S 11 AS 178/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 178/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages für kostenaufwändige Ernährung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 00.00.1956 geborene Klägerin wohnt seit 01.12.2005 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und bezieht seither von dieser Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Auf Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 12.04.2007 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 24.04.2007 laufende Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2007 in Höhe von monatlich 755,77 Euro. Darin enthalten waren die Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 410,77 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 02.06.2007 erhöhte die Beklagte die Leistungen für die Zeit ab 01.07.2007 auf monatlich 757,77 Euro bedingt durch die Anhebung der Regelleistung auf monatlich 347,00 Euro. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 31.07.2007 senkte die Beklagte die Leistungen für den Monat August auf 562,29 Euro und für die Monate September bis November 2007 auf monatlich 743,77 Euro mit der Begründung ab, es erfolge eine Anpassung an geänderte Betriebskostenabschläge.

Am 15.05.2007 beantragte die Klägerin telefonisch die Bewilligung eines Mehrbedarfszuschlags wegen kostenaufwändiger Ernährung. Hierzu reichte sie in der Folge eine Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin N C1 aus C2 vom 23.05.2007 ein, wonach bei der Klägerin die Diagnosen Fruktosemalabsorption, Diabetes mellitus Typ II und Cholecystolithiasis bestünden und sie eine fettarme, fruktose- und sorbitarme Ernährung in Kombination mit einer Diabetesdiät einzuhalten habe. Die Klägerin gab hierzu an, sie halte die Diät seit Mai 2007 ein. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 18.06.2007 mit der Begründung ab, eine amtsärztliche Überprüfung habe ergeben, dass die von der Klägerin einzuhaltende Ernährung im Vergleich zur üblichen Ernährung keine Mehrkosten verursache.

Ihren am 26.06.2007 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, durch die neben dem Diabetes bestehende Fruktosemalabsorption und die Cholecystolithiasis erhöhten sich die Anforderungen an eine verträgliche und medizinisch indizierte Kost stark. Das gehe bis hin zur Notwendigkeit, teilweise wegen des mit der Bereitstellung geeigneter Speisen verbundenen Zeitaufwandes auf Fertigprodukte, welche nur in einer Apotheke erhältlich seien, zurückzugreifen. Zudem benötige sie spezielles Brot, welches mit einem Preis von 2,50 Euro für ein kleines Päckchen wesentlich teurer sei als normal. Da sie weitgehend auf Gemüse und Obst verzichten müsse, sei sei gehalten, die hierdurch fehlenden Nährstoffe durch Nahrungsergänzungsmittel zu ersetzen. Bestimmte für sie verträgliche Lebensmittel erhalte sie nur in Bioläden oder Reformhäusern zu den dort bekanntlich höheren Preisen.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2007 mit der Begründung zurück, bei Diabetes mellitus ergäben sich durch die Reduktion des Kohlenhydratanteils in der Ernährung keine Mehrkosten gegenüber einer Normalernährung. Diabetiker- oder Diätprodukte müssten nicht verwendet werden. Auch fettarme Ernährung verursache keine Mehrkosten. Auch Nahrungsergänzungsmittel seien nicht erforderlich. Da die Klägerin nicht berufstätig sei, müsse es ihr möglich sein, Mahlzeiten auch bei höherem Zeitaufwand selbst zuzubereiten und nicht auf teuere Fertigprodukte zurückzugreifen.

Auf Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 18.10.2007 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2007 laufende Leistungen für die Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 in Höhe von monatlich 743,77 Euro. Darin enthalten waren die Regelleistung in Höhe von 347,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 496,77 Euro. Ein Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung war nicht enthalten.

Gegen den Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 hat die Klägerin am 20.09.2007 Klage erhoben. Sie trägt vor, durch die isolierte Prüfung ihrer Erkrankungen komme die Beklagte zu einem unzutreffenden Ergebnis. Gerade das Zusammenwirken der Erkrankungen mache eine völlig andere Ernährung erforderlich, als es bei Menschen der Fall sei, die jeweils nur an einer der Erkrankungen litten. Eine Auslassdiät sei bereits früher ohne Besserung ihres Zustandes durchgeführt worden. Für eine optimale Ernährung müsse sie auf exotisches Obst zurückgreifen, welches teurer sei. Nur durch den regelmäßigen Verzehr von Biolebensmitteln habe sie es geschafft, ihre Blutwerte im Normbereich zu halten. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge begegneten einem grundsätzlichen Vorbehalt. Die zugrunde gelegten Daten stammten aus dem Jahr 2003. Die Teuerungsrate sei nicht berücksichtigt. Die Preise für Lebensmittel seien in den letzten zwei Jahren drastisch gestiegen. Im Übrigen decke der in der Regelleistung enthaltene Betrag von täglich 4,52 Euro lediglich den Mindestaufwand für eine Vollkosternährung. Sie benötige jedoch eine diätetisch gewichtete normale Vollkost, welche einen Kostenaufwand von täglich 6,30 Euro und damit einen täglichen Mehrbedarf von 1,78 Euro täglich bzw. 53,40 Euro monatlich bedinge. Die Anforderungen an eine normale Vollkost können schon rein begrifflich nicht mit dem Mindestaufwand für eine Vollkosternährung gleichgesetzt werden. Normal bedeute in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines Hinausgehens über das Minimum. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahr 2008 bildeten keine tragfähige Beurteilungsgrundlage für den streitgegenständlichen Zeitraum. Eine gesetzliche Grundlage für eine rückwirkende Anwendung sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 24.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 31.07.2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 in Höhe von 53,40 Euro monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die ernährungsmedizinischen Empfehlungen seien kostenneutral zu realisieren.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befund- und Behandlungsberichtes des Facharztes für Allgemeinmedizin C1 vom 04.03.2008, in welchem als Diagnosen gestellt werden Cholezystholithiasis, rezidivierende Cholodocholithiasis, chronische Pankreatitis, Diabetes mellitus Typ 2, Fruktosemalabsorption, Spinalkanalstenose und Refluxsyndrom. Weiter wird ausgeführt, aufgrund der bestehenden diabetischen Stoffwechsellage sollte eine kalorienreduzierte Ernährung erfolgen. Aufgrund der bestehenden Fruktosemalabsorption sollte auf Nahrungsmittel mit einem hohen Fruktoseanteil verzichtet werden. Weiterhin dürften keine Lebensmittel mit Sorbit aufgenommen werden. Die Klägerin müsse insbesondere Nahrungsmittel mit Zuckeraustauschstoffen meiden; diese Produkte seien aber für die ergänzende Diätetik bei der Diabetes mellitus-Erkrankung sinnvoll. Industriell gefertigte Ersatzprodukte seien nicht notwendig. Aufgrund der Fruktosemalabsorption könne es teilweise zu Vitaminmangelzuständen kommen. Daher sei die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln wie z.B. Multivitaminpräparaten erforderlich. Durch den Erwerb von fruktosefreiem Brot und Nahrungsergänzungsmitteln ergebe sich ein erhöhter finanzieller Mehrbedarf. Ein Multivitaminpräparat koste für einen Monat ca. 50,00 Euro. Der Nahrungsmittelmehraufwand betrage ca. 50,00 Euro bis 70,00 Euro.

Die Beklagte hat eine sozialmedizinische Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Bielefeld vom 28.05.2008 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die ernährungsmedzinischen Empfehlungen für die Erkrankungen der Klägerin könnten kostenneutral realisiert werden. Dem Erfordernis besonderer Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Multivitaminpräparate könne nicht gefolgt werden, da Brot ggf. selbst zu backen sei, der Vitaminbedarf mit Gemüse gedeckt werden könne und bei Nahrungsergänzungsmitteln Vorsicht geboten sei.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Innere Medizin Dr. V N1 vom 14.07.2008 und eines Zusatzgutachtens der Diätassistentin F I vom 28.07.2008, beide aus C2. Der Gutachter Dr. N1 hat als internistische Diagnosen gestellt Diabetes mellitus Typ 2, milde Fruktosemalabsorption und rezidivierende Oberbauchbeschwerden zurzeit ungeklärter Ursache. An nicht-internistischen Diagnosen bestünden ein chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom und ein Brustwirbelsäulensyndrom. Er hat weiter ausgeführt, es bestehe keine manifeste Diabetes mellitus-Erkrankung, sondern ein Vorstadium im Sinne einer abnormen Nüchternglukose, die unter der laufenden diätetischen Behandlung erfolgreich stabilisiert worden sei. Eine Krankenkost, die einen finanziellen Mehrbedarf begründen würde, bestehe aufgrund der Prädisposition für einen Diabetes mellitus und der milden Fruktosemalabsorption nicht. Auf der Basis einer ausgewogenen Mischkost unter Verzicht auf kostenintensive Diätprodukte sei eine optimale Einstellung der Stoffwechselsituation möglich. Unter der aktuellen Ernährungsweise der Klägerin sei der Bedarf der Klägerin an Vitaminen und Spurenelementen weitgehend gedeckt. Die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln wie z.B. Multivitaminpräparaten sei daher nicht erforderlich. Gleichfalls sei es nicht erforderlich, fruktosefreies Brot zu essen. Es seien lediglich Nahrungsmittel mit hohem Fruktoseanteil zu meiden. Sorbitolhaltige Nahrungsmittel wie Bier, Diätprodukte und Diabetikerprodukte seien zu meiden. Dies seien Nahrungsmittel, die auch wegen der diabetischen Stoffwechselstörung gemieden werden sollten. Da nur eine milde Form der Fruktosemalabsorption vorliege, dürfte eine Reduktion der Fruktoseaufnahme unter einen Richtwert von 10 Gramm pro Mahlzeit ausreichend sein, um Symptomfreiheit zu erlangen. Die übrige Mischkost könne unverändert weiter verzehrt werden, so dass Vitaminmangelzustände nicht zu erwarten seien. Das Gallensteinleiden müsse als geheilt angesehen werden; eine spezielle Diät sei hier nicht erforderlich. Bezüglich der unspezifischen Beschwerden der Klägerin im Bauch sei eine genaue Ursachenklärung bisher nicht möglich gewesen. Soweit die Klägerin der Annahme sei, Biokost sei für sie verträglicher als konventionelle Lebensmittel, sei anzumerken, dass aus ärztlicher Sicht zwischen dem Verzehr von Biolebensmitteln und konventionellen Lebensmitteln kein Unterschied bestehe.

Die Zusatzgutachterin I hat ausgeführt, eine gesunde Ernährung erfordere bei den Erkrankungen der Klägerin eine bewusste Auswahl von Lebensmitteln. Obst gehöre zu den kritischen Lebensmitteln, da viele Sorten einen hohen Fruktosegehalt aufwiesen, gleichzeitig jedoch wichtige Spender für Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente seien. Gängige heimische Obstsorten wie Äpfel und Birnen seien wegen des natürlichen Sorbitgehalts und einem ungünstigen Fruktose-Glukoseverhältnis nicht geeignet. Begrenzt möglich sei der Verzehr von Zitrusfrüchten, Beerenfrüchten und Exoten wie Ananas und Mango, die jedoch teurer als einheimisches Obst seien. Bei einem Verzicht auf Obst und einige Gemüsesorten müsse die Nährstoffaufnahme durch den Verzehr anderer Lebensmittelgruppen gesichert werden. Durch die übliche Ernährungsweise der Klägerin sei der Bedarf der notwendigen Nährstoffe jedoch weitgehend gedeckt. Während eines halben Jahres einer Testphase sei die Zufuhr nicht gewährleistet gewesen.

Auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens und des Zusatzgutachtens im Übrigen wird verwiesen.

Die Klägerin hat zu den eingeholten Gutachten Stellung genommen und u.a. ausgeführt, die Gutachten würfen mehr Fragen auf als sie beantworteten und widersprächen sich in sich sowie den Empfehlungen des behandelnden Arztes. Sie habe bereits in der Vergangenheit eine Auslassdiät vorgenommen. Es sei nicht einsichtig, weshalb nochmals eine solche Diät durchgeführt werden sollte. Aus dem Zusatzgutachten ergebe sich, dass sie auf das teurere exotische Obst zurückgreifen solle. Der Gutachter habe außerdem eine getrennte Beurteilung der Erkrankungen vorgenommen. Gerade aufgrund der Kombination der Erkrankungen entstünden jedoch Mehrkosten.

Das Gericht hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung ergänzender Stellungnahmen des Herrn Dr. N1 vom 28.11.2008 und der Frau I vom 26.11.2008. Herr Dr. N1 hat sich auf sein Gutachten und das Zusatzgutachten der Frau I bezogen und ausgeführt, durch das gemeinsame Auftreten von Diabetes und Fruktosemalabsorption ergäben sich keine Mehrkosten. Es sei ausreichend, wenn die Klägerin eine diätetisch gewichtete normale Vollkost zu sich nehme. Auf der Basis der aktuellen Preislisten sei eine solche Kost nicht mit dem aktuellen Regelsatz zu gewährleisten. Die genannte Kost bedinge pro Tag einen Aufwand von 6,30 Euro. Entsprechend hat sich Frau I in ihrer ergänzenden Stellungahme geäußert. Weiter hat sie ausgeführt, die Ernährung bei Diabetes mellitus Typ 2 unter Berücksichtigung der Auswahl von geeigneten Lebensmitteln bei Fruktosemalabsorption entspreche den aktuellen Empfehlungen einer gesunden Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 24.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 31.07.2007 und zusätzliche Bewilligung eines Mehrbedarfszuschlages für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007.

Es ist zunächst fraglich, ob die Klägerin isoliert einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend machen kann und ob die Beklagte hierüber gesondert entscheiden durfte. Zur Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II sind der Bedarf und das Einkommen des Leistungsempfängers bzw. der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. Der Gesamtbedarf ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II zu bestimmen. Dabei sind die Leistungsansprüche unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind deshalb alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 29/06 R m.w.N.). Eine Beschränkung des Streitgegenstandes hat das Bundessozialgericht nur für zulässig erachtet, wenn es sich um abtrennbare Verfügungen eines Gesamtbescheides, d.h. um eigenständige Regelungen im Sinne des § 31 SGB X handelt. Dies wurde bislang nur angenommen bei der Entscheidung über Kosten der Unterkunft und Heizung einerseits und den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R).

Da der Antrag vom 15.05.2007 nach Bescheiderteilung für einen sechsmonatigen Bewilligungszeitraums gestellt wurde, ist er richtigerweise als Antrag auf Abänderung des maßgeblichen Bewilligungsbescheides vom 24.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 31.07.2007 auszulegen. Denn die Beklagte hat in den genannten Bescheiden bindend über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 entschieden; Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2007 hat die Klägerin nicht erhoben. Höhere Leistungen können aber nur gewährt werden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid abgeändert wird.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Abänderung der Bewilligungsbescheide ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teiweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

In sachlicher Hinsicht ist die Prüfung im hier vorliegenden Fall allerdings auf die Frage beschränkt, ob die Klägerin aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf und bei ihr deshalb ein Mehrbedarf festzustellen ist. Hinsichtlich der weiteren Bedarfe bleibt es bei der Bindungswirkung des Bescheides vom 24.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 31.07.2007. Ist der gegen einen bindend gewordenen Verwaltungsakt vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts darzutun, ergibt aber die sachliche Prüfung, dass diesem Einwand die tatsächliche Grundlage fehlt, so beschränkt § 44 SGB X die Entscheidung auf den Einwand und läßt die Bindungswirkung im Übrigen unberührt. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt zwar nicht ausdrücklich, dass vor einer erneuten Sachprüfung formal zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden, setzt aber stillschweigend voraus, dass dies gedanklich in ähnlicher Weise geschieht. Ergibt sich im Rahmen eines Antrages nach § 44 SGB X nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen (vgl. zum Vorstehenden Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 03.02.1988, 9/9a RV 18/86). Die Klägerin hat in ihrem Antrag vom 15.05.2007 lediglich Umstände vorgetragen, die die zusätzliche Bewilligung eines Mehrbedarfszuschlags stützen sollten; hinsichtlich der übrigen Bedarfe hat die Klägerin weder bei Antragstellung noch in der Folge etwas vorgebracht. Die Beklagte hat sich dementsprechend im Bescheid vom 18.06.2007 zu Recht lediglich auf diesen Gesichtspunkt bezogen, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen eines Mehrbedarfszuschlages nicht vorliegen und hat eine sachliche Prüfung im Übrigen nicht vorgenommen und sich damit konkludent insoweit auf die Bindungswirkung berufen.

In zeitlicher Hinsicht ist die ablehnende Entscheidung vom 18.06.2007 auf den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 begrenzt. Für den folgenden sechsmonatigen Leistungszeitraum ist ein Mehrbedarfszuschlag inzident wiederum abgelehnt worden. Der Bescheid vom 18.06.2007 entfaltet durch die folgende Ablehnung im Bescheid vom 19.10.2007 für die Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 lediglich eine rechtlich begrenzte Wirkungsdauer bis zum 30.11.2007 (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstandes durch nachfolgende Ablehnungsbescheide BSG, Urteil vom 31.10.2007, B 14/11b AS 59/06 R).

Die Klägerin bedarf für die hier streitgegenständliche Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 nicht aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung; die Beklagte hat daher zu Recht einen Mehrbedarf nicht gewährt.

Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Vorliegend liegen keine medizinischen Gründe vor, die das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung bedingen würden. Bei der Klägerin besteht keine Erkrankung, die eine solche Ernährung erforderlich macht. Es reicht aus, wenn die Klägerin eine diätetisch gewichtete normale Vollkost zu sich nimmt, die aus der Regelleistung zu finanzieren ist.

Dass es ausreicht, wenn die Klägerin eine diätetisch gewichtete normale Vollkost zu sich nimmt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren internistischen Sachverständigengutachtens des Herrn Dr. N1, des Zusatzgutachtens der Frau I und der jeweiligen ergänzenden Stellungnahmen der Gutachter. Danach ergeben sich weder aufgrund der Diabetes-Erkrankung noch aufgrund der Fruktosemalabsorption sowie auch nicht aufgrund des gemeinsamen Auftretens beider Störungen Mehrkosten. Auch Spezialzubereitungen oder besondere Anbau- und Verarbeitungsverfahren sind nicht erforderlich. Insgesamt ist eine spezielle Krankenkost nicht erforderlich.

Nach den Ausführungen des Hauptgutachters werden bei Fruktosemalabsorption Auslassdiäten mit sehr gutem Erfolg durchgeführt. Ein Mehrbedarf besteht bei dieser milden, leichtgradigen Störung der Fruktoseverwertung nicht. Insbesondere ist es nicht erforderlich, fruktosefreies Brot zu essen. Es sind lediglich Nahrungsmittel mit hohem Fruktoseanteil zu meiden. Der Gehalt an Fruktose in Weizen- und Roggenmehl liegt in den verzehrsüblichen Mengen unter bzw. bei ca. einem Gramm Fruktose und hat keinen Einfluss auf die Verträglichkeit. Verzehrt werden kann beispielsweise Weizenbrot, welches keine Fruktose enthält.

Hinsichtlich der Diabetes-Erkrankung lässt sich diese bereits nicht als manifeste Erkrankung, sondern eher als Vorstadium feststellen. In diesem Stadium der Erkrankung ist eine Diabetesdiät durch eine Auslassdiät und durch eine konsequente Gewichtskontrolle gekennzeichnet. Beides kann von der Klägerin ohne Mehrkosten durch Einhaltung einer ausgeglichenen Mischkost realisiert werden.

Zum Zusammentreffen der beiden Erkrankungen ist festzustellen, dass aufgrund der Fruktosemalabsorption sorbitolhaltige Lebensmittel wie Bier, Diätprodukte und Diabetikerprodukte und Obstsorten wie Äpfel und Birnen gemieden werden müssen. Im Wesentlichen sind damit Nahrungsmittel erfasst, die auch wegen der diabetischen Stoffwechselstörung nach Möglichkeit gemieden werden sollten. Bis auf die Reduktion von Fruktose kann die übrige Mischkost verzehrt werden. Der Verzehr geringer Mengen Glukose, welcher in dem bei der Klägerin festgestellten Stadium der Diabetes-Erkrankung zu keiner wesentlichen Verschlechterung der Stoffwechselsituation führen dürfte, bessert die Verträglichkeit fruktosehaltiger Lebensmittel.

Auch der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln wie z.B. Multivitaminpräparaten ist nicht erforderlich, da unter der praktizierten Ernährungsweise der Klägerin der Bedarf an Vitaminen und Spurenelementen weitgehend gedeckt ist. Hierbei ist ein Rückgriff auf exotische Früchte nicht zwingend erforderlich; vielmehr kann die Nährstoffaufnahme durch den Verzehr anderer Lebensmittelgruppen gesichert werden. Die Zusatzgutachterin hat hierzu einen beispielhaften Ernährungsplan vorgelegt.

Zwischen dem Verzehr von Biolebensmitteln und konventionellen Lebensmitteln besteht aus ärztlicher Sicht kein Unterschied.

Die Kammer schließt sich den insoweit überzeugenden Ausführungen der erfahrenen Sachverständigen an. Die Ausführungen des gerichtlichen Gutachter lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind erkennbar auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich mit den erhobenen Befunden, mit den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinandergesetzt. Die Feststellungen decken sich mit den Einschätzungen der Gutachter im Verwaltungsverfahren.

Soweit die gerichtlichen Gutachter zu dem Ergebnis kommen, die empfohlene diätetisch gewichtete normale Vollkost bzw. Mischkost sei von dem im Regelsatz vorgesehenen Beträgen nicht zu bestreiten, vermag dies den Anspruch auf Mehrbedarf nicht zu begründen. Entgegen der klägerischen Auffassung handelt es sich bei der vom Gutachter empfohlenen "diätetisch gewichteten, normalen Vollkost" nicht um ein "Mehr" gegenüber einer normalen Vollkost im Sinne der akutellen "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen" (Empfehlungen des Deutschen Vereins). Vollkost ist danach eine Kost, die u.a. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und insbesondere auch zur Therapie berücksichtigt. Der gerichtliche Gutachter führt hierzu ausdrücklich aus, es handle sich bei der der Klägerin zu empfehlenden Kost nicht um eine spezielle Krankenkost. Er hält vielmehr eine Vollkost, wie sie in den Empfehlungen des Deutschen Vereins beschrieben ist, für ausreichend. Diese ist jedoch nach den aktuellen Empfehlungen aus dem Regelsatz zu decken.

Die bisherige Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat sich hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen vor allem an den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen" (Empfehlungen des Deutschen Vereins) orientiert. Hierauf hat auch der Gesetzgeber bei der Einführung des § 21 Abs 5 SGB II abgestellt (Vgl. BT- Drucksache 15/1516 S. 57) und eine anderweitige Ermittlung eines Mehrbedarfes lediglich in den Fällen als geboten erachtet, in denen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Die Empfehlungen wurden erstmals 1974 herausgegeben und befanden sich während des streitgegenständlichen Leistungszeitraumes auf dem Stand des Jahres 1997, wobei deren Überarbeitung zum 01.10.2008 abgeschlossen wurde. Nach dem Inkrafttreten des SGB II wurde im Hinblick auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und die fehlenden Aktualität der Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 insbesondere in der Rechtsprechung auf neuere Begutachtungsleitfäden abgestellt, vor allem auf den des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Der "Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt: § 30 Abs. 5 SGB XII)" aus dem Jahr 2002 (Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe), der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in vier Bundesländern erstellt wurde, kritisierte, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Dementsprechend fanden sich im Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zum Teil von den Empfehlungen abweichende Bewertungen. Das galt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME-Rationalisierungsschema 2004). Auch das BSG hatte hierzu bereits festgestellt, dass man nicht mehr davon ausgehen könne, die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 würden in allen Punkten allgemeine und im Wesentlichen unumstrittene aktuelle Erfahrungswerte wiedergeben (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/7b AS 64/06 R), nachdem die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 datierten, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützten und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen nicht durch eine Aktualisierung nachvollzogen hatten. Mittlerweile hat aber auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) seine "Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" überarbeitet und am 01.10.2008 verabschiedet (Empfehlungen 2008). Die Empfehlungen 2008 konzentrieren sich zum einen auf die Prüfung, ob eine sogenannte "Vollkost" aus dem Eckregelsatz zu finanzieren ist, wobei Vollkost als eine Kost anzusehen ist, die (1.) den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, (2.) in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, (3.) Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und (neu!) auch zur Therapie berücksichtigt und (4.) in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1.-3. nicht tangiert werden (Empfehlungen 2008, S. 16). Zur Frage der Finanzierbarkeit einer Vollkost wurden u.a. die Bemessungsgrundlagen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS 2003) analysiert, die die Datenbasis für die Festsetzung der Regelsätze 2007 bilden (Empfehlungen 2008, S. 4). Eine in diesem Zusammenhang bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Auftrag gegebene Studie hat hierbei ergeben, dass sich der Bedarf eines Erwachsenen an Vollkost mit einem durchschnittlichen Aufwand von 43,46 Euro wöchentlich, also 6,21 Euro täglich decken ließe. Nachdem das fürsorgerechtliche Ziel auf die Sicherung eines soziokulturellen Existenzminimums beschränkt sei und nicht die Gewährleistung eines durchschnittlichen Lebensstandards zum Gegenstand habe, sei ein solcher Mittelwert nicht der relevante Bezugspunkt. Bei einer "preisbewussten Einkaufsweise" sei eine Vollkost mit einem Aufwand von ca. vier Euro täglich zu finanzieren, so dass eine gesunde und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht auch allen Menschen ohne besondere diätetische Anforderungen empfohlene Ernährung aus dem Regelsatz finanzierbar ist, wenn die Preise der eingekauften Lebensmittel im unteren Viertel der Preisstreuung liegen (Empfehlungen 2008, S. 17, 19 m.w.N.). Zum Anderen hat der DV in seinen Empfehlungen 2008 die geänderten diätetischen Grundlagen des "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME-Rationalisierungsschema 2004) nachvollzogen (Empfehlungen 2008, S. 15 f.) und für eine Vielzahl von Krankheiten, u.a für Diabetes mellitus einen krankheitsbedingt erhöhten Ernährungsaufwand verneint (Empfehlungen 2008, S. 10; vgl. zum Vorstehenden insgesamt Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.10.2008, L 11 AS 337/06 m.w.N.).

Es besteht keine Veranlassung, die Empfehlungen 2008 für Sachverhalte, die vor dem 01.10.2008 liegen, außer Betracht zu lassen. Auch wenn die Empfehlungen erst am 01.10.2008 durch den DV verabschiedet worden sind, fassen sie die ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre seit dem BDME-Rationalisierungsschema 2004 bzw. dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002 zusammen und vollziehen diese nach. Darüber hinaus quantifiziert der DV – auf der Grundlage der EVS 2003, die der Regelleistungsbemessung zugrunde gelegt worden ist – den Kostenaufwand, der heute durch eine kostenangemessene Vollkosternährung entsteht, so dass – bedingt durch den Umstand, dass Erhöhung die Regelleistung mit der Inflation seit dem Jahr 2005 nicht Schritt gehalten hat – bereits ab dem Inkrafttreten des SGB II anzunehmen ist, der in der Regelleistung enthaltende Anteil für Ernährung reiche aus, um die Versorgung mit einer gesunden, ausgewogenen und erkrankungsadäquaten Vollkost sicher zu stellen. Mit der Heranziehung der Empfehlungen 2008 auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte ist auch nicht der rechtsstaatliche Grundsatz des Rückwirkungsverbotes tangiert. Die Grenzen, die das Grundgesetz für rückwirkende belastende Eingriffe in bestehende subjektive Rechte zieht, ergeben sich aus dem das Grundgesetz durchwaltenden Rechtsstaatsprinzip. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit. Sie gebietet, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird. Er soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen können, sich dementsprechend einrichten und darauf vertrauen dürfen, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten auch fernerhin von der Rechtsordnung als Rechtens anerkannt bleibt. Der Bürger soll sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände anhand der geltenden Rechtsordnung vorhersehbar war. Vorliegend handelt es sich bei den Empfehlungen 2008 des DV jedoch nicht um Rechtsnormen, die in eine erworbene Rechtsposition des Klägers eingreifen, denn auch das Bundesverfassungsgericht hat den (Vorgänger-)Empfehlungen des DV einen wie auch immer gearteten Rechtsnormcharakter abgesprochen. Die Empfehlungen stellen lediglich eine Sammlung von Erfahrungssätzen dar, welche medizinischen und tatsächlichen Bewertungsmaßstäbe zu beachten sind, um einen erkrankungsbedingten Ernährungsmehraufwand quantifizieren zu können. Dies ist jedoch eine Frage der tatsächlichen Gegebenheiten und des Standes der medizinischen Wissenschaft. Vorliegend hat der DV die seit dem Jahr 2002 aufgekommene Kritik an seinen vorhergehenden Empfehlungen aus dem Jahr 1997 aufgegriffen und diese Kritik nachvollzogen. Insofern ist hieraus der Schluss zu ziehen, dass der DV sich zumindest seit der Erstellung des BDME-Rationalisierungsschema 2004, auf dass sich der DV auch im Wesentlichen stützt, die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Eigen gemacht hat. Die nunmehr erfolgte Zusammenfassung der bereits seit dem Jahr 2004 bzw. 2002 vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in den neuen Empfehlungen 2008 des DV rechtfertigt es daher, diese Empfehlungen als Schlusspunkt einer langen wissenschaftlichen Diskussion anzusehen, die den als allgemein anerkannten, ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisstand – zumindest – seit dem Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005 darstellt (vgl. zum Vorstehenden Bayerisches Landessozialgericht a.a.O. m.w.N.).

Soweit sich die Klägerin – insoweit in Übereinstimmung mit den Ausführungen der gerichtlichen Gutachter – damit der Sache nach gegen die Höhe der Regelleistung bzw. den darin enthaltenen Anteil für Ernährung wendet, ist festzustellen, dass die Höhe der Regelleistung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. bereits BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R).

Hieran ändert auch eine zwischenzeitlich möglicherweise erfolgte Erhöhung der Lebensmittelpreise nichts, denn dies würde allenfalls eine Erhöhung der für alle Leistungsempfänger geltenden Regelleistung erforderlich machen, nicht jedoch einen besonderen, von dem Bedarf aller – gesunden – Leistungsempfänger abweichenden Bedarf begründen können. Eine Anpassung bzw. Erhöhung der Regelleistung richtet sich nach § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II. Danach wird die Regelleistung jeweils zum 1. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Gegen diesen Anpassungsmechanismus bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II würde vielmehr voraussetzen, dass aus dem Grundgesetz (GG) selbst (etwa aus Art. 1 i. V. m. Art. 20 GG) ein grundrechtlich gestützter Rechtsanspruch auf eine kontinuierliche Anpassung der Regelleistung nach einem bestimmten Mechanismus (Ausgleich der Inflationsrate o. Ä.) abgeleitet werden könnte. Zwar folgt aus dem grundsätzlich anerkannten subjektiv-öffentlichen Recht auf Sicherung des Existenzminimums aus Art. 1 i. V. m. Art 20 GG wohl auch, dass die das Existenzminimum sichernden Leistungen (in irgendeiner Form) dynamisiert werden müssen, insbesondere wenn die Lebenshaltungskosten deutlich steigen. Ein Anspruch auf einen bestimmten Mechanismus oder zeitlichen Turnus der Anpassung kann aber hieraus nicht abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Anpassungsmechanismus in § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II vom Gesetzgeber selbst vorgegeben ist. Insofern ist ihm auch hierbei der bereits bei der Festsetzung der Höhe der Regelleistungen zustehende Gestaltungsspielraum einzuräumen (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/7b AS 32/06 R m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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