Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 323/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination (sog. Rollfiets) versehen mit einem elektrischen Schiebeantrieb zu versorgen.
Der am 00.00.1995 geborene Kläger leidet an den Folgen einer frühkindlichen Hirnschädigung. Es bestehen eine psychomotorische Entwicklungsretardierung sowie Sprachentwicklungsstörungen. Auf Grund seiner Steh- und Gehunfähigkeit ist der Kläger mit zwei Aktivrollstühlen und einem Gehwagen mit Sitz versorgt. Er erhält Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Der Kläger lebt im gemeinsamen Haushalt zusammen mit seinen Eltern und einer fünf Jahre jüngeren Schwester. Tagsüber besucht der Kläger eine Schule, zu der er mit dem Bus abgeholt wird. Die Familie wohnt in einer ländlichen Gegend. Ein Auto steht zur Verfügung.
Am 20.02.2007 verordnete der den Kläger behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. X einen Schalenrollstuhl Modell Rollfiets mit Fahrradschiebeantrieb inklusive elektrischem Zusatzantrieb sowie individuellem Zubehör. Er führte zur Begründung aus, das Hilfsmittel sei erforderlich zur Erweiterung des persönlichen Umfelds des Klägers. Entsprechend einem Kostenvoranschlag der Firma S vom 03.04.2007 liegen die Kosten für einen solchen Rollstuhl mit Elektrofahrrad-Schiebeantrieb inklusive Zubehör bei 6.471,62 Euro.
Nach Beiziehung des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem 11. Buch des Sozialgesetzbuches vom 28.04.2004 und Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.07.2007 ab. Zur Begründung führte sie aus, das begehrte Hilfsmittel sei zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse nicht erforderlich. Die Grundmobilität sei durch die vorhandenen Hilfsmittel gewährleistet. Weitere integrative Aspekte ergäben sich durch den Einsatz des Rollfiets nicht, da die soziale Integration ausreichend über die Familie und die Schule laufe.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, das Rollfiets benötige er deshalb für die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse, da die Familie hiermit am Wochenende regelmäßig Fahrradausflüge unternehmen könne. Solche Radausflüge seien bislang nicht möglich gewesen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger eine jüngere Schwester habe, deren Aktivitätsbedürfnissen die Eltern ebenfalls gerecht werden müssten, sei es notwendig, dass der Kläger in die Lage versetzt werde, seine Schwester mit dem Rollfiets und einem Elternteil zu begleiten.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2007 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies zur Begründung darauf, dass das Radfahren generell nicht zu den körperlichen Grundfunktionen und nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre, für deren Sicherstellung die Krankenkassen einzutreten hätten. Dies sei gefestigte Rechtsprechung. Im Übrigen sei das Rollfiets deshalb kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, da es nicht zur selbständigen Erschließung des Nahbereichs geeignet sei. Schließlich sei zur Benutzung eines solchen Geräts stets die Anwesenheit einer mitfahrenden Person Voraussetzung.
Mit der am 25.10.2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Versorgung mit einem Rollfiets inklusive elektrischem Zusatzantrieb. Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren vertritt er darüber hinaus die Auffassung, ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem Rollfiets ergebe sich auch deshalb, weil bei dieser Art der Fortbewegung ein Wohlbefinden bei dem Kläger entstehe und das Familienleben durch den Einsatz der Fahrrad-Rollstuhl-Kombination erheblich gefördert werde. Durch gemeinsame Ausflüge an der frischen Luft mit der Familie werde seine gesundheitliche Entwicklung positiv unterstützt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Rollstuhl von dem Fahrrad abgekoppelt werden könne, so dass auch eine alleinige Nutzung des Rollstuhls zum Beispiel zur Erledigung von kleineren Einkäufen möglich sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf andere Weise sportlich betätigen. So sei die Durchführung von Radtouren die einzige Möglichkeit, einer sportlichen Freizeitaktivität nachzukommen. Besonderen Stellenwert erhalte die Rollstuhl-Fahrrad-Kombination in den zwölf Ferienwochen, die die Kinder im Jahr hätten. In dieser Zeit komme den Radtouren mit der Mutter oder am Wochenenden mit beiden Elternteilen eine noch höhere Bedeutung zu.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 zu verurteilen, dem Kläger ein Rollfiets "e-bike H" inklusive Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Fa. S vom 03.04.2007 als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 21.09.2007. Auch wenn der Kläger nicht selbständig gehen könne und eine eigenständige Nutzung des Rollstuhls nicht möglich sei, könne auch ein Rollfiets-System die selbständige Fortbewegung nicht ermöglichen. Vor diesem Hintergrund könne das Rollfiets auch nicht in Gruppen Gleichaltriger genutzt werden. Die ständige Anwesenheit eines Erwachsenen sei erforderlich. Darüber hinaus sei fraglich, ob gemeinsame Fahrradausflüge mit der Familie einen relevanten Faktor für die soziale Integration darstellen könnten.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. X beigezogen. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 18.04.2008 erstatteten Befundberichts wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 06.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination mit elektrischem Zusatzantrieb inklusive Zubehör.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wobei die Versorgung mit Hilfsmitteln in § 33 SGB V im Einzelnen geregelt ist. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
In diesem Zusammenhang steht zunächst fest, dass das begehrte Rollfietssystem keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens darstellt. Es ist speziell auf die Bedürfnisse Behinderter ausgerichtet und wird ausschließlich von diesem Personenkreis genutzt.
Der Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass das begehrte Hilfsmittel nicht erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Hilfsmittel nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören einerseits die körperlichen Grundfunktionen wie das Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Hören sowie die Nahrungsaufnahme und die Ausscheidung. Daneben ist auch die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums Bestandteil der allgemeinen Grundbedürfnisse. Ebenso wird die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Schulgrundwissens im Rahmen des § 33 SGB V erfasst (BSG, Urteil vom 23.07.2002, SozR 3-2500 § 33 Nr. 46; Urteil vom 08.06.1994, SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).
Der Einsatz des Rollfiets dient nicht dem unmittelbaren Ausgleich einer ausgefallenen Körperfunktion, da dem Kläger mit Hilfe des begehrten Hilfsmittels die Grundfunktion des Gehens nicht selbst ermöglicht wird. Vielmehr soll hierdurch ein mittelbarer Ausgleich erzielt werden, in dem mit dieser Transportmöglichkeit die Fortbewegung von einem Ort zum anderen ermöglicht wird und zum anderen eine Erweiterung des körperlichen Freiraums geschaffen wird, um mit der Umwelt in Kontakt zu treten.
Bei solchen dem mittelbaren Ausgleich von Behinderungen dienenden Hilfen hat das Bundessozialgericht diese nur dann als Hilfsmittel im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich, sondern im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern (Urteil vom 06.08.1998, B 3 KR 3/97 R, SozR 3-2500 § 33 Nr. 29). Sofern nur Teilbereiche des allgemeinen Lebens betroffen sind, ist die soziale Rehabilitation Aufgabe anderer Sozialleistungssyteme.
Das Rollfietssystem ist allerdings nicht notwendig, um das Grundbedürfnis des Klägers im Rahmen der Fortbewegung zu befriedigen. Dieses ist nämlich nur im Sinne eines Basisausgleichs zu verstehen und beinhaltet nicht das vollständige Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden. So ist hiervon nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur die Fähigkeit erfasst, sich in der Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen (BSG , Urteil vom 16.09.1999, Az. B 3 KR 8/98, SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Im Übrigen ist das Grundbedürfnis der Fortbewegung dann gewährleistet, wenn Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die einen Bewegungsradius ermöglichen, der auch von Gesunden üblicherweise zu Fuß zurückgelegt wird (BSG aaO). Da es auf die Besonderheiten des Wohnortes dabei nicht ankommt, geht die dahingehende Argumentation des Klägers, er wohne in einer ländlichen Gegend, so dass die Erledigung von Alltagsgeschäften bereits außerhalb des zu Fuß zu erreichenden Radius liege, unberücksichtigt bleiben muss (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31).
Auf Grund der Versorgung des Klägers mit 2 Aktivrollstühlen ist die Befriedigung des Grundbedürfnisses der Fortbewegung damit ausreichend gewährleistet.
Das Radfahren stellt nämlich entgegen der Auffassung des Klägers kein Grundbedürfnis dar, für dessen Befriedigung die gesetzliche Krankenversicherung als Rehabilitations-trägerin aufzukommen hat. Auch wenn es in der Bevölkerung weit verbreitet ist und der Bewegungsradius gerade von Familien, die ein behindertes Kind zu versorgen haben, dadurch erhöht wird, handelt es sich letztlich um eine Freizeitbeschäftigung, die nicht dem Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet werden kann. Vielmehr gehört das Fahrradfahren wie auch andere Freizeitaktivitäten zur individuellen von persönlichen Interessen geprägten Lebensgestaltung, was sich bereits daran zeigt, dass selbst in der Altersgruppe der jüngeren Erwachsenen das Fahrradfahren nicht regelmäßig als Fortbewegungsmittel genutzt wird.
Dieser Grundsatz kommt nach Auffassung der Kammer auch dann zum Tragen, wenn das begehrte Hilfsmittel eingesetzt werden soll, um Radausflüge im Kreis der Familie zu unternehmen. Es ist zwar richtig, dass die Familie einen grundgesetzlich verankerten staatlichen Schutz nach Art. 6 Grundgesetz (GG) genießt, allerdings kann dieser Umstand nach Auffassung der Kammer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht dazu führen, dass der Begriff der Grundbedürfnisse im Rahmen der medizinischen Rehabilitation einer erweiternden Auslegung, die über das Maß des Erforderlichen hinaus geht, zugeführt wird. Auch wenn der 8. Senat des Bundessozialgerichts in einem Fall Familienausflüge mit einem Therapietandem dann als Wesentlich angesehen hat, weil einerseits eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorlag und in der konkreten Familiensituation des Klägers den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukam (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28), so stellt sich nach Auffassung der Kammer einerseits die Frage, ob dies überhaupt ein Gesichtspunkt für die soziale Integration eines Behinderten sein kann und andererseits ob dieses Ziel nicht auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 21.11.2002, B 3 KR 8/02 R). Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, auch Gehunfähige im Kreis von Nichtbehinderten an gemeinsamen Aktivitäten teilhaben zu lassen, erscheint es nicht angemessen, Hilfsmitteln dann die Erforderlichkeit im Sinne des § 33 SGB V zuzusprechen, nur weil sie in der familiären Situation genutzt werden sollen. Die Integration in die Familie und die dort üblicherweise erfolgende Kommunikation zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und mit jüngeren Geschwistern erfolgt regelmäßig durch gemeinsame Aktivitäten, wobei dabei die Art und Weise der Fortbewegung nicht das wesentliche Kriterium ist. Es mag zwar richtig sein, dass gerade Kinder im Alter bis zu 15 Jahren eine schnellere Fortbewegungsart als beispielsweise das Spazierengehen oder Wandern auf leicht zugänglichen (rollstuhlgeeigneten) Wegen bevorzugen, dennoch sind Freizeitaktivitäten in der Familie auch ohne die Nutzung von Fahrrädern möglich, wenngleich sicherlich dabei an die Eltern zusätzliche organisatorische Anforderungen gestellt werden und den Geschwisterkindern eine gewisse Rücksichtsmaßnahme zugemutet wird.
Darüber hinaus soll das begehrte Rollfietssystem vornehmlich am Wochenende eingesetzt werden, um Ausflüge mit der jüngeren Schwester und den Eltern zu unternehmen. Auch wenn die Mutter des Klägers in der Ferienzeit das Rollfiets auch allein zu nutzen beabsichtigt, kommt dem Einsatz eine nicht so umfassende Bedeutung zu, dass der Kläger ohne diese Nutzung gänzlich isoliert vom Rest der Familie erscheint.
Ferner ist das Rollfiets auch nicht aus Gründen der sonstigen sozialen Integration erforderlich, um einen mittelbaren Ausgleich der vorhandenen Behinderung zu erreichen.
In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass die Zuordnung bestimmter Betätigungen zu den Grundbedürfnissen auch vom Lebensalter des Betroffenen abhängt. So geht es gerade für jugendliche Versicherte bei Hilfsmitteln, mit denen ein größerer Radius der Fortbewegung erreicht werden kann als mit normalen Greifreifenrollstühlen, darum, dass hierdurch insbesondere eine Teilnahme an den Aktivitäten der jeweiligen Altersgruppe ermöglicht wird (B 3 KR 9/97 R).
Dieser Gesichtspunkt kommt im Falle des Klägers deshalb nicht zum Tragen, weil das begehrte Hilfsmittel ohne einen Erwachsenen nicht benutzt werden kann. Die Integration des Klägers in den Kreis der gleichaltrigen Kinder und Jugendlichen ist mit einem Rollfiets nicht zu gewährleisten. Auch wenn von Seiten des Klägers vorgetragen wird, dass auch Kinder jedenfalls auf nicht-öffentlichen Plätzen die Rollstuhl-Fahrradkombination gemeinsam mit dem Kläger nutzen können, so erscheint dies angesichts des eingebauten elektrischen Zusatzantriebs aufgrund der damit verbundenen Gefahren kaum vorstellbar. Solange der Kläger aber darauf angewiesen ist, dass das Rollfiets regelmäßig von einem Erwachsenen gefahren wird, sind die Integrationsmöglichkeiten des Klägers in den Kreis der Gleichaltrigen deutlich gemindert. Der sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen kommt schließlich nach der Rechtsprechung des BSG deshalb eine besondere Bedeutung zu, da auf diese Weise der Aktionsradius eines Jugendlichen erhöht wird und sich gerade auf den Rahmen erstreckt, der dem Zugriffsbereich eines Erwachsenen nur eingeschränkt zugänglich ist. Wesentlich ist dabei die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Orte zu erkunden und sich dort aufzuhalten, wo die unmittelbare Beobachtung durch Erwachsene nicht gegeben ist. Selbst wenn anderen Jugendlichen die Erlaubnis erteilt würde, das Rollfiets zu betätigen, so ist eine solche den Freiraum des Klägers erweiternde Nutzung zum Zweck der Integration in den Kreis Gleichaltriger nicht möglich, wenn die Einsatzmöglichkeiten auf Privatgelände beschränkt werden.
Ebenso wenig dient der Einsatz des Rollfiets mit elektrischem Zusatzantrieb der gesundheitlichen Rehabilitation des Klägers. Auch wenn Dr. X in seinem Befundbericht vom 07.04.2008 darauf hingewiesen hat, dass durch die positiven Reize eine gesteigerte Wahrnehmung optischer, akustischer Elemente aus der Natur und der Umwelt ermöglicht wird, so stellt deshalb das Rollfietssystem nicht ein Hilfsmittel dar, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Der behandelnde Arzt stellt in seinen Ausführungen vom 18.04.2008 vielmehr klar, dass Aspekte der Verbesserung der Lebensqualität für den Kläger und seine Familie im Vordergrund stehen. Die Schaffung der ansprochenen positiven Reize kann jedoch auch auf andere Weise als durch die Nutzung eines Rollfiets erreicht werden (BSG, Urteil vom 21.11.2002 B 3 KR 8/02 R). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger selbst bei der Nutzung des Rollfietssystems keine körperliche Aktivität abverlangt wird. Vor diesem Hintergrund kann lediglich der besonderen Wahrnehmung von Geschwindigkeit und Bewegung an der frischen Luft eine rehabilitatives Element zukommen. Hierbei handelt es sich jedoch auch dann nicht um Grundbedürfnisse, für deren Sicherstellung die Gesetzliche Krankenversicherung einzustehen hätte, wenn hiermit – dies liegt für die Kammer auf der Hand – eine Steigerung des Wohlbefindens erreicht werden kann.
Vor diesem Hintergrund übersteigt das Rollfiets das Maß des Erforderlichen im Rahmen des § 33 SGB V. Vielmehr kommt dem Gedanken der sozialen Rehabilitation eine übergeordnete und damit wesentliche Bedeutung zu. Diese ist jedoch nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten. Das Erleben von Natur und Umwelt kann ebenso gut mit dem vorhandenen Aktivrollstuh bei Ausflügen (ggf. unter Nutzung des vorhandenen PKW) ermöglicht werden. Darüber hinaus ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Hilfsmittel in erster Linie während der warmen Jahreszeit, in den Sommerferien sowie am Wochenende eingesetzt werden soll. Hauptsächlich profitiert die Familie von dem Rollfiets, deren Aktionsradius auf diese Weise erweitert wird. Diese Gesichtspunkte der sozialen Intergration sind jedoch nicht von der Krankenkasse umzusetzen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2008, L 5 KR 2013/07, www.juris.de).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination (sog. Rollfiets) versehen mit einem elektrischen Schiebeantrieb zu versorgen.
Der am 00.00.1995 geborene Kläger leidet an den Folgen einer frühkindlichen Hirnschädigung. Es bestehen eine psychomotorische Entwicklungsretardierung sowie Sprachentwicklungsstörungen. Auf Grund seiner Steh- und Gehunfähigkeit ist der Kläger mit zwei Aktivrollstühlen und einem Gehwagen mit Sitz versorgt. Er erhält Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Der Kläger lebt im gemeinsamen Haushalt zusammen mit seinen Eltern und einer fünf Jahre jüngeren Schwester. Tagsüber besucht der Kläger eine Schule, zu der er mit dem Bus abgeholt wird. Die Familie wohnt in einer ländlichen Gegend. Ein Auto steht zur Verfügung.
Am 20.02.2007 verordnete der den Kläger behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. X einen Schalenrollstuhl Modell Rollfiets mit Fahrradschiebeantrieb inklusive elektrischem Zusatzantrieb sowie individuellem Zubehör. Er führte zur Begründung aus, das Hilfsmittel sei erforderlich zur Erweiterung des persönlichen Umfelds des Klägers. Entsprechend einem Kostenvoranschlag der Firma S vom 03.04.2007 liegen die Kosten für einen solchen Rollstuhl mit Elektrofahrrad-Schiebeantrieb inklusive Zubehör bei 6.471,62 Euro.
Nach Beiziehung des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem 11. Buch des Sozialgesetzbuches vom 28.04.2004 und Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.07.2007 ab. Zur Begründung führte sie aus, das begehrte Hilfsmittel sei zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse nicht erforderlich. Die Grundmobilität sei durch die vorhandenen Hilfsmittel gewährleistet. Weitere integrative Aspekte ergäben sich durch den Einsatz des Rollfiets nicht, da die soziale Integration ausreichend über die Familie und die Schule laufe.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, das Rollfiets benötige er deshalb für die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse, da die Familie hiermit am Wochenende regelmäßig Fahrradausflüge unternehmen könne. Solche Radausflüge seien bislang nicht möglich gewesen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger eine jüngere Schwester habe, deren Aktivitätsbedürfnissen die Eltern ebenfalls gerecht werden müssten, sei es notwendig, dass der Kläger in die Lage versetzt werde, seine Schwester mit dem Rollfiets und einem Elternteil zu begleiten.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2007 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies zur Begründung darauf, dass das Radfahren generell nicht zu den körperlichen Grundfunktionen und nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre, für deren Sicherstellung die Krankenkassen einzutreten hätten. Dies sei gefestigte Rechtsprechung. Im Übrigen sei das Rollfiets deshalb kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, da es nicht zur selbständigen Erschließung des Nahbereichs geeignet sei. Schließlich sei zur Benutzung eines solchen Geräts stets die Anwesenheit einer mitfahrenden Person Voraussetzung.
Mit der am 25.10.2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Versorgung mit einem Rollfiets inklusive elektrischem Zusatzantrieb. Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren vertritt er darüber hinaus die Auffassung, ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem Rollfiets ergebe sich auch deshalb, weil bei dieser Art der Fortbewegung ein Wohlbefinden bei dem Kläger entstehe und das Familienleben durch den Einsatz der Fahrrad-Rollstuhl-Kombination erheblich gefördert werde. Durch gemeinsame Ausflüge an der frischen Luft mit der Familie werde seine gesundheitliche Entwicklung positiv unterstützt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Rollstuhl von dem Fahrrad abgekoppelt werden könne, so dass auch eine alleinige Nutzung des Rollstuhls zum Beispiel zur Erledigung von kleineren Einkäufen möglich sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf andere Weise sportlich betätigen. So sei die Durchführung von Radtouren die einzige Möglichkeit, einer sportlichen Freizeitaktivität nachzukommen. Besonderen Stellenwert erhalte die Rollstuhl-Fahrrad-Kombination in den zwölf Ferienwochen, die die Kinder im Jahr hätten. In dieser Zeit komme den Radtouren mit der Mutter oder am Wochenenden mit beiden Elternteilen eine noch höhere Bedeutung zu.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 zu verurteilen, dem Kläger ein Rollfiets "e-bike H" inklusive Zubehör entsprechend dem Kostenvoranschlag der Fa. S vom 03.04.2007 als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 21.09.2007. Auch wenn der Kläger nicht selbständig gehen könne und eine eigenständige Nutzung des Rollstuhls nicht möglich sei, könne auch ein Rollfiets-System die selbständige Fortbewegung nicht ermöglichen. Vor diesem Hintergrund könne das Rollfiets auch nicht in Gruppen Gleichaltriger genutzt werden. Die ständige Anwesenheit eines Erwachsenen sei erforderlich. Darüber hinaus sei fraglich, ob gemeinsame Fahrradausflüge mit der Familie einen relevanten Faktor für die soziale Integration darstellen könnten.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. X beigezogen. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 18.04.2008 erstatteten Befundberichts wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 06.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination mit elektrischem Zusatzantrieb inklusive Zubehör.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wobei die Versorgung mit Hilfsmitteln in § 33 SGB V im Einzelnen geregelt ist. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
In diesem Zusammenhang steht zunächst fest, dass das begehrte Rollfietssystem keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens darstellt. Es ist speziell auf die Bedürfnisse Behinderter ausgerichtet und wird ausschließlich von diesem Personenkreis genutzt.
Der Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass das begehrte Hilfsmittel nicht erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Hilfsmittel nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören einerseits die körperlichen Grundfunktionen wie das Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Hören sowie die Nahrungsaufnahme und die Ausscheidung. Daneben ist auch die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums Bestandteil der allgemeinen Grundbedürfnisse. Ebenso wird die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Schulgrundwissens im Rahmen des § 33 SGB V erfasst (BSG, Urteil vom 23.07.2002, SozR 3-2500 § 33 Nr. 46; Urteil vom 08.06.1994, SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).
Der Einsatz des Rollfiets dient nicht dem unmittelbaren Ausgleich einer ausgefallenen Körperfunktion, da dem Kläger mit Hilfe des begehrten Hilfsmittels die Grundfunktion des Gehens nicht selbst ermöglicht wird. Vielmehr soll hierdurch ein mittelbarer Ausgleich erzielt werden, in dem mit dieser Transportmöglichkeit die Fortbewegung von einem Ort zum anderen ermöglicht wird und zum anderen eine Erweiterung des körperlichen Freiraums geschaffen wird, um mit der Umwelt in Kontakt zu treten.
Bei solchen dem mittelbaren Ausgleich von Behinderungen dienenden Hilfen hat das Bundessozialgericht diese nur dann als Hilfsmittel im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich, sondern im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern (Urteil vom 06.08.1998, B 3 KR 3/97 R, SozR 3-2500 § 33 Nr. 29). Sofern nur Teilbereiche des allgemeinen Lebens betroffen sind, ist die soziale Rehabilitation Aufgabe anderer Sozialleistungssyteme.
Das Rollfietssystem ist allerdings nicht notwendig, um das Grundbedürfnis des Klägers im Rahmen der Fortbewegung zu befriedigen. Dieses ist nämlich nur im Sinne eines Basisausgleichs zu verstehen und beinhaltet nicht das vollständige Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden. So ist hiervon nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur die Fähigkeit erfasst, sich in der Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen (BSG , Urteil vom 16.09.1999, Az. B 3 KR 8/98, SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Im Übrigen ist das Grundbedürfnis der Fortbewegung dann gewährleistet, wenn Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die einen Bewegungsradius ermöglichen, der auch von Gesunden üblicherweise zu Fuß zurückgelegt wird (BSG aaO). Da es auf die Besonderheiten des Wohnortes dabei nicht ankommt, geht die dahingehende Argumentation des Klägers, er wohne in einer ländlichen Gegend, so dass die Erledigung von Alltagsgeschäften bereits außerhalb des zu Fuß zu erreichenden Radius liege, unberücksichtigt bleiben muss (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31).
Auf Grund der Versorgung des Klägers mit 2 Aktivrollstühlen ist die Befriedigung des Grundbedürfnisses der Fortbewegung damit ausreichend gewährleistet.
Das Radfahren stellt nämlich entgegen der Auffassung des Klägers kein Grundbedürfnis dar, für dessen Befriedigung die gesetzliche Krankenversicherung als Rehabilitations-trägerin aufzukommen hat. Auch wenn es in der Bevölkerung weit verbreitet ist und der Bewegungsradius gerade von Familien, die ein behindertes Kind zu versorgen haben, dadurch erhöht wird, handelt es sich letztlich um eine Freizeitbeschäftigung, die nicht dem Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet werden kann. Vielmehr gehört das Fahrradfahren wie auch andere Freizeitaktivitäten zur individuellen von persönlichen Interessen geprägten Lebensgestaltung, was sich bereits daran zeigt, dass selbst in der Altersgruppe der jüngeren Erwachsenen das Fahrradfahren nicht regelmäßig als Fortbewegungsmittel genutzt wird.
Dieser Grundsatz kommt nach Auffassung der Kammer auch dann zum Tragen, wenn das begehrte Hilfsmittel eingesetzt werden soll, um Radausflüge im Kreis der Familie zu unternehmen. Es ist zwar richtig, dass die Familie einen grundgesetzlich verankerten staatlichen Schutz nach Art. 6 Grundgesetz (GG) genießt, allerdings kann dieser Umstand nach Auffassung der Kammer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht dazu führen, dass der Begriff der Grundbedürfnisse im Rahmen der medizinischen Rehabilitation einer erweiternden Auslegung, die über das Maß des Erforderlichen hinaus geht, zugeführt wird. Auch wenn der 8. Senat des Bundessozialgerichts in einem Fall Familienausflüge mit einem Therapietandem dann als Wesentlich angesehen hat, weil einerseits eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorlag und in der konkreten Familiensituation des Klägers den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukam (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28), so stellt sich nach Auffassung der Kammer einerseits die Frage, ob dies überhaupt ein Gesichtspunkt für die soziale Integration eines Behinderten sein kann und andererseits ob dieses Ziel nicht auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 21.11.2002, B 3 KR 8/02 R). Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, auch Gehunfähige im Kreis von Nichtbehinderten an gemeinsamen Aktivitäten teilhaben zu lassen, erscheint es nicht angemessen, Hilfsmitteln dann die Erforderlichkeit im Sinne des § 33 SGB V zuzusprechen, nur weil sie in der familiären Situation genutzt werden sollen. Die Integration in die Familie und die dort üblicherweise erfolgende Kommunikation zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und mit jüngeren Geschwistern erfolgt regelmäßig durch gemeinsame Aktivitäten, wobei dabei die Art und Weise der Fortbewegung nicht das wesentliche Kriterium ist. Es mag zwar richtig sein, dass gerade Kinder im Alter bis zu 15 Jahren eine schnellere Fortbewegungsart als beispielsweise das Spazierengehen oder Wandern auf leicht zugänglichen (rollstuhlgeeigneten) Wegen bevorzugen, dennoch sind Freizeitaktivitäten in der Familie auch ohne die Nutzung von Fahrrädern möglich, wenngleich sicherlich dabei an die Eltern zusätzliche organisatorische Anforderungen gestellt werden und den Geschwisterkindern eine gewisse Rücksichtsmaßnahme zugemutet wird.
Darüber hinaus soll das begehrte Rollfietssystem vornehmlich am Wochenende eingesetzt werden, um Ausflüge mit der jüngeren Schwester und den Eltern zu unternehmen. Auch wenn die Mutter des Klägers in der Ferienzeit das Rollfiets auch allein zu nutzen beabsichtigt, kommt dem Einsatz eine nicht so umfassende Bedeutung zu, dass der Kläger ohne diese Nutzung gänzlich isoliert vom Rest der Familie erscheint.
Ferner ist das Rollfiets auch nicht aus Gründen der sonstigen sozialen Integration erforderlich, um einen mittelbaren Ausgleich der vorhandenen Behinderung zu erreichen.
In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass die Zuordnung bestimmter Betätigungen zu den Grundbedürfnissen auch vom Lebensalter des Betroffenen abhängt. So geht es gerade für jugendliche Versicherte bei Hilfsmitteln, mit denen ein größerer Radius der Fortbewegung erreicht werden kann als mit normalen Greifreifenrollstühlen, darum, dass hierdurch insbesondere eine Teilnahme an den Aktivitäten der jeweiligen Altersgruppe ermöglicht wird (B 3 KR 9/97 R).
Dieser Gesichtspunkt kommt im Falle des Klägers deshalb nicht zum Tragen, weil das begehrte Hilfsmittel ohne einen Erwachsenen nicht benutzt werden kann. Die Integration des Klägers in den Kreis der gleichaltrigen Kinder und Jugendlichen ist mit einem Rollfiets nicht zu gewährleisten. Auch wenn von Seiten des Klägers vorgetragen wird, dass auch Kinder jedenfalls auf nicht-öffentlichen Plätzen die Rollstuhl-Fahrradkombination gemeinsam mit dem Kläger nutzen können, so erscheint dies angesichts des eingebauten elektrischen Zusatzantriebs aufgrund der damit verbundenen Gefahren kaum vorstellbar. Solange der Kläger aber darauf angewiesen ist, dass das Rollfiets regelmäßig von einem Erwachsenen gefahren wird, sind die Integrationsmöglichkeiten des Klägers in den Kreis der Gleichaltrigen deutlich gemindert. Der sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen kommt schließlich nach der Rechtsprechung des BSG deshalb eine besondere Bedeutung zu, da auf diese Weise der Aktionsradius eines Jugendlichen erhöht wird und sich gerade auf den Rahmen erstreckt, der dem Zugriffsbereich eines Erwachsenen nur eingeschränkt zugänglich ist. Wesentlich ist dabei die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Orte zu erkunden und sich dort aufzuhalten, wo die unmittelbare Beobachtung durch Erwachsene nicht gegeben ist. Selbst wenn anderen Jugendlichen die Erlaubnis erteilt würde, das Rollfiets zu betätigen, so ist eine solche den Freiraum des Klägers erweiternde Nutzung zum Zweck der Integration in den Kreis Gleichaltriger nicht möglich, wenn die Einsatzmöglichkeiten auf Privatgelände beschränkt werden.
Ebenso wenig dient der Einsatz des Rollfiets mit elektrischem Zusatzantrieb der gesundheitlichen Rehabilitation des Klägers. Auch wenn Dr. X in seinem Befundbericht vom 07.04.2008 darauf hingewiesen hat, dass durch die positiven Reize eine gesteigerte Wahrnehmung optischer, akustischer Elemente aus der Natur und der Umwelt ermöglicht wird, so stellt deshalb das Rollfietssystem nicht ein Hilfsmittel dar, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Der behandelnde Arzt stellt in seinen Ausführungen vom 18.04.2008 vielmehr klar, dass Aspekte der Verbesserung der Lebensqualität für den Kläger und seine Familie im Vordergrund stehen. Die Schaffung der ansprochenen positiven Reize kann jedoch auch auf andere Weise als durch die Nutzung eines Rollfiets erreicht werden (BSG, Urteil vom 21.11.2002 B 3 KR 8/02 R). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger selbst bei der Nutzung des Rollfietssystems keine körperliche Aktivität abverlangt wird. Vor diesem Hintergrund kann lediglich der besonderen Wahrnehmung von Geschwindigkeit und Bewegung an der frischen Luft eine rehabilitatives Element zukommen. Hierbei handelt es sich jedoch auch dann nicht um Grundbedürfnisse, für deren Sicherstellung die Gesetzliche Krankenversicherung einzustehen hätte, wenn hiermit – dies liegt für die Kammer auf der Hand – eine Steigerung des Wohlbefindens erreicht werden kann.
Vor diesem Hintergrund übersteigt das Rollfiets das Maß des Erforderlichen im Rahmen des § 33 SGB V. Vielmehr kommt dem Gedanken der sozialen Rehabilitation eine übergeordnete und damit wesentliche Bedeutung zu. Diese ist jedoch nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten. Das Erleben von Natur und Umwelt kann ebenso gut mit dem vorhandenen Aktivrollstuh bei Ausflügen (ggf. unter Nutzung des vorhandenen PKW) ermöglicht werden. Darüber hinaus ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Hilfsmittel in erster Linie während der warmen Jahreszeit, in den Sommerferien sowie am Wochenende eingesetzt werden soll. Hauptsächlich profitiert die Familie von dem Rollfiets, deren Aktionsradius auf diese Weise erweitert wird. Diese Gesichtspunkte der sozialen Intergration sind jedoch nicht von der Krankenkasse umzusetzen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2008, L 5 KR 2013/07, www.juris.de).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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