S 20 AY 6/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 6/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 28/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 01.03. bis 10.12.2005 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anstelle der bewilligten Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Die 0000 geborene Klägerin ist libanesische Staatsangehörige. Sie hielt sich erstmals von März 1990 bis Dezember 1992 in Deutschland auf. Im Januar 1993 kehrte sie in den Libanon zurück. Im Dezember 1994 reiste sie erneut nach Deutschland ein und beantragte zum zweiten Mal Asyl. Nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrags war sie ab 05.06.1998 im Besitz einer "Duldung". Ab 17.12.1999 besaß sie eine Aufenthaltsbefugnis gem. § 30 Abs. 3 des (damals geltenden) Ausländergesetzes (AuslG). Seit 28.11.2005 ist die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Ausübung einer (nicht selbstständigen) Beschäftigung ist ihr - zumindest seit 2003 - gestattet. Die Klägerin bezog in der Vergangenheit vom 11.12.1997 bis 31.12.1999 (= 24 Monate, 21 Tage) Leistungen nach § 3 AsylbLG, vom 01.01.2000 bis 31.12.2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und vom 01.01.2005 bis 10.12.2005 (= 11 Monate, 10 Tage) wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Seit dem 11.12.2005 (Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 21.11.2005) erhält sie Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII.

Am 23.03.2009 beantragte die Klägerin gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Überprüfung der Bescheide für die Zeit ab März 2005 bis einschließlich des letzten Bescheides, in welchem ihr noch Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt worden waren. Zur Begründung trug sie vor, trotz eines mehr als dreijährigen Leistungsbezuges vor dem 01.01.2005 habe sie ab Januar 2005 nur abgesenkte Grundleistungen nach dem AsylbLG erhalten, da die unmittelbar vorangegangenen Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem BSHG nicht auf die damals erforderliche 36-Monatsfrist angerechnet worden seien. Die Nichtanrechnung der Bezugszeiten vorrangiger Leistungen auf die 36-Monatsfrist sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz.

Der Beklagte lehnte eine Rücknahme der Leistungsbescheide für den Zeitraum vom 01.03. bis 10.12.2005 gem. § 44 SGB X ab mit der Begründung, dass bei Erlass dieser Bescheide weder das Recht unrichtig angewandt worden sei noch der Sachverhalt sich als unrichtig erwiesen habe; deshalb seien ihr Sozialhilfeleistungen nicht vorenthalten worden. Den dagegen am 20./22.04.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 26.06.2009 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), nur tatsächlich erhaltene Grundleistungen nach § 3 AsylbLG anzurechnen, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu vertreten; eine dahingehende Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG lasse sich auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entnehmen; käme man gleichwohl zu einem dahingehenden Auslegungsergebnis, wäre die Vorschrift selbst verfassungswidrig. Die Klägerin habe auf die Art des Leistungsbezuges keinen Einfluss. Die humanitären Gründe für den Aufenthalt, der sich im Laufe der Zeit weiter verfestigt habe, sei bereits mit Erteilung der Aufenthaltsbefugnis im Jahre 2000 anerkannt worden; mit Erteilung dieses Aufenthaltstitels sei die Ausreisepflicht entfallen. Nach inzwischen bereits mehr als zwölfjährigem nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusstem Aufenthalt im Bundesgebiet könne der Klägerin nicht zugemutet werden, auf den Bezug lediglich von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG verwiesen zu werden. Die Beschränkung auf das Grundleistungsniveau sei verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie zeitlich beschränkt und durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Die Grenzen verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit von Leistungsabsenkung und Sachleistungsprinzip seien überschritten, wenn sich der Aufenthalt infolge seiner Dauer bereits verfestigt habe und die Dauer des Aufenthaltes seitens des Ausländers nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sei. Sie sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Mit Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis sollte die Praxis der Kettenduldung abgeschafft und denjenigen Ausländern eine Aufenthaltsperspektive geboten werden, die unverschuldet an der Ausreise gehindert seien, sofern in "absehbarer Zeit" nicht mit einem Wegfall des Ausreisehindernisses zu rechnen sei. Damit bestehe - so die Klägerin - bereits mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kein sachlicher Grund mehr für eine Schlechterstellung dieses Personenkreises. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Aufnahme der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in den Kreis der nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personen sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraumes halte, bleibe die Frage zu klären, ob ein rein formales Anknüpfen an den tatsächlichen Bezug von Grundleistungen über den zeitlich festgelegten Rahmen von drei bzw. jetzt vier Jahren maßgeblicher Anknüpfungspunkt für eine Leistungsumstellung nach § 2 AsylbLG sein dürfe. Richtig sei, dass in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 16/5065, S. 155) klargestellt werde, dass mit der Anhebung von 36 auf 48 Monate der nach dem AsylbLG Leistungsberechtigte (auch) ermutigt werden solle, seinen Lebensunterhalt durch möglichst eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern. Weitergehende Schlussfolgerungen - so die Klägerin - ließen sich hieraus aber nicht ziehen. Insbesondere rechtfertige dieser Hinweis des Gesetzgebers die weitreichenden Schlussfolgerungen des BSG nicht. Nicht durch den Bezug der Grundleistungen erwachse ein anzuerkennendes Integrationsbedürfnis, sondern durch den nicht rechtsmissbräuchlich beeinflussten Aufenthalt im Bundesgebiet. Der insoweit maßgebliche Zeitraum beginne mit der Einreise und nicht mit dem Bezug von Grundleistungen. Des Weiteren stelle sich im Falle eines Verweises der Klägerin auf die Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für den streitbefangenen Zeitraum die Frage der Verfassungsmäßigkeit auch vor dem Hintergrund, dass die Grundleistungen seit 1993 nicht angehoben worden und unter Beachtung der Inflationsrate, der Anhebung der Mehrwertsteuer und des Anstiegs der Lebenshaltungskosten nicht mehr als Sicherung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestsicherung anzusehen seien.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen über die Leistungsgewährung für den Leistungszeitraum März 2005 bis 10.12.2005 unter Abänderung des Bescheides vom 24.03.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2009 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum März 2005 bis 10.12.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung. Er führt ergänzend aus, das von der Klägerin gewünschte Ergebnis ließe sich nur im Wege einer (doppelt) analogen Anwendung bzw. einer verfassungskonformen (erweiterten) Auslegung des § 2 AsylbLG erreichen. Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertige die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG nach derzeitiger Gesetzeslage keine Herausnehme dieses Personenkreises aus dem Geltungsbereich des AsylbLG. Nicht zuletzt die jüngste Novellierung des AufenthG durch das so genannte Richtlinienumsetzungsgesetz vom 28.08.2007 (BGBl. I S. 1970) belege, dass der Gesetzgeber an der "Vorläufigkeit" der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG festhalte. Auch derzeit werde Ausländern, die Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen, nicht die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten eingeräumt. Der Beklagte meint, die Entscheidung des Gesetzgebers, auch bei längeren humanitären Aufenthaltstiteln die Anwendung des AsylbLG nicht zu suspendieren, sei eine - auch unter Würdigung der von der Klägerin angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken zulässige - Zurückstellung der staatlich unterstützten Integrationskomponente. Leistungen nach § 2 AsylbLG seien weiterhin Leistungen, die nach einem vom Sozialrecht in weiten Teilen abgetrennten und restriktiveren System - dem AsylbLG - beurteilt würden. Auch das Bundesverfassungsgericht räume in seiner ständigen Rechtsprechung ein, dass es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers stehe, für Asylbewerber und ihnen insoweit rechtlich gleichgestellten Ausländern - was mit dem AsylbLG geschehen sei - ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen.

Wegen der weiteren weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten - umfangreichen - Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten (Band V - VII), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Beklagte hat zurecht eine Rücknahme der Leistungsbescheide für die Zeit vom 01.03. bis 10.03.2005, durch die der Klägerin Leistungen (nur) nach § 3 AsylbLG bewilligt worden sind, gem. § 44 SGB X abgelehnt. Denn er hat bei Erlass der Leistungsbescheide das Recht nicht unrichtig angewandt und ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat; der Klägerin sind deshalb auch keine Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden.

Die Klägerin hatte und hat für den mit der Klage geltend gemachten und allein streitbefangenen Zeitraum vom 01.3. bis 10.12.2005 keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII, da sie für diesen Zeitraum die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift in der hier maßgeblichen bis 27.08.2007 geltenden alten Fassung (a.F.) nicht erfüllt hat. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (ab 28.08.2007: 48 Monaten) Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Klägerin hat erst am 10.12.2005 über die Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen und erhält deshalb zurecht erst ab 11.12.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII. Das BSG hat im Urteil vom 17.06.2008 (B 8/9b AY 1/07 R) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass § 2 AsylbLG im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 36 (bzw. inzwischen 48) Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist. Das BSG hat hierzu ausgeführt:

"Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb der es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 2 AsylbLG RdNr 8 bei Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders, AsylbLG, § 2 RdNr 39, Stand März 2007; vgl auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 12, Stand August 2007, zu sonstigen Sozialleistungen; aA Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2 und Birk in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3; zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, NVwZ 2008, 33, 35 mwN). Dies ergibt sich aus dem hier zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von der Verfassung nicht vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehört sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230, 2231). Diese kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149Nr 7 S 7). Dabei darf dem Gesetz aber kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.

Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen; ob für Zeiten, in denen ein durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG bestand, der erst später zugestanden wird, etwas Anderes gilt (vgl dazu in anderem Zusammenhang: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 45 mwN, Stand August 2004), kann offen bleiben. So normierte § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074) für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24. Oktober 1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (BT-Drucks 13/2746, S 5). Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stand dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks 13/2746, S 11). Vom Grundsatz sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG erhalten (BT-Drucks 13/2746, S 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs 4 Ausländergesetz (AuslG), der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks 13/2746, S 15). Diese Integrationskomponente verlor sich dann in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I 1130). Erstmals stellte das Gesetz auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 1. Juni 1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl auch Ausschussbericht vom 7. Februar 1996, BT-Drucks 13/3728, S 3), zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 1. Juni 1997 zu laufen begann, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie bereits zuvor Analog-Leistungen erhalten hatten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten, auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 1. Juni 1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte (aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Er beabsichtigte also, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle. Mit der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich abweichend vom bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen), bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analog-Leistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponenten argumentiert (vgl etwa: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2; Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3) berücksichtigt nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Frist von 36 Monaten zu Unrecht als reine Wartefrist. Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28. August 2007 (Vorbezugszeit von 48 Monaten; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzungaufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) stützen die für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 vorgenommene Auslegung. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung - Beschäftigungsverfahrensordnung - (§ 10) begründet, der nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt (Satz 3). Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von 4 Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065, S 232 zu Nummer 2 (§ 2); vgl auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 11, Stand Oktober 2007). Dennoch wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollten also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw geduldete Ausländer ist insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 61 Abs 2 Asylverfahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung)."

Dem schließt sich die Kammer an (vgl. bereits Urteile vom 11.11.2008 - S 20 AY 7/08 -, vom 28.04.2009 - S 20 AY 1/09 - und vom 26.05.2009 - S 20 AY 5/09). Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin teilt die Kammer nicht.

Da somit die für den Anspruch nach § 2 AsylbLG erforderliche Vorbezugszeit ausschließlich durch Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt werden konnten und die Klägerin solche Leistungen lediglich in der Zeit vom 11.12.1997 bis 31.12.1999 sowie vom 01.01.2005 bis 10.12.2005 erhalten hat, hat der Beklagte zurecht die höherwertigen Leistungen nach § 2 AsylbLG erst am 11.12.2005 bewilligt. Für den davor liegenden - streitbefangenen Zeitraum vom 01.03. bis 10.12.2005 besteht dieser Anspruch nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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