L 3 AL 4401/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 4942/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4401/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2008 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung der der Klägerin für die Zeit vom 02.01. bis 27.12.1999 gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi) bzw. des der Klägerin für die Zeit vom 01.07. bis 27.12.2000 sowie vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg) streitig.

Die 1963 geborene, in Karlsruhe wohnhafte Klägerin war zwischen dem 01.05. und 31.07.1998 als Buchhalterin im Steuerberatungsbüro ihres Vaters E. R. und vom 01.08. bis 31.12.1998 als Medienberaterin teilzeitbeschäftigt. Am 04.01.1999 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alhi, das ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.1999 (Bemessungsentgelt 350,00 DM, Leistungsgruppe B/1, wöchentlicher Leistungssatz 157,50 DM) ab 02.01.1999 bewilligte. Am 14.01.1999 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie nehme ab 11.01.1999 eine Tätigkeit in der Buchhaltung im Steuerberaterbüro E. R. in einem wöchentlichen Umfang von weniger als 15 Stunden auf. Ausweislich der Bescheinigung über Nebeneinkommen im Januar 1999 arbeitete die Klägerin 7,5 Stunden pro Woche und bezog ein Arbeitsentgelt in Höhe von 300,00 DM. Die Beklagte teilte der Klägerin hierauf mit, sie brauche für die Folgemonate keine Nachweise über die Nebentätigkeit mehr vorzulegen, solange ihr Gesamteinkommen aus der Nebentätigkeit den Freibetrag von 315,00 DM nicht überschreite. Die Klägerin bezog Alhi bis zur Anspruchserschöpfung am 27.12.1999. Das Merkblatt 1 für Arbeitslose wurde der Klägerin bereits bei der ersten Antragstellung ausgehändigt, was sie unterschriftlich bestätigt hat.

Vom 01.01.2000 bis 30.06.2000 war die Klägerin wiederum als Bürokauffrau/Buchhalterin im Steuerberaterbüro R. teilzeitbeschäftigt. Im Anschluss daran meldete sie sich am 03.07.2000 arbeitslos und bezog hierauf Alg vom 01.07.2000 bis zur Anspruchserschöpfung am 27.12.2000 (Bescheid vom 26.07.2000; Bemessungsentgelt 470,00 DM, Leistungsgruppe B/1, wöchentlicher Leistungssatz 250,11 DM).

Von 01.01.2001 bis 31.12.2001 folgte eine weitere Beschäftigung im Steuerberaterbüro R ... Nach deren Beendigung meldete sich die Klägerin am 02.01.2002 wiederum arbeitslos. Mit Bescheid vom 04.04.2002 gewährte ihr die Beklagte hierauf für die Zeit vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 erneut Alg (Bemessungsentgelt 145,00 EUR, Leistungsgruppe B/1, wöchentlicher Leistungssatz 77,28 EUR).

Nachdem die Beklagte im Juli 2002 erfahren hatte, dass auf die Klägerin seit 01.10.1998 in Pforzheim, Bahnhofsplatz 5 eine Spielhalle angemeldet war, führte sie am 07.08.2002 eine angekündigte Außenprüfung durch. Während der von 14.00 Uhr bis 15.20 Uhr dauernden Anhörung gab die Klägerin im Beisein ihres Vaters E. R., der gleichzeitig Vermieter der Spielhalle war und an den sie ausweislich des Mietvertrags vom 15.07.1998 einen monatlichen Mietzins in Höhe von 6.000,00 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu entrichten hatte, an, sie beschäftige in der Spielhalle seit Betriebsbeginn im Schnitt drei bis vier Arbeitnehmer, die meisten in geringfügigem Umfang. Sie selbst sei seit ca. Mitte 1999 in der Spielhalle mehr als 15 Stunden in der Woche tätig. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie diese Tätigkeit der Beklagten hätte angeben müssen. Sie sei bereit, die erhaltenen Leistungen in vollem Umfang zurückzuerstatten, beantrage jedoch Ratenzahlung. Bezüglich der zu erwartenden Rückforderung verzichtete sie auf eine Anhörung.

Nach den von der Beklagten beigezogenen Lohnkonto-Karten beschäftigte die Klägerin folgende Personen als Hallenaufsicht bzw. Aushilfe: 1. C. W.: 01.10.1998 bis August 1999, November 1999 bis Dezember 2001; Arbeitsver- dienst in Höhe von 1.700,00 DM bis August 1999 und anschließend zwischen 90,00 DM und 276,00 DM. 2. K. A.: 17.07.2000 bis 20.08.2000; Arbeitsverdienst in Höhe von 750,00 DM im Juli 2000 und in Höhe von 1.000,00 DM im August 2000 3. M. U.: 02.01.2000 bis März 2001; Arbeitsverdienst zwischen 78,00 DM und 120,00 DM 4. L. D.: 02.10.2000 und 31.01.2001; Arbeitsverdienst zwischen 66,00 DM und 84,00 DM 5. J. M.: 01.10.1998 bis 31.03.1999; Arbeitsverdienst zwischen 32,00 DM und 64,00 DM; 01.01.2000 bis Dezember 2001; Arbeitsverdienst zwischen 30,00 DM und 650,00 DM. Wegen des weiteren Inhalts der Lohnkonto-Karten wird auf Bl. 82 -88 der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 29.08.2002 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi vom 02.01.1999 bis 27.12.1999 und über die Bewilligung von Alg vom 01.07.2000 bis 27.12.2000 sowie vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 11.820,19 EUR (9.417,11 EUR zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.403,08 EUR). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei seit 01.10.1998 im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen und habe somit für eine Vermittlung nicht zur Verfügung gestanden.

Hiergegen legte im Auftrag der Klägerin ihr Vater, E. R., Widerspruch ein. Zur Begründung gab er an, es treffe nicht zu, dass die Klägerin ab 01.10.1998 wöchentlich mindestens 15 Stunden selbständig tätig gewesen sei und somit für eine Vermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Er, E. R., habe am Prüfungstag die Begründung des Außenprüfers falsch verstanden und dadurch der Klägerin zur Unterschrift geraten. Sie habe in all den Jahren in der Spielhalle Verluste erlitten. Ergänzend legte die Klägerin den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 vor, aus dem Negativeinkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.652,00 DM hervorgehen.

Mit Urteil vom 18.02.2003 verurteilte das Amtsgericht Karlsruhe (1 Ds 26 Js 32288/02) die Klägerin wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtgeldstrafe. Zur Begründung hierzu heißt es in den Gründen des Urteils, dass in der Hauptverhandlung nicht definitiv habe ermittelt werden können, inwieweit die Klägerin wöchentlich in der Spielhalle tätig geworden sei. Nach ihren Angaben habe sie unter 10 Stunden/Woche dort gearbeitet. Anhaltspunkte, dass sie regelmäßig über 15 Wochenstunden in der Spielhalle tätig gewesen sei, hätten in der Hauptverhandlung letztlich nicht verifiziert werden können. Die Klägerin habe jedoch nach ihren eigenen Angaben und den Angaben ihres Vaters pro Monat etwa 500,00 DM bis 1000,00 DM aus dem Geschäft entnommen und damit erhebliche Einkünfte erzielt. Bei Zugrundelegung dieser Summe wäre die Alhi möglicherweise gekürzt worden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sie die tatsächlich erzielten Nebeneinkünfte dem Arbeitsamt hätte angeben müssen. Inwieweit tatsächlich ein Schaden entstanden sei, habe in der Hauptverhandlung nicht nachvollziehbar geklärt werden können. Es sei nicht festzustellen gewesen, wie hoch der jeweils monatliche Einnahmebetrag aus den Geschäften der Spielhalle tatsächlich gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei wegen fehlender Beschäftigungslosigkeit in der streitgegenständlichen Zeit nicht arbeitslos gewesen. Sie habe für ihre selbständige Tätigkeit mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgewendet. Dies habe sie selbst in der Niederschrift vom 07.08.2002 zugegeben. Welches Missverständnis es bei der Aussage gegeben haben könne, sei nicht nachvollziehbar. Dass sich die Klägerin über die Konsequenzen klar gewesen, werde auch daraus deutlich, dass sie sich gleichzeitig bereit erklärt habe, die Leistungen zu erstatten. Im Übrigen dürfe schon die Eigenart des Betriebs die Anwesenheit bzw. die Arbeitskraft von mindestens 15 Stunden wöchentlich erfordert haben, zumal die Klägerin durchschnittlich nur drei bis vier Arbeitnehmer, davon die meisten in geringfügigem Umfang, beschäftigt habe. Hierfür spreche auch, dass die Klägerin immer nur eine Teilzeitbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 25 Stunden ausgeübt haben wolle.

Am 23.10.2006 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei zu Beginn ihrer Selbständigkeit am 01.10.1998 beim Kübler-Verlag 25 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen, habe ihrer Mutter den Haushalt geführt und ihren Sohn betreut. In ihrem Betrieb habe sie daneben nicht noch bis zu 15 Stunden wöchentlich gearbeitet. Die Gegebenheiten einer Spielhalle machten es keineswegs erforderlich, dass der Inhaber selbst anwesend sei. H. F., ihr damaliger Lebensgefährte und jetziger Ehemann, und ihr Vater E. R. hätten sie im Betrieb unentgeltlich vertreten. Außerdem seien C. W., J. M. und M. U. und im Juli/August 2000 zusätzlich eine Teilzeitkraft und ab Oktober 2000 bis Januar 2001 eine Aushilfe angestellt gewesen. Schriftliche Arbeitsverträge habe es nicht gegeben. C. W. habe, solange er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, einen festen Monatslohn bekommen. Die Aushilfen hätten Stundenlohn erhalten, nach ihrer Erinnerung habe dieser 6,00 DM, später 3,30 EUR betragen. Anfänglich sei die Spielhalle zwischen 13.00 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet gewesen. Etwa im Jahr 2004 habe man die Öffnungszeiten auf 10.00 Uhr bis 24.00 Uhr ausgeweitet. Im Januar 2000 hätten ihre Mitarbeiter 149 Stunden, im Februar 140 Stunden und bei einer Öffnungszeit der Spielhalle von insgesamt jeweils 210 Stunden/Monat im Juli 2000 152 Stunden, im August 2000 170 Stunden, im März 2002 165 Stunden und im April und Mai 2002 jeweils 160 Stunden gearbeitet. Herr F. und E. R. seien dabei nicht berücksichtigt. Die "offene Restzeit", also die Differenz zwischen der Zahl der Arbeits- und der Betriebsstunden, habe demnach selbst ohne Berücksichtigung der unentgeltlichen Mithilfe der Herren R. und F. weniger als 15 Stunden pro Woche betragen, so dass sie gar nicht 15 Stunden pro Woche tätig gewesen sein könne. Sie habe auch nicht nur wegen des hohen Mietzinses, der im Übrigen völlig normal sei, Verluste erlitten. Hierzu hätten auch die anderen monatlich anfallenden Fixkosten wie Miete oder Kauf der Spielgeräte bzw. Vergnügungssteuer etc. beigetragen. Im Merkblatt der Beklagten sei diesbezüglich ausdrücklich erläutert, dass nicht die Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit, sondern der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn anrechnungsfähig sei. Bei der Außenprüfung am 07.08.2002 habe sie der Prüfer eingeschüchtert und überrumpelt. Ihr Vater habe den Außenprüfer falsch verstanden und ihr zur Unterschrift geraten. Ihre Verwirrung zeige sich auch darin, dass sie sich bereit erklärt habe, Zahlungen ab Leistungsbeginn 02.01.1999 in vollem Umfang zurückzuerstatten, obwohl auf Seite 1 der Niederschrift festgehalten worden sei, dass sie erst seit Mitte 1999 mehr als 15 Stunden pro Woche tätig gewesen sei. Ergänzend legte die Klägerin eidesstattliche Versicherungen ihrer Mutter Mina R., von H. F., C. W., E. R. und Thomas Schmidt, wonach sie in der Zeit vom 01.01.1999 bis 30.06.2002 niemals bis zu 15 Stunden pro Woche in ihrem Betrieb Spielhalle in Pforzheim tätig war, und weitere Lohnkonto-Blätter von C. W. für das Jahr 2002 mit einem Verdienst zwischen 88,00 und 332,34 DM/Monat, von Michaelle Freiberger für die Monate Februar und März 2002 mit einem Verdienst von 33,00 DM bzw. 16,50 DM, von M. U. für das Jahr 2002 mit einer monatlichen Arbeitszeit zwischen 8 und 24 Stunden und von J. M. für das Jahr 2002 mit einem Verdienst zwischen 36,00 und 332,34 DM/Monat, vor. Auf Blatt 65 bis 68 der SG-Akte wird insoweit wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Die Beklagte hat dagegen eingewandt, die Klägerin hätte wissen müssen, dass sie eine Nebenbeschäftigung anzugeben habe. Wie auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben hätten, seien erhebliche monatliche Einkünfte erzielt worden. Ein Verlust habe sich erst dadurch ergeben, dass die Klägerin einen hohen Mietzins entrichtet und zudem Abschreibungen in erheblicher Höhe vorgenommen habe. Im Übrigen sei die Neuerrichtung eines Gewerbes durch den Inhaber allein mit Aushilfskräften und einem Zeitaufwand von unter 15 Wochenstunden nicht möglich. Bei Addition mit der angezeigten Nebenbeschäftigung sei die 15-Stunden-Grenze zweifelsohne überschritten worden. Die Darlegung, dass sie und ihr Vater den Außenprüfer falsch verstanden hätten, vermöge nicht zu überzeugen. Die Klägerin habe unterschriftlich bestätigt, dass sie mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt worden sei.

Das SG hat die Akte des Amtsgerichts Karlsruhe 1 Ds 26 Js 32288/02 beigezogen und hieraus Kopien gefertigt und zur Akte genommen. Danach gab die Klägerin an, sie sei meistens einmal im Monat zum Abrechnen in der Spielhalle gewesen und außerdem einmal in der Woche, manchmal auch nur alle zwei Wochen, meistens um die Mittagszeit. E. R. ließ sich dahingehend ein, seine Tochter mache die Buchhaltung selbst. H. F. schätzte bei seiner Vernehmung, dass die Klägerin ca. 6 Stunden in der Woche da sei. Wenn nichts los gewesen sei, habe man die Spielhalle früher geschlossen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 12/33 der SG-Akte verwiesen.

Das SG hat darüber hinaus selbst Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W. und F ...

Der Zeuge W. hat angegeben, er sei in der Spielhalle von 1996 bis Februar 2007 tätig gewesen. Seine Tätigkeit habe im Wesentlichen in der Aufsicht bestanden, darüber hinaus habe er bei Bedarf auch Geld wechseln oder, wenn es mal erforderlich gewesen sei, staubsaugen müssen. Solange er vollzeitig beschäftigt gewesen sei, habe er an fünf Tagen/Woche von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr und während seiner Aushilfstätigkeit schätzungsweise 12 bis 15 Stunden/Woche gearbeitet. Wenn er gearbeitet habe, sei er immer allein gewesen. Der Klägerin sei er in der Spielhalle selten begegnet. Anfangs, als er noch voll gearbeitet habe, hauptsächlich wenn sie die Automaten geleert habe. Dies habe etwa ein bis zwei Stunden gedauert und sei einmal pro Monat der Fall gewesen. Später sei der Rhythmus etwas anders gewesen, vielleicht zweiwöchentlich. Dass die Klägerin in der Spielhalle Abrechnungen gefertigt habe, habe er nicht mitbekommen. Sie habe dies wohl zu Hause gemacht und hierfür ein Geldköfferchen mitgenommen.

H. F. hat sich dahingehend geäußert, dass er bis zu seinem zweiten Bandscheibenvorfall im September 1999 noch anderweitig gearbeitet habe. In dieser Zeit sei er nur wenn es mal geklemmt habe, z.B. abends, eingesprungen. Nach dem Bandscheibenvorfall sei er krank geschrieben gewesen und habe vermehrt in der Spielhalle gearbeitet. Er sei immer dann dort gewesen, wenn die anderen Aushilfen nicht gekonnt hätten. Die Klägerin sei nach seiner Schätzung vielleicht 6 Stunden in der Woche in der Halle gewesen, vielleicht auch weniger. Einmal pro Monat seien die Automaten geleert worden. Dies habe an die zwei Stunden gedauert.

Ergänzend hat das SG die Steuerakte der Klägerin für das Jahr 1999 beigezogen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2006 aufgehoben, soweit die Beklagte darin die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 02.01. bis 31.08.1999 und von Alg für die Zeit vom 01.07. bis 27.12.2000 sowie vom 01.01. bis 29.06.2002 aufgehoben und die Erstattung eines Betrags von mehr als 1.733,96 EUR gefordert hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nur im September 1999 mindestens 15 Stunden pro Woche selbständig erwerbstätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Im September 1999 habe sie - wie sich aus den Lohnkonten ergebe - keine Arbeitnehmer beschäftigt. Ihr Lebensgefährte, der Zeuge F., habe in diesem Monat noch nicht in wesentlichem Umfang unentgeltlich aushelfen können, denn nach seiner Aussage sei er bis einschließlich September 1999 noch in einem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Da nach Angaben des Zeugen W. der Vater der Klägerin, E. R., nur "in seltenen Fällen" in der Spielhalle eingesprungen sei, müsse die Klägerin in diesem Monat überwiegend selbst Aufsicht geführt haben. Im Hinblick auf die wöchentliche Öffnungszeit von 49 Stunden sei die Klägerin somit mindestens 15 Stunden selbständig tätig gewesen. Hierfür spreche auch ihre Aussage in der mündlichen Verhandlung, sie sei ab August/September 1999 zwei oder drei Wochen mal in der Spielhalle gewesen sowie ihre Angabe in der Niederschrift vom 07.08.2002, wonach sie dort "seit ca. Mitte 1999" mehr als 15 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Die Wirkung der Arbeitslosmeldung erlösche mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Dass die Klägerin die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt habe, sei zumindest grob fahrlässig. Für die Zeit vom 01.09. bis 27.12.1999 sei ihr Alhi-Anspruch deshalb entfallen. Für die Zeit vom 01.08. (richtig wohl 01.09.) bis 27.12.1999 habe die Klägerin der Beklagten insgesamt 1.733,96 EUR zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 376,48 EUR zu erstatten. Im Übrigen sei das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin wegen fehlender Arbeitslosigkeit oder fehlender Bedürftigkeit keine Alhi bzw. Alg habe beanspruchen können. Die Beweislast hierfür trage die Beklagte. Es existierten keine Beweise für die Behauptung der Beklagten, die Klägerin sei u.a. in diesem Zeitraum mindestens 15 Stunden wöchentlich in der Spielhalle tätig gewesen. Die vom Gericht befragten Zeugen W. und F. hätten dies nicht bestätigt. Gleiches gelte für die vom Amtsgericht Karlsruhe vernommenen Zeugen Hillengaß, R. und wiederum F ... Auch durch die Niederschrift vom 07.08.2002 lasse sich eine selbständige Tätigkeit von mindestens 15 Stunden pro Woche in der Zeit vom 02.01. bis 31.08.1999 nicht belegen. Denn darin habe die Klägerin lediglich eingeräumt, sie habe seit "ca. Mitte 1999" in größerem Umfang in der Spielhalle gearbeitet. Bis zum 31.08.1999 habe die Klägerin als Hallenaufsicht auch den Zeugen W. wöchentlich 35 Stunden beschäftigt gehabt. Bei einer wöchentlichen Öffnungszeit von 49 Stunden und, nachdem jeweils nur eine Person Aufsicht geführt habe, scheide eine wöchentliche 15-stündige Tätigkeit der Klägerin bis zum 31.08.1999 rechnerisch aus. Im Übrigen habe sie noch aushilfsweise neben dem Zeugen W. den Arbeitnehmer M. beschäftigt gehabt, der ausgehend von einem Stundenlohn in Höhe von 6,00 DM im Januar 1999 8 Stunden und im Februar sowie im März 1999 jeweils 5 1/3 Stunden gearbeitet habe. Das Gericht sei auch nicht davon überzeugt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Alhi für die Zeit vom 02.01. bis 31.08.1999 wegen fehlender Bedürftigkeit entfallen sei. Sie habe in diesem Jahr aus dem Betrieb der Spielhalle kein positives Arbeitseinkommen erzielt. Auch davon, dass die Klägerin vom 01.07. bis 27.12.2000 und vom 01.01. bis 29.06.2002 mindestens 15 Stunden pro Woche in der Spielhalle gearbeitet habe, sei das Gericht nicht überzeugt. Dies habe keiner der vernommenen Zeugen behauptet. Der Niederschrift vom 07.08.2002 lasse sich dies ebenfalls nicht zwingend entnehmen. Zwar gebe die Klägerin darin an, sie sei dort seit ca. Mitte 1999 mehr als 15 Stunden in der Woche tätig gewesen. Der Beweiswert der Niederschrift werde aber dadurch eingeschränkt, dass sie nicht frei von Widersprüchen sei. Obwohl die Klägerin nur eine Tätigkeit seit "ca. Mitte 1999" bestätigt habe, habe sie sich verpflichtet, Leistungen ab dem 02.01.1999 zu erstatten. Darüber hinaus sei auch in einzelnen Monaten nach September 1999 die Hallenaufsicht durch angestellte Mitarbeiter, die Mithilfe der Zeugen F. und R. und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Spielhalle bei fehlendem Kundeninteresse gelegentlich früher geschlossen worden sei, zeitlich so abgedeckt gewesen, dass die Klägerin dort gar nicht 15 Stunden pro Woche als Aufsicht hätte arbeiten müssen.

Gegen den am 15.08.2008 den Beteiligten zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15.09.2008 und die Klägerin am 23.10.2008 Berufung bzw. Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, das SG gehe bereits zu Unrecht davon aus, dass es Sache der Beklagten sei nachzuweisen, dass die Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Zwar sei es zutreffend, dass im Fall einer Rücknahme grundsätzlich die Behörde die Beweislast für den Sachverhalt trage, aus welchem die Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes folge. Ergebe sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht aufklärbar seien, so gehe dies zu dessen Lasten. Insbesondere könne sich eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe daraus ergeben, dass er durch Unterlassen von Angaben im Zusammenhang mit den Antragstellungen eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht habe. So sei es hier, die Klägerin habe die selbständige Tätigkeit nicht angegeben. Darüber hinaus habe das SG bei seiner Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich des Tätigkeitsumfangs der Klägerin wesentliche Umstände nicht beachtet. Hinsichtlich des Bezugs von Alhi für die Zeit vom 02.01. bis 31.08.1999 habe das SG beispielsweise nicht berücksichtigt, dass die Klägerin bei Antragstellung bereits eine Nebentätigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, nach der ihr das Steuerberaterbüro ihres Vaters bescheinigte, dass sie dort montags, mittwochs und donnerstags jeweils 2,5 Stunden arbeite. Die bestätigten 7,5 Wochenstunden aus der angegeben Nebentätigkeit flössen in die Berechnung des SG bezüglich der Spielhallenaufsicht überhaupt nicht ein. Völlig unbeachtet gelassen habe das SG auch, dass in Fällen selbständiger Nebentätigkeit nicht allein auf den tatsächlichen Geschäftsanfall und den damit verbundenen zeitlichen Arbeitsumfang abzustellen sei, sondern beispielsweise auch der Zeitumfang für Vor- und Nacharbeiten zusätzlich berücksichtigt werden müsse. Ein Betrieb ziehe auch Büro- und Verwaltungsarbeiten in nicht unerheblichem Umfang nach sich. Ungeklärt geblieben sei, wie viel Zeit für die Buchhaltung, den Kontakt mit Zulieferern oder Vermietern der Spielgeräte etc. sowie Putztätigkeiten erforderlich gewesen sei. Nicht unberücksichtigt bleiben könne auch der Umstand, dass die Klägerin in Karlsruhe gewohnt, die Spielhalle aber in Pforzheim betrieben habe. Auch der Zeitaufwand, um überhaupt zu ihrer Betriebsstätte zu gelangen, sei in diesem Fall dem für die Ausübung der Nebentätigkeit erforderlichen Zeitaufwand hinzuzurechnen. Auch hinsichtlich der Bedürftigkeit der Klägerin sei sie nach wie vor der Auffassung, dass diese während des Bezugs von Alhi nicht gegeben gewesen sei bzw. die Einkünfte der Klägerin als Geschäftsführerin zumindest zu einer Kürzung der Leistung geführt hätten. Auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Zeiträume vom 01.07.2000 bis 27.12.2000 und vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 gehe das SG fälschlich nur von den reinen Öffnungszeiten der Spielhalle aus. Grundlage für die Berechnung des SG seien neben den vorgelegten Lohnkonten rein spekulative Annnahmen hinsichtlich der Arbeitszeit des jetzigen Ehemanns der Klägerin und deren Vater sowie die ebenfalls nicht nachgewiesene Behauptung, die Spielhalle sei bei fehlendem Kundeninteresse einfach geschlossen worden.

Die Klägerin hat sich hierzu dahingehend geäußert, dass die Fahrzeiten eines Selbständigen von seinem Wohnort zu seinem Betrieb nicht zu berücksichtigen seien. Aber selbst wenn dem so sei, habe sie keine 15 Stunden/Woche gearbeitet. Getränke seien einmal wöchentlich oder nach Bedarf direkt von den Mitarbeitern geordert und vom Lieferanten direkt angeliefert worden. Speisen habe es nicht gegeben. Für die Reinigung seien die Mitarbeiter zuständig gewesen. Der Austausch der Geräte habe nur wenig Zeit erfordert. Um ihn habe sich im Übrigen in der Regel C. W. gekümmert. Die Buchhaltung sei über Datev vierteljährlich im Steuerbüro ihres Vaters gefertigt worden. Die geleisteten Arbeitsstunden seien durch Meldungen an die Krankenkassen bzw. an die Bundesknappschaft dokumentiert. Während des gesamten Zeitraums des Bezugs von Leistungen habe sie sich auf Stellenanzeigen beworben, d.h. sie sei verfügbar gewesen. Sie habe kein Einkommen gehabt und sei auch bedürftig gewesen. Es sei auch nicht so, dass sie eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht habe. Die Beklagte habe nach Erlass des Bescheids vom September 2002 die Sache vier Jahre lang überhaupt nicht weiterbearbeitet und erst im September 2006 den Widerspruchsbescheid erlassen. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten Vorgänge nicht aufklärbar seien. Im Zeitraum Januar bis August 1999 berücksichtige die Beklagte nicht, dass neben dem Vollzeitbeschäftigten C. W. und der Aushilfe M. ihr Lebensgefährte und ihr Vater am Wochenende gearbeitet hätten. Außerdem seien die Zeugenaussagen, wonach sie nur einmal im Monat eine Abrechnung gemacht habe, ignoriert worden. Auch mit der Tätigkeit im Büro R. habe sie 15 Stunden/Woche nicht überschritten. Am 03.09.1999 habe Klaus F. einen weiteren Bandscheibenvorfall erlitten und habe deshalb ohne zeitliche Beschränkung in der Spielhalle anwesend sein können. Deshalb entspreche es auch nicht der Tatsache, dass sie von September bis Dezember 1999 mehr als 15 Stunden pro Woche in ihrem Betrieb anwesend gewesen sei. Ergänzend hat die Klägerin Gebührenrechnungen des Steuerberaters R. vom 31.03.2004 bzw. 06.07.2004 über die gefertigte Buchhaltung von 1998 bis 2000 bzw. 2001/2002 vorgelegt. Als Zahlungsziel wurde der 31.12.2004 bzw. 31.03.2005 genannt. Als Kontoinhaberin ist jeweils die Mutter der Klägerin Mina R. aufgeführt.

Der Senat hat E. R. und H. F. schriftlich als Zeugen gehört.

Der Zeuge R. hat angegeben, die Klägerin sei vom 11.01.1999 bis 31.03.1999 auf geringfügiger Basis bei ihm beschäftigt gewesen. Sie habe im Monat 22,5 Stunden gearbeitet und 300,00 DM verdient. Er habe sein Steuerbüro im Jahr 2005 aufgegeben. Seine Arbeitszeit sei flexibel gewesen. Die Buchhaltung seiner Familie habe er aus Gründen der Diskretion selbst bearbeitet. Dies habe er auch für seine Tochter gemacht. Gebraucht habe er hierfür monatlich etwas mehr als eine Stunde.

Der Zeuge F. hat angegeben, dass er vom 04.09.1999 bis 10.09.1999 wegen seines Bandscheibenvorfalls im Kreiskrankenhaus Bühl gewesen sei. Vom 20.07.2000 bis 17.08.2000 habe er eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt.

Die Klägerin hat auf Nachfrage des Senats ergänzend ausgeführt, dass sie bei Leerung der Automaten keine Aufsichtstätigkeit verrichtet habe. Zwischen 1999 und 2002 habe sie einen einzigen Getränkelieferanten gehabt, der durchschnittlich einmal monatlich eine Rechnung gestellt habe. Einen Einsatzplan für die Mitarbeiter habe es nicht gegeben. Die Arbeitseinsätze seien untereinander abgesprochen und ihr für die Abrechung mitgeteilt worden. Teilweise hätten die Mitarbeiter auch eine fest vereinbarte Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit zu leisten gehabt. Die Nettoumsätze hätten sich in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen 141.878,00 DM und 105.475,00 EUR bewegt. Sie habe zwischen neun und vierzehn in der Mehrzahl gemietete Spielgeräte besessen.

Die Beklagte beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2008 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, 2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, 2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2008 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2006 in vollem Umfang aufzuheben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschlussgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid vom 29.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2006 ist insgesamt rechtmäßig. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu Recht die Bewilligungsbescheide über Alhi für die Zeit vom 02.01. bis 27.12.1999 bzw. Alg für die Zeit vom 01.07. bis 27.12.2000 sowie vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 zurückgenommen und die Erstattung der überzahlten Leistungen einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in zutreffender Höhe festgesetzt. Die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin hingegen ist unbegründet. Die Klägerin hat in den genannten Zeiträumen weder Anspruch auf Alhi noch auf Alg, da sie zunächst mindestens 15 Stunden und ab 01.07.2000 mindestens 18 Stunden in der Woche selbständig erwerbstätig und damit nicht arbeitslos war.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X).

Sämtliche der Klägerin Alhi bzw. Alg bewilligenden Bescheide waren von Anfang an rechtswidrig, nachdem die Klägerin bereits bei Erlass des ersten Bewilligungsbescheides vom 10.02.1999 eine selbständige Tätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden bzw. später mindestens 18 Stunden ausgeübt hat, deshalb nicht (mehr) arbeitslos gewesen ist und dieser Zustand jeweils bei den nachfolgenden Bewilligungen von Alg bis zum 29.06.2002 fortbestanden hat.

Nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Alg, wenn sie unter anderem arbeitslos waren. Arbeitslos war gemäß § 118 Abs. 1 SGB III in der ebenfalls bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung ein Arbeitnehmer, der unter anderem nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Beschäftigungslosigkeit und damit Arbeitslosigkeit lag nicht vor, wenn eine Beschäftigung, eine selbständige Tätigkeit oder eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt wurde (§ 118 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III). Nicht ausgeschlossen war Beschäftigungslosigkeit bei einer selbständigen Tätigkeit unter anderem auch dann, wenn eine mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassende selbständige Tätigkeit unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg innerhalb der letzten zwölf Monate bereits mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründete, ausgeübt worden war (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Auch der Anspruch auf Alhi gemäß § 190 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung setzte unter anderem Arbeitslosigkeit im Sinne des § 118 SGB III voraus.

Im Sinne dieser Vorschriften war die Klägerin ab 02.01.1999 nicht arbeitslos.

Zunächst ist festzuhalten, dass für die Zeit vom 02.01.1999 bis 27.12.1999 entscheidend ist, ob die Klägerin mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig war. Nachdem die Spielhalle von der Klägerin - wie sich aus der Gewerbeanmeldung ergibt - erst seit 01.10.1998 betrieben wurde, hat sie die Tätigkeit ab 02.01.1999 noch keine zehn Monate innerhalb der letzten zwölf Monate ausgeübt. § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III, der eine Beschäftigungslosigkeit bei einer Tätigkeit von mindestens 15 Stunden aber weniger als 18 Stunden nicht ausschloss, ist deshalb für diese Zeit nicht einschlägig. Für die Zeit ab 01.07. bis 27.12.2000 und vom 01.01. bis 29.06.2002 ist dann aber, da in diesen Zeiträumen die Tätigkeit zehn Monate in den letzten zwölf Monaten ausgeübt worden ist, maßgebend, ob die Klägerin weniger als 18 Stunden tätig war.

Zur Überzeugung des Gerichts kann nicht (mehr) festgestellt werden, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum vom 02.01.1999 bis 27.12.1999 weniger als 15 Stunden und in der Zeit vom 01.07. bis 27.12.2000 und vom 01.01. bis 29.06.2002 weniger als 18 Stunden gearbeitet hat.

Die Beweislast trägt im vorliegenden Fall die Klägerin. Zwar trifft im Falle einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Leistungen grundsätzlich den Leistungsträger die Beweislast für die anfänglich oder nachträgliche Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids. Ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht aufklärbar sind, so geht dies zu dessen Lasten. Insbesondere kann sich dabei eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe daraus ergeben, dass er durch Unterlassen von Angaben in Zusammenhang mit den Antragstellungen eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat. In Anbetracht dessen greift vorliegend eine Umkehr der Beweislast ein, da die Klägerin, die die selbständige Tätigkeit nicht mitgeteilt hat, eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht und damit die Beweisnot selbst herbeigeführt hat (vgl. BSG, Urteile vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R und B 11a AL 13/06 R -, in juris; Urteil vom 24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R - in Breithaupt 2007, 259 ff.).

Der genaue zeitliche Umfang der Tätigkeit der Klägerin lässt sich aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht mehr feststellen.

Fest steht, dass die Klägerin die Spielhalle in diesen Zeiträumen betrieben hat. Dies ergibt sich aus der zum 01.10.1998 erfolgten Gewerbeanmeldung und wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht bestritten.

Im Januar 1999 hatte die Spielhalle bereits eine umfassende Betriebstätigkeit entfaltet. Die Klägerin beschäftigte bis August 1999 eine Vollzeitkraft (C. W.) und außerdem bis 31.03.1999 eine Aushilfe (J. M.). Ab November 1999 hatte sie wieder eine Aushilfe (C. W.) und ab Juli 2000 bis zu vier Aushilfen, die sie parallel beschäftigte. Die Nettoumsätze beliefen sich im Jahr 1999 auf 141.878 DM, im Jahr 2000 auf 202.940 DM, im Jahr 2001 auf 215.638 DM und im Jahr 2002 auf 105.475 EUR. In der Spielhalle gab es bis Oktober 1999 11, im November und Dezember 1999 12, im Januar 2000 14, anschließend bis Oktober 2000 wiederum 12 und sodann bis Dezember 2001 11 Spielgeräte. Im Jahr 2002 waren es bis April 2002 9 und sodann 10 Spielgeräte. Die Spielgeräte waren überwiegend gemietet, teilweise gebraucht oder neu gekauft. Zu konsumieren in der Spielhalle gab es Getränke. Die Umstände, dass die Spielhalle von der Klägerin mit Ausnahme der Monate September und Oktober 1999 nicht allein betrieben wurde, sondern Mitarbeiter beschäftigt waren, bereits im Januar 1999 elf Spielgeräte vorhanden waren und im November 1999 bzw. Januar 2000 die Anzahl der Spielgeräte noch erhöht wurde und darüber hinaus die Umsätze ab 1999 kontinuierlich anstiegen, belegen, dass es sich, auch wenn die Spielhalle steuerlich Verluste auswies, um ein florierendes Unternehmen gehandelt hat. Ein solches Unternehmen erfordert naturgemäß zahlreiche Betätigungen wie z.B. Einstellung, Entlassung und Einteilung der Mitarbeiter, Abrechnung der von den Mitarbeitern geleisteten Stunden, Buchhaltung, Bezahlung von Rechnungen an Getränkelieferanten, Vermieter der Spielgeräte und Spielhalle, Auswahl neuer Geräte und Verhandlungen mit Banken (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1987 - 7 RAr 28/86 -, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2000 - L 13 AL 3645/98 - jeweils in juris, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2007 - L 13 AL 4002 /03 - n.v.). Diese Tätigkeiten nahmen die Klägerin neben der eigentlichen Kerntätigkeit des Gewerbebetriebs - hier die Aufsicht in der Spielhalle - zeitlich in erheblichem Umfang in Anspruch.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch selbst in der Spielhalle anwesend war. Insoweit ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin zumindest etwa sechs Stunden wöchentlich in der Spielhalle war. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F ... Außerdem hat die Klägerin zu Beginn einmal, später alle zwei Wochen die Geldautomaten geleert. Hierfür war nach den Aussagen der Zeugen F. und W. ein Zeitaufwand von ein bis zwei Stunden erforderlich. Darüber hinaus hat die Klägerin den Mitarbeitern in der Spielhalle das Entgelt bar ausbezahlt.

Insgesamt nahmen diese Tätigkeiten, nämlich 1. die Aufsicht und Leerung der Automaten und 2. die mit der selbständigen Tätigkeit zusammenhängenden Aufgaben, die Klägerin ab 02.01.1999 mindestens 15 Stunden pro Woche und ab 01.07.2000 mindestens 18 Stunden pro Woche in Anspruch.

Ein Zeitaufwand für die selbständige Tätigkeit von unter 15 bzw. 18 Stunden ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Vater der Klägerin, E. R., nunmehr angab, dass er die Buchhaltung gefertigt habe. Diese Angabe steht im Widerspruch zu dessen Aussage im Strafverfahren, in dem er angab, die Klägerin habe die Buchhaltung gemacht. Der Senat hält die erste Aussage auch angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin als Buchhalterin um eine Fachfrau auf diesem Gebiet handelt, für glaubwürdiger. Belegt wird die nunmehrige Aussage auch nicht durch die nun vorgelegten Rechnungen über die Buchhaltung für die Jahre 1998 bis 2000 bzw. 2000 und 2002, nachdem diese Rechnungen erst am 31.03.2004 bzw. 06.07.2004 gefertigt wurden, ein Zahlungsziel von jeweils 9 Monaten hatten und als Kontoinhaber nicht das Steuerberaterbüro, sondern die Mutter der Klägerin aufgeführt war. In Ansehung dieser Gesichtspunkte handelt es sich insoweit nach Überzeugung des Senats um Scheinrechnungen.

Auch von dem Vortrag der Klägerin, dass sich die Mitarbeiter selbst eingeteilt hätten, vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Es ist eine Tatsache, dass die Einteilung, insbesondere wenn es sich wie hier ab Juli 2000 um vier Mitarbeiter gehandelt hat, die teilweise nur zweieinhalb Stunden pro Woche beschäftigt waren, nicht allein auf Grund einer Absprache funktioniert, sondern der Kontrolle durch den Vorgesetzten oder einer hierfür abgestellten Person bedarf. Eine Person, die für die Klägerin hier tätig geworden ist, wurde nicht benannt.

Ein geringerer Zeitaufwand lässt sich auch nicht damit begründen, dass die jeweiligen Mitarbeiter den Austausch bzw. die Anlieferung oder Rückgabe der Spielgeräte vorgenommen und die Lieferung der Getränke entgegengenommen haben. Dies kann als wahr unterstellt werden. Die körperliche Anwesenheit bei der Lieferung ist jedoch nicht der maßgebliche Gesichtspunkt. Zeitaufwändig ist insoweit die Auswahl der Lieferanten und Spielgeräte und der Kontakt zu den Lieferanten. Dies lag - auch wenn es in Absprache mit den Mitarbeitern erfolgt ist - in der Hand der Klägerin, die die Spielhalle betrieben hat. Im Übrigen ist auch für die Absprache Zeit anzusetzen.

Widerlegt wird eine mindestens 15-stündige bzw. mindestens 18-stündige Tätigkeit für die Spielhalle auch nicht durch die von der Klägerin erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, denn diese bestätigen nur, dass die Klägerin niemals bis zu 15 Stunden pro Woche in ihrem Betrieb Spielhalle selbst tätig war, lassen jedoch keinen Schluss darauf zu, wie viele Stunden die Klägerin außerhalb der eigentlichen Spielhalle für ihre selbständige Tätigkeit aufzuwenden hatte. Dass die Klägerin zum Beispiel die Abrechnungen zu Hause gemacht hat, geht auch aus der Aussage des Zeugen W. hervor, der dem SG gegenüber angegeben hat, die Klägerin habe die Abrechnungen wohl zuhause gemacht und hierfür ein Geldköfferchen mitgenommen.

Nicht widerlegt wird der Umfang der Tätigkeit von mindestens 15 bzw. mindestens 18 Stunden für die selbständige Tätigkeit schließlich dadurch, dass die Klägerin sich zumindest im Jahr 1999 auf Stellen beworben hat, nachdem die Klägerin ausweislich ihrer Anträge und auch der Mehrzahl der vorgelegten Bewerbungsunterlagen nur eine Teilzeittätigkeit suchte und eine solche mit einer mindestens 15- bzw. 18-stündigen Tätigkeit für die Spielhalle vereinbar gewesen wäre. Abgesehen davon ist der hypothetische Umfang der Tätigkeit bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung unbeachtlich.

Etwas anderes ergibt sich bezüglich der Zeit von 02.01.1999 bis Mitte 1999 auch nicht deshalb, weil die Klägerin anlässlich der am 07.08.2002 durchgeführten Außenprüfung der Beklagten gegenüber bestätigt hat, dass sie seit ca. Mitte 1999 in der Spielhalle mehr als 15 Stunden in der Woche tätig gewesen sei. Berücksichtigt werden muss für die Zeit vom 11.01.1999 bis 31.03.1999 nämlich auch, dass die Klägerin in dieser Zeit im Steuerberaterbüro ihres Vaters 7,5 Stunden pro Woche beschäftigt war. Hinsichtlich der Tätigkeit für die Spielhalle bedarf es deshalb nur noch einer Tätigkeit von weiteren 7,5 Stunden, um die zeitliche Grenze von 15 Stunden zu überschreiten. Dass die Klägerin in dieser Zeit in der Spielhalle weniger als 7,5 Stunden wöchentlich tätig war, vermag sie zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht zu beweisen. Nicht geeignet zum Nachweis der Tatsache ist insbesondere, dass in dieser Zeit der Mitarbeiter W. in der Spielhalle Vollzeit beschäftigt war. Auch unter Berücksichtigung der Vollzeitbeschäftigung entstand nämlich eine zeitliche Lücke im Hinblick auf die reine Aufsicht in der Spielhalle von 14 Stunden wöchentlich und darüber hinaus ist insbesondere in der Anfangszeit, in der sich die Klägerin, die die Spielhalle erst im Oktober 1998 übernommen hatte, noch befand, von einem höheren zeitlichen Aufwand auch im Hinblick auf die neben der reinen Aufsicht notwendigen Tätigkeiten auszugehen. Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin ab 01.04.1999 mit der Aufgabe der Tätigkeit im Steuerberaterbüro ihres Vaters mindestens 15 Stunden wöchentlich in und für die Spielhalle tätig war. Für die Entstehung eines neuen Anspruchs auf Alg war nämlich eine erneute Arbeitslosmeldung erforderlich. Die Klägerin hat sich erst am 03.07.2000 wieder arbeitslos gemeldet.

Für die Zeit vom 01.07. bis 27.12.2000 sowie vom 01.01.2002 bis 29.06.2002 ist der Tatsache, dass die Klägerin anlässlich der Außenprüfung bestätigt hat, dass sie seit Mitte 1999 in der Spielhalle mehr als 15 Stunden in der Woche tätig war, besonderes Gewicht beizumessen. Anhaltspunkte für eine Einschüchterung oder Überrumpelung der Klägerin lässt die über die Prüfung gefertigte Niederschrift nicht erkennen. Vielmehr geht aus der Niederschrift hervor, dass die Klägerin von dem Mitarbeiter der Beklagten belehrt wurde; die Prüfung fand nach vorhergehender Ankündigung in Anwesenheit ihres Vaters statt und die Klägerin hat im Anschluss an die Prüfung die Niederschrift über ihre Aussage auch unterschrieben, auf eine Anhörung verzichtet und Ratenzahlung beantragt. Dies belegt, dass sich die Klägerin darüber im Klaren war, um was es sich handelt und welche Angaben sie gemacht hat und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Auch inwiefern ihr Vater, der zu diesem Zeitpunkt schon jahrzehntelang ein Steuerberaterbüro betrieb, den Außenprüfer falsch verstanden haben will, ist für den Senat nicht nachvollziehbar und wurde von der Klägerin wie die geltend gemachte Einschüchterung und Überrumpelung auch nicht weiter begründet. Gegen die Überrumpelung spricht auch, dass die Prüfung 80 Minuten dauerte. Dem der Rückforderung zugrunde liegenden Komplex wurde damit, auch wenn daneben weitere Aspekte besprochen wurden, ausreichend Zeit eingeräumt.

Das die Rücknahme der der Klägerin Alhi bzw. Alg gewährenden Bescheide gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auslösende Fehlverhalten der Klägerin besteht darin, dass sie zumindest grob fahrlässig die Ausübung ihrer Tätigkeit als selbständige Spielhallenbetreiberin nicht angegeben und damit in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Das Außerachtlassen von Hinweisen in einem Merkblatt ist im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstanden hat (BSGE 44, 264, 273). Die Klägerin erhielt anlässlich ihrer Anträge auf Alhi und Alg das Merkblatt 1 für Arbeitslose in der jeweils gültigen Fassung und bestätigte den Erhalt unterschriftlich. In den Merkblättern wird ausgeführt, wer als arbeitslos gilt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, der Beklagten jede Nebenbeschäftigung, auch eine selbständige, unverzüglich und ohne Aufforderung zu melden. Unter Berücksichtigung dessen und der Fragen in den Antragsvordrucken ist der Klägerin hinsichtlich der Nichtmitteilung der selbständigen Tätigkeit damit zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit der Klägerin finden sich vorliegend nicht. Auch die Fragestellung in den Anträgen auf Alg und Alhi war vollkommen eindeutig und klar. Sie ließ auch nicht den geringsten Raum für Interpretationen, insbesondere konnte nicht angenommen werden, dass eine selbständige Tätigkeit nicht angegeben werden muss, selbst wenn die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten worden wäre oder sie Verluste erwirtschaftet. Zur Überzeugung des Senats ist ausgeschlossen, dass bei der Klägerin und ihrem Vater eine solche Fehlvorstellung, insbesondere im Hinblick auf die Erwirtschaftung von Verlusten, bestanden haben könnte. Sollte die Klägerin von dieser Vorstellung aber dennoch tatsächlich ausgegangen sein, wäre dies in jedem Fall grob fahrlässig gewesen. Der Klägerin hätte sich aufdrängen müssen, diesbezüglich bei der Beklagten Rückfrage zu halten.

§ 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für den Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. An die Stelle der gemäß § 45 SGB X vorgesehenen Ermessensentscheidung tritt damit hier eine gebundene Entscheidung.

Der Bescheid wurde der Klägerin innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist beginnt in der Regel frühestens mit der Anhörung zu laufen. Nachdem hier auf eine Anhörung verzichtet wurde, begann die Frist mit der Außenprüfung am 07.08.2002. Der Rückforderungsbescheid datiert vom 29.08.2002. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe der Bewilligungsbescheide ist ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Nr. 1 SGB X).

Die Rechtmäßigkeit der Erstattung des Alg und der Alhi beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, diejenige der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Für den Erstattungszeitraum hat insbesondere kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden. Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend berechnet. Der Senat macht sich ausgehend von den nach den Zahlungsnachweisen erbrachten Leistungen sowie der dort ausgewiesenen richtigen Beitragssätze zur Kranken- und Pflegeversicherung die Berechnung auf Seite 91/92 der Verwaltungsakte zu eigen.

Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Dem entsprechend war die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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