L 7 SO 1513/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 864/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1513/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 20. März 2009 wird zurückgewiesen

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Beschwerdewert 750,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Mit seiner am 2. April 2009 eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, den Sozialhilfe- und Grundsicherungsträger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form eines monatlichen Büchergeldes von 40 EUR, der Kostenübernahme für einen Computer, Monitor, Maus, Drucker, Scanner, Internetanschluss und Software, Farbpatronen, angemessene Kleidung (Anzug, weißes Hemd, Krawatte), Einrichtung eines Arbeitsplatzes in einer neuen Wohnung, die aber noch gefunden werden müsse, sowie für die Bewerbung für ein Praktikum (Photos, Internetcafekosten, Mappen, Porto) zu gewähren.

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rdnrn. 173 ff.). Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ausnahmsweise dann nicht, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Dies setzt voraus, dass die sonst zu erwartenden Nachteile unter Berücksichtigung der Bedeutung und Dringlichkeit des Anspruchs, der Größe und eventuellen Irreparabilität des drohenden Schadens für den Antragsteller bzw. die Allgemeinheit oder Dritte unzumutbar wäre und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren spricht. Jedenfalls müssen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch in diesem Fall in einem das übliche Maß der Glaubhaftmachung deutlich übersteigenden Grad von Offenkundigkeit auf der Hand liegen (vgl. die Nachweise bei Finkelnburg a.a.O., Rdnr. 190). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 und vom 17. August 2005 - jeweils a.a.O.).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen danach nicht vor. Der Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der genannten Kosten im Wege der einstweiligen Anordnung steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Das Anordnungsziel ist vorliegend identisch mit dem Ziel der am 12. Januar 2009 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage, die durch Gerichtsbescheid vom 5. August 2009 abgewiesen worden ist (Az.: S 9 SO 84/09). Über die hiergegen zum Landessozialgericht am 12. August 2009 eingelegte Berufung (Az.: L S SO 3664/09) wurde noch nicht entschieden. Dem Antragsteller ist die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren zumutbar. Die beantragten Leistungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einem vom Antragsteller angestrebten Studium des Studiengangs "Asien-Management" an der Fachhochschule (FH) Ludwigshafen oder an der Akademie für Betriebswirtschaft und Welthandelssprachen (ABW) Mannheim. Da der Antragsteller die Zulassungsvoraussetzungen zum Studium zum Zeitpunkt der Antragstellung beim SG am 17. Februar 2009 noch nicht erfüllte (9-wöchiges kaufmännisches Vorpraktikum, Bestehen der Aufnahmeprüfung) und bis zum Ablauf der Anmeldefrist am 30. April 2009 auch nicht mehr nachholen konnte, kam eine Aufnahme des Studiums zum 1. September (FH Ludwigshafen) bzw. 1. Oktober 2009 (ABW Mannheim) nicht in Betracht. Durch das Zuwarten auf die Hauptsacheentscheidung ergaben sich daher für den Antragsteller keine unwiederbringlichen Nachteile, vielmehr bestand der geltend gemachte Bedarf nicht mit der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Dringlichkeit. Dies gilt auch für die Bewerbungskosten für das Praktikum, die allerdings bereits vor Aufnahme des Studiums anfallen. Der Antragsteller konnte diese vergleichsweise geringen, von ihm nicht bezifferten Kosten jedoch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache aus den ihm bewilligten Leistungen der Grundsicherung sowie seiner Rente wegen Erwerbsminderung tragen, zumal im Regelsatz anteilig Telefon- und Internetgebühren sowie Kosten für einen Personal Computer enthalten sind (vgl. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2007, Zeitschrift für das Fürsorgewesen 2008, 145 ff., Abt. 08 und 09).

Darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten im Berufungsverfahren gering. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss des SG vom 20. März 2009, wo zutreffend darauf hingewiesen worden ist, dass Leistungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII eine positive Erfolgsprognose dahingehend verlangen, dass durch die Gewährung der Leistungen eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erzielt werden kann. Denn Eingliederungshilfe wird behinderten Menschen gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur dann gewährt, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Aufgrund der langjährigen psychischen und physischen Erkrankung des Antragstellers besteht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass er mit dem angestrebten Studium auch im Falle eines erfolgreichen Abschlusses eine Erwerbstätigkeit wird ausüben können. Dies ergibt sich aus den vorliegenden ärztlichen Befundberichten, dem ärztlichen Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Kissingen vom 14. Januar 2009 sowie der amtsärztlich-psychiatrischen Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Rhein-Neckar-Kreises, aber auch aus dem fortgeschrittenen Alter des Antragstellers. Dessen Persönlichkeitsstörungen und die rezidivierende depressive Störung, aber auch die orthopädischen Beschwerden machen einem gestrafften, zügigen Studienverlauf eher unwahrscheinlich. Anzunehmen ist vielmehr, dass auch während des Studiums krankheitsbedingte Unterbrechungen eintreten werden (vgl. auch schriftliche Zeugenaussage des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 20. Juni 2009 im Klageverfahren S 9 SO 84/09). Selbst wenn er letztlich das gewählte Studium erfolgreich abschließen sollte, wäre er dann in einem Alter, in dem sich für Berufseinsteiger, insbesondere für dauerhaft erwerbsgeminderte Personen, auf dem Arbeitsmarkt kaum offene Stellen finden werden. Ist ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren aber wenig wahrscheinlich, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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