L 6 VS 3164/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VS 1668/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 3164/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente.

Der 1963 geborene Kläger verspürte am 23.07.1984 während seines Wehrdienstes beim Absetzen einer zuvor angehobenen Ankerwelle einen stechenden Schmerz in der Lendenwirbelsäule (LWS).

Am 28.08.1985 beantragte er Beschädigtenversorgung. Aktenkundig wurde unter anderem der Arztbrief des Rehabilitationskrankenhauses K.-L. vom 07.11.1985 über die stationäre Behandlung vom 25.09.1985 bis zum 14.10.1985. Danach ergab die dort durchgeführte Computertomographie von Th 11/12 keinen Hinweis für eine paravertebrale Raumforderung. Dr. L. führte in seinem chirurgischen Gutachten vom 13.05.1986 unter Berücksichtigung des neurologischen Gutachtens des Dr. G. vom 02.04.1986 aus, es liege als Schädigungsfolge eine Bewegungsbehinderung der LWS infolge einer anlagebedingten knöchernen Veränderung der LWS im Sinne einer Verschlimmerung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v. H.) ab 01.07.1985 vor. Hierauf gestützt anerkannte der Beklagte mit Bescheid vom 07.07.1986 eine Bewegungsbehinderung der LWS infolge einer anlagebedingten knöchernen Veränderung der LWS, verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) als Schädigungsfolge, und lehnte die Gewährung von Beschädigtenrente ab, da eine MdE um mindestens 25 v. H. nicht erreicht werde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Aktenkundig wurde der Röntgen-Durchleuchtungs-Aufnahmebefund von Dr. L. vom 09.10.1986, wonach die am 09.10.1986 durchgeführte Röntgenaufnahme des Thorax keine pathologischen Veränderungen ergab. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.1987 zurück. Aktenkundig wurde das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 01.10.1987. Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 31.07.1987 erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Urteil vom 19.10.1988 ab (S 10 V 1896/87).

Am 09.03.1995 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 07.07.1986. Er trug zur Begründung vor, das schädigende Ereignis sei nicht im Sinne der Verschlimmerung, sondern im Sinne der Hervorrufung anzuerkennen. Dr. R. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.07.1996 aus, die Bezeichnung der Wehrdienstschädigung im Sinne der Verschlimmerung sei missverständlich, da der Bandscheibenvorfall erstmals während der Bundeswehrzeit im Zusammenhang mit einem schädigenden Ereignis aufgetreten sei. Hierauf gestützt nahm der Beklagte mit Bescheid vom 25.07.1996 den Bescheid vom 07.07.1986 insoweit zurück, als darin über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen entschieden worden war. Als Wehrdienstbeschädigungsfolge nach dem SVG wurde ab 01.01.1991 ein Bandscheibenvorfall bei L5/S1 mit sensiblen Reizerscheinungen im Segment S1, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG, anerkannt. Die dadurch bedingte MdE erreiche weiterhin nicht den rentenberechtigenden Grad von mindestens 25 v. H. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Prof. Dr. H., Orthopäde am Klinikum K. in L., führte in seinem orthopädischen Gutachten vom 14.04.1998 aus, es ergebe sich kein Anhalt für einen noch bestehenden Bandscheibenvorfall, jedoch für ein Wirbelgleiten. Bei bestehender Osteochondrose L5/S1 und bestehender Spondylolyse L5 links sei eine MdE um 20 v. H. durchaus vertretbar. Ob es sich hier um eine Schädigungsfolge handele, könne retrospektiv nicht nachvollzogen werden. Weitere Schädigungsfolgen während des Wehrdienstes seien sicher auszuschließen. Ein neurologisches Zusatzgutachten sei aber zum Ausschluss neurologischer Störungen einzuholen. Dr. Z.-C. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.06.1998 aus, eine neurologische Störung (Myelopathie) wäre in keinem Fall ein Versorgungsleiden, weil sie nicht durch ein Hebetrauma zu Stande kommen könne. Eine weitere Abklärung sei deswegen nicht erforderlich. Der Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.1998 zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG. Das SG holte das neurologische Gutachten des Arztes M., Leiter der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Bundeswehrzentralkrankenhauses in K., vom 07.09.1999 ein. Er gelangte zu der Einschätzung, die Ausfälle im Segment L5/S1 seien mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich durch die Wehrdienstschädigung verursacht worden. Ob die anderen neurologischen Ausfälle als Wehrdienstschaden zu werten seien, könne retrospektiv nicht nachvollzogen werden. Die MdE sei mit 20 v. H. angemessen beurteilt. Wegen des vom Kläger beabsichtigten Überprüfungsantrages ordnete das SG mit Beschluss vom 08.11.1999 das Ruhen des Klageverfahrens an (S 3 V 3727/98).

Am 21.05.2002 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Vorgelegt wurden unter anderem die Arztbriefe des Radiologen Dr. M. über eine am 02.04.2002 durchgeführte Kernspintomographie der Brustwirbelsäule (BWS) und des Universitätsklinikums Freiburg vom 14.06.2002 sowie ein Laufblatt der Hausärzte Dr. St./Dr. W. Dr. M. beschrieb im Bereich der BWS keine pathologierelevante Auffälligkeit und im Bereich der LWS einen kleinen Vorfall L5/S1. Die Ärzte des Universitätsklinikums F. führten aus, von einer organischen Ursache der urologischen Beschwerden des Klägers sei nicht auszugehen. Dr. St./Dr. W. berichteten, eine am 11.04.2000 durchgeführte Röntgen-Thorax-Aufnahme habe keinen Anhalt für Rippenfrakturen ergeben. Dr. P. gelangte in dem versorgungsärztlichen Gutachten vom 20.03.2003 zu dem Ergebnis, aufgrund der klinischen Befunde an der Wirbelsäule und den unteren Extremitäten ergebe sich keine Änderung an den anerkannten Schädigungsfolgen. Zu den Akten gelangte der Arztbrief des Radiologen Dr. K. über eine am 23.05.2003 durchgeführte Kernspintomographie der Halswirbelsäule (HWS) und BWS, in welchem unter anderem "möglicherweise" als Folge eines alten Traumas eine Deckplattenimpression des BWK 11 beschrieben wurde. Dr. R. schloss sich in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.08.2003 der Einschätzung von Dr. P. an. Daher lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.08.2003 den Verschlimmerungsantrag ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Dr. Z.-C. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.09.2003 aus, die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich nicht verschlimmert. Hierauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2003 zurück.

Am 06.02.2004 beantragte der Kläger die Anerkennung von "BWK 11 Impressionsfraktur und die daraus entstandenen Folgeschäden" und die Rücknahme des Bescheides vom 25.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1998. Bei den aktuellen Untersuchungen sei festgestellt worden, dass es bei dem Verhebetrauma nicht nur zu einem Bandscheibenprolaps gekommen sei, sondern auch zu einer Impressionsfraktur des BWK 11. Der Kläger legte von der B.-Klinik in Ü. den Kurzarztbericht vom 12.11.2003 und den Arztbrief vom 01.12.2003 sowie von der Stadtklinik in B.-B. die Arztbriefe vom 04.12.2003, 09.12.2003 und 19.12.2003 vor. Die Ärzte der Stadtklinik B.-B. beurteilten die am 05.12.2003 durchgeführte Kernspintomographie der BWS und oberen LWS im Sinne einer beginnenden Osteochondrose Th 10/11, einer diskreten Keilform des BWK 11 und einer zentralen Einsenkung der Deckplatte des BWK 12, "z. B. alte Impressionsfraktur". Dr. Z.-C. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.03.2004 aus, der Unfallmechanismus komme für eine Impressionsfraktur nicht in Betracht. Die kleine Einsenkung der Deckplatte am BWK 12 und die diskrete Keilform des BWK 11 könnten auf alten Frakturen beruhen, deren Entstehung unklar bleibe. Sie hätten keine Konsequenzen für den neurologischen Befund, da dadurch bis auf eine minimale Bandscheibenprotrusion im Bewegungssegment Th 10/11 keine funktionellen Abweichungen gegeben seien. Das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen urologischen Beschwerden und einer Rückenmarksschädigung sei bereits durch die Universitätsklinik F. im Bericht vom 14.06.2002 ausgeschlossen worden. Eine kernspintomographische Untersuchung der BWS im April 2002 habe keinen pathologischen Befund der knöchernen BWS ergeben. Auch dies spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Trauma. Hierauf gestützt lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 17.03.2004 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Hätte sich die Impressionsfraktur nach der Wehrdienstbeschädigung ereignet, wären die Folgen aus seiner Krankheitsgeschichte abzulesen. Auch habe Prof. Dr. H. die Durchführung einer Kernspintomographie der HWS mit BWS zum Ausschluss einer thorakalen Myelopathie für erforderlich gehalten. Im Übrigen sei bislang nur eine Kernspintomographie der LWS bis Th 12 gemacht worden. Deshalb sei man in der Universitätsklinik F. zu dem Ergebnis gekommen, es liege eine "unklare Sensibilitätsstörung der Blasenfüllung" vor. Durch das Ergebnis der Röntgenaufnahmen und der Kernspintomographie der BWS und oberen LWS am 05.12.2003 in der Stadtklinik in B.-B. sei diese Unklarheit beseitigt worden. Ein ursächlicher Zusammenhang seiner urologischen Beschwerden mit einer Rückenmarksschädigung bereits anlässlich seiner Wehrdienstbeschädigung sei nachvollziehbar. Der Kläger legte Kopien der Kernspintomographie-Aufnahmen von Dr. K. vom 19.07.2002 und 23.05.2003 vor.

Der Beklagte zog unter anderem von der Stadtklinik in B.-B. die Kernspintomographie-Aufnahmen vom 05.12.2003, über den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. die Arztbriefe der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses B. vom 05.11.1992, der Stadtklinik in B.-B. vom 20.06.1995 und des Radiologen Dr. F. vom 19.07.2002 sowie den Arztbrief der Sch.-B.-Klinik in V. vom 16.12.2003 bei. Des Weiteren holte der Beklagte den Befundbericht des Dr. F. vom 16.10.2004, welchem unter anderem sein Arztbrief vom 19.07.2002 beigefügt war, und den Befundbericht der Sch.-B.-Klinik in V. vom 10.12.2004 ein.

Dr. R. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.12.2004 aus, vor dem Hintergrund, dass in der Kernspintomographie vom 02.04.2002 anders als im Rahmen der Kernspintomographie vom 05.12.2003 (Keilform des BWK 11) keine entsprechenden Veränderungen im Bereich der unteren BWS beschrieben worden seien, stelle sich die Frage, ob es sich bei den Veränderungen im Bereich des BWK 11 um neue Veränderungen ohne Beziehung zum Trauma handele. Dr. P. gelangte in dem versorgungsärztlichen Gutachten vom 16.03.2005 zu dem Ergebnis, das vom Kläger angeschuldigte Verhebetrauma sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht als Ursache der Wirbelkörperfrakturen anzusehen. Anlässlich der Kernspintomographie der HWS und BWS am 23.05.2003 sei erstmals eine Deckplattenimpression des BWK 11 beschrieben worden. Weder im versorgungsärztlichen Erstgutachten noch bei späteren aktenkundigen Untersuchungen im Zeitraum zwischen 1985 bis 2003 hätten klinische oder radiologische Hinweise auf eine Wirbelkörperfraktur bestanden. In den zahlreichen Röntgen- und Kernspintomographiebefunden der Wirbelsäule von 1985 bis 2003 seien keine Wirbelkörperfrakturen erwähnt. Aus dem Laufblatt der behandelnden Hausärzte Dr. St./Dr. W. gehe hervor, dass am 11.04.2000 eine Behandlung wegen einer Thoraxprellung stattgefunden habe. Die damals angefertigten Röntgen- und Kernspintomographieaufnahmen seien jedoch ebenfalls unauffällig. Wie es zu den Frakturen BWK 11/12 gekommen sei, könne anhand der Befundunterlagen nicht geklärt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.05.2005 Klage zum SG. Er legte unter anderem die Arztbriefe der Stadtklinik in B.-B. vom 12.09.2005 sowie des Nuklearmediziners Dr. Sp. vom 06.05.2005 vor und vertrat die Ansicht, die Unfallfolgen "BWK-Fraktur, BWS-Syndrom mit starken Schmerzzuständen, Blockierungen der BWS und LWS, Sensibilitätsstörungen der Blasenfüllung, Erektionsprobleme, Taubheit der Glans sowie Fehlen des Anal- und Kremasterreflexes" seien im Bescheid nicht abgebildet.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23.05.2006 ab. Es lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass zeitnah mit dem schädigenden Ereignis eine Fraktur im Bereich der BWS aufgetreten sei. Aufgrund dessen lasse sich somit auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem jetzt nachweisbaren BWK-Befund und den vom Kläger geltend gemachten Folgeschäden bejahen. Maßgebend sei hierfür, dass in den zahlreichen bildgebenden Untersuchungen der Wirbelsäule bis zum Jahr 2003 Wirbelkörperfrakturen nicht dokumentiert worden seien. Eine erst im Jahr 2003 diagnostizierte Deckplattenimpressionsfraktur könne daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das schädigende Ereignis aus dem Jahr 1984 zurückgeführt werden, ungeachtet der Frage, ob der angeschuldigte Vorgang überhaupt geeignet sein könne, die Veränderungen im Bereich der BWK zu verursachen.

Gegen das Urteil des SG hat der Kläger am 22.06.2006 Berufung eingelegt. Auf den am Unfalltag angefertigten Röntgenaufnahmen sei ein großes inneres Hämatom erkennbar und äußerlich habe er an der Stelle, an der sich der im Zeitpunkt des Unfalls getragene Trageriemen befunden habe, Hämatome gehabt. Er sei sodann sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen. Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei er im Rahmen einer Leistungsbewertung gestürzt und infolge dessen im Lazarett M. stationär behandelt worden. Er sei von Mai bis September 1985 im Klinikum K. sowie in den Bundeswehrkrankenhäusern U. und W., danach mehrere Wochen im Krankenhaus L. und nach Verordnung eines Wirbelsäulenkorsetts von Januar bis Februar 1986 im Bundeswehrkrankenhaus W. stationär behandelt worden. Außerdem sei eine künstliche Bauchdecke implantiert worden. In den Jahren 2001 bis 2003 seien LWS- und BWS-Schäden festgestellt worden. Im Jahr 2001 sei er von Dr. St. anlässlich einer Durchleuchtung des Brustkastens gefragt worden, ob er einen schweren Autounfall gehabt habe. Der Kläger hat weiter ausgeführt, es treffe nicht zu, dass vor dem Jahr 2003 keine Schäden festgestellt worden seien. Denn schon im Rahmen einer im Jahr 1998 erfolgten Begutachtung habe Prof. Dr. H. Rückenmarksschädigungen vermutet. Der Kläger hat Kopien der am Unfalltag angefertigten Röntgenbilder vorgelegt und ferner ausgeführt, auf den im Jahr 2003 gefertigten Röntgenbildern sei eine Spangenbildung um die Bruchstelle Th 10/11 zu erkennen. Ferner hat der Kläger unter anderem den Arztbrief des Dr. B., Leitender Arzt der Abteilung Orthopädie des damaligen Bundeswehrkrankenhauses W., vom 21.03.1986 (Aufnahmebefund unter anderem: die Sensibilität erscheine grob orientierend unterhalb des Segments Th 12 deutlich reduziert; Diagnose: Spondylolyse ohne Listhesis mit chronischem Wurzelreizsyndrom, Differenzialdiagnose: Noch unklarer spinaler Prozess) vorgelegt und vorgetragen, hieraus ergebe sich, dass schon damals Beschwerden im Bereich der BWS bestanden hätten. Außerdem gehe der Hinweis des Beklagten, es bestehe aufgrund der Röntgenbilder kein Anhalt für einen Impressionsbruch Th 11/12, fehl, da auf den Röntgenbildern lediglich L1-5 und die Hälfte des Th 12 abgebildet seien. Des Weiteren habe der Beklagte die Behandlungskosten in den Jahren 1984 bis 1986 getragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2006 und den Bescheid vom 17.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 25.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1998 teilweise zurückzunehmen und als weitere Schädigungsfolge eine Impressionsfraktur des BWK 11 mit urologischen Folgeschäden anzuerkennen.

Der Beklagte und die mit Beschluss vom 22.11.2006 beigeladene Bundesrepublik D. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, streitbefangen sei lediglich eine Zugunstenentscheidung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger habe bislang keine neuen medizinischen Unterlagen vorgelegt. Im Übrigen hätten weder im versorgungsärztlichen Erstgutachten noch bei späteren aktenkundigen Untersuchungen in den Jahren 1985 bis 2003 klinische oder radiologische Hinweise auf eine Wirbelkörperfraktur bestanden.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. J., Chefarzt am Neurozentrum der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat unter dem 16.04.2008 mitgeteilt, eine suffiziente Bearbeitung der ihm gestellten Beweisfragen sei über das bestehende Maß der umfangreichen Vorgutachten nicht möglich. Bei den vom Kläger mitgebrachten Unterlagen handele es sich unter anderem um qualitativ schlechte Papierausdrucke von Röntgenaufnahmen, die die fragliche Wirbelsäulenregion nicht abbildeten, so dass der Kläger gebeten worden sei, sich um die Originalröntgenaufnahmen zu bemühen. Am 03.07.2008 hat der von Dr. J. mit der Begutachtung betraute Dr. B. telefonisch ausgeführt, er habe vom Kläger noch keine Originalröntgenaufnahmen erhalten, so dass die Erstellung eines Gutachtens keinen Sinn mache.

Der Kläger hat ausgeführt, er könne keine weiteren Röntgenaufnahmen vorlegen. Da der Beklagte wichtige Unterlagen vernichtet habe, greife für ihn eine Beweislastumkehr.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Weitere Schädigungsfolgen sind nicht festzustellen.

Verfahrensrechtlich richtet sich das Begehren des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 25.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.998 nach § 44 SGB X.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Materiellrechtlich richtet sich das Begehren des Klägers auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen.

Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG).

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG).

Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung an den Bewertungsmaßstäben der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV). Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt.

Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist (Teil A Nr. 1 a VG) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (Teil C Nr. 1 b Satz 1 VG).

Zu den Faktoren, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (Teil C Nr. 2 a VG). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (Teil C Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1 VG). Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (Teil C Nr. 2 c Halbsatz 1 VG). Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder (Teil C Nr. 2 d Sätze 1 und 2 VG).

Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (Teil C Nr. 3 a Satz 1 VG). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (Teil C Nr. 3 b Satz 1 VG). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (Teil C Nr. 3 d Sätze 1 und 2 VG).

Auf der Grundlage des Bescheides vom 25.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1998 steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass der Kläger bei Ausübung des Wehrdienstes am 23.07.1984 eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat und Folge dieser Wehrdienstbeschädigung ein Bandscheibenvorfall bei L5/S1 mit sensiblen Reizerscheinungen im Segment S1 im Sinne der Hervorrufung ist.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze liegen darüber hinaus keine Schädigungsfolgen vor.

Nach Überzeugung des Senats steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die aufgrund der durch Dr. K. am 23.05.2003 durchgeführten Kernspintomographie der HWS und BWS erkannte Deckplattenimpressionsfraktur des BWK 11 beziehungsweise die aufgrund der durch die Stadtklinik in B.-B. am 05.12.2003 durchgeführten Kernspintomographie erkannte diskrete Keilform des BWK 11 und kleine Einsenkung der Deckplatte des BWK 12 wesentlich ursächlich auf das Ereignis vom 23.07.1984 zurückzuführen ist.

Zwar gingen die behandelnden Ärzte der Stadtklinik in B.-B. in ihrem Arztbrief vom 19.12.2003 davon aus, dass der von ihnen im Bereich BWK 11/12 beschriebene Schaden wahrscheinlich auf eine Deckplattenimpressionsfraktur zurückzuführen ist. Dass diese Fraktur mit dem Ereignis aus dem Jahr 1984 in Zusammenhang steht, konnte aber weder durch diese Ärzte noch die im Verfahren gehörten Gutachter mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit geklärt werden. Im Übrigen führen die Ärzte der Stadtklinik in B.-B. aus, "aus der Vorgeschichte" sei eine BWK 11-Im¬pressionsfraktur "bekannt" und die Blasenentleerungsstörung bestehe seit der Impressionsfraktur 1984, so dass "möglicherweise" von einer damaligen Myelonschädigung im Konusbereich auszugehen sei. Sie setzen also für ihre Beurteilung einen Umstand (BWK 11-Impressionsfraktur im Jahr 1984) voraus, welcher nicht bewiesen ist.

Gegen die Annahme, dass eine schädigungsbedingte Impressionsfraktur des BWK 11 vorliegt, sprechen aber die zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde. So hat Dr. P. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.03.2005 zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Rahmen der stationären Behandlung vom 25.09.1985 bis zum 14.10.1985 in der Klinik K. in L. durchgeführte Computertomographie von Th 11/12 keinen Hinweis für eine paravertebrale Raumforderung ergeben hat. Auch hat die am 09.10.1986 durchgeführte Röntgenaufnahme des Thorax keine Fraktur ergeben. Dr. P. hat des Weiteren dargelegt, dass auch die zwischen Februar 1998 und Mai 2003 durchgeführten radiologischen Befunderhebungen und Gutachten keine Schädigung der BWS ergeben haben. Dr. P. hat hieraus für den Senat schlüssig und nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die erstmals von Dr. K. in seinem Arztbrief vom 23.05.2003 aufgrund einer Kernspintomographie beschriebenen Deckplattenimpression des BWK 11 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Unfallereignis aus dem Jahr 1984 zurückgeführt werden kann. Nichts anderes ergibt sich aus dem Arztbrief des Dr. B. vom 21.03.1986. Denn aus dem hierin beschriebenen Aufnahmebefund ergibt sich lediglich, die Sensibilität "erscheine grob orientierend" unterhalb des Segments Th 12 deutlich reduziert und wurde auch nur die Differenzialdiagnose eines noch unklaren spinalen Prozesses gestellt. Hieraus ergibt sich nur die Möglichkeit einer die urologischen Beschwerden des Klägers erklärenden schädigungsbedingten Verletzung, nicht aber deren hinreichende Wahrscheinlichkeit. Zeitnah erstellte radiologische Befunde hierfür sind weder aktenkundig noch können sie vom Kläger vorgelegt werden, worauf der vom Senat auf Antrag des Klägers bestellte Sachverständige Dr. J. unter dem 16.04.2008 hingewiesen hat.

Ist ein Sachverhalt aber nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt beziehungsweise dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29.03.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31.10.1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110). Dies ist vorliegend der Kläger. Der Senat teilt dabei nicht die Auffassung des Klägers, es lägen, da der Beklagte wichtige Unterlagen vernichtet habe, die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr vor. Denn für eine Vernichtung von für den Kläger wichtigen Unterlagen seitens des Beklagten hat der Senat keine Anhaltspunkte.

Mithin sind keine weiteren Schädigungsfolgen festzustellen.

Nach alledem erweist sich der Bescheid vom 25.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1998 als rechtmäßig. Der Beklagte hat daher zu Recht mit Bescheid vom 17.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 den Antrag auf Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Deshalb hat auch das SG die hiergegen erhobene Klage zu Recht abgewiesen.

Die Berufung des Klägers war somit zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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