L 7 SO 3701/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 2196/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3701/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Dezember 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die 1952 geborene Klägerin steht im ständigen Leistungsbezug bei dem Beklagten, welcher ihr zuletzt jeweils monatlich Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von 166,89 EUR gewährte. Die Klägerin bezieht daneben eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung B1 in Höhe von zuletzt 914,11 EUR.

Sie bewohnt(e) eine 56 m² große 2- Zimmer-Wohnung, für die eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 408,00 EUR sowie Nebenkosten in Höhe von 110,00 EUR (vgl. Mietbescheinigung vom 22. September 2023) monatlich fällig wurden. Nach vermieterseitiger Kündigung der Wohnung wegen Eigenbedarfs schloss die Klägerin mit den Vermietern der Wohnung am 1. Juli 2024 vor dem Amtsgericht V1 einen Vergleich, wonach die Wohnung bis zum 31. Dezember 2024 zu räumen war. Eine zunächst eingerichtete Betreuung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts V1 vom 2. August 2024 aufgehoben.

Am 21. Oktober 2024 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung, soweit verständlich, auf zwei Vorsprachen bei dem Beklagten am 4. Oktober 2022 sowie am 5. September 2024 Bezug genommen, bei welchen sie aus dem Landratsamt verwiesen worden sei. Der Beklagte sei dafür verantwortlich, dass sie eine Betreuerin erhalten habe. Es handele sich bei dieser um eine Polin, die im Wege stehe und ein großes Hindernis für ihren Lebensunterhalt sei. Sie müsse die Wohnung bis Ende Dezember 2024 verlassen. Die 500 EUR habe sie nirgendwo gefunden. Mehrere, von der Klägerin namentlich benannte Personen hätten sie verhungern lassen. Dem Schriftsatz waren diverse Unterlagen, unter anderem ein Beschluss des Amtsgerichts V1 vom 2. August 2024 über die Aufhebung ihrer Betreuung und mehrere Bescheide des Beklagten, zuletzt vom 13. September 2024 bezüglich der Gewährung von Leistungen im Zeitraum vom 1. August 2024 bis 30. September 2024, beigefügt.

Der Vorsitzende der zuständigen Kammer hat am 10. Dezember 2024 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt, in welchem er die Klägerin unter Hinzuziehung eines Dolmetschers persönlich angehört und auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen hat. Er hat die Klägerin weiterhin aufgefordert, ihr Klagebegehren gemäß § 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu konkretisieren. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, bei ihrer Vorsprache beim Landratsamt im Oktober 2022 schlecht behandelt worden zu sein. Dann sei die Polizei gekommen und habe sie rausgeführt. Sie wisse nicht mehr weiter. Ihre Wohnung werde zum Jahresende geräumt, eine neue Wohnung habe sie noch nicht. Das Landratsamt sei an allem schuld. Sie sei seit 24 Jahren in Deutschland und wolle wieder nach Polen. Sie wolle nichts weiter vortragen. Die Beteiligten haben sich sodann mit einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG einverstanden erklärt.  

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Dezember 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Klage sei unzulässig, da die Mindestanforderungen des § 92 SGG nicht erfüllt seien und auch nach Anhörung der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung vom 10. Dezember 2024 eine der Verfahrensordnung entsprechende weitere Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich sei. Eine mit einer Fristsetzung mit ausschließender Wirkung im Sinne des § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG verbundene Aufforderung zur Ergänzung des Vortrags sei zwar nicht erfolgt. Die Kammer habe der Klägerin allerdings unter Hinweis auf die Vorschrift des § 92 SGG und die derzeitige Unzulässigkeit der Klage Gelegenheit gegeben, insoweit in der nichtöffentlichen Sitzung weiter vorzutragen. Trotz des daraufhin erfolgten ergänzenden Vortrags der Klägerin genüge ihr Vorbringen insgesamt den Anforderungen des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht. Es könne insbesondere nicht festgestellt werden, welches konkrete Klagebegehren die Klägerin verfolge, zumal letztere im Gerichtstermin selbst mitgeteilt habe, sich nicht weiter äußern zu wollen.

Gegen den ihr am 12. Dezember 2024 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin unter Übersendung einer Vielzahl an Unterlagen mit ihrer am 19. Dezember 2024 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Sie sei mit dem Urteil nicht einverstanden und wolle das Verfahren neu aufrollen. Sie habe seit dem 1. April 2024 Probleme. Man habe versucht, sie in einem Altersheim unterzubringen. Sie habe sich einen Anwalt suchen müssen, an den sie 1.082,42 EUR Rente gezahlt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Dezember 2024 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr höhere Leistungen für die Unterkunft zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf eine Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelführer versagt bzw. auferlegt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung weiterverfolgt wird (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B – juris Rdnr. 6). Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln bzw. anhand des wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 202 SGG i.V.m. § 3 Zivilprozessordnung (ZPO) schätzen; dabei ist auf die Angaben des Berufungsklägers zumindest solange abzustellen, wie keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bezifferung mutmaßlich falsch ist (vgl. BSG, Beschluss vom 21. September 2017 – B 8 SO 32/17 B – juris Rdnr. 9).

Lässt sich – wie hier – nicht feststellen, dass die Voraussetzungen der Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 SGG vorliegen, ist die Berufung nach der Grundregel des § 143 SGG grundsätzlich statthaft (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 144, Rdnr. 15b).

Die Berufung ist allerdings unbegründet, denn das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich auf Folgendes hinzuweisen:

Zwar ist bei der Auslegung des § 92 SGG auch das sich aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ergebende Gebot effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg; Urteil vom 18. Februar 2016 – L 25 AS 435/14 – juris Rdnr. 31). Die Anforderungen an die hinreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens dürfen nicht überspannt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist es insoweit, dass der Kläger sein Begehren angibt, also zum Beispiel den Verwaltungsakt bezeichnet, den das Gericht aufheben oder zu dem das Gericht verurteilen soll, die Feststellung, die das Gericht treffen soll, oder die Leistung, die begehrt wird (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 92 Rdnr. 8 m. w. N.). Die zwingenden Anforderungen des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG zum Klagebegehren können schon dann erfüllt sein, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben oder wenigstens umrissen ist, da die Regelung zum „bestimmten Antrag“ nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist (LSG Bayern, Urteil vom 19. Juli 2011 – L 8 SO 75/11 – juris Rdnr. 26; Kühl in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage, § 92 Rdnr. 5). Im Regelfall, der Klage gegen eine Verwaltungsentscheidung, reicht es hierbei aus, dass der Kläger die angegriffene Entscheidung so bezeichnet, dass das Gericht sie – und damit auch den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens – ermitteln kann.

Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und des im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Meistbegünstigungsprinzips (vgl. dazu z. B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R – juris Rdnr. 12) lässt sich im vorliegenden Einzelfall der Gegenstand des Klagebegehrens auch im Berufungsverfahren weder den Schriftsätzen der Klägerin nebst den von ihr eingereichten Unterlagen, noch aus den sonstigen Erklärungen der Klägerin oder den Verwaltungsakten (BSG, Urteil vom 22. März 1988 – 8/5a RKn 11/87 – juris Rdnr. 11) hinreichend deutlich entnehmen. Insbesondere hat die Klägerin eine Vielzahl an Bescheiden vorgelegt, so dass sich auch hieraus nicht ableiten lässt, gegen welchen Bescheid sich die Klägerin konkret wendet.

Soweit die Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Senat am 27. Februar 2025, zu welcher eine Dolmetscherin hinzugezogen war, angegeben hat, sie begehre höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 2020, sind die entsprechenden Bescheide mangels Erhebung eines Widerspruchs innerhalb der Monatsfrist des § 84 SGG bestandskräftig und damit ohnehin bindend geworden (vgl. § 77 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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