufnahmegrund ergeben, gehabt (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2018 – L 15 U 555/18 WA –, Rn. 12, juris). Zudem ist auch die Fünf-Jahres-Frist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgelaufen, nach der Wiederaufnahmeklagen generell unstatthaft sind.

Allerdings gilt für die Rüge des Klägers, es habe für ihn vor dem Verfahren des 8. Senats im Jahr 2015 ein gesetzlicher Vertreter bestellt werden müssen, da er prozessunfähig gewesen sei, die Sonderregelung in § 586 Abs. 3 ZPO, wonach die Fristen in § 586 Abs. 1 und 2 ZPO auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden sind; die Frist für die Erhebung der Klage läuft in diesem Fall von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist. Da indes der Kläger weder seine fortbestehende Prozessunfähigkeit behauptet – im Gegenteil tritt er auch vorliegend wieder ohne Vertretung auf – und auch Anhaltspunkte ansonsten hierfür nicht ersichtlich sind, ist auch insoweit von der Verfristung auszugehen.

3. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage ist zudem die schlüssige Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes, wie sie in §§ 579, 580 ZPO aufgeführt sind (BSG, Beschluss vom 23.04.2014 - B 14 AS 368/13 B -, Juris, Rdnr. 9; BSG, Beschluss vom 10.07.2012 - B 13 R 53/12 B -). Auch hieran fehlt es.

Der Kläger stützt seinen Wiederaufnahmeantrag zunächst auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, wobei er hierzu lediglich in einem Satz vorträgt, dass in dem angegriffenen Urteil der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO „ausdrücklich zugestanden werde“, wozu er im Übrigen dieser Behauptung lediglich aus dem Urteil eingescannte Passagen beigefügt hat. Damit ist ein Nichtigkeitsgrund jedoch nicht schlüssig dargelegt, denn es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, im Rahmen eines Wiederaufnahmeantrags das beanstandete und vorgelegte Urteil selbst nach etwaigen Fehlern zu durchsuchen. Die vorgelegten Passagen aus dem beanstandeten Urteil sind aus Sicht des erkennenden Senats im Übrigen für sich genommen schlüssig und lassen für den Senat nicht ansatzweise das vom Kläger behauptete „ausdrückliche Zugestehen“ eines Nichtigkeitsgrundes nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erkennen.

Soweit der Kläger darüber hinaus die Wiederaufnahme auf ein „grob falsches Urteil“ stützt, kann dies nicht zum Erfolg führen. Die inhaltliche Fehlerhaftigkeit eines Urteils stellt keinen Wiederaufnahmegrund dar (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.07.2022 – L 7 AL 28/22 WA –, Rn. 5, juris). Der Katalog der Wiederaufnahmegründe ist abschließend, eine allgemeine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit erfolgt danach nicht.

Sofern der Kläger die Wiederaufnahmeklage schließlich auf eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stützt, ist dies nach Abs. 2 der Vorschrift bereits grundsätzlich ausgeschlossen, weil der Kläger dies mittels eines Rechtsmittels zum Bundessozialgericht (Nichtzulassungsbeschwerde) geltend machen konnte. Dass er diese Möglichkeit nicht genutzt und hierzu vor dem BSG Nichts vorgetragen hat, wie sich aus dem Beschluss des BSG vom 07.12.2016 (B 2 U 119/16 B) über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig ergibt, ist unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Die Revision war mangels Zulassungsgrund i.S.d. § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.

Prozesskostenhilfe (PKH) war mangels hinreichender Erfolgsaussichten für die Wiederaufnahmeklage nicht zu gewähren, § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO. Die Entscheidung über einen Antrag auf PKH muss grundsätzlich vor der Endentscheidung in der Hauptsache getroffen werden (Grundsatz der Vorherigkeit). Ausnahmen davon sind jedoch zulässig, wenn die Effektivität des Rechtsschutzes hierunter nicht leidet, insbesondere bei einer offensichtlich unzulässigen Nichtzulassungsbeschwerde (BFH, Beschluss vom 19.02.2020 – V S 23/19 (PKH) –, juris; vgl. auch das Vorgehen des BSG in dem hier vorausgegangenen Beschluss vom 07.12.2016 – B 2 U 119/16 B – betreffend die Verwerfung der NZB als unzulässig). Mit der vorliegenden Wiederaufnahmeklage, die aus den oben genannten drei Gründen unzulässig ist, liegt ein vergleichbarer Ausnahmefall vor. Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts könnte die prozessuale Situation des Klägers nach der Erhebung seiner bereits aus Fristgründen unzulässigen Wiederaufnahmeklage nicht verbessern.


 

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