Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 64/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3584/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 08.06.2007 bis 30.11.2007.
Die am 20.05.1986 geborene Klägerin bezog ab 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Regelleistungen erhielt die Klägerin zunächst bis 30.04.2006. Kosten der Unterkunft, die aus dem von ihr zu tragenden hälftigen Miet- und Nebenkostenanteil der von ihr und ihrer Mutter in der L. 44 in H. bewohnten Wohnung bestanden, bezog die Klägerin bis 30.06.2006. Zum Juli 2006 zog die Klägerin in die Wohnung des Lebensgefährten der Mutter, F. B., und dessen Sohn in die L. 46 in H., wohin ihre Mutter bereits kurze Zeit vorher gezogen war. Hierauf wurden ihr auf ihren Folgeantrag vom 18.07.2006 mit Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 von der zuständigen Bundesagentur für Arbeit Regelleistungen für die Zeit vom 18.07.2006 bis 31.01.2007 versagt. Mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2008 verurteilte das Sozialgericht Mannheim (SG) die Bundesagentur für Arbeit zur Gewährung von Leistungen (S 11 AS 2990/07) für die Zeit vom 18.07.2006 bis 30.01.2007. Die beim erkennenden Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) dagegen eingelegte Berufung (L 3 AS 2202/08) ruht.
Ende Januar 2007 zog die Klägerin nach vorangegangenen Meinungsverschiedenheiten mit dem Lebensgefährten ihrer Mutter, die darin gipfelten, dass ihr zwei Tage vor dem Auszug der Strom für ihr Zimmer abgestellt wurde, zu ihrem Vater. Bei der Wohnung des Vaters handelt es sich um eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 65 Quadratmetern, in der sich gleichzeitig auch noch das Büro des Vaters befindet. Die Klägerin schlief im Wohnzimmer auf der Couch.
Die daraufhin folgende Suche einer Wohnung durch die Klägerin endete am 12.05.2007 mit dem Abschluss des Mietvertrags über eine ab 01.06.2007 gemietete Ein-Zimmer-Wohnung in der M. 42 in H ... Die Nettomiete für die Wohnung betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 270 EUR. Die Nebenkosten beliefen sich auf 120 EUR. Im Mietvertrag gab die Klägerin als (bisherige) Adresse die L. 46 in H. an.
Mit Bescheid vom 27.06.2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin für den Zeitraum vom 08.06.2007 bis 30.11.2007 Regelleistungen.
Mit Antrag vom 08./13.06.2007 beantragte die Klägerin die Bewilligung von KdU.
Mit Bescheid vom 09.07.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dem Antrag könne im Hinblick auf die Spezialvorschrift nach § 22 Abs. 2a SGB II nicht entsprochen werden. Die Klägerin sei einen Mietvertrag eingegangen, ohne vor Anmietung mit ihm - dem Beklagten - Rücksprache zu halten. Er habe vor Abschluss des Mietvertrags die Kostenübernahme nicht zugesichert.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, der Beklagte sei bis zu einer abweichenden Entscheidung der Einigungsstelle an die feststellenden Vorgaben der Agentur für Arbeit gebunden, letztere habe die Leistungen bewilligt. Des Weiteren sei der Beklagte zur Zusicherung der KdU verpflichtet, da bei ihr ein schwerwiegender sozialer Grund gegeben sei. Der Lebensgefährte ihrer Mutter habe ihr verboten, weiterhin in seiner Wohnung zu leben. Es hätten unüberbrückbare persönliche Differenzen zwischen ihm, dessen Kindern und ihr bestanden. Die Unterbringung in der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter sei ihr auch nicht mehr zumutbar gewesen, denn er habe die Stromversorgung zu ihrem Zimmer unterbrochen. Sie sei gezwungen gewesen, unverzüglich die Wohnung des Lebensgefährten der Mutter zu verlassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. An die feststellenden Vorgaben der Agentur für Arbeit sei sie nicht gebunden, da sie die Gewährung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht wegen fehlender Hilfebedürftigkeit, sondern gemäß § 22 Abs. 2a SGB II abgelehnt habe. Inwieweit sich die Klägerin in einer derartigen familiären Konfliktsituation befunden habe, dass sie unverzüglich den mütterlichen Haushalt habe verlassen müssen, sei nicht weiter belegt. Den Schilderungen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie sozusagen "über Nacht" aus dem mütterlichen Haushalt habe flüchten müssen, oder sie zuvor nicht die Gelegenheit gehabt habe, ihn - den Beklagten - rechtzeitig zu informieren. Sie habe den Mietvertrag am 12.05.2007 zum 01.06.2007 abgeschlossen. Während der Suche wäre es ihr zuzumuten gewesen, sich durch Rückfrage beim Landratsamt oder bei der Agentur für Arbeit unter Schilderung ihrer augenblicklichen Situation darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen sie KdU-Leistungen erhalten könne. Bei Abschluss des Mietvertrags habe sie bereits gewusst, dass sie die Miete aus eigenen finanziellen Mitteln nicht werde decken können. Sie sei vertragliche Verpflichtungen in dem völligen Bewusstsein der eigenen Mittellosigkeit eingegangen und habe dennoch nicht zuvor abgesichert, ob oder in welcher Höhe ihre Mietaufwendungen von ihm - dem Beklagten - übernommen würden. Diese könne sie nicht ohne Weiteres auf Dritte abwälzen. Dem Leistungsträger sei hierdurch zwangsläufig jegliche Möglichkeit genommen, die Erforderlichkeit des Umzugs und die Angemessenheit der Miete zu klären. Der Gesetzgeber bringe mit der seit 01.04.2006 neu ins SGB II eingeführten verschärften Regelung des § 22 Abs. 2a SGB II seine Intention zum Ausdruck, dass bei Klärung der Anträge auf Übernahme von KdU in Fällen des Umziehens bei "unter 25 Jährigen" eine restriktive Handhabung erfolgen und die Bejahung des Bedarfs und Gewährung der Hilfe nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen solle, nämlich dann, wenn nach gründlicher Überprüfung die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a SGB II umfassend erfüllt seien und der Leistungsträger seine Zusicherung zur Kostenübernahme erteilt habe. Diese Prüfung habe hier nicht stattfinden können, da der Umzug bereits vollzogen gewesen sei, als der Leistungsträger erstmals mit Übersendung des neuen Mietvertrags nach Einzug in die neue Wohnung hiervon Kenntnis erlangt habe.
Am 08.01.2008 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung von KdU weiter verfolgt hat. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, es sei von Anfang an klar gewesen, dass sie nur vorübergehend bei ihrem Vater eine Zuflucht finden könne.
Mit Urteil vom 09.07.2008 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2007 verurteilt, der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erbringen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Ausschlusstatbestand des § 22 Abs. 2a SGB II sei nicht erfüllt. Unter "Umzug" im Sinne des § 20 Abs. 2a SGB II sei nicht der tatsächliche Wohnungswechsel, sondern der "Abschluss des Mietvertrages" zu verstehen, denn auf diesen Sachverhalt beziehe sich eine erforderliche Zustimmung des Beklagten. Im Zeitpunkt der Vereinbarung des Mietvertrages am 12.05.2007 habe die Klägerin keine Leistungen nach dem SGB II bezogen oder beantragt. Einer Zusicherung des Beklagten habe es deshalb nicht bedurft. Auch die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses gemäß § 22 Abs. 2 Abs. 4 SGB II seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei nicht "in der Absicht" umgezogen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung herbeizuführen. Sie sei aus der Wohnung des Lebensgefährten ihrer Mutter ausgezogen, um dem Streit mit dem Lebensgefährten ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen. In der Wohnung ihres Vaters habe sie nicht gewohnt, sondern sich nur vorübergehend aufgehalten bis sie die streitbefangene Wohnung gefunden gehabt habe. Die Wohnung des Vaters sei nicht geeignet gewesen, sie auf Dauer zu beherbergen.
Am 29.07.2008 hat der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er rügt zum einen, dass im Urteil des SG keine zeitliche Beschränkung des Anspruchs auf den beantragten sechsmonatigen Bewilligungszeitraum erfolgt sei. Im Übrigen könne auf die Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II nicht verzichtet werden. Zum Auszugszeitpunkt im Januar 2007 sei die Klägerin nach dem noch nicht rechtskräftigen Urteil (richtig: Gerichtsbescheid) des SG vom 10.04.2008 (S 11 AS 2990/07) Leistungsberechtigte nach § 7 SGB II gewesen. Der Umzug in eine eigene Wohnung bei fortgesetztem Bezug von SGB II-Leistungen bedeute somit eine Erhöhung der Regelsatzleistung. Genau das wolle die Vorschrift des § 22 Abs. 2a SGB II vermeiden, zumindest aber der Kontrolle des Sozialleistungsträgers vorbehalten. Das "rein formalistische Argument" des SG, wonach die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 08.06.2007 (noch) keinen (Fortsetzungs-) Antrag für Leistungen nach dem SGB II gestellt habe, sei mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Es sei nicht notwendig, dass die notwendige Hilfebedürftigkeit anhand eines (Fortsetzungs-) Antrags genau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses quasi nachgewiesen werden müsse. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2a SGB II von Zufälligkeiten abhängig machen. Es könne für den Fall, dass ein Bewilligungsabschnitt innerhalb der "Übergangsphase" ende, nicht ausschlaggebend sein, ob der neue Leistungsantrag schon bei Vertragsschluss (am 12.05.2007) oder unmittelbar danach (am 08.06.2007) - also bei Mietbeginn und drohender Mietzinsforderung - gestellt werde, sofern sich die finanziellen Verhältnisse, wie hier, zwischenzeitlich nicht verändert hätten. Nach Auffassung des Sozialgerichts Reutlingen (Urteil vom 18.12.2007 - S 2 AS 2399/07 -) sei der Normbereich darüber hinaus nicht nur in Fällen, in denen der junge Erwachsene bereits Sozialleistungen bezogen oder beantragt habe, einschlägig, sondern jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich sei, dass er in Kürze leistungsberechtigt nach dem SGB II werde. Ferner handele es sich bei dem Auszug aus der Wohnung in der L. 46 und dem Einzug in die M. 42 in H. um einen Umzug. In der Wohnung des Vaters habe die Klägerin keine Wohnstätte gefunden, sondern sich dort lediglich "aufgehalten". Der Klägerin sei von Anfang an klar gewesen, dass sie hier nur vorübergehend eine Zuflucht finden könne, weshalb sie unmittelbar nach dem Auszug aus dem Haushalt ihrer Mutter und deren Lebensgefährten nach einer eigenen Wohnung gesucht habe. Eine bloße Übergangsphase, die sich in einem vorübergehenden "Aufhalten" erschöpfe, unterbreche den einheitlichen Umzugsvorgang nicht. Doch selbst wenn man das Verlassen der Wohnung des (leiblichen) Vaters als "Zweitumzug" werten würde, stehe dies einer Anwendung des § 22 Abs. 2a SGB II nicht entgegen. Gesetzlich geregelt worden sei ein Zusicherungserfordernis für jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Damit werde vermieden, dass eine Regelung, die nur für den Erstbezug einer Wohnung gelten würde, umgangen werden könne, wenn der erstmalige Auszug zunächst kurzfristig in eine vorübergehende Wohnung erfolgen würde, um danach in eine andere eigene Wohnung ohne Zustimmungserfordernis umzuziehen (so BT Drucksache 16/6092). Die Zusicherung sei auch nicht entbehrlich gewesen. Auf die Zusicherung könne nur verzichtet werden, wenn sie nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II hätte erteilt werden müssen und es den Betroffenen aus "wichtigem Grund" nicht zumutbar gewesen sei, sie einzuholen. An diesem wichtigen Grund fehle es hier. Der wichtige Grund beinhalte ein zeitliches Element. Die Einholung der Zusicherung sei als unzumutbar anzusehen, wenn eine Entscheidung des Leistungsträgers wegen der besonderen Dringlichkeit des Auszugs nicht eingeholt werden könne. Dass in der gesamten Umzugsphase die Einholung einer Zusicherung oder zumindest die Aufnahme telefonischen Kontakts nicht möglich gewesen sei, sei nicht ersichtlich und werde auch nicht vorgetragen. Es könne also offen bleiben, ob die Behörde bei rechtzeitiger Benachrichtigung zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Absicht des Gesetzgebers sei nur gewesen, den Erstauszug aus der Familienbedarfsgemeinschaft zu beschränken (Ausschuss-Drucksache 16 (11,80 neu, Seite 4). Damit stelle § 22 Abs. 2 SGB II eine Sonderregelung für hilfebedürftige Familien dar, in denen junge ebenfalls hilfebedürftige Volljährige lebten. Dieser gemeinsame Haushalt solle nicht ohne Weiteres auf Kosten der Allgemeinheit aufgelöst werden können. Hier sei die Klägerin nicht aus der Familienbedarfsgemeinschaft ausgezogen, um der Allgemeinheit dadurch weitere Kosten zu verursachen. Die Klägerin sei vielmehr zunächst aus unerträglichen Zuständen im Haushalt der Mutter zu ihrem leiblichen Vater geflüchtet. Im Haushalt ihres leiblichen Vaters sei die Klägerin mehrere Monate verblieben. In dieser Zeit habe sie keinerlei Leistungen nach dem SGB II bezogen. Der Erstumzug habe damit zu einer Entlastung des SGB II-Trägers geführt. Aus der Wohnung des Vaters habe sie jedoch auch wieder umzuziehen müssen, weil die Wohnverhältnisse auf Dauer unerträglich gewesen seien. Wäre sie unverzüglich nach ihrem Auszug aus der I. (richtig: L.) 46 (Wohnung der Mutter) in eine andere Wohnung umgezogen, so wären die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II erfüllt gewesen, denn sie habe aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung des Elternteils verwiesen werden können. In diesem Fall wäre es ihr auch nicht zumutbar gewesen, zuvor die Zusicherung einzuholen. Ihr Auszug sei nicht erfolgt, weil sie den allgemeinen Wunsch nach Unabhängigkeit verspürt habe, er habe vielmehr die Flucht aus unerträglichen Verhältnissen dargestellt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Hierbei hat der Vater der Klägerin mitgeteilt, dass man vor Abschluss des Mietvertrags Kontakt mit dem Arbeitsamt und einem Mitarbeiter des Rhein-Neckar-Kreises gehabt habe. Es sei geraten worden, sich eine Wohnung zu suchen. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass es sich hierbei um den Mitarbeiter W. des Beklagten gehandelt habe. Die Klägerin hat ausgeführt, dass ihre finanzielle Situation eigentlich immer gleichbleibend gewesen sei.
Auf Nachfrage des Senats hat der Mitarbeiter W. des Beklagten angegeben, dass Vor-Ort- Mitarbeiter des Rhein-Neckar-Kreises ein Mal wöchentlich in den Agenturen für Arbeit Mannheim und Heidelberg für Erstberatungen eingesetzt würden. Aufgabe des Vor-Ort-Mitarbeiters sei nicht, bereits in diesem Erstgespräch eine abschließende Entscheidung zu treffen (wie z.B. eine Zusicherung). Vielmehr bestehe seine Aufgabe darin, den Hilfesuchenden kundenorientiert zu beraten und entsprechend weiterzuleiten. Aktenvermerke über die Erstgespräche würden nicht angefertigt. Ob und ggf. wann er mit der Klägerin ein entsprechendes Erstgespräch geführt habe, könne er deshalb heute nach über zwei Jahren nicht mit Sicherheit sagen. Mit absoluter Sicherheit könne er jedoch erklären, dass er bei einem eventuell stattgefundenen Informationsgespräch in der Vor-Ortstelle bei der Agentur für Arbeit auf keinen Fall eine inhaltliche Entscheidung getroffen habe.
Der Senat hat auf den Beschluss des 7. Senats des LSG - L 7 AS 1476/07 ER-B hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte des SG S 11 AS 2990/07 und des erkennenden Senats L 3 AS 2202/08 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2007. Da der Beklagte durch die Bescheide die Leistungsgewährung für den Zeitraum ab 08.06.2007 abgelehnt hat, ist der streitige Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung zu erstrecken (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R in juris).
Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf KdU für den streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Klägerin ist erwerbsfähig und hilfebedürftig und damit gemäß §§ 7 bis 9 SGB II anspruchsberechtigt. Damit stehen ihr nach §§ 19 Satz 1, 22 SGB II sowohl Regelleistungen als auch KdU zu.
Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus § 22 Abs. 2a SGB II.
Diese Norm enthält folgende Regelung: Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrags über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es den Betroffenen aus wichtigen Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht erbracht, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.
Die Klägerin unterlag grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2a SGB II. Sie war sowohl beim Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter im Januar 2006 als auch beim Einzug in die neue Wohnung im Juni 2006 unter 25 Jahre.
Die Klägerin war vom Regelungsgehalt der Norm auch betroffen. Die Regelung verfolgt das Ziel, die nach Ansicht des Gesetzgebers ausufernden Kosten, die entstanden, wenn Personen in der Altersspanne von 18 bis 25 Jahren aus der elterlichen Wohnung auszogen und dann als eigene Bedarfsgemeinschaft im vollen Umfang nach § 22 Abs. 1 SGB II Unterstützungsleistungen erhalten konnten, zu begrenzen. Ratio des Abs. 2a ist, einer Ausweitung leistungsberechtigter Bedarfsgemeinschaften entgegenzuwirken (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II § 22 Rd.Nr. 9a unter Hinweis auf die BT-Drucks 16/688, S 14; RdNr. 80a). Ob sich das Zusicherungserfordernis damit auch auf solche Jugendliche und junge Erwachsene bezieht, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, wenn bei deren Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden (so SG Reutlingen, Urteil vom 18.12.2007 -S 2 AS 2399/07 - in juris.de mit weiteren Nachweisen), kann dahingestellt bleiben. Dem Regelungsbereich unterfallen auf jeden Fall die unter 25-Jährigen, die im Zeitpunkt des Umzugs Leistungen nach dem SGB II beantragt oder erhalten haben (Lang/Link a.a.O. RdNr. 80b; Berlit in LPK-SGB II § 22 Rd. 82). Dieser Personenkreis steht bereits im Kontakt zum Leistungsträger. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, dass der kommunale Träger die "neu" entstehenden Unterkunftskosten prüft und ggf. eine Zusicherung erteilt. So war es im Fall der Klägerin. Sie hatte nach dem Umzug zum Lebensgefährten ihrer Mutter am 18.07.2006 Leistungen nach dem SGB II beantragt. Ob sie diese Leistungen letztendlich erhält, kann dahinstehen. Für die Einbeziehung der Klägerin in den Regelungsbereich des § 22 Abs. 2a SGB II genügt die Antragstellung.
Etwas anderes ergibt sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil auch nicht deshalb, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags am 12.05.2007 weder im Leistungsbezug nach dem SGB II stand, noch einen Antrag für die Zeit nach Januar 2007 gestellt hatte. Eine solche Auslegung des § 22 Abs. 2a SGB II würde - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2a SGB II von Zufälligkeiten abhängig machen. Außerdem hätte es der Berechtigte in der Hand, insoweit Vorkehrungen zu treffen und den Vertrag an einem Tag, an dem der Leistungsbezug geendet hat und noch kein neuer Antrag gestellt worden ist, abzuschließen. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2a SGB II.
Mit dem Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter im Januar 2007 und Einzug in die eigene Wohnung im Juni 2007 hat die Klägerin auch erstmals die Wohnung gewechselt. Es handelt sich hier um einen Umzug, der im Januar begann und im Juni endete. Der Einzug beim Vater ändert hieran nichts. In der Wohnung des Vaters hielt sich die Klägerin nur auf. Auf Grund der beengten Wohn- und Arbeitsverhältnisse war ein dauernder Aufenthalt und Einzug in die Wohnung des Vaters zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Klägerin auf dem Mietvertrag vom 12.05.2007 als Adresse die frühere Anschrift beim Lebensgefährten der Mutter angab. Ob ein weiterer Umzug nach einem (Erst-) Umzug ebenfalls von § 22 Abs. 2a SGB II erfasst wird, muss deshalb nicht entschieden werden.
Auf die Zusicherung konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Klägerin bei Auszug, Wohnungssuche, Abschluss des Mietvertrags und Einzug davon ausging, dass sie über ein ausreichendes Einkommen verfügen werde, um die Mietkosten selbst zu tragen. Dem war nicht so. An der finanziellen Situation der Klägerin hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Sie war sich die ganze Zeit darüber im Klaren, dass sie eine eigene Wohnung nicht selbständig finanzieren kann.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Beklagte durch den Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter und den Unterschlupf beim Vater zunächst entlastet wurde, nachdem die Klägerin während des Aufenthalts bei ihrem Vater keine Leistungen beantragte und bezog. Es ist zwar richtig, dass es hierdurch zunächst zu einer Entlastung des Beklagten kam, doch war von Beginn an klar, dass es sich insoweit nicht um eine dauernde Entlastung handeln würde, da die Wohnung des Vaters nur als Unterschlupf diente und von vorneherein klar war, dass es sich insoweit um keinen Dauerzustand handelt.
Die fehlende Zusicherung ist in diesem Fall jedoch unschädlich, denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf Erteilung dieser Zusicherung, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann.
Der Auszug erfolgte, wie sich insbesondere aus der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des SG am 02.04.2008 im Verfahren S 11 AS 2990/07 ergibt, nach vorangegangenen wochenlangen Differenzen mit dem Lebensgefährten der Mutter wegen der Kostenbeteiligung der Klägerin an der Wohnung Ende Januar 2007, nachdem der Lebensgefährte der Mutter der Klägerin zwei Tage zuvor den Strom abgestellt hatte. Insbesondere die Abstellung des Stroms belegt, dass es sich hier nicht um bloße Meinungsverschiedenheiten handelte. Das Abstellen des Stroms stellte einen schwerwiegenden sozialen Grund dar, der den Auszug rechtfertigte. Die Situation war auch so, dass der Klägerin eine Rückkehr in die Wohnung des Lebensgefährten nicht mehr möglich war. Auch auf die Wohnung des Vaters kann sie im Hinblick auf deren Größe nicht auf Dauer verwiesen werden.
Dahingestellt bleiben kann, ob es der Klägerin aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen (§ 22 Abs. 2a S.3 SGB II). Dies könnte deshalb zu verneinen sein, weil die Klägerin zwar unverzüglich ausziehen musste, dann aber vor Abschluss des Mietvertrags im Mai 2007 und Einzug im Juni 2007 ausreichend Zeit gehabt haben könnte, die Zusicherung einzuholen. Letztendlich ist dies jedoch nicht entscheidend. Zwar ist nach dem Wortlaut der Norm (so auch Berlit in LPK-SGB II, § 22 RdNr. 91) neben dem schwerwiegenden Grund nach Satz 2 der Norm nach § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II zusätzlich ("unter den Voraussetzungen des Satzes 2") erforderlich, dass die Zusicherung aus wichtigem Grund nicht eingeholt werden konnte. Diese Koppelung eines bloßen Verzichtsermessens mit hohen tatbestandlichen Voraussetzungen ist angesichts der gravierenden Rechtsfolgen, welche die Nichteinholung der Zusicherung hat, nach Berlit in LPK-SGB II § 22 Rd. 91, dem sich der Senat anschließt, jedoch sachlich verfehlt und unverhältnismäßig. Die Norm ist deshalb verfassungskonform auszulegen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 ist das Verzichtsermessen auf Null reduziert (so Berlit a.a.O; a.A. SG Reutlingen, Urteil vom 18.12.2007 - S 2 AS 23990/07 - in juris). Im Ergebnis ebenso sieht es auch Lang/Link in Eicher/Spellbrink § 22 Rd. 80v. Nach ihrer Auffassung knüpft Satz 3 der Norm unmittelbar an die Voraussetzungen des Satzes 2 an und beinhaltet damit keine Erweiterung der Zusicherungsgründe. Bei der Abweichungsbefugnis von der an sich erforderlichen Zusicherung handele es sich nur um ein "Kompetenz"-Kann und nicht um eine Ermessensentscheidung.
Abgesehen davon wäre die Zusicherung hier auch deshalb entbehrlich, weil sich die Klägerin vor Abschluss des Mietvertrags und Einzug in die neue Wohnung mit dem Mitarbeiter des Beklagten W. in Verbindung gesetzt hat und von dort die Auskunft erhielt, sie könne sich um eine neue Wohnung kümmern. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin und ihres informatorisch gehörten Vaters, die den Mitarbeiter des Beklagen namentlich benennen konnten, und entspricht im Wesentlichen auch den Angaben des Zeugen W., der sich zwar nicht mehr an das Gespräch erinnern kann, es jedoch auch nicht für ausgeschlossen hält. Anlässlich dieses Gesprächs erhielt die Klägerin zwar keine schriftliche Zusicherung. Dies war, da sie noch keine Wohnung gefunden hatte, auch gar nicht möglich. Bei diesem Gespräch hätte der Mitarbeiter des Beklagten die Klägerin jedoch darauf aufmerksam machen müssen, dass sie vor Abschluss des Mietvertrags noch die Zusicherung einzuholen hat. Dadurch, dass er dies nicht getan hat, hat er die Klägerin unzureichend beraten. Dies hat zur Folge, dass der Beklagte auch unter Beachtung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jetzt nicht mehr damit gehört werden kann, dass eine Zusicherung nicht eingeholt worden sei (Lang/Link a.a.O. § 22 Rd. 80 x). Wenn die Klägerin vollständig beraten worden wäre, hätte sie den Antrag gestellt.
Die Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, insbesondere wegen der bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II neben den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II vorliegen müssen, zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 08.06.2007 bis 30.11.2007.
Die am 20.05.1986 geborene Klägerin bezog ab 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Regelleistungen erhielt die Klägerin zunächst bis 30.04.2006. Kosten der Unterkunft, die aus dem von ihr zu tragenden hälftigen Miet- und Nebenkostenanteil der von ihr und ihrer Mutter in der L. 44 in H. bewohnten Wohnung bestanden, bezog die Klägerin bis 30.06.2006. Zum Juli 2006 zog die Klägerin in die Wohnung des Lebensgefährten der Mutter, F. B., und dessen Sohn in die L. 46 in H., wohin ihre Mutter bereits kurze Zeit vorher gezogen war. Hierauf wurden ihr auf ihren Folgeantrag vom 18.07.2006 mit Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 von der zuständigen Bundesagentur für Arbeit Regelleistungen für die Zeit vom 18.07.2006 bis 31.01.2007 versagt. Mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2008 verurteilte das Sozialgericht Mannheim (SG) die Bundesagentur für Arbeit zur Gewährung von Leistungen (S 11 AS 2990/07) für die Zeit vom 18.07.2006 bis 30.01.2007. Die beim erkennenden Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) dagegen eingelegte Berufung (L 3 AS 2202/08) ruht.
Ende Januar 2007 zog die Klägerin nach vorangegangenen Meinungsverschiedenheiten mit dem Lebensgefährten ihrer Mutter, die darin gipfelten, dass ihr zwei Tage vor dem Auszug der Strom für ihr Zimmer abgestellt wurde, zu ihrem Vater. Bei der Wohnung des Vaters handelt es sich um eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 65 Quadratmetern, in der sich gleichzeitig auch noch das Büro des Vaters befindet. Die Klägerin schlief im Wohnzimmer auf der Couch.
Die daraufhin folgende Suche einer Wohnung durch die Klägerin endete am 12.05.2007 mit dem Abschluss des Mietvertrags über eine ab 01.06.2007 gemietete Ein-Zimmer-Wohnung in der M. 42 in H ... Die Nettomiete für die Wohnung betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 270 EUR. Die Nebenkosten beliefen sich auf 120 EUR. Im Mietvertrag gab die Klägerin als (bisherige) Adresse die L. 46 in H. an.
Mit Bescheid vom 27.06.2007 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin für den Zeitraum vom 08.06.2007 bis 30.11.2007 Regelleistungen.
Mit Antrag vom 08./13.06.2007 beantragte die Klägerin die Bewilligung von KdU.
Mit Bescheid vom 09.07.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dem Antrag könne im Hinblick auf die Spezialvorschrift nach § 22 Abs. 2a SGB II nicht entsprochen werden. Die Klägerin sei einen Mietvertrag eingegangen, ohne vor Anmietung mit ihm - dem Beklagten - Rücksprache zu halten. Er habe vor Abschluss des Mietvertrags die Kostenübernahme nicht zugesichert.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, der Beklagte sei bis zu einer abweichenden Entscheidung der Einigungsstelle an die feststellenden Vorgaben der Agentur für Arbeit gebunden, letztere habe die Leistungen bewilligt. Des Weiteren sei der Beklagte zur Zusicherung der KdU verpflichtet, da bei ihr ein schwerwiegender sozialer Grund gegeben sei. Der Lebensgefährte ihrer Mutter habe ihr verboten, weiterhin in seiner Wohnung zu leben. Es hätten unüberbrückbare persönliche Differenzen zwischen ihm, dessen Kindern und ihr bestanden. Die Unterbringung in der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter sei ihr auch nicht mehr zumutbar gewesen, denn er habe die Stromversorgung zu ihrem Zimmer unterbrochen. Sie sei gezwungen gewesen, unverzüglich die Wohnung des Lebensgefährten der Mutter zu verlassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. An die feststellenden Vorgaben der Agentur für Arbeit sei sie nicht gebunden, da sie die Gewährung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht wegen fehlender Hilfebedürftigkeit, sondern gemäß § 22 Abs. 2a SGB II abgelehnt habe. Inwieweit sich die Klägerin in einer derartigen familiären Konfliktsituation befunden habe, dass sie unverzüglich den mütterlichen Haushalt habe verlassen müssen, sei nicht weiter belegt. Den Schilderungen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie sozusagen "über Nacht" aus dem mütterlichen Haushalt habe flüchten müssen, oder sie zuvor nicht die Gelegenheit gehabt habe, ihn - den Beklagten - rechtzeitig zu informieren. Sie habe den Mietvertrag am 12.05.2007 zum 01.06.2007 abgeschlossen. Während der Suche wäre es ihr zuzumuten gewesen, sich durch Rückfrage beim Landratsamt oder bei der Agentur für Arbeit unter Schilderung ihrer augenblicklichen Situation darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen sie KdU-Leistungen erhalten könne. Bei Abschluss des Mietvertrags habe sie bereits gewusst, dass sie die Miete aus eigenen finanziellen Mitteln nicht werde decken können. Sie sei vertragliche Verpflichtungen in dem völligen Bewusstsein der eigenen Mittellosigkeit eingegangen und habe dennoch nicht zuvor abgesichert, ob oder in welcher Höhe ihre Mietaufwendungen von ihm - dem Beklagten - übernommen würden. Diese könne sie nicht ohne Weiteres auf Dritte abwälzen. Dem Leistungsträger sei hierdurch zwangsläufig jegliche Möglichkeit genommen, die Erforderlichkeit des Umzugs und die Angemessenheit der Miete zu klären. Der Gesetzgeber bringe mit der seit 01.04.2006 neu ins SGB II eingeführten verschärften Regelung des § 22 Abs. 2a SGB II seine Intention zum Ausdruck, dass bei Klärung der Anträge auf Übernahme von KdU in Fällen des Umziehens bei "unter 25 Jährigen" eine restriktive Handhabung erfolgen und die Bejahung des Bedarfs und Gewährung der Hilfe nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen solle, nämlich dann, wenn nach gründlicher Überprüfung die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a SGB II umfassend erfüllt seien und der Leistungsträger seine Zusicherung zur Kostenübernahme erteilt habe. Diese Prüfung habe hier nicht stattfinden können, da der Umzug bereits vollzogen gewesen sei, als der Leistungsträger erstmals mit Übersendung des neuen Mietvertrags nach Einzug in die neue Wohnung hiervon Kenntnis erlangt habe.
Am 08.01.2008 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung von KdU weiter verfolgt hat. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, es sei von Anfang an klar gewesen, dass sie nur vorübergehend bei ihrem Vater eine Zuflucht finden könne.
Mit Urteil vom 09.07.2008 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2007 verurteilt, der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erbringen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Ausschlusstatbestand des § 22 Abs. 2a SGB II sei nicht erfüllt. Unter "Umzug" im Sinne des § 20 Abs. 2a SGB II sei nicht der tatsächliche Wohnungswechsel, sondern der "Abschluss des Mietvertrages" zu verstehen, denn auf diesen Sachverhalt beziehe sich eine erforderliche Zustimmung des Beklagten. Im Zeitpunkt der Vereinbarung des Mietvertrages am 12.05.2007 habe die Klägerin keine Leistungen nach dem SGB II bezogen oder beantragt. Einer Zusicherung des Beklagten habe es deshalb nicht bedurft. Auch die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses gemäß § 22 Abs. 2 Abs. 4 SGB II seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei nicht "in der Absicht" umgezogen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung herbeizuführen. Sie sei aus der Wohnung des Lebensgefährten ihrer Mutter ausgezogen, um dem Streit mit dem Lebensgefährten ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen. In der Wohnung ihres Vaters habe sie nicht gewohnt, sondern sich nur vorübergehend aufgehalten bis sie die streitbefangene Wohnung gefunden gehabt habe. Die Wohnung des Vaters sei nicht geeignet gewesen, sie auf Dauer zu beherbergen.
Am 29.07.2008 hat der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er rügt zum einen, dass im Urteil des SG keine zeitliche Beschränkung des Anspruchs auf den beantragten sechsmonatigen Bewilligungszeitraum erfolgt sei. Im Übrigen könne auf die Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II nicht verzichtet werden. Zum Auszugszeitpunkt im Januar 2007 sei die Klägerin nach dem noch nicht rechtskräftigen Urteil (richtig: Gerichtsbescheid) des SG vom 10.04.2008 (S 11 AS 2990/07) Leistungsberechtigte nach § 7 SGB II gewesen. Der Umzug in eine eigene Wohnung bei fortgesetztem Bezug von SGB II-Leistungen bedeute somit eine Erhöhung der Regelsatzleistung. Genau das wolle die Vorschrift des § 22 Abs. 2a SGB II vermeiden, zumindest aber der Kontrolle des Sozialleistungsträgers vorbehalten. Das "rein formalistische Argument" des SG, wonach die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 08.06.2007 (noch) keinen (Fortsetzungs-) Antrag für Leistungen nach dem SGB II gestellt habe, sei mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Es sei nicht notwendig, dass die notwendige Hilfebedürftigkeit anhand eines (Fortsetzungs-) Antrags genau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses quasi nachgewiesen werden müsse. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2a SGB II von Zufälligkeiten abhängig machen. Es könne für den Fall, dass ein Bewilligungsabschnitt innerhalb der "Übergangsphase" ende, nicht ausschlaggebend sein, ob der neue Leistungsantrag schon bei Vertragsschluss (am 12.05.2007) oder unmittelbar danach (am 08.06.2007) - also bei Mietbeginn und drohender Mietzinsforderung - gestellt werde, sofern sich die finanziellen Verhältnisse, wie hier, zwischenzeitlich nicht verändert hätten. Nach Auffassung des Sozialgerichts Reutlingen (Urteil vom 18.12.2007 - S 2 AS 2399/07 -) sei der Normbereich darüber hinaus nicht nur in Fällen, in denen der junge Erwachsene bereits Sozialleistungen bezogen oder beantragt habe, einschlägig, sondern jedenfalls auch dann, wenn beim Auszug wahrscheinlich sei, dass er in Kürze leistungsberechtigt nach dem SGB II werde. Ferner handele es sich bei dem Auszug aus der Wohnung in der L. 46 und dem Einzug in die M. 42 in H. um einen Umzug. In der Wohnung des Vaters habe die Klägerin keine Wohnstätte gefunden, sondern sich dort lediglich "aufgehalten". Der Klägerin sei von Anfang an klar gewesen, dass sie hier nur vorübergehend eine Zuflucht finden könne, weshalb sie unmittelbar nach dem Auszug aus dem Haushalt ihrer Mutter und deren Lebensgefährten nach einer eigenen Wohnung gesucht habe. Eine bloße Übergangsphase, die sich in einem vorübergehenden "Aufhalten" erschöpfe, unterbreche den einheitlichen Umzugsvorgang nicht. Doch selbst wenn man das Verlassen der Wohnung des (leiblichen) Vaters als "Zweitumzug" werten würde, stehe dies einer Anwendung des § 22 Abs. 2a SGB II nicht entgegen. Gesetzlich geregelt worden sei ein Zusicherungserfordernis für jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Damit werde vermieden, dass eine Regelung, die nur für den Erstbezug einer Wohnung gelten würde, umgangen werden könne, wenn der erstmalige Auszug zunächst kurzfristig in eine vorübergehende Wohnung erfolgen würde, um danach in eine andere eigene Wohnung ohne Zustimmungserfordernis umzuziehen (so BT Drucksache 16/6092). Die Zusicherung sei auch nicht entbehrlich gewesen. Auf die Zusicherung könne nur verzichtet werden, wenn sie nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II hätte erteilt werden müssen und es den Betroffenen aus "wichtigem Grund" nicht zumutbar gewesen sei, sie einzuholen. An diesem wichtigen Grund fehle es hier. Der wichtige Grund beinhalte ein zeitliches Element. Die Einholung der Zusicherung sei als unzumutbar anzusehen, wenn eine Entscheidung des Leistungsträgers wegen der besonderen Dringlichkeit des Auszugs nicht eingeholt werden könne. Dass in der gesamten Umzugsphase die Einholung einer Zusicherung oder zumindest die Aufnahme telefonischen Kontakts nicht möglich gewesen sei, sei nicht ersichtlich und werde auch nicht vorgetragen. Es könne also offen bleiben, ob die Behörde bei rechtzeitiger Benachrichtigung zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Absicht des Gesetzgebers sei nur gewesen, den Erstauszug aus der Familienbedarfsgemeinschaft zu beschränken (Ausschuss-Drucksache 16 (11,80 neu, Seite 4). Damit stelle § 22 Abs. 2 SGB II eine Sonderregelung für hilfebedürftige Familien dar, in denen junge ebenfalls hilfebedürftige Volljährige lebten. Dieser gemeinsame Haushalt solle nicht ohne Weiteres auf Kosten der Allgemeinheit aufgelöst werden können. Hier sei die Klägerin nicht aus der Familienbedarfsgemeinschaft ausgezogen, um der Allgemeinheit dadurch weitere Kosten zu verursachen. Die Klägerin sei vielmehr zunächst aus unerträglichen Zuständen im Haushalt der Mutter zu ihrem leiblichen Vater geflüchtet. Im Haushalt ihres leiblichen Vaters sei die Klägerin mehrere Monate verblieben. In dieser Zeit habe sie keinerlei Leistungen nach dem SGB II bezogen. Der Erstumzug habe damit zu einer Entlastung des SGB II-Trägers geführt. Aus der Wohnung des Vaters habe sie jedoch auch wieder umzuziehen müssen, weil die Wohnverhältnisse auf Dauer unerträglich gewesen seien. Wäre sie unverzüglich nach ihrem Auszug aus der I. (richtig: L.) 46 (Wohnung der Mutter) in eine andere Wohnung umgezogen, so wären die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II erfüllt gewesen, denn sie habe aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung des Elternteils verwiesen werden können. In diesem Fall wäre es ihr auch nicht zumutbar gewesen, zuvor die Zusicherung einzuholen. Ihr Auszug sei nicht erfolgt, weil sie den allgemeinen Wunsch nach Unabhängigkeit verspürt habe, er habe vielmehr die Flucht aus unerträglichen Verhältnissen dargestellt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Hierbei hat der Vater der Klägerin mitgeteilt, dass man vor Abschluss des Mietvertrags Kontakt mit dem Arbeitsamt und einem Mitarbeiter des Rhein-Neckar-Kreises gehabt habe. Es sei geraten worden, sich eine Wohnung zu suchen. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass es sich hierbei um den Mitarbeiter W. des Beklagten gehandelt habe. Die Klägerin hat ausgeführt, dass ihre finanzielle Situation eigentlich immer gleichbleibend gewesen sei.
Auf Nachfrage des Senats hat der Mitarbeiter W. des Beklagten angegeben, dass Vor-Ort- Mitarbeiter des Rhein-Neckar-Kreises ein Mal wöchentlich in den Agenturen für Arbeit Mannheim und Heidelberg für Erstberatungen eingesetzt würden. Aufgabe des Vor-Ort-Mitarbeiters sei nicht, bereits in diesem Erstgespräch eine abschließende Entscheidung zu treffen (wie z.B. eine Zusicherung). Vielmehr bestehe seine Aufgabe darin, den Hilfesuchenden kundenorientiert zu beraten und entsprechend weiterzuleiten. Aktenvermerke über die Erstgespräche würden nicht angefertigt. Ob und ggf. wann er mit der Klägerin ein entsprechendes Erstgespräch geführt habe, könne er deshalb heute nach über zwei Jahren nicht mit Sicherheit sagen. Mit absoluter Sicherheit könne er jedoch erklären, dass er bei einem eventuell stattgefundenen Informationsgespräch in der Vor-Ortstelle bei der Agentur für Arbeit auf keinen Fall eine inhaltliche Entscheidung getroffen habe.
Der Senat hat auf den Beschluss des 7. Senats des LSG - L 7 AS 1476/07 ER-B hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte des SG S 11 AS 2990/07 und des erkennenden Senats L 3 AS 2202/08 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 09.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2007. Da der Beklagte durch die Bescheide die Leistungsgewährung für den Zeitraum ab 08.06.2007 abgelehnt hat, ist der streitige Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung zu erstrecken (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R in juris).
Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf KdU für den streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Klägerin ist erwerbsfähig und hilfebedürftig und damit gemäß §§ 7 bis 9 SGB II anspruchsberechtigt. Damit stehen ihr nach §§ 19 Satz 1, 22 SGB II sowohl Regelleistungen als auch KdU zu.
Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus § 22 Abs. 2a SGB II.
Diese Norm enthält folgende Regelung: Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrags über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es den Betroffenen aus wichtigen Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht erbracht, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.
Die Klägerin unterlag grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2a SGB II. Sie war sowohl beim Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter im Januar 2006 als auch beim Einzug in die neue Wohnung im Juni 2006 unter 25 Jahre.
Die Klägerin war vom Regelungsgehalt der Norm auch betroffen. Die Regelung verfolgt das Ziel, die nach Ansicht des Gesetzgebers ausufernden Kosten, die entstanden, wenn Personen in der Altersspanne von 18 bis 25 Jahren aus der elterlichen Wohnung auszogen und dann als eigene Bedarfsgemeinschaft im vollen Umfang nach § 22 Abs. 1 SGB II Unterstützungsleistungen erhalten konnten, zu begrenzen. Ratio des Abs. 2a ist, einer Ausweitung leistungsberechtigter Bedarfsgemeinschaften entgegenzuwirken (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II § 22 Rd.Nr. 9a unter Hinweis auf die BT-Drucks 16/688, S 14; RdNr. 80a). Ob sich das Zusicherungserfordernis damit auch auf solche Jugendliche und junge Erwachsene bezieht, die zwar bislang nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II gewesen sind oder, ohne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gewesen zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben, wenn bei deren Auszug wahrscheinlich war, dass sie in Kürze leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein werden (so SG Reutlingen, Urteil vom 18.12.2007 -S 2 AS 2399/07 - in juris.de mit weiteren Nachweisen), kann dahingestellt bleiben. Dem Regelungsbereich unterfallen auf jeden Fall die unter 25-Jährigen, die im Zeitpunkt des Umzugs Leistungen nach dem SGB II beantragt oder erhalten haben (Lang/Link a.a.O. RdNr. 80b; Berlit in LPK-SGB II § 22 Rd. 82). Dieser Personenkreis steht bereits im Kontakt zum Leistungsträger. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, dass der kommunale Träger die "neu" entstehenden Unterkunftskosten prüft und ggf. eine Zusicherung erteilt. So war es im Fall der Klägerin. Sie hatte nach dem Umzug zum Lebensgefährten ihrer Mutter am 18.07.2006 Leistungen nach dem SGB II beantragt. Ob sie diese Leistungen letztendlich erhält, kann dahinstehen. Für die Einbeziehung der Klägerin in den Regelungsbereich des § 22 Abs. 2a SGB II genügt die Antragstellung.
Etwas anderes ergibt sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil auch nicht deshalb, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags am 12.05.2007 weder im Leistungsbezug nach dem SGB II stand, noch einen Antrag für die Zeit nach Januar 2007 gestellt hatte. Eine solche Auslegung des § 22 Abs. 2a SGB II würde - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2a SGB II von Zufälligkeiten abhängig machen. Außerdem hätte es der Berechtigte in der Hand, insoweit Vorkehrungen zu treffen und den Vertrag an einem Tag, an dem der Leistungsbezug geendet hat und noch kein neuer Antrag gestellt worden ist, abzuschließen. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2a SGB II.
Mit dem Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter im Januar 2007 und Einzug in die eigene Wohnung im Juni 2007 hat die Klägerin auch erstmals die Wohnung gewechselt. Es handelt sich hier um einen Umzug, der im Januar begann und im Juni endete. Der Einzug beim Vater ändert hieran nichts. In der Wohnung des Vaters hielt sich die Klägerin nur auf. Auf Grund der beengten Wohn- und Arbeitsverhältnisse war ein dauernder Aufenthalt und Einzug in die Wohnung des Vaters zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Klägerin auf dem Mietvertrag vom 12.05.2007 als Adresse die frühere Anschrift beim Lebensgefährten der Mutter angab. Ob ein weiterer Umzug nach einem (Erst-) Umzug ebenfalls von § 22 Abs. 2a SGB II erfasst wird, muss deshalb nicht entschieden werden.
Auf die Zusicherung konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Klägerin bei Auszug, Wohnungssuche, Abschluss des Mietvertrags und Einzug davon ausging, dass sie über ein ausreichendes Einkommen verfügen werde, um die Mietkosten selbst zu tragen. Dem war nicht so. An der finanziellen Situation der Klägerin hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Sie war sich die ganze Zeit darüber im Klaren, dass sie eine eigene Wohnung nicht selbständig finanzieren kann.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Beklagte durch den Auszug aus der Wohnung des Lebensgefährten der Mutter und den Unterschlupf beim Vater zunächst entlastet wurde, nachdem die Klägerin während des Aufenthalts bei ihrem Vater keine Leistungen beantragte und bezog. Es ist zwar richtig, dass es hierdurch zunächst zu einer Entlastung des Beklagten kam, doch war von Beginn an klar, dass es sich insoweit nicht um eine dauernde Entlastung handeln würde, da die Wohnung des Vaters nur als Unterschlupf diente und von vorneherein klar war, dass es sich insoweit um keinen Dauerzustand handelt.
Die fehlende Zusicherung ist in diesem Fall jedoch unschädlich, denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf Erteilung dieser Zusicherung, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann.
Der Auszug erfolgte, wie sich insbesondere aus der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des SG am 02.04.2008 im Verfahren S 11 AS 2990/07 ergibt, nach vorangegangenen wochenlangen Differenzen mit dem Lebensgefährten der Mutter wegen der Kostenbeteiligung der Klägerin an der Wohnung Ende Januar 2007, nachdem der Lebensgefährte der Mutter der Klägerin zwei Tage zuvor den Strom abgestellt hatte. Insbesondere die Abstellung des Stroms belegt, dass es sich hier nicht um bloße Meinungsverschiedenheiten handelte. Das Abstellen des Stroms stellte einen schwerwiegenden sozialen Grund dar, der den Auszug rechtfertigte. Die Situation war auch so, dass der Klägerin eine Rückkehr in die Wohnung des Lebensgefährten nicht mehr möglich war. Auch auf die Wohnung des Vaters kann sie im Hinblick auf deren Größe nicht auf Dauer verwiesen werden.
Dahingestellt bleiben kann, ob es der Klägerin aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen (§ 22 Abs. 2a S.3 SGB II). Dies könnte deshalb zu verneinen sein, weil die Klägerin zwar unverzüglich ausziehen musste, dann aber vor Abschluss des Mietvertrags im Mai 2007 und Einzug im Juni 2007 ausreichend Zeit gehabt haben könnte, die Zusicherung einzuholen. Letztendlich ist dies jedoch nicht entscheidend. Zwar ist nach dem Wortlaut der Norm (so auch Berlit in LPK-SGB II, § 22 RdNr. 91) neben dem schwerwiegenden Grund nach Satz 2 der Norm nach § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II zusätzlich ("unter den Voraussetzungen des Satzes 2") erforderlich, dass die Zusicherung aus wichtigem Grund nicht eingeholt werden konnte. Diese Koppelung eines bloßen Verzichtsermessens mit hohen tatbestandlichen Voraussetzungen ist angesichts der gravierenden Rechtsfolgen, welche die Nichteinholung der Zusicherung hat, nach Berlit in LPK-SGB II § 22 Rd. 91, dem sich der Senat anschließt, jedoch sachlich verfehlt und unverhältnismäßig. Die Norm ist deshalb verfassungskonform auszulegen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 ist das Verzichtsermessen auf Null reduziert (so Berlit a.a.O; a.A. SG Reutlingen, Urteil vom 18.12.2007 - S 2 AS 23990/07 - in juris). Im Ergebnis ebenso sieht es auch Lang/Link in Eicher/Spellbrink § 22 Rd. 80v. Nach ihrer Auffassung knüpft Satz 3 der Norm unmittelbar an die Voraussetzungen des Satzes 2 an und beinhaltet damit keine Erweiterung der Zusicherungsgründe. Bei der Abweichungsbefugnis von der an sich erforderlichen Zusicherung handele es sich nur um ein "Kompetenz"-Kann und nicht um eine Ermessensentscheidung.
Abgesehen davon wäre die Zusicherung hier auch deshalb entbehrlich, weil sich die Klägerin vor Abschluss des Mietvertrags und Einzug in die neue Wohnung mit dem Mitarbeiter des Beklagten W. in Verbindung gesetzt hat und von dort die Auskunft erhielt, sie könne sich um eine neue Wohnung kümmern. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin und ihres informatorisch gehörten Vaters, die den Mitarbeiter des Beklagen namentlich benennen konnten, und entspricht im Wesentlichen auch den Angaben des Zeugen W., der sich zwar nicht mehr an das Gespräch erinnern kann, es jedoch auch nicht für ausgeschlossen hält. Anlässlich dieses Gesprächs erhielt die Klägerin zwar keine schriftliche Zusicherung. Dies war, da sie noch keine Wohnung gefunden hatte, auch gar nicht möglich. Bei diesem Gespräch hätte der Mitarbeiter des Beklagten die Klägerin jedoch darauf aufmerksam machen müssen, dass sie vor Abschluss des Mietvertrags noch die Zusicherung einzuholen hat. Dadurch, dass er dies nicht getan hat, hat er die Klägerin unzureichend beraten. Dies hat zur Folge, dass der Beklagte auch unter Beachtung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jetzt nicht mehr damit gehört werden kann, dass eine Zusicherung nicht eingeholt worden sei (Lang/Link a.a.O. § 22 Rd. 80 x). Wenn die Klägerin vollständig beraten worden wäre, hätte sie den Antrag gestellt.
Die Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, insbesondere wegen der bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II neben den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II vorliegen müssen, zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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