Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 418/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1982/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis 29. März 2004.
Der 1951 geborene Kläger beantragte, nachdem er zuvor bis 19. März 2003 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hatte, am 25. März 2003 die Bewilligung von Alhi. Das damalige Arbeitsamt L. (seit 1. Januar 2004: Agentur für Arbeit; AA) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. April 2003 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 23.807,09 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 10.200,00 EUR verblieben 13.607,09 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen; der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf Alhi. Den gegen diesen Bescheid seitens des Klägers am 28. April 2003 erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle des AA mit (bestandskräftig gewordenem) Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2003 zurück.
Am 30. März 2004 meldete sich der Kläger bei der AA arbeitslos und beantragte wiederum die Bewilligung von Alhi. Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 lehnte die AA den Antrag erneut unter Hinweis auf verwertbares Vermögen ab. Der Kläger verfüge nunmehr über Vermögen in Höhe von 34.392,91 EUR, unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 10.600,00 EUR verblieben 23.792,91 EUR. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger (am 23. Juni 2004) Widerspruch; die Widerspruchsstelle der AA wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2004 zurück. Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG; S 21 AL 5884/04) anerkannte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2006 einen Anspruch des Klägers auf Alhi ab 30. März 2004 bis 31. Dezember 2004. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an und beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 lehnte die AA auch diesen Antrag ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid vom 22. April 2003 nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe ohne Berücksichtigung von D.-Versicherung, K Versicherung und seiner Eigentumswohnung über ein Vermögen in Höhe von 13.389,42 EUR verfügt, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar gewesen sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 10.200,00 EUR sei noch ein Restbetrag in Höhe von 3.189,42 EUR verblieben. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der AA mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 zurück.
Mit der am 15. Januar 2007 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die D.-Versicherung bei der De. sei nicht verwertbar und deshalb von der Beklagten zu Unrecht berücksichtigt worden. Auf den rechtlichen Hinweis des Kammervorsitzenden vom 11. Mai 2007, die Beklagte habe lediglich Aktienwerte in Höhe von 671,55 EUR, 738,99 EUR (nebst Ertrag in Höhe von 45,88 EUR) und 10.000,00 EUR (nebst Ertrag in Höhe von 1.051,15 EUR) berücksichtigt, hat der Kläger vorgetragen, er habe das den Freibetrag übersteigende Vermögen spätestens bis zum 31. Mai 2003 verbraucht. Ihm stehe deshalb Alhi ab 1. Juni 2003 zu. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat unter Vorlage vollständiger Ausdrucke der Bewerberdaten und dienstlicher Stellungnahmen ihrer Mitarbeiterinnen M. vom 23. Oktober 2007 (Bl. 50 der SG-Akte) und J. vom 27. Dezember 2007 (Bl. 59 der SG-Akte) vorgetragen, auch ab 1. Juni 2003 könne ein Anspruch auf Alhi nicht anerkannt werden; insoweit fehle bereits der erforderliche Antrag. Mit Urteil vom 19. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 hätte dem geltenden Recht entsprochen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bedürftig im Sinne des § 190 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gewesen. Soweit der Kläger vortrage, er sei ab 1. Juni 2003 bedürftig geworden, fehle es an der für die Gewährung von Alhi notwendigen Antragstellung. Der Kläger habe die Bewilligung von Alhi erst wieder am 30. März 2004 beantragt.
Gegen das ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 1. April 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. April 2008 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe einen Anspruch auf Alhi ab 1. Juni 2003 zu Unrecht verneint. Dass er vor dem 30. März 2004 keinen Antrag auf Alhi gestellt habe, könne ihm nicht entgegengehalten werden. Er sei von der Beklagten regelrecht davon abgehalten worden, den erforderlichen Antrag zu stellen. Ihm sei mehrfach erklärt worden, eine solche Antragstellung sei ohnehin sinnlos, da er wegen der vorhandenen D.-Versicherung nicht als bedürftig gelte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 zu verpflichten, den Bescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 zurückzunehmen und ihm Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis 29. März 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten ( ), die Klageakte des SG ( ) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1982/08) Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung der Beteiligten hat keine Gesichtspunkte ergeben, die Anlass geben könnten, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3 - 1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) ist der die Zurücknahme des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zurücknahme des seinen Antrag auf Alhi vom 25. März 2003 ablehnenden Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band II, § 44 SGB X, Rdnr. 29 m.w.N.). Deshalb sind für die Frage, ob Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Unrecht vorenthalten worden sind, auch Rechtsänderungen, die nach Erlass des Ausgangsbescheides eingetreten, aber auf diesen Zeitpunkt zurück wirken, zu beachten (BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 - B 8 KN 8/04 R und B 8 KN 9/04 R - beide veröffentlich in Juris).
Die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Zugunstenentscheidung liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 22. April 2003 sowie des den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich aus heutiger Sicht als unrichtig erweist. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid vielmehr zu Recht den Antrag des Klägers vom 25. März 2003 auf Bewilligung von Alhi abgelehnt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bedürftig gewesen ist.
Gem. § 190 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich beim AA arbeitslos gemeldet haben, (3.) einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben, (4.) in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne das der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und (5.) bedürftig sind. Bedürftig ist gem. § 193 Abs. 1 SGB III ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III). In welchem Umfang Vermögen zu berücksichtigen ist, regelt die aufgrund des § 206 Nr. 1 bis 4 SGB III erlassene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13. Dezember 2001 (AlhiV 2002). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieser Verordnung ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Freibetrag in diesem Sinne ist ein Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002).
Dem 1951 geborenen Kläger stand zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 25. März 2003 ein Freibetrag in Höhe von 10.400,00 EUR (52 x 200,00 EUR) zu. Am 25. März 2003 verfügte der Kläger - dies wird von ihm auch selbst eingeräumt - über verwertbares Vermögen, das diesen Freibetrag übersteigt und dessen Verwertung zumutbar gewesen ist. Allein durch die vom Kläger bei Antragstellung angegebenen Aktienpakete in Höhe von insgesamt 10.800,00 EUR wird ein Betrag von mehr als 10.400,00 EUR erreicht. Unbeachtlich ist insoweit, dass die Beklagte diese Vermögensposition zur Begründung der Ablehnung des Antrags vom 25. März 2003 noch nicht berücksichtigt hatte. Eine vollständige Berücksichtigung der vom Kläger innegehaltenen Wertpapiere ist erst bei Bescheidung des Antrags vom 30. März 2004 erfolgt; auf die diesbezügliche Berechnung der Beklagten (Bl. 193 der Verwaltungsakte der Beklagten) nimmt der Senat zur weiteren Begründung ergänzend Bezug. Nachdem auch eine besondere Härte im Sinne einer allgemeinen Härteklausel (vgl. dazu BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 2 und 3; BSG, Urteil vom 14. September 2005 - B 11a/11 AL 75/04 R - veröffentlicht in Juris) nicht vorgelegen hat, steht fest, dass der Kläger am 25. März 2003 nicht bedürftig im Sinne der Vorschriften über die Alhi gewesen ist und deshalb keinen Anspruch auf Alhi gehabt hat. Dementsprechend hat die Beklagte seinen Antrag zu Recht abgelehnt.
Ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alhi zu einem späteren Zeitpunkt - ggf. durch Verbrauch des vorhandenen Vermögens - eingetreten sind, bedarf keiner Entscheidung. Dementsprechend kann auch offen gelassen werden, ob der Kläger, wie von ihm zur Begründung von Klage und Berufung vorgetragen, ab 1. Juni 2003 die Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 SGB III erfüllt hat. Für die Beurteilung, ob dem Kläger im Rahmen des Zugunstenverfahrens ein Anspruch auf Zurücknahme des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 zusteht, kommt es allein darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezogen auf diesen Verwaltungsakt gegeben sind. Über einen Anspruch des Klägers auf Alhi ab 1. Juni 2003 hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2003, auf den allein sich der gestellte Zugunstenantrag bezieht, jedoch nicht entschieden. Dementsprechend ist die Frage, ob der Kläger ab 1. Juni 2003 bedürftig im Sinne des § 193 SGB III i.V.m. mit der AlhiV 2002 gewesen ist, für die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 bzw. das hier allein streitentscheidende Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ohne Relevanz. Das gleiche gilt für die Frage, ob der Kläger bezogen auf einen ab 1. Juni 2003 bestehenden Anspruch auf Alhi den nach § 323 Abs. 1 SGB III erforderlichen Antrag (rechtzeitig) gestellt hat bzw. sich insoweit auf einen ihm gegenüber der Beklagten zustehenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis 29. März 2004.
Der 1951 geborene Kläger beantragte, nachdem er zuvor bis 19. März 2003 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hatte, am 25. März 2003 die Bewilligung von Alhi. Das damalige Arbeitsamt L. (seit 1. Januar 2004: Agentur für Arbeit; AA) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. April 2003 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 23.807,09 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 10.200,00 EUR verblieben 13.607,09 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen; der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf Alhi. Den gegen diesen Bescheid seitens des Klägers am 28. April 2003 erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle des AA mit (bestandskräftig gewordenem) Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2003 zurück.
Am 30. März 2004 meldete sich der Kläger bei der AA arbeitslos und beantragte wiederum die Bewilligung von Alhi. Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 lehnte die AA den Antrag erneut unter Hinweis auf verwertbares Vermögen ab. Der Kläger verfüge nunmehr über Vermögen in Höhe von 34.392,91 EUR, unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 10.600,00 EUR verblieben 23.792,91 EUR. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger (am 23. Juni 2004) Widerspruch; die Widerspruchsstelle der AA wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2004 zurück. Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG; S 21 AL 5884/04) anerkannte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2006 einen Anspruch des Klägers auf Alhi ab 30. März 2004 bis 31. Dezember 2004. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an und beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 lehnte die AA auch diesen Antrag ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid vom 22. April 2003 nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe ohne Berücksichtigung von D.-Versicherung, K Versicherung und seiner Eigentumswohnung über ein Vermögen in Höhe von 13.389,42 EUR verfügt, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar gewesen sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 10.200,00 EUR sei noch ein Restbetrag in Höhe von 3.189,42 EUR verblieben. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der AA mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 zurück.
Mit der am 15. Januar 2007 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die D.-Versicherung bei der De. sei nicht verwertbar und deshalb von der Beklagten zu Unrecht berücksichtigt worden. Auf den rechtlichen Hinweis des Kammervorsitzenden vom 11. Mai 2007, die Beklagte habe lediglich Aktienwerte in Höhe von 671,55 EUR, 738,99 EUR (nebst Ertrag in Höhe von 45,88 EUR) und 10.000,00 EUR (nebst Ertrag in Höhe von 1.051,15 EUR) berücksichtigt, hat der Kläger vorgetragen, er habe das den Freibetrag übersteigende Vermögen spätestens bis zum 31. Mai 2003 verbraucht. Ihm stehe deshalb Alhi ab 1. Juni 2003 zu. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat unter Vorlage vollständiger Ausdrucke der Bewerberdaten und dienstlicher Stellungnahmen ihrer Mitarbeiterinnen M. vom 23. Oktober 2007 (Bl. 50 der SG-Akte) und J. vom 27. Dezember 2007 (Bl. 59 der SG-Akte) vorgetragen, auch ab 1. Juni 2003 könne ein Anspruch auf Alhi nicht anerkannt werden; insoweit fehle bereits der erforderliche Antrag. Mit Urteil vom 19. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 hätte dem geltenden Recht entsprochen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bedürftig im Sinne des § 190 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gewesen. Soweit der Kläger vortrage, er sei ab 1. Juni 2003 bedürftig geworden, fehle es an der für die Gewährung von Alhi notwendigen Antragstellung. Der Kläger habe die Bewilligung von Alhi erst wieder am 30. März 2004 beantragt.
Gegen das ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 1. April 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. April 2008 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe einen Anspruch auf Alhi ab 1. Juni 2003 zu Unrecht verneint. Dass er vor dem 30. März 2004 keinen Antrag auf Alhi gestellt habe, könne ihm nicht entgegengehalten werden. Er sei von der Beklagten regelrecht davon abgehalten worden, den erforderlichen Antrag zu stellen. Ihm sei mehrfach erklärt worden, eine solche Antragstellung sei ohnehin sinnlos, da er wegen der vorhandenen D.-Versicherung nicht als bedürftig gelte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 zu verpflichten, den Bescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 zurückzunehmen und ihm Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis 29. März 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten ( ), die Klageakte des SG ( ) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1982/08) Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung der Beteiligten hat keine Gesichtspunkte ergeben, die Anlass geben könnten, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3 - 1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) ist der die Zurücknahme des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2003 ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zurücknahme des seinen Antrag auf Alhi vom 25. März 2003 ablehnenden Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003.
Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band II, § 44 SGB X, Rdnr. 29 m.w.N.). Deshalb sind für die Frage, ob Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Unrecht vorenthalten worden sind, auch Rechtsänderungen, die nach Erlass des Ausgangsbescheides eingetreten, aber auf diesen Zeitpunkt zurück wirken, zu beachten (BSG, Urteile vom 21. Juni 2005 - B 8 KN 8/04 R und B 8 KN 9/04 R - beide veröffentlich in Juris).
Die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Zugunstenentscheidung liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 22. April 2003 sowie des den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich aus heutiger Sicht als unrichtig erweist. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid vielmehr zu Recht den Antrag des Klägers vom 25. März 2003 auf Bewilligung von Alhi abgelehnt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bedürftig gewesen ist.
Gem. § 190 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich beim AA arbeitslos gemeldet haben, (3.) einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben, (4.) in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne das der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und (5.) bedürftig sind. Bedürftig ist gem. § 193 Abs. 1 SGB III ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III). In welchem Umfang Vermögen zu berücksichtigen ist, regelt die aufgrund des § 206 Nr. 1 bis 4 SGB III erlassene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13. Dezember 2001 (AlhiV 2002). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieser Verordnung ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Freibetrag in diesem Sinne ist ein Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002).
Dem 1951 geborenen Kläger stand zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 25. März 2003 ein Freibetrag in Höhe von 10.400,00 EUR (52 x 200,00 EUR) zu. Am 25. März 2003 verfügte der Kläger - dies wird von ihm auch selbst eingeräumt - über verwertbares Vermögen, das diesen Freibetrag übersteigt und dessen Verwertung zumutbar gewesen ist. Allein durch die vom Kläger bei Antragstellung angegebenen Aktienpakete in Höhe von insgesamt 10.800,00 EUR wird ein Betrag von mehr als 10.400,00 EUR erreicht. Unbeachtlich ist insoweit, dass die Beklagte diese Vermögensposition zur Begründung der Ablehnung des Antrags vom 25. März 2003 noch nicht berücksichtigt hatte. Eine vollständige Berücksichtigung der vom Kläger innegehaltenen Wertpapiere ist erst bei Bescheidung des Antrags vom 30. März 2004 erfolgt; auf die diesbezügliche Berechnung der Beklagten (Bl. 193 der Verwaltungsakte der Beklagten) nimmt der Senat zur weiteren Begründung ergänzend Bezug. Nachdem auch eine besondere Härte im Sinne einer allgemeinen Härteklausel (vgl. dazu BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 2 und 3; BSG, Urteil vom 14. September 2005 - B 11a/11 AL 75/04 R - veröffentlicht in Juris) nicht vorgelegen hat, steht fest, dass der Kläger am 25. März 2003 nicht bedürftig im Sinne der Vorschriften über die Alhi gewesen ist und deshalb keinen Anspruch auf Alhi gehabt hat. Dementsprechend hat die Beklagte seinen Antrag zu Recht abgelehnt.
Ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alhi zu einem späteren Zeitpunkt - ggf. durch Verbrauch des vorhandenen Vermögens - eingetreten sind, bedarf keiner Entscheidung. Dementsprechend kann auch offen gelassen werden, ob der Kläger, wie von ihm zur Begründung von Klage und Berufung vorgetragen, ab 1. Juni 2003 die Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 SGB III erfüllt hat. Für die Beurteilung, ob dem Kläger im Rahmen des Zugunstenverfahrens ein Anspruch auf Zurücknahme des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 zusteht, kommt es allein darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezogen auf diesen Verwaltungsakt gegeben sind. Über einen Anspruch des Klägers auf Alhi ab 1. Juni 2003 hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2003, auf den allein sich der gestellte Zugunstenantrag bezieht, jedoch nicht entschieden. Dementsprechend ist die Frage, ob der Kläger ab 1. Juni 2003 bedürftig im Sinne des § 193 SGB III i.V.m. mit der AlhiV 2002 gewesen ist, für die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 22. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2003 bzw. das hier allein streitentscheidende Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ohne Relevanz. Das gleiche gilt für die Frage, ob der Kläger bezogen auf einen ab 1. Juni 2003 bestehenden Anspruch auf Alhi den nach § 323 Abs. 1 SGB III erforderlichen Antrag (rechtzeitig) gestellt hat bzw. sich insoweit auf einen ihm gegenüber der Beklagten zustehenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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