L 12 AS 77/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (10) AS 88/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 77/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 17/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Beim BSG erledigt durch Vergleich
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.10.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist zuletzt nur noch, ob die Klägerinnen in eine angemessen große Wohnung umgezogen sind. Zu entscheiden war die Frage, ob eine 76,3 qm große Wohnung für zwei Personen (alleinerziehende Mutter mit 15-jähriger Tochter) als angemessen groß angesehen werden kann. In Bezug auf weitere streitige Fragen haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen.

Die am 00.00.1964 geborene Klägerin zu 1) lebt mit ihrer am 00.00.1992 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), zusammen und steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II.

Zunächst wohnten die Klägerinnen - damals noch zusammen mit dem Sohn der Klägerin zu 1) - auf der Q-Str. 00 in L. Die dortige Wohnung der Kläger war 100 qm groß. Die Miete betrug 581,24 Euro. Mit Schreiben vom 24.01.2005 wies die damals zuständige Agentur für Arbeit E die Klägerinnen darauf hin, dass diese Wohnung unangemessen teuer sei. Für den damals noch aus 3 Personen bestehenden Haushalt sei eine Brutto-Kaltmiete von 390,00 Euro angemessen. Nachdem die Zuständigkeit für SGB II Leistungen auf den Beklagten zu 1) übergegangen war, wies auch dieser mit Schreiben vom 01.02.2005 auf die unangemessen hohen Kosten der Wohnung hin. In diesem Schreiben wurde den Klägerinnen weiter mitgeteilt, dass im Falle eines Umzugs in eine Wohnung zu einem angemessenen Preis unter der Voraussetzung einer vorherigen Zusicherung die Umzugskosten übernommen werden könnten. Am 16.03.2005 sprach die Klägerin zu 1) bei dem Beklagten zu 2) vor und teilte mit, dass sie - nunmehr nur noch mit der Klägerin zu 2) - zur L Str. 0 in E ziehen wolle. Ausweislich einer von der Klägerin zu 1) bereits damals vorgelegten Bescheinigung des Vermieters dieser Wohnung hat diese eine Fläche von 76,3 qm. Die Miete beträgt 517,29 Euro. Darin enthalten ist eine Netto-Kaltmiete von 325,80 Euro, eine Nebenkostenpauschale von 66,49 Euro, Heizkosten von 70,00 Euro, Warmwasserkosten von 10,00 Euro und Kosten für eine Garage in Höhe von 45,00 Euro. Die Wohnung ist ausweislich des Mietvertrages öffentlich gefördert, so dass ein Wohnberechtigungsschein erforderlich ist. Der Beklagte zu 2) teilte der Klägerin zu 1) mit, dass diese Wohnung unangemessen teuer sei. Für die Kläger komme lediglich eine Höchstmiete von 365,00 Euro brutto-kalt als Erstattungsbetrag in Betracht. Diese Belehrung wurde schriftlich festgehalten und von der Klägerin zu 1) unterschrieben. Gleichwohl bezogen die Kläger die Wohnung zum 01.05.2005. Dabei fielen Kosten für einen Leihwagen in Höhe von 1.206,40 Euro an. Einen am 12.04.2005 gestellten Antrag der Klägerinnen auf Übernahme der Umzugskosten lehnte der Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 27.04.2005 ab, da der Umzug in- eine unangemessen teure Wohnung erfolgt sei. Hiergegen legten die Klägerinnen am 09.05.2005 Widerspruch ein. Die Umzugskosten seien zu ersetzen, da der Umzug durch die Beklagte zu 1) veranlasst worden sei. Die Behauptung, die Kosten der neuen Wohnung seien unangemessen, treffe nicht zu. Entscheidend sei, dass die Klägerinnen die Miete gesenkt hätten. Mit Bescheid vom 13.05.2005 bewilligte der Beklagte zu 2) den Klägern Leistungen für den Zeitraum Mai bis Oktober 2005 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 365,00 Euro brutto-kalt sowie Heizkosten von 80,00 Euro abzüglich eines Warmwasseranteils von 10,00 Euro, zusammen 435,00 Euro. Da die Wohnung angemietet worden sei, obwohl keine Zusicherung erteilt worden sei, könne nur der angemessene Betrag erstattet werden. Der Beklagte zu 2) erließ für den genannten Bewilligungszeitraum weitere Bescheide am 24.05., 23.06., 22.07., 23.08. und 23.09., in denen ebenfalls nur der zuvor genannte Betrag für LUH genannt wurde. Gegen diese Bescheide legten die Kläger am 23.06.2005, 04.08.2005, 26.08.2005, 21.09.2005 und 12.10.2005 Widersprüche ein. Die Angemessenheit der Wohnung sei schon deshalb gegeben, da die Wohnung öffentlich gefördert sei. Insofern werde auf den Beschluss des Sozialgerichtes - SG - Dortmund vom 08.02.2005 (S 33 AS 14/05 ER) verwiesen. Mit Schreiben vom 22.08.2005 erklärte der Beklagte zu 2), dass er den Widerspruch vom 23.06.2005 auch als fristgerechten Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 13.05.2005 ansehe. Im Hinblick auf die Ablehnung der Umzugskosten erließ der Landrat des Kreises E am 20.07.2005 (zugegangen beim Prozessbevollmächtigten der Kläger am 25.07.2005) einen ablehnenden Widerspruchsbescheid. Am 23.11.2005 erließ er des Weiteren einen ablehnenden Widerspruchsbescheid im Hinblick auf die Widersprüche gegen die Höhe der LUH. Der von den Klägerinnen angeführte Beschluss des SG Dortmund sei hier nicht einschlägig, da in dem dort zu Grunde liegenden Fall die Größe der Wohnung angemessen gewesen sei. Angemessen für 2 Personen sei eine Wohnung von 60 qm bei einem qm-Preis von maximal 6,06 EUR. Übernommen wurden ab 01.05.2005 monatlich 365,00 EUR für Unterkunftskosten. Gegen diese Widerspruchsbescheide haben die Klägerinnen Klagen vor dem Sozialgericht in Köln vom 25.08.2005 und 09.12.2005 erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 13.04.2006 verbunden hat. Die Klägerinnen haben vorgetragen, ihre neue Wohnung sei schon deshalb angemessen, da es sich um öffentlich geförderten Wohnraum handele. Weiter sei das von den Beklagten herangezogene Wohngeldgesetz für die Bestimmung der Angemessenheit der LUH nicht geeignet. Die Warmmiete der neuen Wohnung übersteige den erstattungsfähigen Betrag lediglich um 27,21 Euro und damit um weniger als 10%. Insofern hätten die Beklagten Ermessen ausüben müssen. Außerdem habe das SG Aachen in seinem Urteil vom 16.11.2005 (S 11 AS 70/05) entschieden, dass Alleinerziehenden mit Kindern ein weiterer Raum zugebilligt werden müsse. Deshalb sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für die Klägerinnen 75 qm angemessen seien. Die Klägerinnen haben vor dem Sozialgericht beantragt, 1.den Bürgermeister der Stadt E unter Abänderung der Verwaltungsakte vom 13.05., 24.05., 23.06., 22.07., 23.08. und,23.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11,2005 zu verurteilen, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für Mai bis Oktober 2005 zu gewähren, 2.den Bürgermeister der Gemeinde L unter Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 27.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 zu verurteilen, Umzugskosten in Höhe von 1.206,40 Euro zu zahlen. Die Beklagten haben beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagten haben ihr Vorbringen wiederholt und vorgetragen, die neue Wohnung der Klägerinnen sei zu groß. Den besonderen Bedürfnissen von Alleinerziehenden sei bereits in hinreichender Weise durch den entsprechenden Mehrbedarf nach § 21 SGB II Rechnung getragen. Mit Urteil vom 23.10.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. wörtlich ausgeführt: "Die Klage ist unbegründet, da die Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert sind. Diese sind rechtmäßig. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf höhere LUH noch auf Erstattung der Umzugskosten. Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten gemäß §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II LUH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind die tatsächlichen Aufwendungen so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Begriff der Angemessenheit wird im SGB II nicht definiert. Die nach § 27 Nr. 2 SGB II zu diesem Zweck vorgesehene Verordnung ist bislang noch nicht erlassen worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das von diesen zur Bestimmung des Begriffes der Angemessenheit herangezogene Wohngeldgesetz (WoGG) im Regelfall nicht geeignet, den Begriff der Angemessenheit zu konkretisieren. Die vielfach gegen die Anwendung des WoGG vorgetragenen Bedenken (vgl. Hessisches Landessozialgericht -LSG - , Beschluss vom 28.03.2006, L 7 AS 122/05 ER; SG Bayreuth, Urteil vom 23.06.2006, S 4 AS 535/05; SG Konstanz, Gerichtsbescheid vom 03.05.2006, S 9 AS 2353/05; SG Osnabrück, Urteil vom 05.05.2005, S 22 AS 295/05 sowie SG Aachen, Urteil vom 10.08.2006, S 9 AS 48/06) wurden zwischenzeitlich durch das Bundessozialgericht -BSG - bestätigt. Danach ist "nicht von vornherein und pauschal auf die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz" zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Terminbericht Nr. 58/06). Die im konkreten Fall als angemessen anzusehenden Kosten von Unterkunft und Heizung ergeben sich vielmehr aus dem Produkt einer von der Zahl der Personen abhängigen, abstrakt zu bestimmenden Quadratmeterzahl und einem nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmenden Quadratmeterpreis. Die Bestimmung der als angemessen anzusehenden Quadratmeterzahl erfolgt unter Bezugnahme auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz. Die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises erfolgt unter Zuhilfenahme des örtlichen Mietspiegels, wobei auf einen Wohnungsstandard im unteren Marktsegment abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005, L 19 B 28/05 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.04,2006, L 9 AS 39/06 ER und jetzt auch BSG, a.a.O.; vgl. weiter zur Bestimmung der angemessenen LUH LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, L 19 B 21/05 AS ER). Gemäß Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (vgl. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 23 vom 10.05.2002, Seite 400) stehen einem Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen - wie im vorliegenden Fall 60 qm zu. Nach dem von den Klägern zitierten Urteil der 11. Kammer des Sozialgerichts Aachen vom 16.11.2005 (S 11 AS 70/05) sind jedoch Ausnahmen von den Vorgaben der Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz möglich. Diese sehen in Ziffer 5.72 einen zusätzlichen Raum bzw. eine zusätzliche Wohnfläche von 15 qm für bestimmte Sonderfälle vor, unter anderem für Alleinerziehende mit Kindern ab vollendetem sechstem Lebensjahr. Wenn für die Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs in § 22 SGB II die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz herangezogen würden, so die 11. Kammer in dem genannten Urteil, so müssten neben den Regelangaben in Ziffer 5.71 auch die Ausnahmen nach Ziffer 5.72 zur Anwendung kommen. Dafür spreche weiter, dass die in Ziffer 5.72 berücksichtige besondere Situation von Alleinerziehenden auch im SGB II anerkannt sei, das in § 21 Abs. 3 SGB II einen entsprechenden Mehrbedarf zuerkenne. Die Übernahme dieser Ausnahmevorschrift in das SGB II sei auch insofern gerechtfertigt, als sich die Situation eines Ehepaares mit einem Kind von der eines Alleinerziehenden mit zwei Kindern unterscheide. Während das Ehepaar in einer 3-Zimmer-Wohnung, wie sie Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz für einen 3-Personen-Haushalt vorsieht, über ein Wohn-, ein Schlaf- und ein Kinderzimmer verfüge, sei der Alleinerziehende in einer solchen Wohnung gezwungen, entweder beide Kinder in einem Raum unterzubringen oder auf das Wohnzimmer zu verzichten. Diese Überlegung könne, so die Kläger, auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Würden sie auf eine 2-Zimmer-Wohnung verwiesen,, müssten sie entweder auf ein eigenes Zimmer für die Klägerin zu 2) oder auf ein Wohnzimmer verzichten. Die Kammer schließt sich der von den Klägern angeführten Rechtsprechung - jedenfalls für den hier vorliegenden Fall eines Alleinerziehenden mit einem Kind - nicht an. Werden für eine alleinerziehende Person mit einem Kind drei Wohnräume für notwendig gehalten, dann bedeutet dies letztlich nicht nur die Anerkennung eines einzelnen Zimmers für ein Kind, sondern darüber hinaus die Anerkennung eines "Rechts auf ein Wohnzimmer". Denn dem hier unterstellten Bedürfnis eines Kindes auf ein eigenes Zimmer könnte auch in einer Wohnung mit zwei Wohnräumen Rechnung getragen werden. Wird aber durch Anerkennung eines weiteren Raumes im vorliegenden Fall letztlich ein "Recht auf ein Wohnzimmer" stipuliert, so führt dies zu Wertungswidersprüchen im Vergleich mit der für einen Alleinstehenden als angemessen angesehenen Wohnfläche. Nach Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz steht einem Alleinstehenden nämlich nur eine Wohnfläche von 45 qm zu, was einer Wohnung mit einem Wohnraum entsprechen soll. Wird nun einem Alleinerziehenden mit einem Kind neben einem eigenen Raum für das Kind auch ein Wohnzimmer zuerkannt, so stellt sich die Frage, warum dann nicht auch der Alleinstehende ein "Recht auf ein Wohnzimmer" haben soll. Die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz sehen ein solches aber nicht vor. Problematisch erscheint des Weiteren die Grundannahme der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz, dass eine 45 qm große Wohnung über einen Wohnraum, eine 60 qm große Wohnung über 2 Wohnräume usw. verfügen soll. Auch wenn dies im Regelfall so sein sollte, so gibt es doch Wohnungen, die bei gleicher Quadratmeterfläche über einen weiteren Raum verfügen. Jedenfalls bestehen Zweifel daran, dass über den Angemessenheitsbegriff des § 22 SGB II ein Anspruch auf eine bestimmte Zahl von Wohnräumen gegeben sein soll. Dagegen spricht auch die so genannte Produkttheorie, die bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach ganz überwiegender Ansicht zur Anwendung kommen soll (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. und jetzt auch BSG, a.a.O.). Danach kommt es - wie bereits beschrieben - letztlich nicht auf die einzelnen Faktoren der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft an, sondern eben auf das Produkt dieser Berechnung. Die Hilfebedürftigen haben dadurch die Möglichkeit, beispielsweise eine größere, dafür aber weniger günstig gelegene Wohnung anzumieten, solange nur der Preis nicht die Angemessenheitsgrenze überschreitet. Auf diese Weise wird den Hilfebedürftigen ein Spielraum eröffnet, der dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II niedergelegten Grundsatz der Eigenverantwortung entspricht. Die demnach maßgeblichen 60 qm sind zu multiplizieren mit einem Quadratmeterpreis von 4,48 Euro. Ausgehend davon, dass Hilfebedürftige auf Wohnungen im unteren Preissegment zu verweisen sind, ermittelt die Kammer den angemessenen Quadratmeterpreis, indem auf den Mindestquadratmeterpreis für eine Wohnung mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage 30% der Preisspanne zum höchsten Quadratmeterpreis aufgeschlagen werden (vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 25.09.2006, S 23 (15) AS 145/05). Der Mietspiegel für die Stadt E sieht insofern eine Spanne von 3,70 Euro bis 6,30 Euro vor. 30% der Differenz von 3,70 Euro zu 6,30 Euro (2,60 Euro),sind 0,78 Euro, so dass der maßgebliche Wert 4,48 Euro beträgt. Werden zu dem Produkt (268,80 Euro) die tatsächlichen Nebenkosten (ohne Kosten der Warmwasseraufbereitung und der Garage) von 66,49 Euro hinzugerechnet, so ergibt sich eine Brutto-Kaltmiete von 335,29 Euro. Dieser Betrag liegt sogar noch unter dem von dem Beklagten zu 2) angesetzten Betrag von 365,00 Euro. Der Unangemessenheit der Wohnung L Str. 23 steht weiter nicht entgegen, dass es sich dabei um eine öffentlich geförderte Wohnung handelt, deren Bezug einen Wohnberechtigungsschein erfordert. Wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, steht dem insbesondere nicht der Beschluss des Sozialgerichtes Dortmund vom 08.02.2005 (S 33 AS 14/05 ER) entgegen. Denn im dortigen Fall hatte das Gericht zunächst festgestellt, dass die Wohnfläche angemessen sei. Erst in einem zweiten Schritt wurde für diese als angemessen groß angesehene Wohnung festgestellt, dass dann auch auf Grund der öffentlichen Förderung der Preis als angemessen anzusehen sei. Im vorliegenden Fall überschreitet dagegen die Wohnung mit 76,3 qm die als angemessen angesehene Fläche von 60 qm deutlich. Darüber hinaus bestehen Bedenken dagegen, dass die öffentliche Förderung einer Wohnung tatsächlich maßgeblich für die Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des SGB II sein soll. Denn die Wohnraumförderung hat als Zielgruppe einen größeren bzw. anderen Kreis von Personen als das SGB II. Dies ergibt sich aus § 1 Wohnraumförderungsgesetz - WoFG - und den für den Erwerb eines Wohnberechtigungsscheines nach § 5 Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG - und § 27 WoFG maßgeblichen Einkommensgrenzen, die deutlich über den Bedarfssätzen des SGB II liegen (vgl. §§ 9,20 ff. WoFG). Der Beklagte zu 2) war auch berechtigt, unmittelbar ab Einzug der Kläger in ihre neue Wohnung nur noch den angemessenen Betrag zu zahlen. Dem steht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht im Wege. Die dort vorgesehene vorübergehende Tragung der tatsächlichen Kosten ist für den Fall vorgesehen, dass der Hilfebedürftige einen Umzug aus einer unangemessen teuren Wohnung plant und zur Suche einer angemessen großen Wohnung Zeit benötigt. Würde diese Frist durch einen Umzug ohne Zustimmung des zuständigen Leistungsträgers von Neuem zu laufen beginnen, so könnte der Hilfebedürftige durch entsprechend häufige Umzüge eine Reduzierung der Kosten auf einen angemessenen Betrag dauerhaft verhindern. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass innerhalb von E kein Wohnraum zu dem als angemessen anzusehenden Preis vorhanden gewesen wäre. Dafür spricht bereits die von dem Beklagten zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte umfangreiche Liste mit Wohnungsangeboten aus E, die zum Teil auch Drei-Zimmer-Wohnungen umfassen. Zwar beziehen sich diese Angebote auf den Zeitraum März bis Mai 2006. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Situation im Jahr zuvor grundlegend anders gewesen sein sollte. Des Weiteren besteht kein Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Denn es fehlt schon an der vorherigen Zusicherung durch den kommunalen Träger. Dabei kann hier unentschieden bleiben, ob eine vorherige Zustimmung ausnahmsweise entbehrlich sein kann (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.04.2006, L 20 B 79/06 AS ER). Denn weitere Voraussetzung für die Übernahme von Umzugskosten ist die Angemessenheit der Kosten der neuen Wohnung (vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 28.03.2006, S 25 AS 145/06 ER; SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2006, S 28 AS 273/06 ER; SG Aachen, Urteil vom 06.10.2006, S 8 AS 51/06; offen gelassen in LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.01.2006, L 13 AS 4740/05 ER-B). Wie bereits oben gezeigt, ist die neue Wohnung hier gerade nicht angemessen." Gegen dieses ihnen am 06.12.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.12.2006 eingegangene Berufung der Klägerinnen. Sie rügen, dass nur 60 qm als angemessen angesehen worden seien und machen folgende Punkte geltend:

1.Der Klägerin zu 1) sei wegen Alleinerziehung ein weiterer Wohnraum von etwa 15 qm Wohnfläche zuzugestehen. Die Klägerin zu 1) sieht eine Ungleichbehandlung gegenüber einem Ehepaar mit einem Kind, welchem eine entsprechende Quadratmeterzahl zugestanden werde.

2. Die Klägerin zu 1) sieht ferner eine Ungleichbehandlung gegenüber einem Eigenheimbesitzer, dem vom Bundessozialgericht (Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 07.11.2006 - B 7 b AS 2/05 R -) bei 2 Personen eine Wohnfläche von 80 qm zugestanden worden sei. Wenn man bei einer Mietwohnung für 2 Personen demgegenüber nur eine zumutbare Wohnfläche von 60 qm für zumutbar halte, verstoße dies gegen das Grundgesetz.

3. Sie weist erneut darauf hin, dass die Wohnung öffentlich gefördert worden sei. Hieraus folge bereits, dass die Quadratmeterzahl als angemessen angesehen werden müsse. Wegen des genauen Wortlauts der beanstandeten Punkte wird auf den Berufungsschriftsatz vom 21.12.2006 Bezug genommen.

Während des Berufungsverfahrens haben sich die Beteiligten auf Vorschlag des Senats wie folgt verglichen:

"1. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die Entscheidung des Rechtsstreits allein davon abhängt, ob es sich bei dem Umzug der Klägerinnen in die Wohnung L Straße 0 in E um einen Umzug in eine Wohnung von angemessener Größe gehandelt hat. Diese Frage wird zur Entscheidung durch den Senat gestellt.

2. Das Rechenwerk der Beklagten zu 2) zur Höhe der zustehenden Leistungen wird mit Ausnahme der zu berücksichtigenden qm-Zahl für die Wohnung (incl. Heizkosten) nicht angegriffen.

3. Sollte rechtskräftig festgestellt werden, dass die qm-Zahl der derzeitigen Wohnung angemessen ist, wird der Beklagte zu 1) die geltend gemachten Umzugskosten in Höhe von 1.206,40 EUR übernehmen."

Nach Abschluss dieses Teilvergleiches beantragen die Klägerinnen,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.10.2006 zu ändern und bei der Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung eine Quadratmeterzahl von 76,3 als angemessen zugrunde zu legen für die hier streitige Zeit von Mai bis Oktober 2005.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass eine zumutbare Quadratmeterzahl von 60 für einen Zweipersonenhaushalt angemessen sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um ein verheiratetes Ehepaar oder eine alleinerziehende Mutter mit einem minderjährigen Kind handele. Wegen des genauen Wortlautes der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz vom 18.01.2007 Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte und der die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn die Streitwertgrenze des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 500,00 EUR wird schon allein durch die ursprünglich streitigen Umzugskosten von 1.206,40 EUR überschritten. Dadurch, dass die Beteiligten die streitigen Punkte im Berufungsverfahren durch Vergleich auf 493,74 EUR (= 6 x streitige monatliche Differenz von 82,29 EUR) beschränkt haben, wird die Berufung nicht unzulässig (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Randnr. 19).

Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Der Beklagte zu 2) hat es zu Recht abgelehnt, dem Umzug in eine 76,3 qm große Wohnung in der L Straße 0 zuzustimmen. Die Wohnung ist unangemessen groß. Den Klägerinnen stehen nur maximal 60 qm zu. Die Beteiligten konnten den Rechtsstreit auch zulässigerweise auf diese Teilfrage beschränken (vgl. BSG vom 07.11.2006 - B 7 b AS 8/6 R, Rnr. 17-23), weil alle anderen Punkte wie z.B. Angemessenheit der Umzugskosten, Rechenwerk des Beklagten zu 2) bzw. des Sozialgerichts bezogen auf eine 60-Quadratmeter-Wohnung und Übernahmefähigkeit der Nebenkosten dem Grunde nach nicht umstritten sind.

Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten gemäß den §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der Angemessenheit wird im SGB II nicht definiert. Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Auffassung, dass die im konkreten Fall als angemessen anzusehenden Kosten von Unterkunft und Heizung sich aus dem Produkt einer von der Zahl der Personen abhängigen, abstrakt zu bestimmenden Quadratmeterzahl und einem nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmenden Quadratmeterpreis ergeben. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass einem Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen - wie im vorliegenden Fall - lediglich 60 qm zustehen. Der Senat schließt sich voll inhaltlich den Ausführungen des Sozialgerichts ab Seite 6 der Entscheidungsgründe an und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Das Berufungsvorbringen gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Insbesondere stehen den Klägerinnen nicht 75 qm oder ein weiterer abgeschlossener Raum deshalb zu, weil die Klägerin zu 1) alleinerziehend ist und der Klägerin zu 2) ein eigener Rückzugsraum in der Wohnung zur Wahrung der Privatsphäre zustehe. Eine Benachteiligung gegenüber einer Drei-Personen-Familie bestehend aus einem Ehepaar plus einem Kind, denen 75 qm zugebilligt werden, sieht der Senat entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht. Das Sozialgericht ist auf diesen Punkt bereits eingegangen und hat sich auf den Seiten 6 bis 8 der Entscheidungsgründe ausführlich mit der Gegenmeinung auseinandergesetzt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Senat hat sich dieser Auffassung bereits in der Vergangenheit angeschlossen, ohne dies bisher entscheiden zu müssen (vgl. Protokoll vom 25.07.2007 in der Sache L 12 AS 74/06) und hält hieran fest.

Soweit die Klägerinnen auf Seite 4 ihrer Berufungsschrift vom 21.12.2006 auf das BSG-Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 2/05 R - hinweisen, wonach bei Eigentumswohnungen einer Einzelperson sogar 80 qm zugebilligt würden, was dann aus Gleichbehandlungsgrundsätzen auch Mietern zuzugestehen sei, so kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden, wie sich dies bereits aus der Begründung des zitierten Urteils selbst ergibt. Das BSG hat unter der Randnr. 24 in dem zitierten Urteil wörtlich ausgeführt:

"Die Heranziehung unterschiedlicher Wohnflächengrenzen zur Festlegung der Angemessenheit für selbstgenutztes Wohneigentum einerseits und für Mietwohnungen (vgl. hierzu eingehend: Urteil des Senats vom 07. November 2006 - B 7 b AS 18/06 R -) andererseits wird durch die unterschiedlichen Ziele, denen die Prüfung der Angemessenheit jeweils dient, gerechtfertigt und bedeutet auch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG keine unzulässige Besserstellung von Wohnungseigentümern gegenüber Mietern. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers (vgl. Lauterbach, NJ 2006, 488, 491). Die Angemessenheitskontrolle im Rahmen von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II hat insoweit nicht das Ziel, eine Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers für unverhältnismäßige Unterkunftskosten des Hilfebedürftigen auszuschließen. Art. 3 Abs. 1 GG ist dagegen tangiert, wenn es um die Übernahme der Unterkunftskosten von Mietern einerseits und Haus- und Wohnungseigentümern andererseits geht, etwa im Hinblick auf die Höhe der Kaltmiete einerseits und der Darlehenskosten andererseits sowie in Bezug auf Heizungs- und sonstige Nebenkosten. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei § 22 Abs. 1 SGB II wird eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen sein. Nicht zuletzt der Ausschluss der Übernahme von Tilgungsraten (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 07. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R) ist in diesem Zusammenhang zu erörtern. Derartige Kosten sind vorliegend aber gerade nicht streitig."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des BSG an und macht sie sich zu eigen.

Der Umstand, dass die Wohnung der Klägerinnen öffentlich gefördert worden ist, hat auf die Entscheidung keinen Einfluss. Auch auf diesen Punkt ist das Sozialgericht eingegangen. Auf Seite 8 unten der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Es darf hier keine Entscheidung, ob bei einer Wohnung von angemessener Größe ein Quadratmeterpreis bei öffentlicher Förderung, der über dem an sich örtlich angemessen liegt, zu akzeptieren sein könnte. Diese Frage stellt sich hier nicht, da die Wohnfläche bereits nicht angemessen ist.

Ermittlungen dazu, ob von Mai bis Oktober 2005 angemessener Wohnraum zur Verfügung gestanden hat (vgl. Urteil des BSG vom 07.11.2006 - B 7 b AS 18/06 R - dort Randziffer 22) waren angesichts des geschlossenen Teilvergleichs nicht mehr anzustellen. Im Übrigen dürfte im Hinblick auf die vom Beklagten zu 2) im Termin vorgelegten Unterlagen auch hiervon auszugehen sein.

Geht man vom 60 qm als angemessener Wohnraum für die Klägerinnen aus, dann ist die Höhe der übernommenen Kosten der Unterkunft durch die Beklagten zu 2) nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist von 6,00 EUR pro qm ausgegangen, während nur 4,48 EUR angemessen gewesen wären. Auf die Berechnung des Sozialgerichts auf Seite 8, 2. und 3. Absatz des Urteils wird Bezug genommen. Hiernach hätte der Beklagte nur 335,29 EUR als Bruttokaltmiete übernehmen müssen. Durch die aufgrund einer unzutreffen-den Ausgangsrechnung des Beklagten zu 2) anerkannten 365,00 EUR werden die Klägerin-nen begünstigt und nicht beschwert, so dass insoweit eine Korrektur nicht zu erfolgen hatte.

Die Kostenenscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bezüglich der Frage zumisst, welche Quadratmeterzahl an Wohnfläche einer alleinerziehenden Mutter mit 15-jähriger Tochter in der Bedarfsgemeinschaft als angemessen zuzubilligen ist. Das Sozialgericht hat bereits auf gegenteiligte Rechtsprechung hingewiesen. Da hierzu eine gesicherte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht vorliegt, ist der entschiedenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beizumessen.
Rechtskraft
Aus
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