Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 2 AS 642/22 durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 2 AS 642/22. Gegenstand dieses Berufungsverfahrens war ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 15.02.2022. Mit diesem Urteil hat das SG die Klage hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2022 gestellten Antrags, die Bescheide vom 20.11.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 03.07.2017 sowie vom 04.07.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen endgültige Leistungen für die Monate Juni bis September 2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere ohne die Anrechnung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit, zu bewilligen, abgewiesen.
Die entsprechenden Klagen (S 35 AS 3578/17, S 35 AS 3580/17 und S 35 AS 3581/17) hatte das SG zuvor zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
In der im Berufungsverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 sind die Kläger nach Zwischenberatung des Senats von der Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat daraufhin im Einvernehmen mit diesen erklärt:
„Ich nehme die Berufung zurück.“
Die Erklärung ist ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 13.12.2022 vorläufig auf Tonträger aufgezeichnet, abgespielt und genehmigt worden.
Mit Schreiben vom 15.12.2022 haben die Kläger gegenüber dem Senat erklärt, dass sie die Rücknahme der Berufung widerrufen. Sie seien zur Rücknahme genötigt worden, weil ihnen durch den Senat suggeriert worden sei, dass für sie anderenfalls Kosten nach § 192 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung anfallen würden. Diese Verfahrensweise sei als „Erpressung“ anzusehen und widerspreche der gesetzlichen Regelung, nach der Verfahren bei den Sozialgerichten grundsätzlich gebührenfrei seien. Irreführend und falsch sei auch die Aussage des Gerichts, ein Urteil des Landessozialgerichts sei endgültig und nicht mehr anfechtbar. Ein Urteil sei für die Kläger schon deshalb von Bedeutung, weil der Senat in der mündlichen Verhandlung die Kernfragen zur Anrechnung des zugeflossenen Einkommens nicht beantwortet und die Wortmeldungen der Kläger nicht hinreichend berücksichtigt habe.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich wörtlich,
ihrem Antrag auf Widerruf der Berufungsrücknahme zu entsprechen und ihnen ein kostenfreies Urteil zuzustellen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
den Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahren L 2 AS 642/22 abzuweisen.
Die Rücknahme der Berufung sei eine Prozesshandlung, die weder widerrufen noch angefochten werden könne. Allenfalls ein Widerruf entsprechend der Regelungen über die Wiederaufnahme von Verfahren nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. § 579 ZPO sei möglich. Die Voraussetzungen hierfür seien allerdings offensichtlich nicht erfüllt.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 14.08.2023 zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört worden. Das Schreiben ist ihnen jeweils am 21.08.2023 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu mit Schreiben vom 14.08.2023 angehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Der Antrag der Kläger, „ihrem Widerruf der Berufungsrücknahme zu entsprechen und ihnen ein kostenfreies Urteil zuzustellen“, ist bereits unzulässig, weil die Prozessordnung ein solches Begehren nicht vorsieht. Nach § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG bewirkt die wirksame und nicht widerrufbare Erklärung der Rücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels. Eine solche wirksame Rücknahme liegt hier vor. Sie ist in der mündlichen Verhandlung von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger nach Zwischenberatung mit den Klägern eindeutig zu Protokoll erklärt, auf Tonträger aufgezeichnet, abgespielt und genehmigt worden. Dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 13.12.2022 und ist von den Klägern auch nicht in Zweifel gezogen worden.
Bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme ist das Verfahren vor dem Landessozialgericht weiterzuführen. Dieses entscheidet entweder dahin, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme erledigt ist, oder zur Sache, wobei in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass die Rücknahme nicht erklärt worden bzw. unwirksam ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 156 RdNr. 6). Soweit der Antrag der Kläger als ein solcher Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens auszulegen ist, weil nur dieser Antrag zu dem von den Klägern ausdrücklich benannten Begehren führen kann, eine kostenfreie Entscheidung des Senats über ihren ursprünglichen Klageantrag zu erhalten, ist dieser Antrag unbegründet.
Die Rücknahme der Berufung ist eine einseitige Prozesshandlung, die grundsätzlich nicht angefochten oder widerrufen werden kann. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens kann damit allenfalls unter den engen Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage (§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 ZPO) oder einer Restitutionsklage gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 ZPO erfolgen (vgl. BSG, Beschluss vom 29.09.2017 – B 13 R 251/14 B, Rn. 12 und 13 mwN; Keller, aaO, § 156 RdNr. 2a). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes liegen aber nicht vor und sind auch von den Klägern nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.