L 4 R 3459/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3260/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3459/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seiner Altersrente mit Forderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der beigeladenen Krankenkasse für die Zeit von Februar bis Juni 2003 in Höhe von insgesamt EUR 5.343,28.

Der am 1935 geborene Kläger, gelernter Uhrmacher, ist Inhaber eines Juweliergeschäfts. Die Beklagte (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) bewilligte durch Bescheid vom 27. März 2000 Regelaltersrente ab 01. Juni 2000 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von DM 3.148,32 zuzüglich Zuschüssen zum Pflegeversicherungsbeitrag von DM 26,76. Zu einem späteren Zeitpunkt zahlte die Beklagte auch einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 01. Juli 2003 - 6 (5) IN 333/03 - wurde wegen Zahlungsunfähigkeit um 8.00 Uhr dieses Tages das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt B., Heilbronn ernannt. Der Beschluss ging am 09. Juli 2003 der Beklagten zu. Diese erklärte sich mit Schreiben vom 22. Juli 2003 gegenüber dem Insolvenzverwalter grundsätzlich zur Zahlung bereit. Mit Schreiben vom selben Tag eröffnete sie dem Kläger, beim monatlichen Zahlbetrag ab 01. September 2003 von EUR 1.562,79 ergebe sich nach der Anlage 2 zu § 850 c der Zivilprozessordnung (ZPO) ein pfändbarer Betrag von EUR 140,00. Dieser stehe zur Begleichung der Forderung zur Verfügung und werde ab 01. September 2003 an den Gläubiger angewiesen. Unter Berücksichtigung dieser und etwaiger weiterer Forderungen verbleibe ein Zahlbetrag von EUR 1.699,87, in dem gegebenenfalls Zuschüsse zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung enthalten seien.

Die Beigeladene bat mit Schreiben vom 15. August 2003 die Beklagte, vom Kläger geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit von Februar bis Juni 2003 in Höhe von EUR 5.172,78 zuzüglich Säumniszuschläge bis zu diesem Datum von EUR 170,50, zusammen EUR 5.343,28, zu verrechnen. Mit Schreiben vom 30. September 2003 hörte die Beklagte den Kläger zum Verrechnungsersuchen an; nach § 51 Abs. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) könnten u.a. Beitragsansprüche gegen laufende Geldleistungen - z. B. Rente - bis zu deren Hälfte aufgerechnet/verrechnet werden, soweit der Leistungsberechtigte nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt werde. Es sei beabsichtigt, für die Verrechnung von der laufenden Rentenleistung monatlich die Hälfte der Rente (abzüglich des bereits an den Insolvenzverwalter zu zahlenden monatlichen Betrages) einzubehalten. Sollte dadurch Sozialhilfebedürftigkeit eintreten, werde um Vorlage einer Bestätigung des zuständigen Sozialamts gebeten. Der Kläger äußerte sich innerhalb der gesetzten Frist nicht. Ein mit Schreiben vom 23. September 2003 gestelltes Verrechnungsersuchen der Kaufmännischen Krankenkasse Hannover wegen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt EUR 17.762,29 wurde mit Schreiben der Beklagten vom 30. September 2003 vorgemerkt; wegen des Vorrangs der Forderung aus dem Insolvenzverfahren und des Verrechnungsersuchens der Beigeladenen stünden derzeit keine Beträge zur Verfügung.

Durch Bescheid vom 08. Dezember 2003 eröffnete die Beklagte dem Kläger, die Verrechnung werde nach eingehender Prüfung für angemessen gehalten. Gegen die Rente in Höhe von EUR 1.699,87 (EUR 1.839,87 abzüglich EUR 140,00 für Pfändung/Insolvenz) würden ab 01. Januar 2004 monatlich EUR 477,79 verrechnet. Der Zahlbetrag ändere sich dadurch auf EUR 1.222,08. Die Beigeladene erhielt den Bescheid zur Kenntnis.

Mit dem am 02. Januar 2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, sein einziges Einkommen sei die Rente; er müsse für Miete, Heizung, Wasser, Strom und Zinsen für private Kredite monatlich EUR 1.100,00 aufwenden. Durch Bescheid vom 29. Januar 2004 berechnete die Beklagte die Rente neu; ab 01. Januar 2004 würden EUR 1.703,58 zuzüglich Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag von EUR 121,81 und zum Pflegeversicherungsbeitrag von EUR 14,48, insgesamt EUR 1.839,87, gezahlt. Eine weitere Änderung ergab sich durch Bescheid vom 24. Februar 2004 dahingehend, dass sich ab 01. April 2004 der Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag auf EUR 122,66 erhöhte und kein Anspruch auf den Zuschuss zum Pflegeversicherungsbeitrag mehr bestand, sodass sich ein monatlicher Zahlbetrag von EUR 1.826,24 errechnete. Der Kläger reichte die Aufstellung vom 01. Februar 2004 ein, sein monatlicher Gesamtbedarf betrage etwa EUR 1.998,84. Seine Lebensgefährtin, die Eigentümerin des Hauses sei, sei berufstätig. Letztere war ab 01. April 2004 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Leistungssatz von EUR 149,66 und einer Anspruchsdauer von 720 Kalendertagen. Das Landratsamt Heilbronn erteilte die Garantiebedarfsberechnung vom 28. April 2004, bei einem Bedarf an laufender Hilfe zum Lebensunterhalt von EUR 1.695,23 und einem anrechenbaren Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von EUR 2.348,39 verbleibe ein Betrag von EUR 653,16. Die Beklagte eröffnete dem Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2004, unter diesen Umständen sei die Verrechnung in der beabsichtigten Höhe von EUR 477,79 zulässig. Gegenüber dem Insolvenzverwalter wurde mit Schreiben vom selben Tag eine Verrechnung ab 01. April 2004 von nur noch EUR 135,00 verfügt. Der Kläger antwortete hierauf, es sei unmöglich gewesen, den Betrag von EUR 5.343,28 an die Beigeladene zu zahlen, weil seine Hausbank sein Konto gesperrt sowie über EUR 200.000,00 einbehalten, aber die Beiträge an die Beigeladene nicht gezahlt habe (Schreiben vom 20. Mai 2004). In der Folgezeit berechnete die Beklagte wegen der ab 17. März 2004 bestehenden Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und des Endes der freiwilligen Krankenversicherung die Rente mehrmals neu und rechnete die entstandene Überzahlung auf.

Die Ehe des Klägers mit W. L.ö wurde durch Urteil des Amtsgerichts Familiengericht - Heilbronn vom 17. Januar 2005, rechtskräftig seit 01. März 2005, geschieden. Bezogen auf das Ehezeitende 31. Juli 2004 wurden Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich EUR 394,80 vom Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen.

Durch Bescheid vom 23. Februar 2005 berechnete die Beklagte die Rente ab 01. April 2005 neu. Von der monatlichen Rente von EUR 1.703,58 wurde der Beitragsanteil zur Krankenversicherung von EUR 120,10 und zur Pflegeversicherung von EUR 28,96 abgezogen, sodass sich ein monatlicher Zahlbetrag von EUR 1.554,52 ergab. Nachdem die Mitteilung über die Übertragung von Anwartschaften im Versorgungsausgleich eingegangen war, berechnete die Beklagte im Bescheid vom 19. April 2005 die Rente ab 01. Juni 2005 dahingehend neu, dass diese nach dem Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich EUR 1.308,78 betrug; abzüglich des Beitragsanteils zur Krankenversicherung von EUR 92,27 und zur Pflegeversicherung von EUR 22,25 ergab sich ein Zahlbetrag von EUR 1.194,26. Dem Kläger und dem Insolvenzverwalter teilte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 28. April 2005 mit, ab 01. Juni 2005 ergebe sich bei einem für die Berechnung der Forderungen maßgeblichen Zahlbetrag von EUR 1.194,26 nach der Anlage 2 zu § 850 c ZPO ein pfändbarer Betrag von EUR 182,00, der ab 01. Juni 2005 angewiesen werde, und dem Kläger verbleibe ein Zahlbetrag von EUR 1.012,26, sowie mit Schreiben vom 10. Mai 2005, ab 01. Juli 2005 ergebe sich bei einem für die Berechnung der Forderungen maßgeblichen Zahlbetrag von EUR 1.188,37 nach der Anlage 2 zu § 850 c ZPO ein pfändbarer Betrag von EUR 136,40, der ab 01. Juli 2005 angewiesen werde, und dem Kläger verbleibe ein Zahlbetrag von EUR 1.051,97.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 08. Dezember 2003 zurück (Widerspruchsbescheid vom 09. September 2005). Sie hielt die Verrechnung der Gesamtforderung von EUR 5.343,28 gegen die Rente weiterhin für zulässig. Ein Insolvenzverfahren habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf Verrechnungen, soweit sie über § 850 c ZPO hinausgehende Rentenbeträge erfassten, mit denen eine Aufrechnung im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I zulässig sei. Beim monatlichen sozialhilferechtlichen Bedarf (vgl. Auskunft des Landratsamts Heilbronn vom 28. April 2004) von etwa EUR 885,00 ergebe sich bei einer Rentenhöhe von derzeit EUR 1.188,37 unter Berücksichtigung des pfändbaren Betrages an den Insolvenzverwalter in Höhe von EUR 136,40 eine Verrechnung in Höhe von derzeit monatlich EUR 166,97.

Der Kläger erhob am 07. Oktober 2005 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Zur Begründung brachte er vor, eine Verrechnung sei nicht zulässig, da eine Aufrechnung in der Insolvenz nur nach Maßgabe der §§ 95 ff. der Insolvenzordnung (InsO) zulässig sei. Es handle sich um eine Forderung, die nach Insolvenzeröffnung fällig geworden sei. Im Übrigen würde eine Verrechnung dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung widersprechen und über die Hintertür Konkursvorrechte für Sozialversicherungsträger einführen, die die InsO nicht kenne. Die Vorschrift des § 96 InsO, welche die Aufrechnungsmöglichkeiten ausschließlich und abschließend regle, greife vorliegend nicht. Im Übrigen würde auch nach der Berechnung des Landratsamts Heilbronn vom 28. April 2004 Sozialhilfebedürftigkeit eintreten. Eine aktuelle Bedarfsbescheinigung legte der Kläger trotz mehrmaliger Erinnerung nicht mehr vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Durch Urteil vom 09. Mai 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, der pfändungsfreie Teil der Rente sei der Insolvenzmasse entzogen. Auf dieses Vermögen könne die Beklagte durch Verrechnung zugreifen. Beispielsweise gebe ein laufendes Verfahren über nachehelichen Unterhalt dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit, in den gemäß § 850 d ZPO über § 850 c ZPO hinaus erweitert pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu vollstrecken, der nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Nichts anderes gelte für den Sozialversicherungsträger. Die Rente des Klägers übersteige die Pfändungsfreigrenze um EUR 136,40, die für den Insolvenzverwalter gepfändet werden könnten. Der Zugriff nach § 52 SGB I sei möglich und diese Vorschrift schließe eine Verrechnung lediglich aus, wenn der Kläger sozialhilfebedürftig würde. Dieser habe über die Bedarfsberechnung vom 28. April 2004 hinaus keine weitere Bescheinigung erstellen lassen. Die im Widerspruchsbescheid verfügte Verrechnung mit monatlich EUR 166,97 sei nach alledem rechtmäßig.

Gegen das am 18. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Juli 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, von der Rente von lediglich EUR 1.188,36 werde bereits der pfändbare Betrag an den Insolvenzverwalter abgeführt. Eine weitere Verrechnung sei daher nicht zulässig. Die Aufrechnungsmöglichkeiten seien abschließend in der InsO geregelt. Eine bevorrechtigte Verrechnungsmöglichkeit der Beigeladenen würde dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung widersprechen. Im Übrigen bestehe jetzt Sozialhilfebedürftigkeit. Er habe Ende 2006 einen Schlaganfall erlitten und sei laut Ausweis vom 20. Februar 2007 seit 13. Februar 2007 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60. Daher stehe ihm ein Pauschbetrag für Schwerbehinderte zu. Im Übrigen sei der angefochtene Bescheid vom 08. Dezember 2003 auch mangels Befugnis der Beklagten, durch Verwaltungsakt zu handeln, rechtswidrig. Soweit das SG § 850 d ZPO zitiere, handle es sich um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift. Diese erweiterte Pfändbarkeit, die massiv in die Rechte des Unterhaltsschuldners eingreift, stelle die absolute Ausnahme zur Tabelle gemäß § 850 c ZPO dar. Eine Tabelle gehe von einem Regeltatbestand aus. Dagegen diene § 850 d ZPO dem Schutz des Unterhaltsberechtigten. Die Norm sei keinesfalls auf Sozialversicherungsträger wie die Beigeladene zugeschnitten. Diese sei nicht mit einer natürlichen Person vergleichbar und könne somit nicht in Zwangsvorlage gelangen. Schließlich werde die erweiterte Pfändbarkeit gemäß § 850 d ZPO nur auf Antrag festgestellt und ein Blankettbeschluss genüge nicht. Der Kläger hat eine Kopie des Schwerbehindertenausweises des Landratsamt Heilbronn vom 20. Februar 2007 vorgelegte. Danach ist seit 13. Februar 2007 ein GdB von 60 und das Merkzeichen G festgestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. Mai 2007 und den Bescheid vom 08. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.

Die durch Beschluss des Senats vom 10. Juli 2009 Beigeladene stellt keinen Antrag.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 09. Mai 2007 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2005, wodurch der Einbehalt eines Betrags von monatlich EUR 166,97 von der Altersrente des Klägers zugunsten der Forderung der Beigeladenen verfügt wurde, ist dem Grunde und der Höhe nach als rechtmäßig zu bestätigen.

1. Im gerichtlichen Verfahren ist nur darüber zu entscheiden, ob die Verrechnung mit einem Betrag von monatlich EUR 166,97 erfolgen kann. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 08. Dezember 2003 noch die Verrechnung mit einem Betrag von monatlich EUR 477,79 verfügt hatte, hat sie dies durch den Widerspruchsbescheid vom 09. September 2005 abgeändert. Entgegen dem Tenor des Widerspruchsbescheids hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers nicht vollständig, sondern mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verrechnung mit einem Betrag von monatlich EUR 166,97 erfolgt.

2. Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird. Mit Ausnahme des Gegenseitigkeitserfordernisses müssen bei einer Verrechnung nach § 52 SGB I alle Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 SGB I vorliegen. § 52 SGB I erweitert die Aufrechnungsmöglichkeiten der Leistungsträger, indem die bei der Aufrechnung nach § 51 SGB I erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen von Schuldner und Gläubiger als Voraussetzung wegfällt. Der Verzicht auf die Gegenseitigkeit macht § 52 SGB I allerdings zu einem besonderen sozialrechtlichen Institut, der es an einem Gegenstück im bürgerlichen Recht fehlt.

Die Voraussetzungen für die Verrechnung sind gegeben.

2.1. Der Kläger hat Anspruch auf eine Geldleistung (Altersrente), die wie Arbeitseinkommen pfändbar ist (§ 54 Abs. 4 SGB I), gegen die Beklagte, die der hierfür zuständige Leistungsträger ist (§§ 12 Satz 1, 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB I). Die Beigeladene, die ebenfalls ein Leistungsträger ist (§§ 12 Satz 1, 21 Abs. 2 SGB I), hat gegen den Kläger einen fälligen und bestandskräftigen Anspruch auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 5.243,28. Der um Verrechnung ersuchende Leistungsträger (hier die Beigeladene) muss seine Forderung substantiiert nach Art und Höhe bezeichnen sowie weiter angeben dass diese Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist (Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-1200 § 52 Nr. 1). Dem genügt das Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vom 15. August 2003 gerade noch. Die Beigeladene hat die Forderung gegenüber der Beklagten gerade noch ausreichend substantiiert bezeichnet, indem sie angab, es handle sich um Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen für die Zeit von Februar bis Juni 2003. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge waren auch fällig. Obgleich die Beigeladene hierzu im Verrechnungsersuchen keine Angaben machte, ergibt sich dies aus § 23 Abs. 1 Satz 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) in der im Jahre 2003 geltenden Fassung. Danach wurden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den letzten von der Beigeladenen geltend gemachten Monat (Juni 2003) waren damit am 15. Juli 2003 fällig. Das Verrechnungsersuchen erfolgte mit Schreiben vom 15. August 2003. Zwar hat die Beigeladene im Verrechnungsersuchen nicht angegeben, dass die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge bestandskräftig festgestellt sind. Ausreichend ist jedoch insoweit, dass für den Schuldner (hier der Kläger) erkennbar ist, welche Forderung durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden soll (vgl. BSG SozR 4-1200 § 52 Nr. 2). Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger hat den Anspruch der Beigeladenen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht bestritten. Dass der Anspruch besteht, ergibt sich aus seinem Schreiben vom 20. Mai 2004 (Blatt 146 der Verwaltungsakte der Beklagten). Dort hat der Kläger als Grund für die unterbliebene Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge genannt, dass seine Hausbank ihm das Konto gesperrt und den größten Teil der Umsätze einbehalten habe. Dies zeigt auch, dass für den Kläger die Forderung der Beigeladenen erkennbar war. Die Säumniszuschläge entstanden wegen nicht fristgerechter Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

2.2. Die Beigeladene hat die Beklagte schriftlich zur Verrechnung ermächtigt. Die Beklagte konnte über die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt entscheiden. Der Senat folgt insoweit der langjährig herrschenden Auffassung, dass es sich nicht um eine auf gleichgeordneter rechtlicher Ebene ergehende verwaltungsrechtliche Willenserklärung (so Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - NJW 1983, 776) handelt (vgl. BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr. 6; BSG SozR 3-4100 § 34 Nr. 4; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02. Juli 2009 - L 10 R 2467/08). Der abweichenden Auffassung des Vierten Senats des BSG im Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr. 1 ist inzwischen der 13. Senat mit dem Anfragebeschluss vom 05. Februar 2009 (B 13 R 31/08 R, veröffentlicht in juris) entgegengetreten.

2.3. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er bei einem monatlichen Einbehalt von EUR 166,97 sozialhilfebedürftig wird. Aufgrund der Neufassung des § 51 Abs. 2 SGB I, auf den § 52 SGB I verweist, zum 01. Januar 2005 durch Art. 2 Nr. 5 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954) obliegt es nunmehr ausdrücklich dem Leistungsberechtigten selbst, den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) bzw. des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB II) nachzuweisen. Die vom Kläger gegenüber der Beklagten in der Aufstellung vom 01. Februar 2004 gemachten Angaben sind nicht plausibel, da die dort genannten monatlichen Ausgaben von ca. EUR 1.998,84 den damaligen Zahlbetrag der Altersrente von EUR 1.826,24 (Bescheid vom 24. Februar 2004) übersteigen, ohne dass der Kläger dargelegt hat, über welche zusätzlichen Einnahmen er verfügt. Dass neben der von der Beklagten gezahlten Altersrente weitere Einnahmen vorhanden sind, ergibt sich aus der Begründung des Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 17. Januar 2005 zum Versorgungsausgleich. Danach hatte der Kläger dort vorgetragen, allein von seiner Altersrente und geringfügigen nebenberuflichen Einnahmen zu leben. Weitere Angaben hat der Kläger weder im Klage- noch im Berufungsverfahren gemacht.

2.4. Die Verrechnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft (zur Erforderlichkeit der Ermessensausübung vgl. BSG, Anfragebeschluss vom 05. Februar 2009 - B 13 R 31/08 R -). Denn es sind keine Gründe erkennbar, die die Beklagte im Rahmen des Ermessens von der Durchführung der Verrechnung hätten veranlassen müssen, von dieser abzusehen. Der Kläger hat sich zu der mit Schreiben vom 30. September 2003 erfolgten Anhörung nicht geäußert und damit keine Gründe mitgeteilt, die die Beklagte im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigen müssen. Im Widerspruchsverfahren hat er lediglich die nicht plausible Aufstellung seiner Einkünfte und Ausgaben vom 01. Februar 2004 vorgelegt.

3. Der Verrechnung steht nicht das durch Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 01. Juli 2003 - 6 (5) IN 333/03 - mit Wirkung von 8.00 Uhr dieses Tages eröffnete Insolvenzverfahren entgegen. Denn die Verrechnung betrifft kein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen des Klägers. Zur Insolvenzmasse gehören nach §§ 35, 36 Abs 1 InsO nur pfändbare Gegenstände, mithin nur der pfändbare Anteil des Rentenauszahlungsanspruchs des Klägers. Diesen Anteil zahlt die Beklagte an den Insolvenzverwalter. Die Verrechnung erfolgt demgegenüber aus dem nicht pfändbaren Anteil des Rentenzahlungsanspruchs des Klägers, sodass von vornherein die Vorschriften der InsO über den Ausschluss der Aufrechnung, die bei einer Verrechnung entsprechend gelten, keine Anwendung finden können. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 InsO gegeben sind (vgl. hierzu Bundesgerichtshof - BGH - BGHZ 177,1; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr. 2).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, weil der Senat vom Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr. 1 abweicht.
Rechtskraft
Aus
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