Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozial-gerichts Detmold vom 11.4.2025 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Bürgergeld in Form der Regelleistung i.H.v. 563 € monatlich und Bedarfe für Heizung i.H.v. 68 € monatlich ab dem 10.2.2025 bis zum 30.9.2025 sowie Bedarfe für Unterkunft i.H.v. 500 € monatlich ab dem 1.3.2025 bis zum 30.9.2025, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitgegenständlich sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am 00.0.0000 geborene Antragsteller wohnt seit 18 Jahren in X., seit dem 1.1.2016 in der Wohnung J.-straße N01 in X., die 68 qm umfasst. Monatlich fällt dafür eine Grundmiete i.H.v. 360 € zuzüglich 140 € Betriebskostenvorauszahlung an. Heizkostenvorauszahlungen werden in Höhe von 68 € monatlich fällig. Der Antragsteller ist seit Geburt an einer spastischen Lähmung erkrankt, zudem leidet er unter einer chronischen Magenschleimhautentzündung, einem Reizdarmsyndrom, Analfissur, Bluthochdruck, Bandscheibenvorfall und Knie- und Rückenproblemen. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die Merkzeichen G und aG sowie ein Pflegegrad II sind zuerkannt.
Der Antragsteller stand im laufenden Bürgergeldbezug bei dem Antragsgegner, zuletzt bewilligte dieser mit Bescheid vom 3.1.2024 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15.10.2024 für den Zeitraum 1.2.2024 bis 31.1.2025 Bürgergeld i.H.v. 1.131 €.
Nachdem sein Weiterbewilligungsantrag vom 10.12.2024 zunächst nicht beschieden wurde, hat der Antragsteller bereits am 10.2.2025 bei dem Sozialgericht Detmold (SG) um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er sei auf die Leistungen ab Februar 2025 dringend angewiesen. Soweit er vom Antragsgegner zur Stellungnahme zu den vorgelegten Kontoauszügen und der Annahme, dass er sich nicht in X. aufhalte, aufgefordert worden sei, hat er bekräftigt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, nämlich in der Wohnung in der J.-straße N02 in X. zu haben. Zwar habe er seit Jahren einen Hausarzt, der seinen Sitz in W. habe, einen Orthopäden in C. sowie einen Neurologen in W.. Da dorthin bereits seit langem Kontakt bestehe, habe sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, das er nicht aufgeben möchte. Auch seine Freundin, D., wohne in W.. Dass aus den Kontoauszügen im Herbst 2024 vermehrt Abbuchungen im Bereich W./C. ersichtlich seien, ändere nichts an seinem gewöhnlichen Aufenthalt in X.. Er gebe seiner Freundin seine EC-Karte, wenn es ihm gesundheitlich nicht gut gehe, damit sie Einkäufe für ihn tätige. Eine eidesstattliche Versicherung sowie Kontoauszüge seines Girokontos bei der R. (IBAN N03) für den Zeitraum 30.11.2024 bis 31.1.2025 hat er beigefügt.
Der Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 10.2.2025 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 1.131 € monatlich vorläufig zu gewähren,
Der Antragsgegner hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass sich der Antragsteller nicht mehr in X. aufhalte, sondern in W. bei seiner Lebensgefährtin. Dies ergebe sich aus den eingereichten Kontoauszügen über den Zeitraum 31.8. bis 29.11.2024, auf denen ausschließlich Abhebungen in dem Raum W./ U./ C. ersichtlich seien. Zudem habe der Antragssteller bereits seit Jahren nicht mehr persönlich bei dem Antragsgegner vorgesprochen, auf Einladungsschreiben der Arbeitsberaterin seien regelmäßig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht worden. Dass der Antragsteller zuletzt bei einem Besuch des Außendienstes am 21.3.2025 angetroffen wurde, sei wegen der zuvor erfolgten Ankündigung nicht verwunderlich, so dass auch die festgehaltenen Ausführungen nicht beweiskräftig seien.
Mit Bescheid vom 13.3.2025 lehnte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 1.2.2025 ab, da der gewöhnliche Aufenthaltsort des Antragstellers nicht in seinem Zuständigkeitsbereich liege. Aus den eingereichten Kontoauszügen seien ausschließlich Abbuchungen und Abhebungen ersichtlich, die in W. und Umgebung getätigt wurden. Hinweise auf einen selbst nur kurzfristigen Aufenthalt in X. und Umgebung lieferten die Kontoauszüge nicht. Der Außendienst habe den Antragsteller weder am 22.1., 24.1. noch 27.1.2025 angetroffen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller nunmehr, wie bereits 2023 angekündigt, zu seiner Freundin nach W. gezogen sei. Dafür spreche auch, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Ärzten in der Nähe von W. ausgestellt worden seien und auch die beauftragte Anwaltskanzlei in der Nähe von W. liege. Insofern habe sich der Lebensmittelpunkt und damit auch der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers dorthin verlagert.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 20.3.2025 Widerspruch und verwies auf sein Vorbringen im Eilverfahren.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 11.4.2025 abgelehnt. Es fehle sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund. Von einer besonderen Eilbedürftigkeit sei nicht auszugehen, da bereits die Verfahrensführung durch den Antragsteller schleppend, nämlich ohne Reaktion auf die gerichtlichen Anforderungen erfolge. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den am 14.4.2025 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 21.4.2025 Beschwerde bei dem SG eingelegt. Zur Begründung führt er aus, er habe durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass er seinen Lebensmittelpunkt in X. habe. Dies habe auch der Hausbesuch am 21.3.2025 bestätigt. Kontakt zu Nachbarn bestehe nicht, er könne lediglich die Namen auf den Klingelschildern weitergeben. Da er ohne Hilfe das Haus nicht verlassen könne, könne er auch keine Einkäufe selbstständig erledigen. Er werde derzeit mit Lebensmitteln sowie Hygieneartikeln von seiner Freundin versorgt. Sein Stiefvater, V., hole für ihn die Post aus dem Briefkasten und helfe ihm ein- bis zweimal im Monat bei einem Bad. Seine Wohnung sei fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28.2.2026 wegen der Zahlungsrückstände (je 500 € für März, April und Mai 2025, insg. 1.500 €) gekündigt worden. Die Stadtwerke X. hätten zudem die Sperrung der Gasversorgung angekündigt (Zahlungsrückstand zum 6.5.2025: insg. 206 €). Nebenkosten- und Stromabrechnungen fügte er bei, ebenso Kontoauszüge für den Zeitraum 1.2.2025 bis 30.4.2025.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des SG Detmold vom 11.4.2025 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Bürgergeld zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen.
Der Antragsgegner hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.5.2025 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 30.5.2025 Klage erhoben. Es sei weiterhin davon auszugehen, dass der Antragsteller sich nicht in X., sondern in W. bei seiner Freundin dauerhaft und nicht nur vorübergehend aufhalte und somit dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau der Umstände, namentlich der zahlreichen und regelmäßigen Abbuchungen im Raum W. auf den Kontoauszügen, den fehlenden persönlichen Vorsprachen des Antragstellers, die mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Ärzten aus W. und Umgebung begründet seien, der Abwesenheit des Antragstellers bei mehrfach versuchten Besuchen des Außendienstes sowie dem geringen Strom- und Wasserverbrauch im Abrechnungsjahr 2024.
Mit Beschluss vom 2.6.2025 hat der Senat das Jobcenter im Landkreis O. beigeladen. Dieses verweist auf einen am 16.6.2025 bei der Zeugin D. durchgeführten Hausbesuch. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 18.6.2025 verwiesen.
Am 27.6.2025 hat der Senat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und zur Frage des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D. und V.. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Detmold vom 11.4.2025 hat weitgehend Erfolg.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller den beim SG eingebrachten Antrag weiter, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Bürgergeld zu gewähren.
1. Die am 21.4.2025 beim SG eingegangene Beschwerde gegen den am 14.4.2025 zugestellten Beschluss des SG Detmold vom 11.4.2025 ist zulässig. Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht eingelegt worden. Der grundsätzlichen Statthaftigkeit nach § 172 Abs. 1 SGG steht kein Ausschlussgrund entgegen, auch nicht nach §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die streitigen Leistungen einen Betrag von 750 € übersteigen. Der Antragsteller begehrt fortlaufende Leistungen nach dem SGB II, nachdem der Antragsgegner zuletzt mit Bescheid vom 13.3.2025 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27.5.2025 Leistungen für die Zeit ab dem 1.2.2025 abgelehnt hat.
2. Die Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist statthaft. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R, juris Rn. 35; Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5).
Während der Anordnungsgrund die Frage der Eilbedürftigkeit betrifft, ist Gegenstand des Anordnungsanspruchs grundsätzlich die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 2023, § 86b Rn. 27 ff.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, im Beschwerdeverfahren mithin der Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozialgerichts (Burkiczak, in: jurisPK-SGG, § 86b (Stand 11.3.2025) Rn. 380 m.w.N.).
Stehen – wie hier – existenzsichernde Leistungen im Streit, ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) einerseits und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG andererseits besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens. Aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgen dabei Vorgaben für den gerichtlichen Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6.8.2014 - 1 BvR 1453/12, juris Rn. 10; BVerfG, Beschluss vom 21.4.2021 - 1 BvR 683/21, juris Rn. 4). Wenn es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Dies bedeutet, dass das Fachgericht diejenigen Ermittlungsmaßnahmen von Amts wegen (vgl. § 103 Satz 1 Halbs. 1 SGG) durchführen muss, die aus seiner Sicht zur Überzeugungsbildung und zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind, wobei eine Entscheidung aufgrund objektiver Indizien oder der Beweislastverteilung, vor allem bei nicht ausreichender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des Sachverhalts, zulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.5.2009 -1 BvR 255/09, juris Rn. 3 f.; BVerfG, Beschluss vom 1.2.2010 - 1 BvR 20/10, juris Rn. 2). Kann die Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig aufgeklärt werden, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (zur fachgerichtlichen Prüfungsdichte im Einzelnen vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 14.9.2016 - 1 BvR 1335/13, juris Rn. 20).
Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem tenorierten Umfang begründet.
Der Antragsteller hat nach Maßgabe der im vorläufigen Rechtschutz gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach §§ 7 ff. i.V.m. § 19 Abs. 1 SGB II hinreichend glaubhaft gemacht. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Der Antragsteller hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, er ist auch mangels entgegenstehender Anhaltspunkte erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs.1 SGB II ist durch die Vorlage der Kontoauszüge und die eidesstattliche Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht. Für das Gericht ist es damit im Rahmen des Eilverfahrens hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller über kein zu berücksichtigendes Einkommen i.S.v. § 11 SGB II oder anrechenbares Vermögen i.S.v. § 12 SGB II verfügt.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die örtliche Zuständigkeit eines Leistungsträgers nach § 36 Abs. 1 SGB II keine materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 23.5.2012 – B 14 AS 133/11 R, juris Rn. 18, Urteil vom 17.10.2013 – B 14 AS 58/12 R, juris Rn. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6.6.2013 – L 7 AS 818/12, juris Rn. 34; Aubel/Deprins, in: jurisPK-SGB II, § 36 (Stand 3.6.2025), Rn. 69 ff; Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, SGB II, 2025 § 36 Rn. 53), sondern verpflichtet den örtlich unzuständigen Leistungsträger grundsätzlich zur Weiterleitung des Antrages an den örtlich zuständigen Leistungsträger nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) und nicht zur materiellen (Ablehnungs-) Entscheidung (Böttiger, in: Luik/Harich, SGB II, 2024, § 36 SGB II, Rn. 50 f.; Aubel/Deprins, in: jurisPK-SGB II, § 36 (Stand 3.6.2025), Rn. 69 ff.). Örtlich zuständig ist derjenige, in dessen Bezirk die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (BSG, Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R, juris Rn. 18; Urteil vom 14.12.2017 - B 8 SO 16/16 R, juris Rn. 9). In der Regel wird der gewöhnliche Aufenthalt durch den Besitz einer Wohnung begründet, wenn diese länger als nur vorübergehend als Mittelpunkt der Lebensführung genutzt wird. Entscheidend ist, dass an einem bestimmten Ort der tatsächliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse festzustellen ist (vgl. Gutzler in BeckOK, SozR, § 30 SGB I (Stand 1.12.2024) Rn. 41; Spellbrink in beckOGK, § 30 SGB I (Stand 1.7.2020) Rn. 15). Dabei sind die tatsächlichen Umstände maßgebend, ergänzend kommt es auf den Willen der Person an.
Nach der im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Beweisaufnahme ist es überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in X. hat und (noch) nicht in den Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen verlegt hat. Zwar folgt aus den im Zeitraum 1.9.2024 bis 30.11.2024 regelmäßig und anschließend noch gelegentlich bis zum 3.2.2025 erkennbaren Abbuchungen und Bargeldauszahlungen nachvollziehbar die Vermutung, dass sich der Antragsteller häufig in W. und Umgebung, mithin etwa 370 km entfernt, aufgehalten hat, zumal für diesen Zeitraum Abbuchungen oder Bargeldauszahlungen im Raum X. fehlen. Dieser Vermutung ist der Antragsteller nachvollziehbar entgegengetreten, indem er anschaulich seine gesundheitlichen Einschränkungen geschildert hat, die dazu führen, dass er ohne fremde Hilfe seine im zweiten Obergeschoss liegende Wohnung nicht verlassen kann. Insofern hat er erläutert, dass ihn seine Freundin, die Zeugin D., bei Einkäufen unterstützt bzw. solche für ihn übernimmt. Der Antragsteller hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass er der Zeugin seine EC-Karte überlässt, so dass sie diese auch während seiner Abwesenheit nutzen kann, um Einkäufe für ihren bevorstehenden Besuch in X. zu besorgen. Da sie nach den schlüssigen Erläuterungen des Antragstellers auch sein Auto leihweise nutzen darf, erklärt dies die Tankabbuchungen im Raum W.. Im Übrigen fehlen entsprechende Abbuchungen im streitigen Zeitraum, so dass ein Beleg für einen dauernden Aufenthalt in W. und Umgebung aktuell nicht vorhanden ist. Gelegentliche Aufenthalte, die etwa zwei bis dreimal im Monat für jeweils ein bis drei Tage in W. stattfinden, bestreitet der Antragsteller nicht. Diese sind jedoch unschädlich, da solche jeweils nur kurzen Aufenthalte ein nur vorübergehendes Verweilen an einem anderen Ort darstellen und noch keine Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 36 Abs. 1 SGB II, § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) bewirken. Der Umstand, dass der Antragsteller sowohl seine Ärzte als auch seinen Prozessbevollmächtigten in W. und Umgebung hat, erklärt sich wiederum aus der Möglichkeit von der Zeugin zu den entsprechenden Terminen gefahren werden zu können. Obgleich Besuche des Außendienstes bei dem Antragsteller erst nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen angekündigt durchgeführt werden konnten, spricht die Einrichtung der Wohnung, die vollständig möbliert war, zudem eine Vielzahl persönlicher Unterlagen und Schriftstücke enthielt und ausreichend Kleidung und Lebensmittel vorwies dafür, dass diese Wohnung auch den Lebensmittelpunkt darstellt. Zudem hat der Antragsteller seine persönliche Bindung an X. nachvollziehbar auch damit begründet, dass er bereits seit 18 Jahren dort wohne, regelmäßig zu seinem Stiefvater, der ihn aktuell mit Geld und gelegentlich Lebensmitteln in der Notlage helfe und einer Tante Kontakt halte, die in der Nähe wohnhaft sind. Spiegelbildlich hat die Beigeladene anlässlich eines am 16.6.2025 durchgeführten Hausbesuchs bei der Zeugin D. räumliche Verhältnisse vorgefunden, die die tragfähige Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers in deren Wohnung nicht überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. So befanden sich nach dem Inhalt des Ortsterminsprotokolls vom 18.6.2025 in der Wohnung der Zeugin D. mit Ausnahme eines möglicherweise dem Antragsteller gehörenden Gehstocks keine Gegenstände, die auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Wohnung der Zeugin schließen lassen.
Der Senat ist sich bewusst, dass der sehr geringe Wasserverbrauch, der ausweislich der vom Vermieter für das Jahr 2024 ausgestellten Nebenkostenabrechnung mit 4 qm angegeben wird, eine dauernde Nutzung der Wohnung in X. zweifelhaft erscheinen lässt. Die insoweit von dem Antragsteller gebotene Erklärung, er sei sehr sparsam in der Wassernutzung, erscheint wenig glaubhaft, zumal zeitweilig auch die Zeugin Wasser in der Wohnung z.B. für Duschen genutzt haben will. Gleichwohl hat der Antragsteller seine Angaben eidesstattlich versichert. Zur Glaubhaftmachung kommt u.a. die Versicherung an Eides Statt nach § 202 SGG i.V.m. § 294 ZPO in Betracht. Den Beweiswert hat das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG zu ermitteln. Angesichts dessen, dass die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 156 Strafgesetzbuch strafbewehrt ist und im Übrigen es sich für den Fall der falschen Angaben im gerichtlichen Verfahren um einen strafbewehrten Prozessbetrug handeln dürfte, sind aus Sicht des Senats den eidesstattlich versicherten Angaben des Antragstellers besonderes Gewicht beizumessen. Sie stimmen im Übrigen überein mit den Zeugenaussagen der D. und des V.. Erstere bestätigt die Umstände der Nutzung der EC Karte und des Autos und erläutert nachvollziehbar, dass beide wechselseitig etwa zwei bis dreimal im Monat für einige Tage bei dem jeweils anderen zu Besuch sind. Letzterer bestätigt die gesundheitliche Verfassung des Klägers und die aktuelle Hilfebedürftigkeit.
Unabhängig von noch bestehenden im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens aufzuklärenden Aspekten, die gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers in X. sprechen, ist im Übrigen aufgrund der fehlenden Weiterleitung des Antrags der ablehnende Grundsicherungsträger im Hinblick auf § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I weiterhin leistungspflichtig (vgl. Aubel/Deprins in: jurisPK-SGB II, § 36 (Stand: 03.06.2025) Rn. 36).
Schließlich ist auch ein Anordnungsgrund sowohl hinsichtlich des Regelbedarfs als auch der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hinreichend glaubhaft gemacht worden. Ein solcher ist glaubhaft gemacht, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, gegeben und eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.2.2011 - L 12 B 50/09 AS ER, juris Rn. 41; Beschluss vom 30.5.2011 - L 19 AS 431/11 B ER - juris Rn. 13; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom N02.8.2012 - 12 B 925/12, juris Rn. 3). Zwar genügt allein der Umstand, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betroffen sind, nicht, um generell einen unabwendbaren Nachteil annehmen zu können. Regelmäßig ist aber eine schnelle Entscheidung zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums notwendig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.9.2017 – 1 BvR 1719/17, juris Rn. 8). So liegt es hier. Der Antragsteller hat einen derartigen Nachteil glaubhaft gemacht, dass sein Existenzminimum ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung nicht gedeckt wäre. Dies gilt auch für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Ein Anordnungsgrund ist diesbezüglich zwar nicht erst dann gegeben, wenn eine Räumungsklage anhängig ist. Es ist vielmehr zu prüfen, welche konkreten Folgen in jedem Einzelfall drohen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.8.2017 – 1 BvR 1910/12, juris Rn. 14 ff.). Vorliegend ist die Wohnung des Antragstellers aber bereits wegen Zahlungsverzugs gekündigt und eine zeitnahe Sperrung der Gaszufuhr angedroht. Mit den erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen bestehen zudem besondere Umstände, die den drohenden Wohnungsverlust für den Antragsteller als besonders schwerwiegend erscheinen lassen. Da die Miete aber ausweislich des Kündigungsschreibens für Februar 2025 bereits bezahlt ist, werden entsprechende Leistungen erst ab dem 1.3.2025 zugesprochen.
Der Senat konnte den Antragsgegner auch in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG verpflichten, Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Dies ist bei einer vollständigen Ablehnung der Leistungen zulässig. Ein Anspruch auf die begehrten Leistungen ist hier zumindest wahrscheinlich, da der Antragstellerin im streitigen Zeitraum kein den Hilfebedarf deckendes Einkommen erzielte (BSG, Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R, juris Rn. 12; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4.7.2019 – L 5 AS 443/14, juris Rn. 25). In zeitlicher Hinsicht hat der Senat die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf die Zeit vom 1.2.2025 bis 30.9.2025 begrenzt. Der Senat hält im vorliegenden Fall angesichts der ggf. im Hauptsacheverfahren vorzunehmenden weiteren Ermittlungen eine vorläufige Bewilligung bis zum 30.9.2025 für sachgerecht. Dem steht die Regelung des § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht entgegen. Danach werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zwar in der Regel für zwölf Kalendermonate bewilligt, ein abweichender Bewilligungszeitraum ist unter Zugrundelegung eines sachlichen Grundes indes möglich (vgl. Burkiczak, in: jurisPK-SGB II, § 41 (Stand: 17.2.2025) Rn. 49 ff.; Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41 (Stand: Februar 2021) Rn. 195; Conradis, in Münder u.a., SGB II, 8. Auflage 2023, § 41 Rn. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Soweit der Senat die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung zeitlich hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft beschränkt hat, fällt dies kostenrechtlich nicht gesondert ins Gewicht. Da die Beigeladene auf eine Antragstellung verzichtet hat, entspricht es der Billigkeit, diese nicht mit Kosten zu belasten (Rechtsgedanke des § 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).