L 10 U 3414/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3089/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3414/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.06.2005 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2003 verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 27.02.2002 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Verletztenrente wegen eines am 1.10.1973 erlittenen Arbeitsunfalls.

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war von September 1972 bis März 1975 bei der Firma G. - u. A. , K. , beschäftigt. Eigenen Angaben zufolge schlug ihm am 10.10.1973 im Rahmen seiner bei der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, versicherten Tätigkeit die Deichsel eines mehrere Tonnen schweren Wagens gegen das rechte Knie. Zum weiteren Geschehensablauf, insbesondere zu den Fragen, ob er zunächst weiter arbeitete, ob er sich am fraglichen Tage das rechte Knie im Waschraum des Betriebes an einem Waschbecken stieß und ob er in der Folgezeit den Werksarzt aufsuchte, finden sich bei den Akten der Beklagten (Blatt 2 bis 7) und des Senats (Blatt 40) unterschiedliche Angaben des Klägers selbst sowie seiner damaligen Arbeitgeberin und des Durchgangsarztes Dr. P. , den der Kläger am 02.10.1973 aufsuchte. Am 09.01.1974 erfolgte unter der später histologisch gesicherten Diagnose eines traumatischen Meniskusschadens mit Korbhenkelriss eine subtotale Entfernung des rechten Innenmeniskus (Resektion des Korbhenkels). Dabei zeigten sich intakte Kreuzbänder.

Nachdem beim Kläger in der Folgezeit Schmerzen im Bereich des lateralen Kniegelenkspalts rechts sowie zusätzlich eine Streckhemmung im rechten Knie eingetreten waren, erfolgte am 22.10.1974 im damaligen S. Krankenhaus K. eine nahezu vollständige Resektion des rechten Außenmeniskus. Nach dem Operationsbericht zeigten sich dabei feste Kreuzbänder sowie ein insgesamt degenerativer lateraler Meniskus, der am hinteren Abschnitt seines seitlichen Ansatzes abgerissen und teilweise nach medial ins Gelenk eingeschlagen war. Die Histologie ergab degenerative und resorptive Veränderungen nach Meniskusabriss.

Im Dezember 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, nunmehr seien erhebliche Probleme an seinem rechten Knie aufgetreten. Zugleich verwies er auf den während seiner Beschäftigung bei der Firma G. - u. A. , K. , erlittenen Unfall und bat um Informationen zu diesem Ereignis sowie um Anerkennung desselben als Arbeitsunfall.

Am 13.02.2002 unterzog sich der Kläger in der Praxisklinik Dr. H. und Dr. S. einer ambulanten Arthroskopie des rechten Kniegelenks. Dabei fanden sich eine Innenmeniskus-Hinterhorn-Degeneration bis zur Pars intermedia mit Radiär-Einriss, eine Außenmeniskus-Degeneration im Restmeniskus, eine viertgradige Chondromalazie im medialen, tiabialen und lateralen/femoralen Bereich sowie multiple freie Gelenkkörper. Die freien Gelenkkörper wurden entfernt und darüber hinaus ein Außenmeniskustrimming sowie eine weitere Innenmeniskus-Teilresektion (Hinterhorn bis Pars intermedia) vorgenommen.

Mit Schreiben vom 03.04.2002 erkannte die Beklagte den Zusammenhang zwischen der arthroskopischen Operation vom 13.2.2002 und dem Arbeitsunfall vom 01.10.1973 an. Zu der Frage der Indikation einer ärztlich vorgeschlagen und von ihr später auch erbrachten medizinischen Heilbehandlung holte die Beklagte eine ärztliche Stellungnahme ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers schlugen Prof. Dr. W. , Priv. Doz. Dr. E. und Dr. D. (B. U. Klinik T.) angesichts von Knorpelschäden sowohl im medialen als auch im lateralen Kompartiment sowie von Arthrosezeichen auch im linken Kniegelenk die Einholung eines Zusammenhanggutachtens vor.

Nach erneuter Untersuchung des Klägers kamen Prof. Dr. W. und Dr. Z. im sodann eingeholten Gutachten zu dem Ergebnis, die Teilresektion des Innenmeniskus sei unfallbedingt, die subtotale Entfernung des Außenmeniskus aber nicht ursächlich auf den Unfall aus dem Jahre 1973 zurückzuführen. Wesentliche Unfallfolgen und damit auch eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestünden nicht.

Mit Bescheid vom 01.07.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen des Arbeitsunfalles vom 01.10.1973 ab. Zugleich erkannte sie als Unfallfolgen am rechten Kniegelenk eine Prellung des Kniegelenks sowie einen operativ versorgten Korbhenkelriss des Innenmeniskus an. Die im Widerspruch zu den nachfolgenden Ausführungen zur mangelnden Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die Veränderungen im Bereich des lateralen Kniegelenks erfolgte Anerkennung der teilweisen Entfernung des rechten Außenmeniskus nebst vermehrter Valgusstellung des rechten Beines, beginnender umformender Veränderungen im Bereich des rechten seitlichen Kniegelenks sowie der Kniescheibenrückfläche rechts wurde mit Schreiben der Beklagten vom 23.9.2003 ausdrücklich ("als Unfallfolgen werden nicht anerkannt") berichtigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da keine Unfallfolgen mehr feststellbar seien, die eine messbare MdE rechtfertigten.

Nachdem das Sozialgericht Ulm - mit zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsenem - Urteil vom 25.11.2003 (S 6 U 345/03) eine auf Anerkennung und Entschädigung einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit gerichtete Klage des Klägers abgewiesen hatte, hat dieser am 28.11.2003 beim genannten Gericht Klage gegen den Bescheid vom 01.07.2003 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 erhoben. Zuletzt hat er die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. wegen der Folgen des am 01.10.1973 erlittenen Arbeitsunfalls begehrt.

Das Sozialgericht hat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Orthopäden Dr. S. eingeholt. Dieser hat ausgeführt, ursächlich auf den Unfall vom 01.10.1973 zurückzuführen seien eine beim Kläger vorliegende Gonarthrose rechts und eine gleichfalls bestehende Chondromalazie des rechten Kniegelenks im Sinne einer posttraumatischen Arthrose. Die MdE für das rechte Kniegelenk schätze er nach den "Anhaltspunkten der ärztlichen Gutachtertätigkeit 1996" auf 30 v.H.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht darüber hinaus ein schriftliches Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. J. eingeholt. Dieser hat eine Gonarthrose des rechten Kniegelenks diagnostiziert. Die Arthrose sei insgesamt auf die subtotale Teilentfernung des Innenmeniskus zurückzuführen. Auch die Schädigung des äußeren Meniskus sei eine Folge der weitgehenden Entfernung des Innenmeniskus und der dadurch veränderten Gelenkmechanik. Die unfallbedingte MdE hat er auf 30 v.H. seit dem Zeitpunkt der letzten Operation im Februar 2003 eingeschätzt.

Die Beklagte hat hierzu fachärztliche Stellungnahmen des Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. K. vorgelegt. Dieser hat zunächst ausgeführt, der Innenmeniskusschaden könne dem Ereignis vom 01.10.1973 nicht zugeordnet werden; im Übrigen liege die für die Bewegungseinschränkung des Kniegelenks anzusetzende MdE bei 10 v.H. Auf Hinweis der Beklagten, der Innenmeniskusriss sei bereits als Unfallfolge anerkannt, hat Dr. K. ergänzend ausgeführt, die Verschleißschäden des lateralen Kompartiments mit nachfolgender Valgusfehlstellung beruhten nicht auf dem Teilverlust des medialen Meniskus. Die Gonarthrose des rechten Kniegelenks sei daher nur teilweise Unfallfolge.

Mit Urteil vom 17.06.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf das Zusammenhanggutachten von Prof. Dr. W. ausgeführt, die beim Kläger bestehenden Unfallfolgen bedingten keine MdE in rentenberechtigendem Grade. Diese Entscheidung ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 21.07.2005 zugestellt worden.

Am 17.08.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der frühere Berichterstatter hat den Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2006 persönlich zum Hergang des Unfalls vom 01.10.1973 sowie zu den nachfolgenden Behandlungen und Beschwerden angehört. Dabei hat der Kläger angegeben, die zur Seite schlagende Deichsel habe ihn an der Innenseite des rechten Knies getroffen. Wegen seiner weiteren Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Senat hat ferner von der W. -Klinikum GmbH die Unterlagen des S. Krankenhauses K. über die Untersuchung und Behandlung des Klägers ab September 1974 beigezogen.

Schließlich hat der Senat ein Gutachten sowie eine ergänzende Stellungnahme des leitenden Oberarztes der Orthopädischen U. Klinik U. , Dr. M. , eingeholt. Der Sachverständige hat im Wesentlichen ausgeführt, die Schädigung des Innenmeniskus sei auf den Unfall vom 01.10.1973 zurückzuführen, die Außenmeniskusschädigung jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Die Innenmeniskusschädigung habe nicht zu einer massiven Gefügelockerung des Kniegelenks geführt. Insgesamt überwiege die Schädigung des Außenmeniskus, so dass die Verschlimmerung und Beschleunigung der Kniegelenksarthrose mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, Reduktion der Gehstrecke und Verminderung der Belastungsfähigkeit des rechten Kniegelenks nur teilweise durch den Unfall verursacht worden sei. Für die Gesundheitsschäden im rechten Kniegelenk sei eine MdE in Höhe von 20 v.H. gerechtfertigt, bei Aufteilung der Verletzungsfolgen des Innen- und Außenmeniskus sei eine unfallbedingte MdE des Innenmeniskusschadens von 10 v.H. anzusetzen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Funktionsbeeinträchtigungen seines rechten Kniegelenks seien insgesamt unfallbedingt und mit einer MdE um mindestens 20 v.H. zu bewerten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.06.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2003 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. seit 27.02.2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von Dr. K. vor, nur ein geringer Teil der arthrotischen Veränderungen des rechten Kniegelenks sei Folge der unfallbedingten Innenmeniskusschädigung. Im Übrigen rufe der Gesamtschaden am rechten Kniegelenk keine MdE von wenigstens 20 v.H. hervor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Verwaltungsakten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts aus dem Berufskrankheitenverfahren - S 6 U 345/03 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist auch begründet.

Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.20035 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 01.10.1973 Verletztenrente zu gewähren. Der beim Kläger unfallbedingt verbliebene Gesundheitsschaden im Bereich des rechten Kniegelenks rechtfertigt die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. Entsprechend ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der angegriffenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente im Umfang von 20 v.H. einer Vollrente zu gewähren.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.14), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten ver¬ursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfall¬folgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Vor¬aussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger wegen der Folgen seiner unfallbedingten Innenmeniskusschädigung Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 27.02.2002, dem Eintritt von Arbeitsfähigkeit nach der eingetretenen und einen Leistungsanspruch begründenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

Mit Bescheid vom 01.07.2003 hat die Beklagte als Folgen des am 01.10.1973 erlittenen Unfalls eine Prellung des rechten Kniegelenks sowie einen operativ versorgten Korbhenkelriss des Innenmeniskus anerkannt. Soweit in diesem Bescheid unter der weiteren Überschrift "Als Unfallfolgen werden anerkannt:" auch noch die im Jahre 1976 operativ erfolgte teilweise Entfernung des rechten Außenmeniskus aufgeführt ist, ist damit keine Anerkennung von weiteren Unfallfolgen verbunden. Denn insoweit liegt ein offenbares Schreibversehen dadurch vor, dass von der Beklagten das Wort "nicht" fälschlicherweise nicht aufgeführt wurde. Dies lässt sich ohne weiteres daraus entnehmen, dass die Beklagte diese vermeintliche weitere Feststellung von Unfallfolgen von der unter der Überschrift "Als Unfallfolgen werden anerkannt am rechten Kniegelenk:" erfolgten Feststellung räumlich abgesetzt und mit der inhaltsgleichen weiteren Überschrift ("Als Unfallfolgen werden anerkannt:") versehen hat. Diese Textgestaltung weist darauf hin, dass an sich beabsichtigt war, zu verdeutlichen, welche Gesundheitsstörungen einerseits als Unfallfolgen anerkannt und welche andererseits gerade nicht anerkannt, mithin abgelehnt werden sollen. Bestätigt wird dies durch die nachfolgende Begründung der getroffenen Entscheidung, in der es u.a. heißt, die Verletzung des Außenmeniskus mit nachfolgenden umformenden Veränderungen im Bereich des seitlichen Kniegelenks sowie der Kniescheibenrückfläche könne nicht ursächlich auf den Unfall vom 01.10.1973 zurückgeführt werden. Davon dass die Folgen der Außenmeniskusschädigung gerade nicht als Unfallfolgen anerkannt werden sollten, ist auch der Kläger selbst ausgegangen. Denn in seinem Widerspruchsschreiben vom 03.07.2003 hat er ausgeführt, der Innenmeniskus und der Außenmeniskus in seinem Knie seien eine Einheit, so dass bei Beschädigung des einen Meniskus zwangsläufig der andere Teil nach einer gewissen Zeit ebenfalls defekt werde. Damit hat er deutlich gemacht, dass er es für fehlerhaft erachtet, den Innenmeniskusschaden anders zu beurteilen als die Schädigung des Außenmeniskus.

Ob die von der Beklagten unter dem 23.09.2003 vorgenommene Berichtigung dieses Schreibversehens den Anforderungen des § 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entspricht, kann dahingestellt bleiben. Denn wegen der Offenkundigkeit der Unrichtigkeit besteht ohnehin kein Bedarf für die Richtigstellung (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Rdnr. zu § 38 SGB X).

Soweit die Beklagte es demnach abgelehnt hat, die Schädigung des Außenmeniskus des Klägers und die hierauf beruhenden Gesundheitsbeeinträchtigungen auf den Arbeitsunfall vom 01.10.1973 zurückzuführen, ist dies nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die entsprechende Einschätzung der Beklagten und geht davon aus, dass die ausschlagende Deichsel mit Wahrscheinlichkeit nur eine Primärverletzung des Innenmeniskus, nicht aber eine Primärverletzung des Außenmeniskus verursacht hat. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Dr. M. überzeugend dargelegt. Dabei hat er unter Hinweis auf die Biomechanik ausgeführt, dass bei einer (vom Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 22.06.2006 berichteten) Krafteinwirkung auf die mediale Seite des Kniegelenks eine Druckerhöhung auf den inneren Gelenkspalt und damit eine traumatische Schädigung des Innenmeniskus wahrscheinlich ist, eine gleichzeitige Schädigung des Außenmeniskus sich bei diesem Ereignis hingegen als unwahrscheinlich darstellt, weil durch die Verlagerung der Kräfte nach innenseitig eher eine Entlastung des sowieso mobileren und weniger verletzungsanfälligen Außenmeniskus auftritt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sprechen auch die nachfolgend dokumentierten Befunde gegen eine Primärverletzung im Bereich des Außenmeniskus. Denn diese deuten gerade nicht auf ein komplexes Gelenktrauma mit erheblicher Schädigung der Kapsel-Bandstrukturen und beider Meniski hin, nachdem weder Blockierungserscheinungen noch eine Ergussbildung im Gelenk beschrieben sind. In diesem Sinne haben auch Prof. Dr. W. und Dr. Z. im von der Beklagten eingeholten Zusammenhanggutachten darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Beschwerdesymptomatik in den Befunden bis zur Operation im Januar 1974 fehlt und der Außenmeniskus auch im Operationsbericht vom 09.01.1974 nicht weiter erwähnt wird. Soweit der Sachverständige Dr. J. ausgeführt hat, im Operationsbericht vom 09.01.1974 sei eine Inspektion des Außenmeniskus nicht erwähnt, weshalb keinerlei Aussage darüber möglich sei, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Schädigung des Außenmeniskus vorgelegen habe, ist darauf hinzuweisen, dass damit gleichzeitig auch der grundsätzlich erforderliche Nachweis einer auf den Unfall zurückzuführenden Primärverletzung des lateralen Meniskus fehlt.

Der am 22.10.1974 operativ versorgte Schaden am Außenmeniskus ist auch nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Teilresektion des Innenmeniskus zurückzuführen und damit auch nicht mittelbare Unfallfolge. Dies hat Dr. M. für den Senat schlüssig und überzeugend erläutert. Hierzu hat er in Übereinstimmung mit dem Beratungsarzt Dr. K. dargelegt, dass es infolge einer Schädigung des inneren Gelenkkomplexes zu einer Verlagerung der Belastungsachse nach medial kommt und damit das laterale Kompartiment sogar entlastet wird. Die abweichende, diesen Umstand aber nicht berücksichtigende und lediglich allgemein mit einer veränderten Biomechanik begründete Auffassung von Dr. J. vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Dies gilt um so mehr, als die Außenmeniskusläsion nur wenige Monate nach der Innenmeniskusteilresektion erfolgte und die von Dr. J. zur Begründung herangezogene veränderte Biomechanik daher allenfalls kurzeitig auf den Außenmeniskus eingewirkt hätte.

Schließlich beruhen auch die nach der Operation des Außenmeniskus vom Oktober 1974 aufgetretenen degenerativen Veränderungen im lateralen Kniegelenk nicht auf der Resektion des Innenmeniskus. Denn angesichts der dargestellten tendenziellen Entlastung des äußeren Kniegelenks durch die Innenmeniskusresektion wirkt diese Operation den - durch die Resektion des Außenmeniskus zu erklärenden - lateralen Veränderungen eher entgegen.

Danach ist zwar die Schädigung des Außenmeniskus nicht Folge des in Rede stehenden Unfallereignisses, gleichwohl wirkt sich diese Gesundheitsstörung ebenso wie die als Unfallfolge anerkannte Innenmeniskusschädigung auf die Funktionsfähigkeit des rechten Kniegelenks des Klägers aus. Insoweit besteht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. , die im Wesentlichen übereinstimmen mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. J. , eine reduzierte Belastungsfähigkeit sowie eine Reduktion der Gehstrecke mit Belastungsschmerzhaftigkeit. Führen beim Kläger danach aber unfallbedingte und unfallunabhängige Gesundheitsstörungen gemeinsam zu einem Gesundheitsschaden, der sich in Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Kniegelenks äußert und die Belastungsfähigkeit der rechten unteren Extremität einschränkt, so handelt es sich hierbei um nebeneinander stehende Teilursachen hinsichtlich derer nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Theorie der wesentlichen Bedingung in einem wertenden Schritt zu prüfen ist, ob das versicherte Unfallereignis für diesen Schaden wesentlich ist. Dabei setzt die Bewertung als rechtlich wesentlich - wie bereits dargelegt - nicht voraus, dass das Verhältnis der mitwirkenden Faktoren gleichwertig ist. Vielmehr liegt Wesentlichkeit im Rechtssinne nur dann nicht mehr vor, wenn der konkurrierenden unversicherten Ursache eine überragende Bedeutung beizumessen ist. Hiervon kann, was die Auswirkungen der Außenmeniskusschädigung beim Kläger anbelangt, jedoch nicht ausgegangen werden, wie den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. entnommen werden kann. Denn Dr. M. hat hinsichtlich der von der Innenmeniskusschädigung einerseits und des Außenmeniskusschadens andererseits ausgehenden Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks eine hälftige Aufteilung für angemessen erachtet und dementsprechend ausgehend von seiner Bewertung der MdE mit 20 v.H. die jeweiligen Verursachungsanteile mit 10 v.H. bemessen. Wenn auch der Sachverständige mit dieser Schätzung der Kausalitätsanteile die im Unfallversicherungsrecht heranzuziehende Theorie der wesentlichen Bedingung nicht beachtet hat, so macht seine Beurteilung nach Überzeugung des Senats gleichwohl hinreichend deutlich, dass er - ausgehend von einer etwa hälftigen Bedeutung der jeweiligen Ursachenbeiträge - dem unfallfremden Gesundheitsschaden, nämlich der Außenmeniskusschädigung, im Hinblick auf die eingeschränkte Funktion des rechten Kniegelenks keine überragende Bedeutung beimisst. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat mit der Folge an, dass der Unfallschaden des Klägers unter Berücksichtigung des nichtunfallbedingten Außenmeniskusschadens zu bewerten und zu entschädigen ist.

Auch hinsichtlich der Bemessung der MdE schließt sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. an, der die in Rede stehenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers mit einer MdE um. 20 v.H. bewertet hat. Im Vordergrund steht insoweit die reduzierte Belastungsfähigkeit des rechten Kniegelenks mit Einschränkung der Gehstrecke und Belastungsschmerzhaftigkeit, durch die ganztägige Geh- oder Stehbelastungen ebenso zu vermeiden sind wie Tätigkeiten in Zwangshaltung für das Knie, wie beispielsweise hockende oder kniende Tätigkeiten. Gleiches gilt für schwere körperliche Tätigkeiten, wie Arbeiten mit Tragen und Heben schwerer Lasten. Daneben ist dem Kläger das Besteigen von Leitern sowie das Treppengehen erschwert und ihm auf Grund der Schmerzhaftigkeit bei längerem Sitzen in einer Position die Möglichkeit zu eröffnen, bei selbstständiger Zeiteinteilung kurze Strecken zu gehen oder zu Stehen. Im Hinblick auf diese Einschränkungen hält der Senat die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. für angemessen. Ebenso wie der Sachverständige Dr. M. erachtet auch der Senat die insoweit abweichende Bewertung des Sachverständigen Dr. J. für überhöht. Denn eine MdE um 30 v.H. ist nach der unfallmedizinischen Literatur erst bei einer reduzierten Gelenkbeweglichkeit mit einer Streckung/Beugung von 0-10-60 mit stärkerer Beinschwäche vorgesehen. Ein vergleichbares Ausmaß erreicht die Beeinträchtigung des Klägers jedoch nicht. Auch die Beklagte hat letztlich die Gesamtbewertung der unfallbedingten und unfallunabhängigen Beeinträchtigungen des Dr. M. mit einer MdE um 20 v.H. für angemessen erachtet.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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