L 11 KR 289/24

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 27 KR 525/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 289/24
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 11/25 C
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 19. Januar 2024 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erstattung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Der Kläger war von April 2012 bis Juni 2016 Rechtsreferendar im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG). Er erhielt von der L. eine monatliche Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 950 Euro brutto (837,99 Euro netto). Am 2. Oktober 2014 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig und erhielt bis zum 12. November 2014 Fortzahlung der Unterhaltsbeihilfe.

Von 1. März 2015 bis 29. Februar 2016 war der Kläger Mitglied der Beklagten und bezog von ihr in diesem Zeitraum Krankengeld. Die Beklagte war in dieser Zeit auch die zuständige Einzugsstelle. Mit Bescheid vom 4. Juli 2016 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2015, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2016 feststellte, dass die Beitragspflicht des Klägers zur Arbeitslosen- und sozialen Pflegeversicherung aus dem erhaltenen Krankengeld für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015 sowie vom 30. Juli 2015 bis zum 29. Februar 2016 rückwirkend entfallen und ihm ein Betrag in Höhe von insgesamt 167 Euro zu erstatten sei. Vom 10. Juni 2015 bis zum 29. Juli 2015 führte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durch und bezog in dieser Zeit kein Krankengeld von der Beklagten. Den gegen den Bescheid vom 12. Juli 2016 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2016 zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht Münster (SG) erhobene Klage (Az.: S 13 KR 916/16) wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 4. April 2017 ab. Die Berufung des Klägers wies der Senat mit Urteil vom 14. November 2018 zurück (Az.: L 11 KR 303/17).

Mit Bescheid vom 4. Januar 2017 bewilligte die DRV Bund dem Kläger bereits ab dem 1. Februar 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit streitgegenständlichem  Bescheid vom 6. März 2017 erstattete die Beklagte dem Kläger daraufhin die aus dem bewilligten Krankengeld gezahlten Beiträge zur Arbeitslosen- und sozialen Pflegeversicherung auch für die Zeit vom „1. Februar 2015“ bis zum 30. April 2015 in Höhe von insgesamt 39 Euro und stellte fest, dass sie dem Kläger nunmehr sämtliche Beiträge zur Arbeitslosen- und sozialen Pflegeversicherung erstattet habe, die während seiner Mitgliedschaft bei ihr aus dem Krankengeld entrichtet worden seien.

Seinen dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2017 zurück. Sie wiederholte im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid und stellte klar, dass der Erstattungszeitraum vom 1. März 2015 bis zum 30. April 2015 verlaufe.

Im Rahmen der am 30. Mai 2017 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Bescheid vom 6. März 2017 rechtswidrig sei, da bereits die ursprünglichen Krankengeldbescheide rechtswidrig gewesen seien. Denn die Zahlung von Unterhaltsbeihilfe durch die L. hätte seinerzeit nicht bereits nach sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit eingestellt werden dürfen. Vielmehr hätte nach der damals geltenden Fassung des § 37 Abs. 2 Hamburgisches Juristenausbildungsgesetz (HmbJAG) ein zeitlich unbegrenzter Anspruch auf Fortzahlung der Unterhaltsbeihilfe im Krankheitsfall bestanden. Richtigerweise hätte er somit auch im hier streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe, nicht hingegen auf Krankengeldzahlungen gehabt. Es gehe ihm darum, seine Rentenansprüche zu verbessern. Er habe die Fortzahlung der Unterhaltsbeihilfe gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin gerichtlich nicht verfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2017 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sei die falsche Ansprechpartnerin für die Beurteilung der Weiterzahlung einer Unterhaltsbeihilfe. Diese sei keine Leistung der Krankenversicherung und auch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Durch die rückwirkende Bewilligung der Rente zum 1. Februar 2015 sei ein Anspruch auf Krankengeld und damit die Beitragspflicht aus dem Krankengeld entfallen. Der Kläger werde durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei nach den Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin am 12. November 2014 – und somit vor Beginn der Mitgliedschaft bei ihr ab dem 1. März 2015 – erschöpft gewesen. Unterhaltsbeihilfe sei über den 12. November 2014 hinaus nicht gezahlt worden, sodass kein Ruhenstatbestand nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vorgelegen habe und sie ursprünglich zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet gewesen sei.

Nachdem das SG für den 19. Januar 2024 einen Verhandlungstermin anberaumt hatte, hat der Kläger einen Antrag auf Fahrkostenvorschuss wegen Bedürftigkeit gestellt und am 18. Januar 2024 einen Bescheid der Stadt K. über die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) für die Monate Januar und Februar 2024 zum Nachweis seiner Bedürftigkeit eingereicht. Für den Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2024 niemand erschienen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 19. Januar 2024 abgewiesen. Die Beklagte habe dem Kläger zu Recht die aus dem Krankengeld entrichteten Beitragsanteile zur Sozialversicherung erstattet, da gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V durch Bewilligung der Erwerbsminderungsrente der Krankengeldanspruch des Klägers rückwirkend entfallen sei. Allein diese Auszahlung sei Regelungsgegenstand des angegriffenen Bescheides vom 6. März 2017. Der Bescheid sei nicht nur rechtmäßig, sondern zudem begünstigend, sodass es auch an einer rechtlichen Beschwer des Klägers fehle. Die Auffassung des Klägers, für den streitigen Zeitraum Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe an Stelle von Krankengeld gehabt zu haben, führe zu keiner abweichenden Bewertung. Denn die Zahlung von Unterhaltsbeihilfe sei im maßgeblichen Zeitraum unstreitig weder erfolgt noch von dem Kläger gerichtlich geltend gemacht worden. Der Krankengeldanspruch wäre nur durch die tatsächliche Zahlung von Unterhaltsbeihilfe zum Ruhen gebracht worden (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

Gegen das ihm am 6. Februar 2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Februar 2024 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und ausgeführt, das SG habe sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil er am Termin zur mündlichen Verhandlung nicht habe teilnehmen können. Der Senat hat durch Beschluss vom 10. April 2024 die Berufung zugelassen (Az.: L 11 KR 105/24 NZB).  

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 19. Januar 2024 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2017 aufzuheben sowie die Revision zuzulassen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                                    die Berufung zurückzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2017 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat darin zu Recht entschieden, dass die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung und dem Recht der Arbeitsförderung für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis 30. April 2015 zu erstatten sind. Auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG in der angegriffenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung verwiesen. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab. Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass für eine andere Bewertung.

 

Rein ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 6. März 2017 ist § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Danach endet für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Die DRV Bund gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Januar 2017 rückwirkend ab dem 1. Februar 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Infolgedessen war der Krankengeldanspruch nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Ende des Krankengeldanspruchs ist der Beginn des Zeitraums, für welchen die vorrangige Leistung bewilligt wird, hier also die Rente ab dem 1. Februar 2015. Auf die tatsächliche Auszahlung der bewilligten Leistung kommt es nicht an. Ist das Krankengeld über den Beginn der konkurrierenden Leistung hinaus gezahlt worden, weil diese erst nachträglich bewilligt worden ist, endet der Anspruch auf Krankengeld rückwirkend. Der nachträgliche Wegfall des Krankengeldanspruchs führt dazu, dass die aus dem Krankengeld gezahlten Beiträge zur Arbeitslosen- und Pflegeversicherung an den Versicherten auszukehren sind, weil sie nach § 47 SGB V Teil des Krankengeldanspruchs sind (vgl. dazu Noftz, in: Hauck/​Noftz, SGB V, 10. EL 2024, § 50, Rn. 48). Das hat die Beklagte hier veranlasst.

 

Ferner hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. November 2018 (L 11 KR 303/17) entschieden, dass der Kläger wegen der ihm gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung gegen die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis keine Rechte ableiten kann, die die Höhe der ihm bereits zu Beginn des Versicherungsverhältnisses zustehenden Rente beeinflussen könnten. Um eine ggf. höhere Rentenauszahlung zu erreichen, hätte der Kläger für den Zeitraum vom 13. November 2014 bis zum 31. Januar 2015 Unterhaltsbeihilfe und damit weitere Pflichtbeitragszeiten erstreiten müssen (vgl. § 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung <SGB VI>), was er nicht getan hat.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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