L 1 JVEG 771/24

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 771/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

§ 4 JVEG, § 20 JVEG, § 191 SGG

Sozialgerichtliches Verfahren - Auslagenvergütung - gerichtlich angeordnete Untersuchung - Entschädigung für Zeitversäumnis

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis ist nur dann zu gewähren, wenn durch die Teilnahme an dem Gerichtstermin ein Nachteil entstanden ist. Bei einem Bezieher von Erwerbsminderungsrente kann davon ausgegangen werden, dass durch die Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist. Ihm ist aufgrund seines Interesses am Verfahrensausgang mehr zuzumuten, als einem Zeugen.

Die Entschädigung der Erinnerungsführerin für die Teilnahme am Erörterungstermin am 18. September 2024 wird auf 51,30 € festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe

Die Entschädigung anlässlich der Teilnahme am Erörterungstermin am 18. September 2024 wird auf 51,30 € festgesetzt.

Nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Entschädigung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte - wie hier - oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt (Satz 1). Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (Satz 2 Nr. 1); dieses entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (Absatz 7 S. 1). Nach der internen Geschäftsverteilung des 1. Senats ist der Berichterstatter für die Bearbeitung der Verfahren nach § 4 JVEG zuständig.

Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2018 – L 1 JVEG 59/18, Rn. 1 m.w.N., zitiert nach Juris). Das Verbot der „reformatio in peius“ gilt nicht.

Danach errechnet sich die Entschädigung wie folgt:

Fahrtkosten sind in Höhe von 48,30 € zu erstatten (138 km x 0,35 €). Die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Fahrtstrecke von 152 km ist nicht anzusetzen.

Nach § 191 Halbs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,35 € für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, werden bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs angesichts der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht, wonach die Kosten eines Rechtsstreits so gering wie möglich zu halten sind, grundsätzlich nur die Kosten der kürzesten Reise-route erstattet (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O.), sofern dies zumutbar ist. Ausnahmen sind z.B. dann zu akzeptieren, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände des konkreten Einzelfalls (z.B. Umwege wegen Straßensperrungen) gerechtfertigt sind. Die Feststellung der kürzesten Strecke ist mit einem Routenprogramm möglich (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O.), wobei zu berücksichtigen ist, dass dessen Ergebnisse nur als Indiz für die notwendige Strecke dienen kann und es insofern ggf. erforderlich ist, die Wegstrecken am Wohn- und Aufenthaltsort und am Ort der Heranziehung sowie Umleitungen und Staus bei der Entfernungsberechnung zu berücksichtigen. Vorliegend beträgt die kürzeste Fahrtstrecke vom Wohnort der Erinnerungsführerin bis zum Parkplatz des Thüringer Landessozialgerichts 69 Kilometer. Diese Strecke ist bei der Fahrkostenentschädigung auch in Ansatz zu bringen. Ohne Erfolg macht die Erinnerungsführerin höhere Fahrkosten geltend. Zur Begründung beruft sie sich auf die Angaben des Kilometerzählers ihres Autos. Eine nähere Darlegung erfolgt nicht. Die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse weist insoweit zu Recht darauf hin, dass ausweislich eines gängigen Routenplaners für Hin- und Rückfahrt von 138 Kilometern auszugehen ist. Trotz Aufforderung durch den Senat hat die Erinnerungsführerin weitere Angaben zur Notwendigkeit einer längeren Fahrtstrecke z. B. aufgrund von Umleitungen und dergleichen nicht gemacht. Darüber hinaus stehen der Erinnerungsführerin 3,00 € Parkauslagen zu. Ausweislich des im Erinnerungsverfahren vorgelegten Parktickets fuhr die Erinnerungsführerin am 18. September 2024 um 12:44 Uhr auf den Parkplatz und verließ diesen wieder am gleichen Tag um 18:42 Uhr. Der Erörterungstermin war auf 13:15 Uhr geladen, laut Protokoll begann der Erörterungstermin um 13:22 Uhr und endete um 13:37 Uhr. Insoweit folgt der Senat der Auffassung der Urkundsbeamtin, dass es der Erinnerungsführerin zumutbar gewesen wäre, spätestens nach einer halben Stunde nach Ende des Erörterungstermins den Parkplatz gegen 14:07 Uhr wieder zu verlassen und die Rückfahrt anzutreten. Damit wäre bei großzügiger Betrachtung unter Berücksichtigung der Entstehung der Parkgebühr je angefangene Stunde eine Parkdauer von maximal 3 Stunden für die Terminwahrnehmung erforderlich gewesen. Dies entspricht dem übernommenen Betrag in Höhe von 3,00 €.

Ein Anspruch auf Tagegeld nach § 6 JVEG besteht nicht. Als Entschädigung für Aufwand ist nach § 6 Abs. 1 JVEG ein pauschaliertes Tagegeld i. H. v. 14,00 € bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden vom Wohnort zu gewähren. Unter Zugrundelegung der erforderlichen Fahrtzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt 2,5 Stunden und der Terminsdauer für den Erörterungstermin von 15 Minuten einschließlich der Möglichkeit, die Rückfahrt gegen 14:07 Uhr anzutreten, wird die erforderliche Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von zu Hause ersichtlich nicht erreicht. Gründe, warum die Erinnerungsführerin erst um 18:42 Uhr den Parkplatz verlassen hat, macht sie nicht geltend.

Darüber hinaus hat die Erinnerungsführerin - entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin in ihrem Schriftsatz vom 15. Januar 2025 - keinen Anspruch auf Entschädigung der geltend gemachten Zeitversäumnis in Höhe von 12,00 € (3 Stunden x 4,00 €).

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG scheidet aus.  Die Erinnerungsführerin bezog zum Zeitpunkt des Erörterungstermins Erwerbsminderungsrente. Nach der hier maßgeblichen Fassung des § 20 JVEG betrug die Entschädigung 4,00 € je Stunde, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, es sei denn, es ist dem Beteiligten durch seine Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Zwar hat die nicht erwerbstätige Erinnerungsführerin weder einen zu entschädigenden Verdienstausfall erlitten, noch sind Nachteile bei der Haushaltsführung zu entschädigen. Bei einem Bezieher von Erwerbsminderungsrente kann aber nach ständiger Senatsrechtsprechung davon ausgegangen werden, dass durch die Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2018 – L 1 JVEG 71/17, Rn. 20 m.w.N, zitiert nach Juris). Ein Prozessbeteiligter, dessen Verfahrensstellung und eigenes Interesse am Verfahrensausgang sich deutlich von der Situation eines Zeugen unterscheidet, erleidet durch die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu einem Gerichtstermin in eigener Sache keinen Nachteil. Aufgrund seines Interesses am Verfahrensausgang muss ein Prozessbeteiligter bereit sein, mehr hinzunehmen, als einem Zeugen zugemutet werden kann (vgl.             Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 2024 – L 10 KO 2115/24 –, zitiert nach Juris Rn. 28; Lange in jurisPK-SGG, Stand 15.06.2022, § 191 Rn. 36). Die Erinnerungsführerin kann frei über ihre Zeit verfügen. Eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Wahrnehmung eines Gerichtstermins in eigener Sache können nicht als entschädigungspflichtiger Nachteil angesehen werden.

Anhaltspunkte für sonstige Entschädigung nach dem JVEG sind nicht ersichtlich.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).

Rechtskraft
Aus
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