L 3 R 118/24

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 109/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 3 R 118/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Rücknahme eines Rentenbewilligungsbescheides ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs bei einem vor Erlass dieses Bescheides beim Familiengericht gestellten Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs und späterer Erledigung des Abänderungsverfahrens durch Rücknahme des Abänderungsantrags.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. März 2024 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme eines Bescheides über die Bewilligung einer Altersrente für den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 28. Februar 2021 und die Erstattung eines überzahlten Betrages in Höhe von 10.323,55 € streitig.

Der am ... 1954 geborene Kläger legte ausweislich seines Versicherungsverlaufs vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1993 Zeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung (Ost) und im Übrigen Zeiten in der Arbeiterrentenversicherung bzw. der allgemeinen Rentenversicherung (jeweils im Wesentlichen Ost) zurück. Er stellte - vertreten durch die Prozessbevollmächtigte des vorliegenden Berufungsverfahrens - am 11. Juni 2004 bei dem Amtsgericht Z. - Familiengericht (im Folgenden: Familiengericht) einen Antrag auf Scheidung von seiner mit ihm seit dem 27. September 1975 verheirateten Ehefrau (Verfahren XXXXX). Die Ehe wurde mit Urteil auf die mündliche Verhandlung des Familiengerichts vom 29. Juni 2005 geschieden, der Versorgungsausgleich abgetrennt, zunächst ausgesetzt und als Verfahren XXXXX (VA) weitergeführt. Bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht wurde ausweislich des Protokolls darauf hingewiesen, dass die Ehefrau des Klägers ausweislich der Mitteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 10. März 2005 monatliche angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 587,06 € sowie eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben habe. Der Kläger habe im gleichen Zeitraum gemäß der Auskunft der Beklagten vom 2. März 2005 monatliche angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 926,44 € erworben.

Das Familiengericht entschied mit Beschluss vom 29. Mai 2013 im Verfahren XXXXX [VA] bezogen auf den Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens (der Kläger ist dort „Antragsteller“, dessen geschiedene Ehefrau „Antragsgegnerin“):

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Vers. Nr. XXXXX) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 8,0324 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto XXXXX bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2004, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Vers. Nr. XXXXX) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 9,1449 knappschaftlichen Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto XXXXX bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2004, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. XXXXX) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 12,8128 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto XXXXXX bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, bezogen auf den 30.06.2004, übertragen.

Der Kläger habe bei der Beklagten ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 16,0647 Entgeltpunkten (Ost) und 18,2898 knappschaftlichen Entgeltpunkte (Ost) erlangt. Zu dem nicht mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss wird im Übrigen auf Blatt 27ff./232 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Der Kläger bestreitet die Mitteilung der Beklagten über die Umsetzung des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 31. Juli 2013, Blatt 45/232 der Verwaltungsakte, erhalten zu haben. Nach den von der Beklagten im Berufungsverfahren übersandten - dem Sozialgericht nicht zur Verfügung gestellten und der Klägerbevollmächtigten im Klageverfahren im Rahmen der Akteneinsicht nicht übermittelten - weiteren Bestandteilen der Verwaltungsakte erhielt der Kläger Renteninformationen (insoweit nur die Anlagen 2 bis 6 vom 21. August 2013 und 2. September 2014 und die Rentenauskunft vom 29. Mai 2015. Der letztgenannten Rentenauskunft ist zu entnehmen, die Regelaltersrente, die ab dem 1. Juni 2019 gezahlt werden könne, würde 1.205,94 € betragen. Unter Berücksichtigung des aktuellen Beitragssatzes würden sich hiervon Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung in Höhe von 88,03 € bzw. 28,34 € und ein Zusatzbeitrag in Höhe von 10,85 € (Anm.: rechnerisch entspricht das einem Zahlbetrag in Höhe von 1.078,72 €) ergeben. Für eine Altersrente für langjährig Versicherte ergebe sich für den frühesten Rentenbeginn am 1. Juni 2016 eine Minderung der Rente um 10,8 Prozent (Anm.: rechnerisch ergibt das eine Bruttorente in Höhe von 1.075,10 € und unter Berücksichtigung der in der Rentenauskunft angegebenen Beiträge einen Zahlbetrag in Höhe von 961,68 €). In der Anlage 1 sind 0,0040 Entgeltpunkte aus der allgemeinen Rentenversicherung, 33,7098 Entgeltpunkte aus der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) sowie 7,6124 Entgeltpunkte (Ost) mit 1,375 Entgeltpunkten als Leistungszuschlag (Ost) aus der knappschaftlichen Versicherung aufgeführt. In den Berechnungsanlagen werden in Anlage 5 die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs und in der Anlage 6 die Zuschläge und Abschläge aus dem Versorgungsausgleich erläutert. Zu diesen Bestandteilen der Verwaltungsakte wird im Übrigen auf Blatt 83 bis 97, 98 bis 112 und 113 bis 132 Bd. I der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger - nun unvertreten - stellte am 25. Januar 2016 bei dem Familiengericht einen Antrag auf „Überprüfung und Neuberechnung des Versorgungsausgleichs“. Er führte aus: „Begründung: Veränderung des bisherigen Ausgleichswerts nach den Neuregelungen zur Mütterrente. Ich werde ab 01.06.2016 Rente beziehen.“ Das Familiengericht forderte u.a. die Beklagte und die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Schreiben vom 23. Februar 2016 zu einer Auskunft über Versorgungsrechte bezogen auf die Ehezeit vom 1. September 1975 bis zum 30. Juni 2004 auf (Verfahren XXXXX [VA]). Bei der Beklagten ging das Schreiben am 25. Februar 2016 ein. Die Beklagte reichte hierzu die Auskunft mit Datum vom 1. März 2016, die Deutsche Rentenversicherung Bund die Auskunft unter dem 2. März 2016 ein. Zu den Übersichten mit ausführlichen Berechnungen wird auf Blatt 11 bis 24 und 27 bis 40 der beigezogenen Akte aus dem Verfahren des Familiengerichts XXXXX [VA] Bezug genommen.

Die Beklagte übersandte dem Kläger nach den im Berufungsverfahren übersandten Unterlagen auch den Bescheid über die Feststellung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten gemäß § 149 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) vom 1. März 2016. Zu diesem Bestandteil der Verwaltungsakte wird auf Blatt 133 bis 168 Bd. I der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger beantragte am 2. März 2016 bei der Beklagten die Bewilligung einer Altersrente für langjährig Versicherte.

Das Familiengericht übersandte insbesondere dem Kläger und der Beklagten als Anlage zu einem Schreiben vom 14. März 2016 den Entwurf einer Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Abänderung des Versorgungsausgleichs. Danach beabsichtigte das Familiengericht, den Antrag des Klägers auf Abänderung des Wertausgleichs als unzulässig zu behandeln und zurückzuweisen, weil mit der absoluten Änderung des Versorgungsausgleichs in Höhe von 22,18 € die Grenze von 24,15 € für einen nach § 225 Abs. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zulässigen Antrag unterschritten sei. Dem Kläger, dessen früherer Ehefrau, der VBL K., der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang des Schreibens gegeben. Der Kläger erklärte gegenüber dem Familiengericht mit seinem dort am 21. März 2016 eingegangenen Schreiben unter demselben Datum, er nehme den Antrag in der Familiensache XXXXX (VA) zurück. Zu dem Schreiben des Familiengerichts vom 14. März 2016 wird auf Blatt 43 bis 47, zu dem Entwurf auf Blatt 42 und zu der Rücknahmeerklärung des Klägers auf Blatt 48 der beigezogenen Akte aus dem Verfahren des Familiengerichts XXXXX [VA] verwiesen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 17. März 2016 Altersrente für langjährig Versicherte mit Rentenbeginn am 1. Juni 2016 (monatliche Rente 1.284,29 €, monatlicher Zahlbetrag 1.156,51 €). In dem Bescheid sind als Grundlage der Rentenberechnung 25,8505 persönliche Entgeltpunkte (Ost) und 14,9917 persönliche Entgeltpunkte (Ost) aus der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Leistungszuschlag von 1,2265 Entgeltpunkten (Ost) angegeben. Zu dem Bescheid wird im Übrigen auf Blatt 74/232 bis 107/232 Bezug genommen.

Der Abschluss der Erstellung des Bescheides ist unter dem 16. März 2016 mit folgendem Hinweis und Mitarbeitervermerk versehen: „Nach `Neufeststellung´ Anwartschaftsauskunft prüfen! Es ist eine Rente festzustellen bzw. neu festzustellen und das Versicherungskonto enthält Angaben über eine `Auskunft für die Rentenanwartschaft AR/AV´. Bitte prüfen, ob bereits eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich ergangen ist. Ggf. ist eine neue Auskunft unter Berücksichtigung der bezogenen Rente zu erteilen“. „Verfg. 1.[…] 2. […] 3. vorl. /Sonderfrist /zdA ] überw. Beschluss VAG“.

Das Familiengericht setzte u.a. die Beklagte mit Schreiben vom 20. April 2016 davon in Kenntnis, dass das Verfahren XXXXX (VA) durch Rücknahme des Antrags erledigt sei. Zu dem Schreiben des Familiengerichts 20. April 2016 wird auf Blatt 57 der beigezogenen Akte aus dem Verfahren des Familiengerichts XXXXX [VA] verwiesen.

Am 25. November 2020 stellte eine Mitarbeiterin der Beklagten fest, dass die Benachrichtigung über den Versorgungsausgleich aus dem „Gegenkonto“ (gemeint ist: das Versicherungskonto der früheren Ehefrau) nicht verarbeitet sei. Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass der Rentenbescheid vom 17. März 2016 ohne Berücksichtigung des rechtskräftig entschiedenen Versorgungsausgleichs vom 19. Juli 2013 berechnet worden und es beabsichtigt sei, diesen Bescheid gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen. Mit Bescheid vom 4. Februar 2021 nahm die Beklagte den Bescheid vom 17. März 2016 sowie nachfolgend ergangene Bescheide hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 45 SGB X mit Wirkung vom 1. Juni 2016 zurück. Die Höhe der dem Kläger rechtmäßig zustehenden Leistung betrage nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. März 2021 1.209,27 €. Die für die Zeit vom 1. Juni 2016 bis zum 28. Februar 2021 entstandene Überzahlung in Höhe von 10.323,55 € werde gemäß § 50 SGB X vom Kläger zurückgefordert. Der Kläger sei mit Mitteilung vom 31. Juli 2013 informiert worden, dass die Rente ohne den rechtskräftig entschiedenen Versorgungsausgleich vom 19. Juli 2013 berechnet worden sei. Nach Auskunft des Familiengerichts habe der Kläger den Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs zurückgenommen, sodass der Versorgungsausgleich vom 19. Juli 2013 bindend gewesen und zu Unrecht bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden sei. Damit sei der Bescheid vom 17. März 2016 anfänglich rechtswidrig begünstigend. Dem Kläger sei, nachdem er den Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs beim Familiengericht zurückgenommen habe, bewusst gewesen, dass im Umkehrschluss der Versorgungsausgleich vollumfänglich zu berücksichtigen sei. Kenntnis über die Auswirkungen habe er bereits mit der Mitteilung vom 31. Juli 2013 erhalten. Auf Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen. Hier liege der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Vor diesem Hintergrund sei die Rücknahme des Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zulässig. Einwände gegen die beabsichtigte Entscheidung habe der Kläger im Rahmen seiner Anhörung nicht vorgetragen. Die Fristenregelung des § 45 Abs. 3 SGB X sei gewahrt. Im Rahmen der Ermessenausübung sei ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers hier vorliegend nicht auszuschließen, bedeute aber nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Erstattung im Wege des Ermessens zu reduzieren sei. Weiterhin überwögen die Gründe des Interesses der Versichertengemeinschaft, welche für eine Rücknahme sprächen. Weitere Gründe, welche im Rahmen des eingeräumten Ermessens veranlassen könnten, von der gesetzlich vorgesehenen Rücknahme abzusehen, seien nicht ersichtlich. Die Anlage „Berechnung der Rente“ vom 14. Januar 2021 sei dem Bescheid beigefügt und werde ausdrücklich zum Gegenstand des Bescheides erklärt. Mit dem als „Rentenbescheid“ überschriebenen und Datum vom 14. Januar 2021 versehenen Dokument berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab dem 1. Juni 2016 mit einer monatlichen Rente bei Rentenbeginn in Höhe von monatlich 1.105,43 € und einem Zahlbetrag in Höhe von 995,44 € neu. Zu den Beträgen ab der jeweiligen Rentenanpassung ab dem 1. Juli der Jahre 2016 bis 2020 und der Berücksichtigung der geänderten Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung am 1. Januar und 1. März 2017 und 1. Januar 2019 wird auf Blatt 193 bis 197/232 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

In seiner am 9. Februar 2021 bei der Beklagten eingegangenen Stellungnahme zur Anhörung führte der Kläger aus, in der langjährigen anwaltlichen Tätigkeit der bevollmächtigten Rechtsanwältin sei es noch nie passiert, dass, wenn ein gerichtlicher Beschluss über den Verfahrensausgleich (gemeint ist: Versorgungsausgleich) ergangen sei, dieser nicht durch den Rentenversicherungsträger vollzogen worden sei. Das sei ein gewisser Automatismus. Es sei keineswegs der Fall, dass er - der Kläger - die erforderliche Sorgfalt in schwerem Maße verletzt habe. Er habe keinerlei Pflichtverletzungen begangen, habe nicht grob fahrlässig gehandelt und sei daher auch nicht verpflichtet, die Rückzahlung, welche die Beklagte von ihm fordere, zu tätigen. Zur Begründung seines am 23. Februar 2021 eingelegten Widerspruchs ergänzte der Kläger seine Ausführung dahingehend, dass es sich bei dem Versorgungsausgleichsverfahren um eines der kompliziertesten Ehescheidungsverfahren handele, mit dessen Bewältigung selbst Juristen Probleme hätten. Grobe Fahrlässigkeit liege nur dann vor, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstelle und daher nicht beachte, was im gegebenem Fall jedem einleuchten müsse. Eine objektive Beweislast treffe die Behörde, d.h. die Beklagte.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2022 als unbegründet zurück. Sie - die Beklagte - habe festgestellt, dass der Kläger auf den Bestand des Bescheides vom 17. März 2016 nicht habe vertrauen können. Wer einen Bescheid erhalte, sei rechtlich gehalten, diesen auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Werde dies unterlassen, könne hieraus kein Vorteil im Sinne einer Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit abgeleitet werden. Wenn sich Fragen zu dem Inhalt eines Bescheides aufdrängen müssten, bestehe eine Pflicht, dies zu klären. Hierbei genüge es zunächst, in Merkblättern oder sonstigen Unterlagen nachzulesen. Wenn danach immer noch ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestanden hätten, hätte beim Leistungsträger nachgefragt werden müssen. Nach Prüfung habe der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bescheides zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt. Soweit dem Kläger mit dem Bescheid vom 17. März 2016 die Altersrente zuerkannt worden und hier der Versorgungsausgleich an keiner Stelle ausgewiesen worden sei, hätte dem Kläger einleuchten müssen, dass der Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der Mitteilung vom 31. Juli 2013 aufgezeigt worden sei, dass sich der Versorgungsausgleich auswirke, sobald der Kläger eine Rente erhalte. Folglich habe er nicht davon ausgehen können, dass seine Rente richtig berechnet sei. Selbst wenn er bei Bewilligung der Rente der Annahme gewesen sei, dass das anhängige Verfahren beim Familiengericht der Berücksichtigung der Rentenberechnung entgegengestanden habe, hätte ihm einleuchten müssen, dass der Versorgungausgleich nicht berücksichtigt sei. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die fehlerhafte Berechnung der Rente zumindest billigend in Kauf genommen habe. Auch sei das öffentliche Interesse, das Interesse der Versichertengemeinschaft, zu berücksichtigen. Die Rücknahme für die Vergangenheit stelle hier keine besondere Härte dar. Insgesamt habe die Ermessensprüfung ergeben, dass unter Abwägung des Grundsatzes des Verwaltungshandelns einerseits und des Interesses des Begünstigten soweit der Rechtssicherheit andererseits der Bescheid zurückzunehmen und der überzahlte Betrag zu erstatten seien. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei, seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Der Kläger hat am 21. März 2022 beim Sozialgericht Halle Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2022 erhoben. Er bestreite, dass er „nicht, wie von der Beklagten behauptet“ am 31. Juli 2013 dahingehend informiert worden sei, dass der Rentenbescheid ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs berechnet worden sei. Er könne die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid nicht nachvollziehen. Insbesondere bestreite er vehement, dass er grob fahrlässig gehandelt habe. Er sei seinen Mitwirkungspflichten immer nachgekommen. Die Problematik des Versorgungsausgleichs sei eine komplizierte Rechtsmaterie. Er habe darauf vertraut und vertrauen müssen, dass die Beklagte den Versorgungsausgleich bei der Rentenberechnung berücksichtigt habe. Die Beklagte habe dafür drei Jahre Zeit gehabt und die Arbeitnehmer der Beklagten seien Experten und keine Laien. Die Beklagte habe fünf Jahre nach dem Rentenbezug benötigt, um die Feststellung zu treffen, dass sie ihm - dem Kläger - eine zu hohe Rente gezahlt habe. Dies sei schon mehr als erklärungsbedürftig und für ihn als „einfachen, juristisch und insbesondere auch rentenrechtlich nicht geschulten Bürger absolut nicht verständlich". Die Beklagte trage die objektive Beweislast.

Der Kläger hat in der nicht-öffentlichen Sitzung vor dem Sozialgericht am 9. Januar 2024 ausweislich des Protokolls Folgendes erklärt: „Der Kläger gibt zu Protokoll, dass er am 27.04.2016 bei der Beklagten angerufen hätte. Er habe mit einer Frau S. telefoniert. Diese habe ihm mitgeteilt, dass mit dem Versorgungsausgleich sowie mit dem Rentenbescheid alles in Ordnung sei. Sollte irgendetwas zu ändern sein, würde er hierüber Nachricht erhalten. Erhalte er keine Nachricht, so sei alles in Ordnung.“ In der Sitzung haben beide Beteiligten ihr Einverständnis für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 12. März 2024 den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2022 aufgehoben. Die Leistungsgewährung im Bescheid vom 17. März 2016 sei von Beginn an rechtswidrig gewesen, da die Beklagte es unterlassen habe, den mitgeteilten und festgestellten Versorgungsausgleich in die Rentenberechnung des Klägers einzubeziehen. Ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X liege nicht vor. Eine grob fahrlässige Unkenntnis könne nicht aus dem Nichterkennen fehlerhaft durchgeführter Berechnungselemente hergeleitet werden. Grobe Fahrlässigkeit erfordere das Verletzen von Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße. Eine normale Fahrlässigkeit reiche deshalb nicht aus. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Informationen der Beklagten sich diese Einsicht des Klägers hätte ergeben müssen. Die Beklagte habe, hypothetisch unterstellt der Kläger habe das Informationsschreiben auch tatsächlich 2013 erhalten, was jedoch bestritten werde, den Kläger seit Durchführung des Versorgungsausgleichs dahingehend informiert, dass dieser zu einem Zuschlag und Abschlag an Rentenpunkten führe. Wie dies im Einzelnen in der Rentenberechnung aufgeführt werde, sei von der Beklagten gerade nicht erläutert worden. Dem Kläger habe noch keine Rentenbewilligung mit Versorgungsausgleich vorgelegen. Ein Abgleich der Berechnungselemente in den Bestandteilen des Bescheides sei demnach noch gar nicht möglich gewesen. Der Kläger habe vielmehr bei hypothetisch unterstelltem Erhalt des Informationsschreibens aus dem Jahr 2013 darauf vertrauen können, dass bei der Berechnung der Rente bereits der Versorgungsausgleich verrechnet worden sei. Soweit der Kläger ausführe, er habe im April 2021 auch bei der Beklagten angerufen, sehe das Gericht eine solche Verpflichtung nicht als notwendig an. Es werde insoweit deutlich, dass der Kläger eine Unrichtigkeit nicht gekannt und auch nicht habe einschätzen können. Ob der Bescheid für die Zukunft habe zurückgenommen werden dürfen, habe die Beklagte nicht geprüft. Diese habe zudem das ihr in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen nicht in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insbesondere fehle es an einer Abwägung von wirtschaftlichen und persönlichen Vertrauensgesichtspunkten des Klägers. Dieser habe seine Mitwirkungspflichten eingehalten. Die Beklagte sei vollständig über den Ausgang des Versorgungsausgleichs informiert gewesen, habe die fehlerhafte Berechnung allein verursacht und trage hierfür das Verschulden. Im Übrigen beziehe sich die Ermessensausübung vollständig auf die anfängliche Aufhebung. Dies betreffe auch die Erwägungen zu einer besonderen Härte. Alternative Ausführungen für eine Ermessensausübung für eine Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt bzw. für die Zukunft nach Kenntniserlangung der fehlerhaft durchgeführten Bewilligung unter Einbeziehung von vorgetragenen Vertrauensgesichtspunkten (z.B. Vermögensdispositionen) fehlten ganz. Hier liege bereits Ermessensnichtgebrauch vor.

Gegen das ihr am 29. Mai 2024 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Juni 2024 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.

Der Senat hat mit Schreiben vom 22. Juli 2024 bei dem Kläger angefragt, ob er den Bescheid vom 4. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2022 auch in Bezug auf den Zeitraum ab der Bekanntgabe angreife und er die Weiterzahlung der Rente ohne Versorgungsausgleich geltend mache. Er hat hierzu an demselben Tag mitgeteilt, dass sich die Klage selbstverständlich nur auf den Zeitraum der Überzahlung vom 1. Juni 2016 bis zum 28. Februar 2021 beziehe. Ab dem 1. März 2021 werde die gewährte Altersrente unter Berücksichtigung des Vollzuges des Versorgungsausgleichs akzeptiert.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte ausgeführt, aufgrund einer Fehlverarbeitung sei nach der Rücknahme des Abänderungsantrags bei dem Familiengericht eine Umsetzung des Versorgungsausgleichs bei der Rentenberechnung tatsächlich nicht erfolgt. Dieser Umstand sei erst im Zusammenhang mit einer Meldung über die Rentenantragstellung der früheren Ehefrau des Klägers bekannt geworden. Sie - die Beklagte - gehe weiterhin davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorlägen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2024 (gemeint ist: 2013), der Renteninformation vom 21. August 2013 bzw. vom 2. September 2014 und der Rentenauskunft vom 29. Mai 2015 bzw. vom 1. März 2016 sei der Kläger von den Auswirkungen des durchgeführten Versorgungsausgleichs in Kenntnis gesetzt worden. Im Vergleich zu den bisherigen Rentenauskünften habe der Kläger mit dem Bescheid über die Rentenbewilligung erkennen können, welche Auswirkungen dies auf die Höhe der persönlichen Entgeltpunkte habe, welche für die weitere Berechnung der Monatsrente zugrunde gelegt würden. Der Kläger sei zum Lesen des ihm erteilten Rentenbescheides verpflichtet gewesen. Zur Begründung des Rentenbescheides gehörten auch die Bescheidanlagen (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 6. Juli 2022 - B 5 R 21/21 R -, - B 5 R 22/21 R - und - B 5 R 39/21 R -). An keiner Stelle des Rentenbescheides vom 17. März 2016 ergäben sich Hinweise auf einen Versorgungsausgleich. Aus der familiengerichtlichen Entscheidung und den ihm übersandten Renteninformationen bzw. auskünften habe der Kläger aber gewusst, dass er ausgleichspflichtig sei, also mit einem Abschlag von seiner Rente habe rechnen müssen. Gerade das Fehlen von Aussagen zum Versorgungsausgleich hätte bei ihm zum Erkennen der Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides führen müssen. Auf den Bescheid habe der Kläger insbesondere auch insoweit nicht vertrauen können, soweit auch nach Abschluss des Abänderungsverfahrens zum Versorgungsausgleich keine geänderte Rentenberechnung unter Berücksichtigung des weiterhin gültigen Versorgungsausgleichs erfolgt sei. Inwieweit der Kläger tatsächlich Rückfrage in Bezug auf den Versorgungsausgleich gehalten habe, sei nicht belegt. Auch den Ausführungen des Sozialgerichts zum Ermessen könne nicht gefolgt werden. In die Ermessensprüfung könnten nur solche Sachverhalte einfließen, die sich aus den Akten ergäben bzw. innerhalb des Anhörungsverfahrens geltend gemacht worden seien. Da keine konkreten Vertrauensgesichtspunkte geltend gemacht worden seien, habe die Entscheidung nur unter Berücksichtigung der sich aus der Akte ergebenden Aspekte erfolgen können. Sie - die Beklagte - habe zwar ihr Mitverschulden eingeräumt, was aber nicht zwangsläufig bedeute, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren sei. Im Ergebnis sei hier das Interesse der Versichertengemeinschaft höher anzusehen gewesen als das Interesse an der Beibehaltung des rechtswidrigen Zustands. Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte seien im Widerspruchsbescheid angesprochen worden.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten und der geschiedenen Ehefrau des Klägers die Akten des Familiengerichts aus den Verfahren XXXXX (S), XXXXX (VA) und XXXXX (VA) beigezogen. Von den Akten aus dem Verfahren XXXXX (VA) ist in diesem Rahmen vom Familiengericht nur der Beschluss vom 29. Mai 2013 mit dem Hinweis übersandt worden, es handele sich um eine „Hochwasserakte“, aus der nur die Entscheidung ausgesondert worden sei.

Der Senat hat die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 14. April 2025 insbesondere darauf hingewiesen, dass der Kläger ausweislich seiner Antragsbegründung bei dem Familiengericht im Schreiben vom 25. Januar 2016 positive Kenntnis gehabt habe, dass der Versorgungsausgleich sich auf seine Rente auswirken würde, und sogar über Details der Mütterrente informiert gewesen sei.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 16. April 2025, Schriftsatz des Klägers vom 5. Mai 2025).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden können, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der ausdrücklichen Klarstellung des Klägers im Berufungsverfahren nur die Rücknahme der Bewilligung der Altersrente für langjährig Versicherte bis zum 28. Februar 2021, d.h. nicht ein Anspruch auf eine laufende Bewilligung der Altersrente ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs. Sinngemäß ist bezogen auf diesen Streitgegenstand von dem Kläger auch der Bescheid über die Neuberechnung der Rente vom 14. Januar 2021 angefochten worden, der von der Beklagten ausdrücklich mit der Bezeichnung als Anlage in einen Regelungszusammenhang mit dem Bescheid vom 4. Februar 2021 gestellt worden ist.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2022 aufgehoben. Die Bescheide vom 14. Januar 2021 und vom 4. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2022 sind rechtmäßig, soweit diese in Bezug auf die Rücknahme der Bewilligung vom 1. Juni 2016 bis zum 28. Februar 2021 angefochten worden sind, und verletzen ihn deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat den Bescheid vom 17. März 2016 zu Recht für den Zeitraum bis zum 28. Februar 2021 zurückgenommen und vom Kläger die Erstattung von 10.323,55 € gefordert.

Der Senat kann offenlassen, ob die Regelung über die Abänderung von Versorgungsausgleichen in § 101 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 (BGBl. I, S. 700) Anwendung findet, wenn - wie bei dem Kläger - zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung ein Verfahren über die Abänderung des Versorgungsausgleichs eingeleitet ist, das erst nach Erlass des Bescheides über die Rentenbewilligung durch Zurücknahme des Abänderungsantrags beendet wird. Der Kläger kann sich auch auf einen Vertrauensschutz aus den §§ 45, 48 SGB X nicht berufen, da zumindest die Voraussetzungen der von der Beklagten angewendeten Rücknahmevorschrift in § 45 SGB X erfüllt sind.

Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten nach § 101 Abs. 3 Satz 3 SGB VI die Sätze 1 und 2 der Vorschrift mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 FamFG abzustellen ist, d.h. die Abänderung wirkt ab dem ersten des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person nach § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist nach Satz 2 dieser Vorschrift mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden.

Bei dem Verfahren über die Abänderung des Versorgungsausgleichs und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Zusammenhang mit der Ehescheidung handelt es sich um eigenständige Verfahren, d.h. das Verfahren über die Abänderung ist keine Fortführung des vorausgegangenen Verfahrens über den Versorgungsausgleich (vgl. BSG, Urteil vom 22. Februar 2022 - B 5 R 12/22 -, juris, RdNr. 19). Maßgeblich für die Anwendung der Regelung in § 101 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist nicht die Einleitung des Verfahrens auf Abänderung, sondern dessen Abschluss. Die Regelung ist im Übrigen im Kontext der Regelung des § 226 Abs. 2 FamFG zu würdigen, nach welcher der Antrag auf Abänderung des Wertausgleichs frühestens zwölf Monate - in der hier anzuwendenden, vom 1. September 2009 bis zum 31. Juli 2021 geltenden Fassung sechs Monate - vor dem Zeitpunkt zulässig ist, ab dem ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Wertausgleich bezieht oder dies aufgrund der Änderung zu erwarten ist. Es ist damit der Regelfall und nicht die Ausnahme, dass sich das Verfahren über die Abänderung des Wertausgleichs und das Verfahren über die Bewilligung einer Rente, die von der beantragten Abänderung betroffen ist, überschneiden. Es sprechen überwiegende Gesichtspunkte dafür, die Regelung in § 101 Abs. 3 SGB VI, die auf die „rechtskräftige Abänderung“ abstellt, entsprechend anzuwenden, wenn das Verfahren durch Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller beendet wird. Der Versicherungsträger kann bei einem Antrag auf Abänderung des Wertausgleichs, insbesondere wenn ein anderer Rentenversicherungsträger am Verfahren beteiligt ist, nicht absehen, in welcher Höhe die Rente nach Abschluss des Verfahrens vor dem Familiengericht endgültig zu leisten ist, und kann sich - wie die Beklagte es hier entschieden hat - entweder zunächst auf die Bewilligung nach Maßgabe der Entgeltpunkte ohne den Versorgungsausgleich oder eine Bewilligung nach Maßgabe der ursprünglichen Entscheidung des Familiengerichts beschränken, da § 101 Abs. 3 SGB VI die nachfolgende Neuberechnung nach Maßgabe der abschließenden Festlegung des Familiengerichts erlaubt. Ob - wie im vorliegenden Fall - der Betrag aus § 225 Abs. 3 FamFG für eine Abänderung erreicht ist, kann ein Rentenversicherungsträger nach Maßgabe der ihm vorliegenden Informationen regelmäßig nicht feststellen. Im Übrigen ist gegen die Entscheidung des Familiengerichts der Rechtsmittelzug für die Verfahrensbeteiligten eröffnet. Es entspricht nicht dem Zweck der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 3 SGB VI, es von der Disposition eines Verfahrensbeteiligten des Verfahrens vor dem Familiengericht durch Rücknahme des Antrags oder eines Rechtsmittels abhängig zu machen, ob - insoweit mit Rückwirkung für ggf. einen Zeitraum von mehreren Jahren - ein Vertrauensschutz nach § 45 bzw. § 48 SGB X erst geschaffen wird.

Der Kläger kann sich auch am Maßstab des § 45 SGB X hier nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig war, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sei Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X insbesondere nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; dabei liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat.

Mit der zeitlich mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 17. März 2016 - frühestens am 20. März 2016, ggf. aber auch später - zusammenfallenden Rücknahme des Antrags bei dem Familiengericht durch den Kläger war dieser Bescheid, der den Rentenanspruch des Klägers ab dem 1. Juni 2016 regelt, rechtswidrig, da der Versorgungsausgleich im Umfang des Beschlusses des Familiengerichts vom 29. Mai 2013 im Verfahren XXXXX (VA) weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers berücksichtigt wurde. Nach § 76 Abs. 1 und 3 SGB VI ist bei der Berechnung der Rente ein Versorgungsausgleich durch einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten zu berücksichtigen; eine Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten führt insoweit zu einem Abschlag an Entgeltpunkten.

Bei dem Kläger ist von einer positiven Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X auszugehen, dass der Versorgungausgleich in dem Bescheid vom 17. März 2016 nicht berücksichtigt wurde. Dass die Beklagte die Rente nicht am Maßstab der ggf. noch erfolgenden Abänderung des Wertausgleich berechnen konnte, ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger den Antrag bei dem Familiengericht erst mit Schreiben vom 21. März 2016 zurückgenommen hat, er also wusste, dass bei dem Bescheid mit Datum vom 17. März 2016 nicht von einer Erledigung des Abänderungsverfahrens ausgegangen werden konnte. Soweit das Sozialgericht insoweit in den Vordergrund gestellt hat, dass der Beklagten die Unzulässigkeit des Abänderungsantrags bekannt gewesen sei, berücksichtigt dies nicht, dass die Beklagte das Verfahren selbst nicht erledigen konnte. Bis Anfang April 2016 bestand für mehrere Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit, Einwendungen in Bezug auf den Entwurf des Familiengerichts zu äußern. Selbst wenn das Familiengericht den dem Schreiben vom 14. März 2016 beigefügten Entwurf unverändert im Rahmen eines Beschlusses umgesetzt hätte, wäre dessen Rechtskraft perspektivisch erst nach Rentenbeginn zu erwarten gewesen, selbst wenn keiner der hierzu Berechtigten ein Rechtsmittel eingelegt hätte. Der Kläger wusste, in welchem Umfang seine Rente durch den Versorgungsausgleich beeinflusst werden würde. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats zunächst aus der Rentenauskunft der Beklagten vom 29. März 2015. Die dem Kläger nur mit Abschlägen von 10,8 Prozent zustehende Altersrente für langjährig Versicherte konnte mit nur einer Rentenanpassung zum 1. Juli 2015 in der abschließenden Berechnung bei einem unverändert bleibenden Versorgungsausgleich nicht höher sein als die nicht von Abschlägen betroffene in der Rentenauskunft berechnete Regelaltersrente. Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung beim Familiengericht am 25. Januar 2016 hatte der Kläger nicht nur ermittelt, dass der Abänderungsantrag nach § 226 Abs. 2 FamFG frühestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt vor dem Rentenbeginn am 1. Juni 2016 zulässig war, sondern sich auch mit den differenzierten Regelungen der so genannten „Mütterrente I“ mit den am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Regelungen des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, 787) auseinandergesetzt. Dass der Kläger bis zur Aufnahme der laufenden Zahlung für Juni 2016 nicht wusste, dass die Rentenzahlung nicht in Umsetzung des Versorgungsausgleichs erfolgte, ist ausgeschlossen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nach eigenen Angaben die Beklagte kurz nach Rücknahme seines Abänderungsantrages bei dem Familiengericht kontaktiert hat.

Die Beklagte hat hier auch die Fristen aus § 45 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten.

Die Berechnung der ihm zustehenden Altersrente ist vom Kläger nicht gerügt worden und begegnet auch aus Sicht des Senats keinen Bedenken.

Die Beklagte hat bei Anwendung des § 45 SGB X auch die erforderliche Ermessensausübung vorgenommen. Soweit das BSG bei einem groben behördlichen Fehler dessen Berücksichtigung im Rahmen der Ermessensentscheidung für zwingend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2024 - B 8 SO 1/24 R -, juris, RdNr. 31 ff.), liegt in Bezug auf die Überzahlung der Rente des Klägers ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs hier kein vergleichbarer Fall vor. Das BSG hat die Vorgaben der Ermessensausübung für einen Fall konkretisiert, in dem die Behörde über einen langen Zeitraum ohne Verwaltungsakt zahlte und im Übrigen verabsäumte, einen Kontrollmechanismus zu etablieren, durch den eine Überschreitung der dort maßgebenden regelmäßigen Leistungsdauer von einem Jahr verhindert wurde. Demgegenüber wartete die Beklagte ein von dem Kläger durch den Antrag bei dem Familiengericht eingeleitetes Abänderungsverfahren ab, bei dem aus Behördensicht von einer später notwendig werdenden und ohne Bindung an einen Vertrauensschutz des Versicherten möglichen Korrektur auszugehen war. Dass im Ergebnis die Verfahrensbeendigung durch eine Rücknahme des Abänderungsantrags nicht zeitnah durch die Umsetzung der Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs erfolgte, betrifft schon einen nach Erlass des Rentenbewilligungsbescheides liegenden Behördenvorgang, der aus Sicht des Gesetzgebers durch Rücknahmefristen abgedeckt wird. Die vorgenannte Entscheidung des BSG stellt zwar auf Behördenvorgänge nach der ersten Zahlung ab. Dies ist indes bedingt durch den Umstand, dass den Zahlungen gerade kein Verwaltungsakt zugrunde lag. In Bezug auf die Vermögensdispositionen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach der Rentenauskunft vom 29. Mai 2015 mit einer Altersrente für langjährig Versicherte mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 961,68 € rechnen konnte, ihm nach der Neuberechnung mit Bescheid vom 14. Januar 2021 indes ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 995,44 € verbleibt.

Die Pflicht des Klägers, die überzahlte Rente zu erstatten, ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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