L 5 AL 59/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 1268/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 59/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung eines Lohnkostenzuschusses nach den Richtlinien zur Durchführung der "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose 2001 bis 2002" der Bundesregierung in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (Richtlinien) und um die Erstattung gewährter Leistungen in Höhe von EUR 3.681,30.

Die Klägerin bietet Tankreinigungsdienstleistungen an und beschäftigt u.a. Mitarbeiter, die am Telefon diese Dienstleistungen verkaufen. Im September 2001 bewarb sich die zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre arbeitslose Zeugin G. K. auf eine Stelle als Akquisiteurin und wurde eingestellt. Laut Arbeitsvertrag, der auf den 8. Oktober 2001 datiert ist, sollte das Arbeitsverhältnis am 8. Oktober 2001 beginnen; der Verdienst der Zeugin lag bei DM 3.000,- brutto monatlich.

Am 4. Oktober 2001 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose nach den Richtlinien. Laut § 5 Abs. 1 der Richtlinien ist der Zuschuss vom Arbeitgeber bei der Beklagten vor Abschluss des Arbeitsvertrages zu beantragen. Laut § 6 Abs. 3 der Richtlinien gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X), insbesondere §§ 39 bis 51. Im Antrag, vom Geschäftsführer der Klägerin, Herrn L., am 23. Oktober 2001 unterschrieben, gab die Klägerin an, die Arbeitsaufnahme sei am 8. Oktober 2001 erfolgt und der Arbeitsvertrag sei ebenfalls am 8. Oktober 2001 geschlossen worden. Erhalt und Kenntnisnahme der Richtlinien wurden bestätigt.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin den beantragten Lohnkostenzuschuss für die Dauer von zwölf Monaten, und zwar vom 8. Oktober 2001 bis 7. April 2002 in Höhe von 80 v.H., vom 8. April 2002 bis 7. Oktober 2002 in Höhe von 60 v.H. des monatlichen Bruttogehalts. Die Entscheidung beruhte ausdrücklich auf den Richtlinien. In den Nebenbestimmungen war u.a. vorgesehen, dass der Bescheid aufgehoben und die Beschäftigungshilfe sofort in einem Betrag zurückgefordert würde, wenn die Bewilligung auf Angaben beruhen würde, die vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht worden seien. Die Klägerin bezog anschließend drei Monatsraten (Oktober bis Dezember 2001) zu DM 2.400,- insgesamt EUR 3.681,30.

Am 28. Januar 2002 erschien die Zeugin bei der Beklagten und teilte mit, ihr sei zum 24. Januar 2002 fristlos wegen vertragswidrigen Verhaltens gekündigt worden. Am 7. Februar 2002 teilte die Zeugin zudem telefonisch mit, dass sie schon im September 2001 zwei Tage und dann ab dem 1. Oktober 2001 in Vollzeit gearbeitet habe; hierzu legte sie eine Quittung der Klägerin vor, ausgestellt über 35 Stunden zu DM 20,- für Telefonakquise in Heimarbeit in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 5. Oktober 2001. Von der Beklagten zur verspäteten Antragstellung und der deshalb beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung und Erstattung der Leistung ange¬hört, übersandte die Klägerin einen arbeitsgerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Zeugin zum 8. Februar 2002 aufgrund ordentlicher Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist in der Probezeit beendet worden sei.

Mit Bescheid vom 6. Juni 2002 hob die Beklagte die Bewilligung des Zuschusses auf und ver¬langte Erstattung von EUR 3.681,30. Die Klägerin habe im Antrag vom 4. Oktober 2001 angegeben, das Beschäftigungsverhältnis würde am 8. Oktober 2001 beginnen; tatsächlich habe es aber schon am 1. Oktober 2001 begonnen. Die Klägerin habe daher falsche Angaben gemacht. Der Antrag hätte bei Arbeitsaufnahme am 1. Oktober 2001 nicht bewilligt werden dürfen, sondern hätte wegen verspäteter Antragstellung abgelehnt werden müssen. Es seien keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Entscheidung begründeten.

Hiergegen legte die Klägerin am 12. Juni 2002 Widerspruch ein und trug im wesentlichen vor, der Arbeitsvertrag sei, wie im Antrag angegeben, am 8. Oktober 2001 geschlossen worden und die Arbeitsaufnahme sei tatsächlich am 8. Oktober 2001 erfolgt. Vor diesem Tag habe die Zeugin nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Die Zeugin habe aber, weil sie zum einen keine Erfahrungen im Bereich der Telefonakquisition gehabt habe und weil sie zum anderen in der ersten Oktoberwoche wegen einer Schöffentätigkeit am Landgericht Hamburg eingebunden gewesen sei, ein Interesse daran gehabt, in Heimarbeit auf selbständiger Basis bei völlig freier Zeiteinteilung und ohne Weisungen der Klägerin Adressen im Wege der Telefonakquisition für Aufträge an die Klägerin zu bearbeiten; die Zeugin und die Klägerin hätten daher wegen der ausgeübten Schöffentätigkeit der Zeugin und dem Interesse daran festzustellen, ob eine Tätigkeit in dieser Branche für die Zeu¬gin grundsätzlich in Betracht komme, eine selbständige Tätigkeit vom Wohnsitz der Klägerin aus für eine Woche vereinbart.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe am 4. Oktober 2001 einen Antrag auf Gewährung einer Beschäftigungshilfe für die Zeugin gestellt. Daraufhin sei ihr der Lohnkostenzuschuss für die Zeit vom 8. Oktober 2001 bis zum 7. Oktober 2002 bewilligt worden. Grundlage dieser Bewilligung sei unter anderem gewesen, dass die Zeugin ab dem 8. Oktober 2001 beschäftigt werde. Die Zeugin habe aber eine Quittung vorgelegt, aus der hervorgehe, dass sie bereits seit dem 1. Oktober 2001 für die Klägerin tätig gewesen sei. Die Bewilligungsentscheidung sei daher rechtswidrig und nach § 6 der Richtlinien in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig erteilter Angaben aufzuheben. Dabei sei die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Zwar spreche ge¬gen die Rückforderung, dass die Klägerin vortrage, die Zeugin habe die Tätigkeit vor dem 8. Oktober 2001 lediglich als freiberufliche Mitarbeiterin aus¬geübt; doch habe die Klägerin dies nicht nachgewiesen; zudem könne diesem Umstand durch entsprechende Zahlungserleichterungen Rechnung getragen werden. Für die Rückforderung spreche hingegen, dass die Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe, dass die Zeugin bereits ab dem 1. Oktober 2001 beschäftigt gewesen sei. Zudem sei der Zweck der Beschäftigungshilfe, nämlich die Zeugin auf Dauer zu beschäftigen, nicht erreicht worden. Auch sei nicht ersichtlich, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen beendet worden sei, die die Arbeitnehmerin zu vertreten habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Oktober 2002 Klage erhoben. Die Klägerin bleibt dabei, mit der Zeugin eine Probewoche dergestalt vereinbart zu haben, dass die Zeugin auf selbständiger Basis von ihrem Wohnsitz aus bei völlig freier Zeiteinteilung und Weisungsfreiheit Aufträge für die Klägerin akquirieren sollte. Diese Probewoche habe der Vertragsanbahnung und der Erprobung eines möglichen zukünftigen Arbeitsverhältnisses gedient.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2004 und 30. Januar 2006 Beweis erhoben über Art, Umfang und Beginn der Beschäftigung der Zeugin K. bei der Klägerin durch uneidliche Vernehmung der Zeugin K. und des Zeugen S., eines Mitarbeiters der Klägerin. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2006 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle an der nach den Richtlinien erforderlichen Antragstellung vor Abschluss des Arbeitsvertrages. Der Antrag sei am 4. Oktober 2001 gestellt worden; der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Zeugin K. sei aber bereits am 28. September 2001 zustande gekommen. Am diesem Tag hätten die Beteiligten sich über die wesentlichen Bestandteile des Arbeitsvertrages geeinigt. Auf die Frage, wann die Tätigkeit beginnen sollte, komme es nicht an. Dass die Tätigkeit in der ersten Oktoberwoche lediglich der Erprobung habe dienen sollen, könne nicht angenommen werden; es fehle an einem dann erforderlichen nachfolgenden Vertragsabschluss und es sei ohnehin eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart worden. Der Geschäftsführer der Klägerin habe diese Umstände vorsätzlich verschwiegen, so dass die Klägerin keinen Vertrauensschutz geltend machen könne. Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich.

Gegen das ihr am 27. Juni 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Juni 2006 Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 24. August 2006 begründet hat: Das Sozialgericht habe den Grundsatz rechtlichen Gehörs verletzt, weil zu keinem Zeitpunkt im gerichtlichen Verfahren ein Vertragsabschluss bereits im September 2001 thematisiert worden sei. Ein solcher Vertragsabschluss sei auch in der Sache zurückzuweisen. Die Antragstellung hinsichtlich des Lohnkostenzuschusses setze voraus, dass die geplante Arbeitszeit und Vergütung angegeben würden. Darüber müssten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer also zuvor verständigen. Darin einen den Zuschuss ausschließenden Vertragsabschluss zu sehen, würde jegliche Förderung ausschließen. Sinnvoller Weise sei daher auf den schriftlichen Vertragsabschluss abzustellen. Jedenfalls aber müsse die Möglichkeit des Hinausschiebens des für die Förderung maßgeblichen Zeitpunkts bestehen. Hier seien zwei Bedingungen gestellt worden: Die Bewilligung der Förderung und die Bewährung in der ersten Oktoberwoche. Die Beklagte habe zudem ermessensfehlerhaft entschieden. Im Ausgangsbescheid fehle es an jeglichen Ermessenserwägungen. Der Widerspruchsbescheid lasse erkennen, dass die Beklagte sich gebunden gefühlt habe, die Rücknahme zu verfügen. Die Ermessensgründe, die eher die Frage der Rückforderung beträfen, seien lediglich Wiederholungen der Tatbestandsmerkmale.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend: Sinn der Förderung sei es, den entscheidenden Anreiz für eine Einstellung zu schaffen. Stünden schon die Einstellung und die Konditionen im Einzelnen fest, verfehle die Bezuschussung ihren Zweck. Die Rücknahmeentscheidung sei nach § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ein gebundener Verwaltungsakt; die Beklagte habe hier kein Ermessen ausüben können. Auf den fehlenden Vertrauensschutz sei die Beklagte im Widerspruchsbescheid eingegangen.

Das Gericht hat am 4. Juni 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der Bescheid vom 6. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002. Durch diese Bescheide hat die Beklagte die ursprüngliche Bewilligung von Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose für den Zeitraum vom 8. Oktober 2001 bis 7. Januar 2002 auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 der Richtlinien i.V.m. § 45 SGB X zurückgenommen und überzahlte Leistungen nach § 6 Abs. 3 der Richtlinien i.V.m. § 50 SGB X zurückgefordert. Die Bescheide sind rechtmäßig.

Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 (und 3) SGB X darf, soweit ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, dieser, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der durch die angefochtenen Bescheide aufgehobene, die Klägerin begünstigende Bescheid vom 5. Dezember 2001 ist rechtswidrig. Nach § 5 Abs. 1 der Richtlinien ist der Zuschuss vom Arbeitgeber vor Abschluss des Arbeitsvertrages zu beantragen. Es kommt nach dem Wortlaut dieser Bestimmung allein auf den Abschluss des Arbeitsvertrages an (vgl. LSG Saarland, Urt. v. 3.6.2005, L 8 AL 52/03, juris; BayLSG, Urt. v. 6.8.2002, L 11 AL 337/98, juris), nicht etwa auf einen unter Umständen erst für einen späteren Zeitpunkt vereinbarten Beginn des entsprechenden Arbeitsverhältnisses.

An der vorherigen Antragstellung fehlt es aber. Die Zeugin K. und die Klägerin einigten sich vielmehr noch vor dem 1. Oktober 2001 über die Entgeltlichkeit und den Arbeitsinhalt und schlossen damit den Arbeitsvertrag, auf Grund dessen die Zeugin am 2. Oktober 2001 – am 1. Oktober hatte sie noch eine Schöffensitzung abzuleisten – mit der Beschäftigung tatsächlich begann. Das ergibt sich zunächst aus der Aussage der Zeugin K., die im Wesentlichen bekundet hat, nach der Einigung mit dem Geschäftsführer der Klägerin am 2. Oktober 2001 mit der Tätigkeit begonnen zu haben. Erst später habe er sie wegen der Möglichkeit eines Zuschusses gebeten, den Vertrag auf den 8. Oktober 2001 ausstellen und die bis dahin geleistete Arbeit mit DM 700,- vergüten zu dürfen. Die Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, nach der Ende September lediglich eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin in der ersten Oktoberwoche und der Beginn des eigentlichen Arbeitsverhältnisses mit dem 8. Oktober 2001 vereinbart worden sei, kann der Senat – unabhängig davon, ob dies überhaupt rechtlich relevant ist angesichts der Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses – ihm nicht abnehmen. Die Zeugin K. hat nämlich weiter bekundet, dass sie nicht etwa bis zum 5. Oktober 2001 lediglich freiberuflich tätig gewesen sei. Vielmehr habe sie sogleich mit der Erfüllung des vereinbarten Arbeitsverhältnisses begonnen.

Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Übereinstimmend haben sie und der Geschäftsführer die Kontaktaufnahme Ende September bestätigt. Es erscheint aber nicht einleuchtend, eine solche Tätigkeit freiberuflich und von zu Hause aus zu beginnen, wenn im Anschluss eine Vollzeitbeschäftigung beabsichtigt ist, denn eine Einarbeitung und auch eine Beobachtung der Arbeitsgüte könnte so nicht stattfinden. Dies liegt mithin weder im Interesse der Mitarbeiterin noch des Arbeitgebers. Die Begründung für die behauptete Verfahrensweise ist auch nicht stichhaltig, denn die freien Tage am 1. Oktober – Schöffendienst – und 3. Oktober – Feiertag – drängten keineswegs zu einem freiberuflichen Arbeitsmodell. Auch stützt die für die erste Oktoberwoche vorgenommen Bezahlung der Zeugin K. durch die Klägerin die Darstellung der Zeugin, es sei von vornherein eine abhängige Vollzeittätigkeit vereinbart gewesen: Denn die Arbeitswoche hatte wegen des 3. Oktober nur drei Arbeitstage; es erscheint fernliegend, dass die Zeugin K. in dieser Zeit 35 Stunden gearbeitet haben soll. Das hätte sie aber tun müssen, um bei einem Stundensatz von DM 20.- auf die tatsächlich gezahlten DM 700,- Wochenlohn zu kommen. Der Senat ist vielmehr überzeugt, dass sie hier schon einen pauschalierten Teil des vereinbarten Gehaltes von monatlich 3.000,- bezog. Schließlich ist die Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin, er habe der Zeugin für die erste Arbeitswoche nicht die für die Akquisition üblichen Arbeitsbögen mitgegeben, weil der Beginn des Arbeitsverhältnisses noch ungewiss gewesen sei, ganz fernliegend und unglaubhaft. Denn dies hätte die Tätigkeit der Zeugin ohne Grund deutlich erschwert und lag weder in ihrem noch im Interesse der Klägerin; die Schilderung kann nur als Versuch gewertet werden, die behauptete vorgeschaltete Freiberuflichkeit zu unterstreichen.

Die Zeugin ist auch glaubwürdig. Sie hat die zeitlichen Abläufe recht genau und konsistent erinnert; gelegentlich fehlende Erinnerungen an Details sprechen für die Wahrhaftigkeit ihrer Aussage. Eine Belastungstendenz zu Lasten der Klägerin ist ebenfalls nicht erkennbar, im Gegenteil stellte sie einen durch eine Formulierung im Raume stehenden möglichen steuerrechtlichen Vorwurf sogleich wieder richtig.

Ein Vertragsschluss vor dem 1. Oktober 2001 wird zudem durch weitere Hinweistatsachen bestätigt: Aus einem Vermerk des Sachbearbeiters S1 der Beklagten vom 8. Oktober 2001 geht hervor, dass der Klägerin das Antragsformular "ohne Zusage" zugeschickt wurde, da die Einstellung zum 1. Oktober 2001 erfolgt sei. Dem entspricht es, dass das Antragsformular tatsächlich den Vermerk "ohne Zusage" trägt und im Feld "Arbeitsaufnahme erfolgt am:" zunächst den Eintrag "01.10.01" enthielt, der durchgestrichen und durch die Angabe "08.10.01" ersetzt wurde. Es kann nicht angenommen werden, dass der Vermerk nicht auf einen Kontakt mit der Klägerin folgte und dass das genannte Datum des 1. Oktober 2001 nicht auf ihren Angaben beruhte. Die Richtigkeit dieses Datums wird schließlich auch durch einen die Zeugin betreffenden Beratungsvermerk der Beklagten vom 27. September 2001 bestätigt, aus dem hervorgeht, dass die Zeugin zum 1. Oktober 2001 bei der Klägerin eingestellt werden würde.

Ob dies alles noch unter dem Vorbehalt der Bewährung oder gar der Förderung durch das Arbeitsamt gestanden hat – wie die Klägerin meint –, ist rechtlich unerheblich. Dazu hat das Bundessozialgericht (Urt. v. 24.11.1994, 7 RAr 54/93, juris) ausgeführt:

"Die Lohnkostenzuschüsse sollen dazu beitragen, die Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in das Arbeitsleben zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden aus Mitteln des Bundes Einstellungen in ein Beschäftigungsverhältnis gefördert, das sonst nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt begründet worden wäre. Mit den Lohnkostenzuschüssen sind Anreize für Arbeitgeber geschaffen worden, Langzeitarbeitslose einzustellen, die wegen ihrer langen Arbeitslosigkeit erfahrungsgemäß nicht von Beginn an eine vollwertige Arbeitsleistung erbringen. Die Zuschüsse nach der "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose" haben daher nicht den Charakter einer bloßen Subvention i.S. einer generellen Einstellungsprämie, sondern sie sind als Kompensation für betriebliche Anstrengungen (Mehraufwand) gedacht, um Langzeitarbeitslose an die Anforderungen des Betriebes heranzuführen ( ). Die Leistungsgewährung nach den Beschäftigungshilferichtlinien muss somit zumindest eine Mitursache für die Einstellung sein.

Das Antragserfordernis sichert dem zuständigen Arbeitsamt die Möglichkeit der rechtzeitigen Prüfung, ob es sich um eine förderungswürdige Einstellung handelt, die jenen Zielvorstellungen entspricht. Würde man eine verspätete Antragstellung als unschädlich ansehen, wäre es kaum noch möglich, förderungswürdige Fälle von den Fällen abzugrenzen, in denen die Lohnkostenzuschüsse lediglich als – willkommene – Mitnahmeeffekte in Anspruch genommen würden und damit reinen Subventions-, nicht aber Kompensationscharakter hätten. Ob Lohnkostenzuschüsse i.S. einer Mitursache zur Einstellung eines Langzeitarbeitslosen geführt haben oder ob der Arbeitgeber diesen ohnehin eingestellt hätte, weil er ihn für eine qualifizierte, vollwertige Arbeitskraft gehalten hat, lässt sich für das zuständige Arbeitsamt bei einer nachträglichen Antragstellung nicht mehr mit der hinreichenden Sicherheit entscheiden. Sinn und Zweck der Förderung stützen das bereits aus dem Wortlaut des § 7 Satz 1 Beschäftigungshilferichtlinien gewonnene Auslegungsergebnis."

Daraus ergibt sich, dass es gerechtfertigt ist, aus Gründen der Zwecksicherung allein auf den Umstand der Vertragsschließung abzustellen (vgl. auch LSG Saarland, Urt. v. 3.6.2005, a.a.O.). Der Einwand der Klägerin, vor Antragstellung sei notwendiger Weise über die geplanten Vertragsinhalte zu sprechen, ohne dass darin zugleich der Vertragsschluss gesehen werden dürfe, verfängt nicht. Denn hier war nicht über einen zukünftigen Vertrag gesprochen, sondern ein Vertrag geschlossen und bereits in die Erfüllung eingetreten worden. Wäre die Förderung essentielle Bedingung für einen Vertragsabschluss gewesen, wäre dies auch nicht geschehen.

Die Verletzung von § 5 Abs. 1 der Richtlinien führt zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung. Dabei kommt es auf die Rechtsnatur der Richtlinien nicht an (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1994, 7 RAr 54/93, juris; so auch LSG Sachsen, Urt. v. 7.4.2005, L 3 AL 178/04, juris; kritisch Bieback, jurisPR-SozR 14/2007 Anm. 2; andererseits BSG, Urt. v. 26.3.1998, B 11 AL 37/96 R, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.4.2006, L 4 AL 64/04, juris). Denn der Bewilligungsbescheid vom 5. Dezember 2001 beruht ausdrücklich auf den Richtlinien. Damit ist das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung – das an sich rechtlich unbedenklich ist – nach der konkreten Bescheidung Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Bewilligung.

Der Klägerin ist auch zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorzuhalten und sie kann sich deshalb nicht auf schutzwürdiges Vertrauen im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X berufen. Die Klägerin hätte auf die bereits bestehende Tätigkeit der Zeugin K. hinweisen müssen. Sie kannte nach den Angaben des Geschäftsführers die Richtlinien und damit das Erfordernis vorheriger Antragstellung, das hat auch die Zeugin K. bestätigt. Die erforderliche Sorgfalt hat sie deshalb vorsätzlich, mindestens aber in besonders schwerem Maße verletzt. Selbst wenn sie der Auffassung gewesen sein sollte, die Tätigkeit der Zeugin sei unschädlich im Sinne der Richtlinien, hätte sie dies offen legen müssen, um der Beklagten eine rechtliche Bewertung im Rahmen der Bewilligungsentscheidung zu ermöglichen.

Ein Ermessen der Beklagten besteht nach der Nebenbestimmung 4 des Bescheides vom 5. Dezember 2001 i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III nicht.

Die Erstattungsforderung ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X – auch der Höhe nach – gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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