L 1 BA 17/22

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 BA 74/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 17/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 6/25 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Arzt, der mit eigener Zulassung als Vertragsarzt in einem MVZ tätig ist und zugleich Gesellschafter der das MVZ tragenden GmbH ist, kann im Einzelfall auch dann selbstständig bzw. nicht abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV sein, wenn er nicht über mindestens 50 Prozent der Gesellschaftsanteile verfügt und ihm ebenso wenig gesellschaftsrechtlich eine umfassende Sperrminorität eingeräumt ist.

Bemerkung

Versicherungspflicht - abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit eines Vertragsarztes in einem MVZ

I. Auf die Berufungen der Kläger zu 1. bis 4. wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. März 2022 wie folgt abgeändert:


1. Der an die Klägerin zu 2. gerichtete Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass sie in ihrer Tätigkeit als Vertragsärztin seit dem 1. Juli 2016 selbstständig war und nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2. Der an den Kläger zu 3. gerichtete Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 wird dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass er in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt vom 1. Januar 2014 bis 14. November 2016 selbstständig war und nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

3. Der an den Kläger zu 4. gerichtete Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 wird dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass er in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt seit 27. Juli 2016 selbstständig war und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.


4. Der an die Klägerin zu 1. gerichtete Prüfbescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 wird hinsichtlich der Nachforderungen betreffend die Tätigkeit der Klägerin zu 2. sowie des Klägers zu 3. – soweit nicht Gutschriften festgesetzt wurden – aufgehoben und betreffend die Tätigkeiten des Klägers zu 4. insoweit abgeändert, als die Nachforderungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 16.753,21 € übersteigen.

5. Im Übrigen werden die Berufungen der Kläger zu 1., 3. und 4. zurückgewiesen.

 

II. Die Beklagte hat den Klägern 60 Prozent ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

III. Die Revision wird zugelassen.


 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Sozialversicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung der Kläger zu 2. bis 4. im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) der Klägerin zu 1. und über im Rahmen einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) festgesetzte Nachforderungen aufgrund resultierender Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 42.475,70 € für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.05.2018.

 

Der 1956 geborene Kläger zu 4. war bereits seit September 1991 als niedergelassener Vertragsarzt im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Sachsen tätig. Nach Gründung der Sächsischen Ärzteversorgung der Sächsischen Landesärztekammer (SÄV) zahlte der Kläger zu 4. dort nur einkommensunabhängige Mindestbeiträge. Einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 20 Gesetz über die Sozialversicherungspflicht (SVG) aufgrund eines mit der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit geschlossenen Vertrags über eine privatrechtliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung hatte die damalige Überleitungsanstalt Sozialversicherung unter dem 18.09.1991 mit Hinweis auf die am 01.08.1991 in Kraft getretene neue Rechtslage abgelehnt. Dem Kläger zu 4. wurde in der Folgezeit durch Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Z... (nachfolgend: Zulassungsausschuss) vom 11.07.2005 genehmigt, als Vertragsarzt mit seinem bisherigen vollen Versorgungsauftrag im MVZ der Klägerin zu 1. tätig zu sein; die Tätigkeit im MVZ wurde am 01.08.2005 aufgenommen. Die Zulassung des Klägers zu 4. als Vertragsarzt endete am 31.07.2017.

 

Der 1974 geborene Kläger zu 3. wurde durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 05.09.2011 mit vollem Versorgungsauftrag und mit Wirkung ab dem 01.10.2011 zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Die 1968 geborene Klägerin zu 2. wurde durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 07.03.2016 mit vollem Versorgungsauftrag und mit Wirkung ab dem 01.10.2016 zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Den Klägern zu 2. und 3 wurde ebenfalls genehmigt, als Vertragsärzte im MVZ der Klägerin zu 1. tätig zu sein.

 

Die Kläger zu 2. bis 4. waren jeweils als Fachärzte für Chirurgie zugelassen. Dem MVZ der Klägerin zu 1. waren ferner Anstellungsgenehmigungen erteilt worden, dies auch auf anderem Fachgebiet (z.B. Anstellung des Facharztes für Neurologie F….).

 

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 14.07.2004 (GesV) zunächst vom Kläger zu 4. und einem weiteren ehemaligen Gesellschafter gegründete Klägerin zu 1. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die seit dem 15.11.2004 in das Handelsregister des Amtsgerichts Z... eingetragen ist (….). Ihr Gegenstand ist der Betrieb eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000,00 € (§ 4 Nr. 1 GesV). Die Gesellschaftsanteile hielten die Kläger zu 2. bis 4. in den nachfolgend aufgeführten Zeiträumen wie folgt:

 

 

Kl. zu 2.

 

Kl. zu 3.

 

Kl. zu 4.

 

01.01.2014 bis 30.11.2014

0 €

0 %

8.750 €

35 %

16.250 €

65 %

01.12.2014 bis 30.11.2015

0 €

0 %

10.000 €

40 %

15.000 €

60 %

01.12.2015 bis 26.07.2016

0 €

0 %

11.250 €

45 %

13.750 €

55 %

27.07.2016 bis 14.11.2016

11.250 €

45 %

11.250 €

45 %

2.500 €

10 %

15.11.2016 bis 31.05.2018

11.250 €

45 %

12.500 €

50 %

1.250 €

5 %

seit 01.06.2018

12.500 €

50 %

12.500 €

50 %

0 €

0 %

 

Gegenstand der Gesellschaft ist der Betrieb eines MVZ unter ärztlicher Leitung (§ 2 Abs.1 GesV). Gesellschafterbeschlüsse der Klägerin zu 1. sind grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen (§ 10 Nr. 1 GesV), jedoch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln bei bestimmten Geschäften von besonderem Gewicht, z.B. bei Erwerb, Belastung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten. Ein Gesellschafter kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündigen, woraufhin den anderen Gesellschaftern ein Sonderkündigungsrecht zusteht (§ 13 Nr. 2 Buchst. d GesV). Alleinvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreite Geschäftsführer der Klägerin zu 1. (vgl. § 5 Nr. 1 GesV) waren seit ihrer Gründung der Kläger zu 4., seit dem 15.11.2013 auch der Kläger zu 3., der im streitgegenständlichen Zeitraum zudem ärztlicher Leiter gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) war. Nach den im Wortlaut übereinstimmenden Geschäftsführerverträgen (GfV) des Klägers zu 4. vom 01.10.2010 und des Klägers zu 3. vom 30.07.2012 hat der Geschäftsführer das Unternehmen im Ganzen zu leiten und zu überwachen, die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahrzunehmen, die steuerlichen Interessen der Gesellschaft zu wahren, für eine entsprechende Buchführung und Betriebsabrechnung zu sorgen, die Gesellschafterversammlung einzuberufen und zu leiten, Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen und Gesellschafterlisten im Falle von Veränderungen beim Handelsregister einzureichen sowie Genehmigungen zur Abtretung von (Teil-) Geschäftsanteilen vorzunehmen (§ 2 Nr. 1 bis 7 GfV). Er hat seine Arbeitskraft, Kenntnisse und Erfahrungen dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen (§ 3 Nr. 1 GfV), unterliegt aber bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Umfang seiner Tätigkeit nicht den Weisungen der Gesellschafterversammlung (§ 3 Nr. 2 GfV) und erhält ein festes Monatsgehalt in Höhe von 3.000,00 € brutto (§ 5 Nr. 1 GfV), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Kalendermonaten (§ 5 Nr. 2 GfV), Aufwendungsersatz und Reisespesen (§ 6 Nr. 1 und 2 GfV) sowie Urlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen pro Jahr (§ 7 GfV).

 

Nach den im Wortlaut übereinstimmenden Verträgen "über die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen" (ArztV), die die Klägerin zu 1. am 24.08.2011 mit den Klägern zu 3. und 4. und am 06.01.2016 mit der Klägerin zu 2. abschloss, hatten diese ihre Leistungen als Vertragsarzt unter Berücksichtigung von § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V jeweils als Facharzt für Chirurgie "im Rahmen" und "für" das MVZ der Klägerin zu 1. auf Grundlage vertragsärztlicher und berufsrechtlicher Vorschriften zu erbringen (§ 1 Nr. 2, § 2 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 ArztV), eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und durften neben ihrer Tätigkeit als Vertragsarzt für die Klägerin zu 1. keine weiteren vertragsärztlichen Leistungen erbringen (§ 3 Nr. 2 und 3 ArztV). Dafür erhielten sie jeweils ein monatliches pauschales Honorar in Höhe von 10.000,00 € (mit der Möglichkeit der Anpassung bei Eintritt eines Missverhältnisses, § 4 Nr. 1 ArztV). Ihnen war erlaubt, weiterhin privatärztlich und als Durchgangsarzt in eigener Praxis oder im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft Leistungen zu erbringen (§ 3 Nr. 3 und § 4 Nr. 2 ArztV). Das Weisungsrecht des ärztlichen Leiters des MVZ war unter Beachtung des ärztlichen Berufsrechts sowie unter Wahrung der freien Berufsausübung des Vertragsarztes auszuüben (§ 4 Nr. 5 ArztV). Auch diese Verträge waren mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar (§ 2 Nr. 2 ArztV).

 

Die Beklagte führte bei der Klägerin zu 1. eine Betriebsprüfung für die Zeit ab dem 01.01.2014 durch und wies in einem Schlussbesprechungsprotokoll am 14.06.2018 darauf hin, dass hinsichtlich der Tätigkeiten der Kläger zu 2. bis 4. als "Honorarärzte" bei der Klägerin zu 1. die Prüfung des Bestehens einer Sozialversicherungspflicht noch nicht abgeschlossen sei und hierzu deshalb noch gesonderte Feststellungen nachfolgten.

 

Nachdem zwischenzeitlich bereits (nur) aufgrund der Tätigkeit des Klägers zu 3. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung und Umlagen für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2016 festgesetzt worden waren, setzte die Beklagte nach Anhörung vom 27.11.2018 mit Prüfbescheid vom 13.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2019 gegenüber der Klägerin zu 1. aufgrund einer abhängigen Beschäftigung der Kläger zu 2. bis 4. als Gesellschafter-Geschäftsführer und als vertragsärztlich mitarbeitende Gesellschafter auf Honorarbasis Nachforderungen in Höhe von insgesamt 42.475,70 € aufgrund resultierender Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.05.2018 fest. Parallel erließ die Beklagte gegenüber den Klägern zu 2. bis 4. jeweils einen Statusfeststellungsbescheid vom 13.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2019. Im Einzelnen hieß es darin:

 

Die Kläger zu 3. und 4. seien im Prüfzeitraum nicht nur Geschäftsführer, sondern als vertragsärztliche Honorarärzte auch entgeltlich mitarbeitende Gesellschafter der Klägerin zu 1. gewesen. Beide Tätigkeiten hätten sie – der Kläger zu 3. vom 01.01.2014 bis 14.11.2016 und der Kläger zu 4. vom 01.07.2016 bis 31.05.2018 – abhängig beschäftigt im Rahmen eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Es seien mithin sowohl die Honorare aus der Arzttätigkeit als auch die Geschäftsführerbezüge zu verbeitragen. Entscheidend für die Abgrenzung einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit sei allein die dem Gesellschafter bzw. dem Geschäftsführer gesellschaftsvertraglich eingeräumte Rechtsmacht. Da die Satzung der Klägerin zu 1. für Beschlüsse grundsätzlich die einfache Mehrheit fordere, habe der Kläger zu 4. als Geschäftsführer seit dem 01.07.2016 aufgrund seiner Minderheitskapitalbeteiligung an der Klägerin zu 1. und mangels einer umfassenden Sperrminorität nicht über die Rechtsmacht verfügt, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafter zu verhindern. Dies gelte ebenso für den Kläger zu 3. aufgrund seiner Minderheitskapitalbeteiligung an der Klägerin zu 1. bis zum 14.11.2016 und mangels einer umfassenden Sperrminorität. Der Geschäftsführervertrag enthalte im Übrigen arbeitnehmertypische Regelungen wie z.B. einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub. Auch die Klägerin zu 2. habe als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin keinen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Geschicke der GmbH nehmen können und sei gegenüber den Geschäftsführern weisungsgebunden gewesen. Aufgrund ihrer Stellung als Minderheitsgesellschafter (mit und ohne Geschäftsführungsbefugnis) seien die Kläger zu 2. bis 4. in den betreffenden Zeiträumen insbesondere auch in ihrer Tätigkeit als Vertragsärzte weisungsgebunden und fremdbestimmt in den Betrieb der Klägerin zu 1. funktionsgerecht dienend eingegliedert gewesen. So seien sie an den Ort der Arbeitsleistung und im Rahmen der Patientenversorgung an bestimmte Arbeitsabläufe und hierarchische Organisationsstrukturen innerhalb des Unternehmens sowie die personellen und sachlichen Ressourcen gebunden gewesen. Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität bei der Arbeit schließe das Direktionsrecht eines Arbeitgebers – hier der Klägerin zu 1. – nicht aus. Die Honorarvergütung werde unabhängig vom Umfang und Erfolg der ärztlichen Tätigkeit gezahlt. Die teilweise Aufhebung des Wettbewerbsverbots für die Durchführung privatärztlicher Behandlungsleistungen und Leistungen als Durchgangsarzt seien keine gegen eine Beschäftigung sprechenden Umstände. Soweit abhängige Beschäftigung vorliege, seien der Kläger zu 4. versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und die Kläger zu 2. und 3. versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Gegen die vorgenannten Bescheide haben die Kläger zu 1. bis 4. am 18.10.2019 Klage beim Sozialgericht (SG) Dresden erhoben. Die Kläger zu 2. bis 4. seien insgesamt als selbstständige Vertragsärzte tätig gewesen, da allein ihre Rechtsmacht als Zulassungsinhaber und ärztliche Leistungserbringer, nicht aber die Höhe ihrer Beteiligung an der Klägerin zu 1. für ihren Status maßgeblich sei. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. habe nur die gesellschaftsrechtlichen Strukturentscheidungen (z.B. Feststellung des Jahresabschlusses, Gewinnverteilung, Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern) getroffen, währenddessen die Kläger zu 2. bis 4. als zugelassene Vertragsärzte nicht nur in fachlicher Hinsicht weisungsfrei gewesen seien, sondern ihre ärztliche Tätigkeit auch im Rahmen jeweils autark von ihnen selbst organisierten Praxisbereichen mit eigener Terminvergabe, eigenen Sprech- und Behandlungszeiten, eigenen Betriebsabläufen sowie getrennten Verantwortungsbereichen ausgeübt hätten. Ein statusrelevanter Unterschied gegenüber der Ausübung privatärztlicher Tätigkeiten der Kläger zu 2. bis 4. und der Ausübung von D-Arzt-Tätigkeiten bestehe nicht. Allein der Umstand, dass sie ihre jeweiligen Facharztpraxen unter dem Dach einer MVZ-GmbH zusammengeschlossen hätten, um diese ärztliche Kooperationsform für das Angebot eines breiten Behandlungsspektrums zu nutzen, mache sie nicht zu angestellten Ärzten. Die Geschäftsführerfunktion hätten die Kläger zu 3. und 4. im Vergleich zur ärztlichen Leistungserbringung im Übrigen nur zeitgeringfügig ausgeübt. Der ärztliche Leiter sei nicht Weisungsgeber, sondern diene nur als Ansprechpartner der KÄV sowie zur Sicherstellung der Nichteinflussnahme Dritter auf die ärztliche Behandlungstätigkeit und der sachlich-rechnerisch korrekten Leistungsabrechnung. Eine Rentenversicherungspflicht des Klägers zu 4. bestehe nicht, da er bereits seit dem Jahr 1991 nicht mehr rentenversicherungspflichtig gewesen sei.

 

Die Beklagte hat vorgetragen, die Kläger zu 2. bis 4. seien in die Organisationsstruktur der Klägerin zu 1. eingegliedert gewesen, da sie sich der von der Klägerin zu 1. finanzierten Infrastruktur – insbesondere Räumlichkeiten, Arbeits- und Betriebsmittel und des bei der Klägerin zu 1. angestellten Personals (medizinische Fachangestellte, Sprechstundenhelfer usw.) – bedient hätten, ferner ihre vertragsärztlichen Leistungen einheitlich mit Beteiligung des ärztlichen Leiters über das MVZ gegenüber der KÄV abgerechnet, gemeinsam die Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Klägerin zu 1. genutzt und gemeinsame Sprechstundenzeiten festgelegt hätten. Mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal der Klägerin zu 1. hätten sie also in vorgegebenen Betriebsstrukturen zusammengearbeitet. Auch wenn die Kläger zu 2. bis 4. ihre vertragsärztliche Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich organisiert hätten, habe sich diese einer gemeinsam geführten Betriebsorganisation unterordnen müssen. Die vertragsärztliche Zulassung allein begründe keine Selbstständigkeit, wenn die gesellschaftsvertraglich eingeräumte Rechtsmacht fehle, um unternehmerischen Einfluss auf eine MVZ-GmbH ausüben zu können. Aus der Möglichkeit, parallel privatärztliche Leistungen oder Leistungen als Durchgangsarzt zu erbringen, ließen sich keine Rückschlüsse auf die Tätigkeit der Kläger zu 2. bis 4. als Vertragsärzte ableiten.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 14.03.2022 hat das SG die Klagen abgewiesen und zur Begründung auf die Bescheide vom 13.05.2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.09.2019 Bezug genommen.

 

Hiergegen haben die Kläger zu 1. bis 4. am 01.04.2022 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt sowie ergänzend vorgetragen. Die Kläger zu 2. bis 4. seien (auch) als Gesellschafter der Klägerin zu 1. Inhaber ihrer vertragsärztlichen Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag geblieben. Innerhalb des Praxisbetriebs hätten die Kläger zu 2 bis 4. über jede für eine freie und eigenverantwortliche ärztliche Leistungserbringung notwendige Rechtsmacht verfügt, vermöge derer sie jeden Aspekt ihrer ärztlichen Leistungserbringung selbst hätten bestimmen können. Von den im Rahmen ihres Versorgungsauftrags generierten Honoraren seien zum einen die räumlichen, personellen und sächlichen Mittel bestritten worden, zum anderen hätten sie letztlich auch ihr Einkommen bestimmt. Die Klägerin zu 1. als MVZ-GmbH erfülle zudem sämtliche Voraussetzungen des § 23a Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) und damit das insoweit notwendige Maß an Selbstständigkeit der Vertragsärzte. Dieser Konstellation liege die damit übereinstimmende Statusentscheidung des Zulassungsausschusses zugrunde, die Tatbestands- und Drittbindungswirkung in dem Sinne entfalte, dass Behörden und Gerichte – auch die Beklagte – die darin getroffenen Regelungen – hier die Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit – als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen hätten. Die Nachforderung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger zu 4. sei rechtswidrig, da ihm auf seinen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid vom 18.09.1991 mitgeteilt worden sei, dass er nicht rentenversicherungspflichtig sei; diese Mitteilung genüge für eine umfassende Versicherungsfreiheit gemäß § 231a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

 

Die Beklagte hat am 02.04.2025 ein Teilanerkenntnis gegenüber dem Kläger zu 4. und der Klägerin zu 1. dahingehend abgegeben, dass die abhängige Beschäftigung und die Versicherungspflicht des Klägers zu 4. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung erst am 27.07.2016 (und nicht am 01.07.2016) begann und gegenüber der Klägerin zu 1. (entsprechend der Neuberechnung gemäß Schreiben vom 28.03.2025) Beiträge und Umlagen betreffend die Tätigkeiten des Klägers zu 4. nur für die Zeit ab 27.07.2016 (und nicht ab 01.07.2016) bis zum 31.05.2018 festgesetzt werden.

 

Die Klägerin zu 1. beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. März 2022 und den Prüfbescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 aufzuheben, soweit nicht Gutschriften festgestellt wurden,

 

Die Klägerin zu 2. beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. März 2022 sowie den Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit als Vertragsärztin bei der Klägerin zu 1. seit dem 1. Juli 2016 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag,

 

Der Kläger zu 3. beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. März 2022 sowie den Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer und als Vertragsarzt vom 1. Januar 2014 bis 14. November 2016 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Der Kläger zu 4. beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. März 2022 sowie den Bescheid vom 13. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2019 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer und als Vertragsarzt seit dem 27. Juli 2016 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufungen zurückzuweisen.

 

Ihrer Auffassung nach habe eine vertragsärztliche Zulassung keinen Einfluss auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung. Die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Grundsätze zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern seien auch dann maßgebend, wenn Vertragsärzte in einer MVZ-GmbH tätig würden. Demnach seien die Gesellschaftsanteile und die Stellung als Geschäftsführer sowie die damit verbundene Rechtsmacht zur Einflussnahme auf den Betrieb der Praxis dafür entscheidend, ob eine Tätigkeit als selbstständiger Vertragsarzt oder als Angestellter im Sinne einer abhängigen Beschäftigung im MVZ ausgeübt werde. Einen für eine Selbstständigkeit ausreichenden Einfluss auf den Betrieb der Praxis hätten die Kläger zu 2. bis 4., soweit sie nicht mindestens 50 % der Gesellschaftsanteile gehalten hätten, nicht gehabt. Auch die Position des ärztlichen Leiters im Falle des Klägers zu 3. habe einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegengestanden. Die Rechtsauffassung der Kläger komme einem Wahlrecht gleich, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV) unter Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung begründet oder ob eine selbstständige Tätigkeit als Vertragsarzt ausgeübt werden würde, das dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände entgegenstehe. Für den Kläger zu 4. scheide im Übrigen eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen des Fehlens der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB VI aus, da keine einkommensbezogenen Beiträge zur SÄV gezahlt worden seien; auch § 231a SGB VI sei nicht einschlägig.


Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats nebst den vorgelegten Dokumenten der Kläger, die beigezogenen Akten des SG und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1. Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Die zulässigen Berufungen der Kläger zu 1., 3. und 4. haben wie aus dem Tenor ersichtlich teilweise, die Berufung der Klägerin zu 2. hat im vollen Umfang Erfolg. Das SG hat zu Recht die Klagen abgewiesen, soweit die Kläger die Aufhebung der Statusfeststellungsbescheide und des Prüfbescheids vom 13.05.2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.09.2019 hinsichtlich der Feststellung begehren, dass die Kläger zu 3. und 4. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. abhängig beschäftigt waren, und hinsichtlich der Festsetzung der daraus folgenden Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen. Soweit in den Bescheiden darüber hinaus festgestellt wurde, dass die vertragsärztlichen Tätigkeiten der Kläger zu 2. bis 4. als abhängige Beschäftigungen ausgeübt worden seien, und deshalb weitere Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen festgesetzt wurden, sind die Klage der Klägerin zu 2. vollumfänglich und die übrigen Klagen zum entsprechenden Teil erfolgreich, sodass der Gerichtsbescheid und die Bescheide teils aufzuheben sind.

 

1. Der gegenüber der Klägerin zu 1. ergangene Prüfbescheid vom 13.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 1. in ihren Rechten, soweit eine Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. und des Klägers zu 3. nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie eine Versicherungspflicht des Klägers zu 4. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Beurteilung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeiten als abhängige Beschäftigung festgestellt und deshalb Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen festgesetzt wurden. Soweit der Prüfbescheid Geschäftsführertätigkeiten betrifft, ist er nicht zu beanstanden.

 

a) Rechtsgrundlage des Prüfbescheids ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen solcher Prüfungen Verwaltungsakte, verkörpert im sog. Prüfbescheid (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R – juris Rn. 17), zur Versicherungspflicht sowie zur Beitragshöhe (u.a.) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung, dies einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5).

 

b) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich (u.a.) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Für die Entrichtung von Beiträgen für Versicherungspflichtige aus Arbeitsentgelt in den vorgenannten Versicherungszweigen gelten die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d ff. SGB IV (§ 174 Abs. 1 SGB VI, § 348 Abs. 2 SGB III). Entsprechendes gilt für zugehörige Umlagen (zur U1 und U2 vgl. § 7 Abs. 1, § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz [AAG], § 253 SGB V, zur U3 vgl. § 358 Abs. 1, § 359 Abs. 1 SGB III). Nach § 28d, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV werden Beiträge in den genannten Zweigen der Sozialversicherung sowie Umlagen bei Versicherungspflichtigen als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt.

 

c) Abhängige Beschäftigung im vorstehenden Sinne ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann aber auch – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit insbesondere durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 12.12.2023 – B 12 R 12/21 R – juris Rn. 14 m.w.N.).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen. Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person als selbstständig oder beschäftigt allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Entscheidend kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an. Nur wenn nach der Gesamtabwägung aller Umstände diese gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, kann im Einzelfall dem Willen der Vertragsparteien eine gewichtige indizielle Bedeutung zukommen (BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 3/20 R – juris Rn. 12).

 

d) Ausgehend von diesen Maßstäben waren im streitigen Zeitraum die Klägerin zu 2. nicht sowie die Kläger zu 3. und 4. nur im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. abhängig beschäftigt, nicht aber hinsichtlich ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit.

 

(1) Die Tätigkeit des Klägers zu 3. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 14.11.2014 und die Tätigkeit des Klägers zu 4. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. im Zeitraum vom 27.07.2016 bis 31.05.2018 wurden als abhängige Beschäftigungen ausgeübt.

 

Die oben (unter Buchst. c) aufgeführten Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für einen GmbH-Geschäftsführer. Ist dieser zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Insbesondere auch ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ist als solcher in der Regel nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener (§ 37 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung [GmbHG]), funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als Arbeitgeberin eingegliedert. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer gesellschaftsrechtlich über eine Rechtsmacht verfügt, um auf Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gegeben, der wenigstens 50 % der Anteile am Stammkapital der GmbH hält oder dem nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" bzw. "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist (z.B. BSG, Urteil vom 08.07.2020 – B 12 R 26/18 R – juris Rn. 20 m.w.N.).

 

Als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. waren der Kläger zu 3. im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 14.11.2014 und der Kläger zu 4. im Zeitraum vom 27.07.2016 bis 31.05.2018 Minderheitsgesellschafter der Klägerin zu 1. Da Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit zu fassen waren (§ 10 Nr. 1 GesV) und eine Beschlussfassung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln nur bei bestimmten bedeutsamen Geschäften vorgesehen war (§ 13 Nr. 2 Buchst. d GesV), hatten die Kläger zu 3. und 4. in den vorgenannten Zeiträumen keine umfassende Sperrminorität inne und übten somit ihre Geschäftsführertätigkeit als abhängige Beschäftigung aus.

 

Die Voraussetzungen einer Zeitgeringfügigkeit der Geschäftsführertätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV liegen nicht vor. Diese war schon nicht nach dem GfV auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt oder ihrer Eigenart nach insoweit begrenzt. 

 

(2) Die vertragsärztliche Tätigkeit der Kläger zu 2. bis 4. für das MVZ der Klägerin zu 1. war jedoch unabhängig von ihrem jeweiligen Gesellschaftsanteil eine selbstständige Tätigkeit.

 

Der Senat tritt zunächst nicht der Rechtsauffassung der Kläger bei, dass bereits mit dem Fortbestand der eigenen Zulassung der Kläger zu 2. bis 4. als Vertragsärzte durch den Zulassungsausschuss eine Bindungswirkung gegenüber den Sozialversicherungsträgern dergestalt eintrat, dass von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden musste. Zwar trifft zu, dass die Zulassungsgremien die Frage, ob ein Arzt als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt mit eigener Zulassung in einem MVZ tätig werden kann, nach § 7 Abs. 1 SGB IV und den vorstehend erläuterten Grundsätzen zu beurteilen haben, sodass etwa einem MVZ für einen Arzt, der aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht als Selbstständiger anzusehen wäre, keine Anstellungsgenehmigung im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 Satz 7 SGB V, § 32b Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 3 Nr. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte [Ärzte-ZV] erteilt werden darf (BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 18). Umgekehrt heißt dies auch, dass die Tätigkeit eines Vertragsarzts mit eigener Zulassung in einem MVZ gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB V unzulässig wäre, wenn sie sozialversicherungsrechtlich als Tätigkeit eines abhängig Beschäftigten anzusehen wäre. Die Bindungswirkung vertragsärztlicher Zulassungsentscheidungen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch gilt jedoch nur im Hinblick auf die jeweilige vertragsärztliche Statusentscheidung (BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 50); daher dürfte das Honorar des MVZ der Klägerin zu 1. für die von den Klägern zu 2. bis 4. erbrachten Leistungen nicht ohne Weiteres unter Hinweis auf eine fehlende vertragsärztliche Anstellungsgenehmigung gestrichen werden, selbst wenn ihre Tätigkeit im MVZ der Klägerin zu 1. tatsächlich als abhängige Beschäftigung anzusehen wäre. Eine weitergehende – auch sozialversicherungsrechtliche – Bindungswirkung der Entscheidung der Zulassungsgremien besteht dagegen nicht. Dies folgt schon daraus, dass die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts grundsätzlich nur den Verfügungssatz umfasst (z.B. BSG, Urteil vom 07.12.1976 – 8 RU 44/76 – juris Rn. 16), sich jedoch nicht auch auf Beurteilungen erstreckt, die der Entscheidung zugrunde lagen oder hätten zugrunde liegen müssen (hier die Frage, ob der Arzt abhängig beschäftigt oder selbstständig ist). 

 

Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeiten der Kläger zu 3. und 4. unterschied die Beklagte außerdem zu Recht zwischen den Tätigkeiten als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1. auf Grundlage von Geschäftsführerverträgen (dazu oben [1]) und den vertragsärztlichen Tätigkeiten bzw. – wie es in den Bescheiden heißt – den Tätigkeiten als "Honorarärzte" für die Klägerin zu 1. Die Tätigkeit der Kläger zu 3. und 4. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. und ihre Tätigkeit als Vertragsärzte im MVZ der Klägerin zu 1. wäre als einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen, wenn beides eine abhängige Beschäftigung gewesen wäre. Jedoch kann ein Gesellschafter-Geschäftsführer – insbesondere bei Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – grundsätzlich auch z.B. einen gesonderten Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) zwischen sich selbst und "seiner" Gesellschaft abschließen, oder aus einem anderen vertraglichen Grund für die Gesellschaft tätig werden. Insoweit war auch hier die Tätigkeit als Vertragsarzt für das MVZ der Klägerin zu 1. auf Grundlage der jeweiligen § 1 Nr. 2, § 2 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 ArztV sozialversicherungsrechtlich gesondert zu betrachten. Die vertragsärztliche Tätigkeit war insbesondere nicht Gegenstand der nach § 3 GfV geschuldeten Leistungen der Geschäftsführer (anders z.B. BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R – juris Rn. 23: der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag regelte die gesamte Tätigkeit für die Rechtsanwaltsgesellschaft, z.B. auch die Bearbeitung von Mandanten).

 

Bei Abwägung aller für und gegen eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu bewertenden Gesichtspunkte sprechen nach den o.g. Abgrenzungsmerkmalen aus berufs- und vertragsarztrechtlicher Sicht gewichtige Gründe für eine Selbstständigkeit, jedoch ebenso gewichtige Gründe für eine abhängige Beschäftigung. Aus diesem Grunde gibt im Ergebnis der Wille der Vertragsparteien den Ausschlag, dass die vertragsärztlichen Tätigkeiten im MVZ freiberuflich und selbstständig ausgeübt werden sollten, was auch der tatsächlich praktizierten Zusammenarbeit zwischen den Klägern entsprach.

 

(a) Soweit danach zu fragen ist, ob die Kläger zu 2. bis 4. von der Klägerin zu 1. persönlich abhängig waren und einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht eines Arbeitgebers unterlagen, folgen aus dem Umstand, dass die Kläger zu 2. bis 4. aufgrund eigener Zulassung als Vertragsarzt tätig waren, Besonderheiten, die ihre Tätigkeit von anderen freiberuflichen Tätigkeiten unterschied und die auch als gewichtige Anhaltspunkte gegen eine abhängige Beschäftigung anzuerkennen sind.

 

Die Teilnahme eines Vertragsarztes an der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des § 95 Abs. 1 SGB V hängt nicht nur – was für viele freie Berufe gilt – von einer Zulassung ab (siehe § 95 Abs. 2 SGB V, §§ 18 ff. Ärzte-ZV). Die Zulassung ist vielmehr untrennbar (vgl. Pawlita in jurisPK, SGB V, 5. Aufl., Stand 26.05.2025, § 95 Rn. 95) mit einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag verbunden, der gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (d.h. insbesondere der ambulanten ärztlichen Versorgung von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV], § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sowie mit einer dichten gesetzlichen und untergesetzlichen öffentlich-rechtlichen Regulierung einhergeht (vgl. z.B. auf Bundesebene Bundesmantelvertrag-Ärzte, §§ 82, 87 SGB V).

 

Ein Arzt, der in einem MVZ nicht aufgrund einer Anstellung, d.h. einer dem MVZ erteilten Anstellungsgenehmigung, tätig ist, sondern aufgrund einer eigenen vertragsärztlichen Zulassung, erbringt die zugehörigen ärztlichen Leistungen gegenüber GKV-Versicherten zwar für das MZV, das insbesondere die Leistungen gegenüber der KÄV abrechnet, aber nicht aufgrund von Weisungen der Geschäftsführung des MVZ-Trägers oder seiner Gesellschaftermehrheit oder dem ärztlichen Leiter des MVZ im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung. Die Tätigkeit erfolgt vielmehr in Ausübung des betreffenden, an die Person des Zulassungsinhabers gebundenen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags (zum im Übrigen "nicht eindeutig geklärten Verhältnis" der Zulassung eines in einem MVZ tätigen Vertragsarztes zur Zulassung des MVZ vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 39/12 R – juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 28). Inhalt und Art der Leistung ergeben sich aus der Zulassung (z.B. bei der Klägerin zu 2. aus ihrer Zulassung als Fachärztin für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie) und den damit zusammenhängenden regulatorischen Bestimmungen. Zeit und Dauer der Tätigkeit folgen aus der Vorgabe des § 19a Abs. 1 Ärzte-ZV, vollzeitig tätig zu sein und mindestens 25 Stunden Sprechzeiten pro Woche anzubieten. Auch der Ort der Tätigkeit erfordert gemäß § 24 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV eine Festlegung der Zulassungsgremien (Vertragsarztsitz).

 

Im Hinblick auf diese an der Zulassung hängenden Verpflichtungen kann der Zulassungsinhaber daher nicht – oder jedenfalls nicht rechtmäßig – in abweichender Weise ohne Weiteres von der Geschäftsführung angewiesen oder von der Gesellschaftermehrheit der Träger-GmbH eines MVZ majorisiert werden. Letztere kann ihm z.B. nicht – auch nicht aus unternehmerisch nachvollziehbaren Gründen – eine andere ärztliche Tätigkeit zuweisen als die, die seiner Zulassung entspricht, und einen anderen Arzt im Bereich seines Versorgungsauftrags einsetzen, oder die der Zulassung entsprechende ärztliche Tätigkeit zeitlich oder inhaltlich einschränken. Selbst wenn die Gesellschaftermehrheit kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht die mit einer Zulassung und dem Versorgungsauftrag verbundenen öffentlich-rechtlichen Vorgaben missachten würde, dürfte ein anstelle des Vertragsarztes eingesetzter anderer Arzt nicht Leistungen, die zum Versorgungsauftrag des Zulassungsinhabers gehören, für das MVZ erbringen bzw. es könnte dessen Leistungen nicht gegenüber der KÄV rechtmäßig abrechnen. Die Zulassung als Vertragsarzt hat daher erheblich weitere Wirkungen auf die Frage, inwieweit Weisungen in einer MVZ-GmbH möglich sind, als die Zulassung als Rechtsanwalt in einer Anwalts-GmbH (§ 59b Abs. 2 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung) oder als Steuerberater in einer Steuerberater-GmbH (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz; vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R [Rechtsanwalt]; BSG, Urteil vom 07.07.2020 – B 12 R 17/18 R – [Steuerberater]); letzteren kann seitens der Gesellschaftermehrheit z.B. die Wahrnehmung bestimmter Mandate – etwa besonders haftungsgefährdender Mandate oder Mandate, die (ggf. künftig) an anderer Stelle bearbeitet werden sollen – untersagt werden. Schon insoweit war die Weisungsfreiheit der Kläger zu 2. bis 4. als Ärzte im Verhältnis zur Klägerin zu 1. weit mehr als eine Weisungsgebundenheit, die bei Diensten höherer Art lediglich eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert war (vgl. auch zur Frage ob berufsrechtliche Normen bei einer Anwalts-GmbH die allgemeinen Regelungen des GmbHG modifizieren BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 5/20 R – juris Rn. 29).

 

Vorliegend gab es auch keine Grundlage, auf der die Geschäftsführung, der ärztliche Leiter und die Gesellschaftermehrheit der Klägerin zu 1. den Klägern zu 2. bis 4. im Hinblick auf ihre ärztliche Tätigkeit hätten fachliche Weisungen erteilen können, die auf eine arbeitnehmerähnliche abhängige Beschäftigung hindeuten würden – z.B. die Behandlung bestimmter Patienten hätten anweisen können oder sonst Dauer und Zeit der ärztlichen Tätigkeit (z.B. im Hinblick Terminvergabe, Hausbesuche etc.) hätten festlegen können. Insbesondere die Arztverträge zwischen der Klägerin zu 1. und den Klägern zu 2. bis 4. enthielten keine derartigen Regelungen. Unter den "Pflichten des Vertragsarztes" wurde lediglich festgelegt, dass der Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit auf Grundlage der berufsrechtlichen und vertragsärztlichen Vorschriften erbringe, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließen müsse und (was zwingend ist, solange die Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag im MVZ ausgeübt wird) keine weiteren vertragsärztlichen Tätigkeiten außerhalb des MVZ erbringen dürfe. Unter den "Pflichten des MVZ" wurde neben der Pflicht zur Honorarzahlung geregelt, dass das Weisungsrecht für den ärztlichen Leiter unter Beachtung des ärztlichen Berufsrechts und der Wahrung der freien Berufsausübung des Vertragsarztes zu erfolgen habe (§ 4 Nr. 5 ArztV). Insoweit nehmen die Arztverträge auf § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV Bezug, der einen Vertragsarzt dazu verpflichtet, in freier Praxis tätig zu sein. Weisungen des ärztlichen Leiters waren in diesem Sinne beschränkt, z.B. auf Fragen der rechtlichen oder fachlichen Anforderungen an die Organisations- und Versorgungsstrukturen im Praxisbetrieb oder Fragen der ordnungsgemäßen Abrechnung, die ohnehin von jedem Vertragsarzt eingehalten werden müssten (zur Rolle des ärztlichen Leiters BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 30: Verantwortung für die ärztliche Steuerung von Betriebsabläufen und Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV). Auch der Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1. enthielt keine Regelungen, die die Kläger zu 2. bis 4. zu einer von der Geschäftsführung oder der Gesellschaftermehrheit beherrschbaren ärztlichen Tätigkeit verpflichten konnten. Dementsprechend betrachtete die Klägerin zu 1. die den Klägern zu 2. bis 4. nach § 4 Nr. 1 ArztV gezahlten Honorare für vertragsärztliche Leistungen – ebenso wie z.B. die Honorare für in Anspruch genommenen Rechtsanwälte – in der Gewinn- und Verlustrechnung als "Aufwendungen für bezogene Leistungen".

 

Gegen eine abhängige Beschäftigung der Kläger zu 2. bis 4. im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit von der Klägerin zu 1. spricht ferner, dass die Kläger zu 2. bis 4. frei darin waren, die Arztverträge mit der Klägerin zu 1. – ebenso wie ihre Gesellschafterstellung gemäß § 13 Nr. 1 Buchst. d GesV – mit einer sechsmonatigen Frist zum Ende eines Kalenderjahres zu kündigen, um danach ihre vertragsärztliche Tätigkeit wieder außerhalb des MVZ fortzusetzen. Damit hatten sie die Rechtsmacht, der Klägerin zu 1. anteilig die Grundlage ihrer unternehmerischen Geschäftstätigkeit – den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag (bzw. eine "funktional wesentliche Betriebsgrundlage", vgl. Ziff. II.3 der Verfügung des Landesamts für Steuern Niedersachsen vom 21.02.2022, Az. S 2134a-6-St 222/St 221) – zu entziehen. Die Klägerin zu 1. hätte einen solchen Verlust – wie bereits aufgezeigt – nicht ohne Weiteres z.B. durch die Anstellung eines Arztes kompensieren können. Vielmehr hätte das MVZ zunächst beim Zulassungsausschuss eine entsprechende Anstellungsgenehmigung beantragen müssen und diese hätte im damals bereits für Chirurgen gesperrten einschlägigen Planungsbereich Y.... (Versorgungsgrad nach Bedarfsplan z.B. 2015: 282,3 %, 2016 281,6 %) nur in einem gesonderten Zulassungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a ff. SGB V erlangt werden können – etwa in einem Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V, wenn eine Arztstelle ausgeschrieben worden wäre. Insoweit hing die Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 1. hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit der Kläger zu 2. bis 4. faktisch und rechtlich wesentlich vom Fortbestand des Willens der Zulassungsinhaber ab, weiterhin im MVZ der Klägerin zu 1. zu kooperieren. In diesem Sinne bestand vor allem auch eine Abhängigkeit der Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 1. von den Klägern zu 2. bis 4. als maßgebliche Zulassungsinhaber.

 

Aus dieser Abhängigkeit der Klägerin zu 1. von den Klägern zu 2. bis 4. folgte eine Geschäftsgrundlage für die Vertragsbeziehungen untereinander dergestalt, dass die Klägerin zu 1. – gegründet als Instrument der Kooperation mehrerer vertragsärztlicher Zulassungsinhaber – die berufsrechtlichen und vertragsärztlichen Mindestanforderungen an die Führung einer freien Praxis (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) gegenüber den Klägern zu 2. bis 4. zu respektieren hatte. Daher kann insbesondere die Rechtsprechung des BSG zu Gesellschafter-Geschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH mit der Frage, ob diesen eine gesellschaftsrechtlich begründete und die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende "umfassende Sperrminorität" zusteht (z.B. für Geschäftsführer BSG, Urteil vom 12.05.2020 – B 12 KR 30/19 R – juris Rn. 16) oder sogar eine durch eine Mehrheitsbeteiligung garantierte umfassende Gestaltungsmacht (vgl. z.B. für den Gesellschafter ohne Geschäftsführungsbefugnis BSG, Urteil vom 13.12.2022 – B 12 KR 16/20 R – juris Rn. 15), nicht ohne Weiteres auf einen Vertragsarzt, der in einem von einer GmbH getragenen MVZ tätig ist, übertragen werden (anders aber wohl BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 42 und 46). Vielmehr musste die Klägerin zu 1. den Klägern zu 2. bis 4. die notwendige sächliche und personelle Praxisinfrastruktur bereitstellen, die zur Ausübung des Versorgungsauftrags erforderlich war (einschließlich eines Weisungsrechts gegenüber dem benötigten Praxispersonal); ferner hatten die Geschäftsführung, die Gesellschaftermehrheit und die ärztliche Leitung Weisungen gegenüber den Klägern zu 2. bis 4 oder gegenüber dem Praxispersonal zu unterlassen, soweit sie mit einer vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis nicht vereinbar gewesen wären. Dass es hier im streitgegenständlichen Zeitraum derartige "Übergriffe" der Klägerin zu 1. – ihrer Geschäftsführung, ärztlichen Leitung oder Gesellschaftermehrheit – gegeben haben könnte, ist nicht erkennbar. Die Kläger haben glaubhaft zum Ausdruck gebracht, dass die jeweils erforderlichen weisungsfreien Verantwortungsbereiche der Kläger zu 2. bis 4. in jeder Hinsicht beachtet worden seien; dass und ggf. weshalb diese Aussage unzutreffend sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es bestehen im vertragsärztlichen Bereich auch keine regulatorischen Rahmenbedingungen sowie keine zwingenden Organisations- und Weisungsstrukturen wie bei der Tätigkeit eines Arztes in einem Krankenhaus, die von vornherein ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung wären (vgl. BSG, Urteil 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 27).

 

(b) Allerdings spricht der Gesichtspunkt einer Eingliederung der Kläger zu 2. bis 4. in den "fremden" Betrieb der Klägerin zu 1. bzw. das Fehlen einer "eigenen Betriebsstätte" bzw. Praxis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit gegen eine selbstständige Tätigkeit.

 

Dies folgt schon daraus, dass die Kläger zu 2. bis 4. hinsichtlich ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auf die sächliche und personelle Infrastruktur der Klägerin zu 1. – insbesondere die Praxisräumlichkeiten, das gesamte Personal und die sächliche Ausstattung der Praxis (Mietereinbauten und Möbel, ärztliche Gerätschaften, einheitliche EDV-Ausstattung und Telefonanlage etc.) – angewiesen waren, d.h. die von der Klägerin zu 1. betriebene Praxis (-ausstattung) nutzten und mit dem bei der Klägerin zu 1. angestellten und von ihr geführten Personal arbeiten mussten, was in gewichtiger Weise für deren Eingliederung in einen "fremden" und zweifellos nach den Weisungen der Klägerin zu 1. – bzw. ihrer Geschäftsführung und ärztlichen Leitung – organisierten und betriebenen (Praxis-) Betrieb spricht.

 

Die fehlende – insbesondere gesellschaftsrechtlich – begründete Rechtsmacht der Kläger zu 2. bis 4., eine ihnen nicht genehme Ausgestaltung der genutzten Praxisinfrastruktur (etwa im Hinblick auf die Personalauswahl oder die Auswahl notwendiger sächlicher Ausstattung) und der internen Verwaltungsabläufe im Einzelnen umzugestalten oder zumindest verhindern zu können, ist jedoch kein Ausschlusskriterium für eine selbstständige Tätigkeit eines Arztes, solange ihm das MVZ  hierfür alle Voraussetzungen bereitstellt und im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit alle notwendigen Freiheiten belässt (vgl. aber zum umgekehrten Fall des Mehrheitsgesellschafters einer MVZ-GmbH BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 54 und 60) – zumal die Kläger zu 2. bis 4. die Praxisinfrastruktur der Klägerin zu 1. auch für ihre (unstreitig selbstständig ausgeübte) privatärztliche Tätigkeit und ihre Tätigkeit als D-Arzt genutzt hatten.

 

Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Anforderung der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV. Erforderlich ist nach dieser Bestimmung, dass der Arzt gegenüber seinen Patienten sowohl im Bereich der eigentlichen Behandlungstätigkeit als auch im tatsächlichen und rechtlichen Umfeld dieser Behandlung in vollem Umfang unmittelbar verantwortlich ist und dass er Inhalt und Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen kann (z.B. BSG, Urteil 19.03.1997 – 6 RKa 39/96 – juris Rn. 18). In wessen Eigentum die sächlichen Mittel stehen und bei wem das Praxispersonal angestellt ist, ist dagegen nicht entscheidend, wenn dem Vertragsarzt beim Einsatz dieser Mittel im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit freie Hand gelassen wird (dagegen auf die Rechtsmacht als Geschäftsführer oder Gesellschafter zur Gestaltung des Praxisbetriebs abstellend BSG, Urteil vom 29.11.2017 – B 6 KA 31/16 R – juris Rn. 36). Letzteres war – wie oben bereits ausgeführt und glaubhaft dargelegt wurde – bei den Klägern zu 2. bis 4. auch dann der Fall, wenn ihnen keine gesellschaftsrechtlich fundierte Gestaltungsmacht zustand. Sie konnten zu jeder Zeit die für ihre vertragsärztliche Tätigkeit jeweils benötigten Praxisbereiche eigenständig (z.B. im Hinblick auf Sprechstunden, Terminvergabe, spezifische Abläufe) organisieren und hatten Weisungsbefugnis gegenüber dem nichtärztlichen Personal.

 

In berufsrechtlicher Hinsicht wird die Sicherung der ärztlichen Tätigkeit in freier Praxis flankiert, indem § 23a MBO-Ä (gleichlautend § 23a Berufsordnung der Sächsischen Ärztekammer) Anforderungen an eine Ärztegesellschaft stellt. Soweit die Trägergesellschaft eines MVZ den darin enthaltenen Merkmalen entspricht, ist auch dem Erfordernis der Verhinderung einer (ggf. auch mittelbaren) Einflussnahme Dritter auf die ärztliche Tätigkeit hinreichend Rechnung getragen (vgl. wiederum BSG, Urteil vom 29.11.2017 – B 6 KA 31/16 R – juris Rn. 36). Die Klägerin zu 1. erfüllte die in § 23a MBO-Ä genannten Voraussetzungen jedoch vollständig: Gesellschafter der Klägerin zu 1. waren ausschließlich in der Gesellschaft beruflich tätige Vertragsärzte (§ 23a Abs. 1 Satz 2 und 3 MBO-Ä), ohne dass Dritte am Stammkapital oder am Gewinn beteiligt waren (§ 23a Abs. 1 Satz 4 Buchst. b und c MBO-Ä), die Gesellschaft wurde von Ärzten geführt bzw. diese waren auch Geschäftsführer (§ 23a Abs. 1 Satz 4 Buchst. a MBO-Ä); jeder Vertragsarzt verfügte über eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung (§ 23a Abs. 1 Satz 4 Buchst. d MBO-Ä, § 3 Nr. 2 ArztV).

 

Dass auch der Umstand der Abrechnung der GKV-Leistungen über das MVZ kein entscheidender Abwägungsgesichtspunkt sein kann, folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, der die Tätigkeit eines Vertragsarztes mit eigener Zulassung in einem MVZ ausdrücklich zulassen wollte (vgl. auch BSG, Urteil vom 26.01.2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn. 28).

 

(c) Gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht ferner der Umstand, dass die Kläger zu 2. bis 4. durch die Kooperation im MVZ der Klägerin zu 1. ihr mit der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenes unternehmerisches Risiko im Vergleich zur Tätigkeit in einer Einzelpraxis oder in einer Berufsausübungsgemeinschaft reduzierten. Dies gilt zum einen deshalb, weil mit Übertragung der Praxisinfrastruktur auf die Klägerin zu 1. und Betrieb durch sie persönliche Haftungsrisiken ausgeschlossen wurden, zum anderen weil die Kläger zu 2. bis 4. sich gemäß § 4 Nr. 1 ArztV vorab – d.h. unabhängig von einer Gewinnausschüttung gemäß einem Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafterversammlung (§ 7 Nr. 1 GesV) – ein Honorar in Höhe von monatlich 10.000,00 € auszahlen ließen, das nur bei Auftreten eines "erheblichen Missverhältnisses" angepasst werden sollte.

 

Allerdings ist im Hinblick auf das Gewicht dieses Gesichtspunkts in der Abwägung zum einen zu berücksichtigen, dass den Möglichkeiten eines Vertragsarztes, durch das Eingehen unternehmerischer Risiken seinen Gewinn zu steigern, durch Honorarbegrenzungsregelungen (vgl. etwa § 87a Abs. 3, § 87b Abs. 2 SGB V in den jeweils gültigen Fassungen) und das vertragsärztliche Zulassungsrecht ohnehin enge Grenzen gesetzt sind. Des Weiteren konnten die Kläger zu 2. bis 4. durch die Erbringung ihrer vertragsärztlichen Leistungen, auf die Geschäftsführung, Gesellschaftermehrheit und die ärztliche Leitung der Klägerin zu 1. (anders als auf den Praxiskostenanteil) keinen Einfluss hatten, die Einnahmensituation der Gesellschaft – d.h. die Höhe der vertragsärztlichen Honorare – und damit die Möglichkeit weiterer Gewinnausschüttungen und einer Steigerung des Wertes der Gesellschaft bzw. ihres Gesellschaftsanteils (einschließlich "Goodwill") erheblich – d.h. positiv insbesondere durch Steigerung der Fallzahl und des Fallwerts oder negativ z.B. durch Herbeiführung von Honorarregressen bei unwirtschaftlicher Behandlung usw. – beeinflussen. Mithin bestand ein, wenn auch herabgesetztes, aber weiterhin nicht unerhebliches, durch die eigenverantwortlich wahrgenommene vertragsärztliche Tätigkeit beeinflusstes unternehmerisches Risiko im Hinblick auf die damit verbundenen Einkünfte und Gewinnchancen. Damit genügten die Kläger zu 2. bis 4. jedenfalls der Anforderung aus § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, dass die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in freier Praxis die Tragung eines wirtschaftlichen Risikos erfordert und dass die Einkünfte des Vertragsarztes maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen müssen (vgl. zur "Null-Beteiligung" mit Festgehalt BSG, Urteil vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R – juris Rn. 42).

 

Mit Blick auf die von der Beklagten festgestellte Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung ist schließlich zu bedenken, dass ein Vertragsarzt, der mit eigener Zulassung in einem MVZ tätig gewesen ist und – warum auch immer – ausscheidet, weiterhin verpflichtet bleibt, in eigener Praxis oder einer anderen vertragsärztlichen Kooperation den mit seiner Zulassung verbundenen Versorgungsauftrag vollzeitig (vgl. nochmals § 19a Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) zu erfüllen. Schon aus diesem Grunde kann er, solange er nicht auf seine Zulassung verzichtet oder diese in eine Anstellungsgenehmigung umwandeln lässt, auch bei vorangegangener Beitragszahlung keine Leistungen nach dem SGB III (mit dem vorrangigen Ziel einer Vermittlung in abhängige Beschäftigung, § 4 Abs. 1 SGB III) in Anspruch nehmen (z.B. § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Für diesen besteht das Risiko im Hinblick auf seinen "Arbeitsplatz" darin, alsbald die nötigen Mittel für den Erwerb oder die Einrichtung einer Praxis aufzubringen (z.B. aus dem Abfindungsguthaben der MVZ-Trägergesellschaft oder durch Finanzierung mit eigener Bonität). Insoweit handelt es sich um ein typisches Unternehmerrisiko und nicht um das Risiko eines abhängig Beschäftigten. 

 

(d) Im Ergebnis sprechen in der Gesamtabwägung daher ebenso gewichtige Gründe dagegen wie auch dafür, dass die vertragsärztliche Tätigkeit der Kläger zu 2. bis 4. eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV war, sodass der Wille der Vertragsparteien, dass eine selbstständige vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt werden soll, den entscheidenden Ausschlag gibt. In diesem Sinne folgt aus den zwischen der Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. bis. 4. geschlossenen Verträgen eindeutig, dass beabsichtigt war, keine Verträge über eine vertragsärztliche Anstellung abzuschließen (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB V), sondern Verträge über eine Tätigkeit als Vertragsarzt für das MVZ der Klägerin zu 1. (§ 95 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB V), die unter Beachtung der vertragsärztlichen und berufsrechtlichen Regelungen – insbesondere in freier Praxis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV – ausgeübt werden sollte (§ 3 Nr. 1, § 4 Nr. 5 der ArztV).

 

e) Im Prüfbescheid der Beklagten waren daher die Feststellung, dass die Kläger zu 2. bis 4. ihre vertragsärztliche Tätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ausgeübt hätten (vorstehend Buchst. d [2]), und die Festsetzung daraus folgender Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen aufzuheben. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers zu 3. als Geschäftsführer trifft zu, dass diese im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 14.11.2016 als abhängige Beschäftigung ausgeübt wurde (vorstehend Buchst. d [1]), sodass es bei den unter Berücksichtigung der Geschäftsführervergütung bereits festgesetzten Beiträge und Umlagen ("Entgelt bisher") verbleibt, während die Beklagte zu Recht für den Zeitraum vom 15.11.2016 bis 31.05.2016, in dem der Kläger zu 3. die Hälfte der Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 1. hielt und daher auch in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer selbstständig war, die Festsetzungen aufhob und dementsprechend Guthaben auswies. Auch soweit eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 4. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. (nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 02.04.2025 nur noch) für den Zeitraum vom 27.07.2016 bis 31.05.2018 festgestellt wurde, waren resultierende Beiträge und Umlagen festzusetzen (die im Prüfbescheid nicht gesondert ausgewiesen sind, da allein durch die Berücksichtigung der Honorare für die vertragsärztliche Tätigkeit die Beitragsbemessungsgrenzen überschritten waren). Bei Berücksichtigung des Geschäftsführergehalts des Klägers zu 4. und der Sachzuwendungen durch das Firmenfahrzeug ergeben sich Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt 16.753,21 €:

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Soweit im angegriffenen Prüfbescheid höhere Beträge festgesetzt wurden, sind die Festsetzungen entsprechend der vorstehenden Übersicht abzuändern bzw. aufzuheben.

 

f) Im Zusammenhang mit der Beitragsfestsetzung trifft die Auffassung der Beklagten zu, dass aus der abhängigen Beschäftigung des Klägers zu 4. als Geschäftsführer auch gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eine Rentenversicherungspflicht folgte.

 

Für den Kläger zu 4. bestand keine Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aufgrund der Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, da er in der SÄV unstreitig zu keinem Zeitpunkt einkommensbezogene Beiträge im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB VI gezahlt hatte, sondern durchweg auf Mindestbeiträge zur SÄV optiert hatte.

 

Auch bestand keine Befreiung von der Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet nach § 231a SGB VI. Demnach bleiben selbstständig Tätige, die am 31.12.1991 im Beitrittsgebiet aufgrund eines Versicherungsvertrages von der Versicherungspflicht befreit waren und nicht bis zum 31.12.1994 erklärt hatten, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht enden soll, in jeder Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass selbstständig Tätige nach dem im Beitrittsgebiet übergangsweise geltenden § 10 Abs. 1 SVG pflichtversichert waren, sich jedoch nach § 20 SVG von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bei Nachweis gleichwertiger Leistungen aus einer anderen Versicherung – insbesondere aus einem privaten Versicherungsvertrag – befreien lassen konnten. § 10 SVG trat jedoch gemäß Art. 35 Abs. 3, Art. 42 Abs. 8 Rentenüberleitungsgesetz vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606 vom 31.07.1991) bereits zum 01.08.1991 außer Kraft, soweit er ursprünglich auch selbstständige Vertragsärzte betraf (und nicht nur die in § 2, § 229a SGB VI a.F. genannten Personen, z.B. Lehrer, Pflegepersonen, Landwirte usw.), weshalb die Überleitungsanstalt Sozialversicherung unter dem 18.09.1991 den Antrag des Klägers zu 4. auf Befreiung nach § 20 SVG für die ab September 1991 aufzunehmende vertragsärztliche Tätigkeit – zu Recht mangels Versicherungspflicht – abgelehnt hatte. § 231a SGB VI gilt dem eindeutigen Wortlaut nach also nur für diejenigen Personen, die (nach § 20 SVG) von einer (nach § 10 SVG) bestehenden Versicherungspflicht befreit worden waren (z.B. Dankelmann in jurisPK, SGB VI, 3. Auflage 2021, § 231a Rn. 14). Dies war beim Kläger zu 4. nicht der Fall.

 

2. Die an die Kläger zu 2. bis 4. ergangenen Statusfeststellungsbescheide sind aus den unter Nr. 1 erläuterten Gründen rechtswidrig und verletzen diese in ihren Rechten, soweit darin festgestellt wurde, dass ihre vertragsärztliche Tätigkeit als abhängige Beschäftigung ausgeübt worden sei und daraus folgend Versicherungspflicht bestanden habe. Daher sind der an die Klägerin zu 2. ergangene Bescheid vollständig und die an die Kläger zu 3. und 4. ergangenen Bescheide teilweise aufzuheben. Soweit die abhängige Beschäftigung der Kläger zu 3. und 4. als Geschäftsführer der Klägerin zu 1. und eine entsprechende Versicherungspflicht festgestellt wurde, sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Insbesondere war die Beklagte auch gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV berechtigt, anlässlich der bei der Klägerin zu 1. durchgeführten Betriebsprüfung auch gegenüber den Klägern zu 3. und 4. als nach § 7 SGB IV Beschäftigte deren Versicherungspflicht festzustellen, da diese inhaltsgleichen Verwaltungsakte sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer rechtsgestaltende Wirkung entfalten (BSG, Urteil vom 17.12.2014 – B 12 R 13/13 R – juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 05.12.2017 – B 12 KR 11/15 R – juris Rn. 25).

 

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenprivilegierung der Kläger zu 2. bis 4. (§ 183 SGG) erstreckt sich auf die grundsätzlich nicht kostenprivilegierte Klägerin zu 1. (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2020 – B 12 R 17/18 R – juris Rn. 39).  Angesichts des Teilobsiegens der Kläger erscheint es billig, dass die Beklagte den Klägern 60 % ihrer außergerichtlichen Kosten, die durch die gemeinsame Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden waren, zu erstatten hat. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine Anträge gestellt und damit kein Kostenrisiko getragen hatten.

 

III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 

Rechtskraft
Aus
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