L 1 KR 460/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 84 KR 2175/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 460/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 939,93 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung einer Verlegung des bei der Beklagten krankenversicherten H L von der Universitätsklinik M in das Kreiskrankenhaus O.

Die Verlegung wurde von einem Arzt des Beigeladenen verordnet, weil die Beatmungsplätze in deren Klinikum vollständig belegt waren, ein derartiger Platz aber für einen anderen Patienten dringend benötigt wurde. Der Versicherte L hingegen war nicht länger auf einen Beatmutungsplatz angewiesen und konnte auch auf der Intensivstation des Kreiskrankenhauses O versorgt werden, was bei dem anderen Patienten, der an seiner Stelle in die Klinik der Beigeladenen eingewiesen wurde, nicht der Fall war. Die Kosten des Transports betrugen 939,93 EUR und wurden weder von der Beklagten noch von der Beigeladenen an den Kläger bezahlt. Die Ehefrau und Erbin des Versicherten hat ihre Ansprüche aus dem Intensivverlegungstransport an den Kläger abgewiesen.

Am 26. September 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und die Zahlung von 939,93 EUR für den Transport des Versicherten L begehrt. Dessen Verlegung sei medizinisch indiziert gewesen. Da er austherapiert gewesen sei, habe eine Entscheidung getroffen werden müssen, den Beatmungsplatz, der für ihn nicht mehr notwendig gewesen sei, für den anderen lebensbedrohlich erkrankten Patienten freizumachen. Diese Auswahlentscheidung habe keine wirtschaftliche oder organisatorische, sondern eine medizinische Ursache gehabt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Versicherte habe keinen Kostenerstattungsanspruch gehabt, da die Verlegung nicht aus Gründen erfolgt sei, die in seiner Person gelegen hätten. Die Verlegung sei lediglich aus Kapazitätsgründen erfolgt. Aus eigenem Recht stehe dem Kläger kein Anspruch zu, da zum Zeitpunkt der Verlegung keine entsprechenden vertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und ihm bestanden hätten.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. August 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

"Dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V schon deswegen aus abgetretenem Recht nicht zu, weil eine Abtretung nur das Recht beinhaltet, die Auszahlung des festgestellten Kostenerstattungsanspruchs zu verlangen, nicht aber auch die Befugnis, den Anspruch prozessual zu verfolgen. Das Sozialgericht sieht insoweit - anders als das Bürgerliche Recht - durch die Abtretung keine umfassende Neubestimmung der Gläubigerstellung oder den vollständigen Eintritt des neuen Gläubigers in das gesamte Sozialrechtsverhältnis einschließlich seines Pflichtengefüges vor (vgl. BSG SozR 3 1300 § 50 Nr. 25 S. 87). Würde mit der Abtretung zugleich die Befugnis übertragen, die Feststellung des Kostenerstattungsanspruchs im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu betreiben, bestünde die Gefahr, dass sich damit - etwa unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung von Mitwirkungspflichten - eine Inhaltsänderung des sozialrechtlichen Anspruchs ergebe. Die Abtretung ist daher nur auf festgestellte Kostenerstattungsansprüche beschränkt. Mit der Beschränkung einer Abtretung auf festgestellte Kostenerstattungsansprüche tragt das Sozialrecht, dem besonderen Schutzbedürfnis der Sozialleistungsberechtigten sowie ihrer Einbindung in spezifische Mitwirkungslasten (§§ 60 ff. SGB I) Rechnung.

Ein festgestellter Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V liegt nicht vor. Der verstorbene Versicherte H. L und seine Alleinerbin C L haben bei der Beklagten keinen Antrag auf Erstattung der Verlegungskosten gestellt. Dementsprechend liegt auch kein Verwaltungsakt vor, der einen Anspruch auf Kostenerstattung feststellt.

Ein abgetretener Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag GoA (§§ 677, 683 BGB) kommt vorliegend ebenfalls nicht zum Tragen. Die Rechtsfolgen der GoA greifen nach § 677 BGB ein, wenn jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von diesem beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, und dabei mit dem Bewusstsein und dem Willen handelt, ein fremdes Geschäft auszuführen. Nach § 683 Satz 1 BGB kann in solchen Fällen der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Es ist indessen anerkannt, dass Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann nicht gegeben sind, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung darstellen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GoA nicht erlaubt (vgl. BSG, a. a. O.).

Die öffentlich-rechtlichen Regelungen des § 60 und § 13 Abs. 3 SGB V schließen hier den Rückgriff auf das GoA aus, weil sie als abschließend zu verstehen sind. Im Übrigen dürften aber auch die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorgelegen haben, da die Verlegung sicherlich nicht im Interesse des Versicherten H. L erfolgt ist.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus eigenem Recht zu. Denn zum Zeitpunkt der Verlegung des Versicherten H L bestanden zwischen der Beklagten und dem Kläger keine vertraglichen Vereinbarungen gemäß § 133 SGB V, die einen direkten Auszahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen die Krankenkasse des beförderten Patienten begründen könnte (vgl. BSG vom 3. November 1999, B 3 KR 4/99 R, Rdnr. 15). Fehlen derartige Verträge, kann der Leistungserbringer seinen Vergütungsanspruch nicht gegen die Krankenkasse, sondern allenfalls gegen den Versicherten selbst geltend machen (vgl. BSG, a. a. O.).

Zudem kann nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, a. a. O., Rdnr. 16) im Bereich der Fahrkostenerstattung dann, wenn eine vertragliche Vereinbarung zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse fehlt, allein das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung über Krankenbeförderung als nicht ausreichend erachtet werden, um einen Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen die Krankenkasse des beförderten Patienten zu begründen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der GoA nach den §§ 677 ff. BGB kann ein eigener Anspruch nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Die öffentlich-rechtliche Regelung des § 113 SGB V schließt auch hier einen Rückgriff auf die GoA aus (vgl. BSG, a. a. O.)."

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Oktober 2008 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 21. November 2008, mit der lediglich Ansprüche aus eigenem Recht weiter verfolgt werden und ausgeführt wird, Anspruchsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V , wonach eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet ist, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Der Kostenerstattungsanspruch entspreche vom Umfang her dem Sachleistungsanspruch.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 939,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank ab 26. September 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachvershalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Über die zulässige Berufung konnte der Berichterstatter des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 124 Abs. 3, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bezahlung der Kosten der Verlegung des Versicherten L vom Krankenhaus der Beigeladenen in das Kreiskrankenhaus O.

Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen zunächst auf die Begründung des angefochtenen Urteils, aus dessen Entscheidungsgründen er die Berufung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG)

Die von dem Kläger erneut mit der Berufung vorgetragene Auffassung, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V, teilt der Senat nicht:

Danach ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und dadurch für den Versicherten Kosten entstanden sind. Diese Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor. Weder lag eine unaufschiebbare Leistung vor, für die die Beklagte einstandspflichtig war, noch wären dem Versicherten L Kosten entstanden. Denn die Verlegung, deren Unaufschiebbarkeit nicht zu bezweifeln ist, hatte ihre Gründe nicht in der Person des bei der Beklagten versicherten Patienten L, sondern in der Person eines anderen Patienten, von dem nicht bekannt ist, ob und gegebenenfalls wo er privat oder gesetzlich krankenversichert war. Der Versicherte L hingegen musste nicht verlegt werden. Im Gegenteil - er konnte im Klinikum der Beigeladenen optimal versorgt werden und sein Platz in deren Intensivstation wurde lediglich benötigt, um einen anderen Patienten zu versorgen. Das heißt, in der Person des Versicherten L lag die Unaufschiebbarkeit der Verlegung nicht begründet, er hätte ebenso gut im Universitätsklinikum Magdeburg weiter behandelt werden können. Daher hätte der Kläger gegen ihn keinen Zahlungsanspruch durchsetzen können, so dass ihm keine Kosten entstanden wären. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Versicherte L oder seine Krankenkasse verpflichtet sein sollten, Kosten zu tragen, die durch die Versorgung eines anderen Patienten entstanden sind. Es könnte allenfalls daran gedacht werden, die Verlegung des Patienten L als Teil der Behandlungskosten des anderen Patienten anzusehen und entsprechend geltend zu machen. Denn diesem Patienten hat die Verlegung gedient, nicht dem Versicherten L.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt, so dass ihr keine Kosten zu erstatten sind. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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