S 13 EG 13/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 EG 13/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngeldes für das zweite Kind.

Die 0000 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und verheiratet; ihr Mann arbeitet als Diplom-Finanzwirt. Am 00.00.2006 gebar sie das eheliche Kind H. Vor der Geburt war sie als Diplom-Kauffrau beschäftigt; sie hatte zuletzt im Mai und Juni 2006 brutto jeweils 3.627,87 EUR verdient. Einen im März 2007 gestellten Antrag auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) nahm sie im Juli 2007 im Hinblick auf ein zu hohes Einkommen zurück. Einen am 23.03.2007 gestellten Antrag auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) lehnte das Versorgungsamt Aachen unter Hinweis auf § 27 Abs. 1 BEEG ab, wonach für die vor dem 01.01.2007 geborenen Kinder die Vorschriften des BErzGG in der am 31.12.2006 geltenden Fassung weiter anzuwenden seien; da das Kind H. 2006 geboren sei, bestehe kein Anspruch auf Elterngeld. Die dagegen erhobene Klage wies die Kammer durch rechtskräftiges Urteil vom 25.09.2007 (SG Aachen - S 13 EG 20/07) unter Hinweis auf die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung ab.

Von März bis Juni 2008 war die Klägerin wieder erwerbstätig mit monatlichen Einkünften zwischen ca. 460,00 EUR und 770,00 EUR. Am 00.00.2008 gebar sie ihr zweites Kind U. Vom 15.06. bis 21.09.2008 bezog sie Mutterschaftsgeld, kalendertäglich 13,00 EUR.

Am 15.12.2008 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes U.

Der Landrat des Kreises B. bewilligte durch Bescheid vom 26.02.2008 Elterngeld in Höhe von monatlich 300,00 EUR; unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes errechnete er für den ersten und zweiten Lebensmonat kein, für den dritten Lebensmonat 250,00 EUR und ab dem vierten Lebensmonat 300,00 EUR Elterngeld.

Dagegen legte die Klägerin am 24.03.2008 Widerspruch ein. Sie rügte, dass der Geschwisterbonus nicht berücksichtigt worden sei. Desweiteren vertrat sie die Auffassung, für die Berechnung des Elterngeldes müsse auch das Einkommen vor der Geburt ihres ersten Kindes H. herangezogen werden; ohne die strenge Stichtagsregelung für den Bezug von Elterngeld hätte sie für H. von September 2006 bis Juli 2007 Elterngeld erhalten; dann müssten die Monate mit Bezug von Elterngeld bei der Berechnung ihrer Ansprüche unberücksichtigt bleiben und stattdessen die letzten Monate ihres früheren Erwerbseinkommens vor H. Geburt bzw. vor Beginn des Mutterschaftsgeldbezuges zugrunde gelegt werden. Die Versagung des Elterngeldanspruches für ihr erstes Kind wirke sich nachteilig auf die Höhe des Elterngeldanspruches für ihr zweites Kind aus; wäre das erste Kind am 01.01.2007 geboren, wäre ihr Elterngeld gewährt worden, was sich dann entsprechend positiv auf die Berechnung des Elterngeldes für das zweite Kind auswirken würde. In dem Umstand, dass es vom Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes abhänge, wie viel Elterngeld für weitere Kinder gezahlt werde, sehe sie eine extreme Ungleichbehandlung und Benachteiligung.

Durch Teilabhilfebescheid vom 26.03.2008 bewilligte der Landrat des Kreises B. Elterngeld in Höhe von monatlich 375,00 EUR unter Berücksichtigung des Geschwisterbonus. Unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes ergab sich für den ersten und zweiten Lebensmonat kein, für den dritten Lebensmonat 312,50 EUR und ab dem vierten Lebensmonat 375,00 EUR Elterngeld.

Im Übrigen wurde der Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.06.2009 zurückgewiesen. Der Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngeldes für das zweite Kind umfasse den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 31.05.2008, da der Monat Juni 2008 wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen sei. Ein gesetzlicher Tatbestand für die Zugrundelegung eines anderen Bemessungszeitraumes liege nicht vor.

Dagegen hat die Klägerin am 20.07.2009 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihre im Vorverfahren vertretene Rechtsauffassung.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 26.02.2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 26.03.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2009 zu verurteilen, das Elterngeld für das zweite Kind unter Zugrunde- legung des in den zwölf Monaten April und Mai 2006 sowie August 2007 bis Mai 2008 erzielten Einkommens neu zu berechnen und die Differenz zum ausgezahlten Elterngeld nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt (im Sinne der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung),

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Obwohl für den Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung kein Vertreter erschienen ist, konnte die Kammer entscheiden und verhandeln, weil der Beklagte auf diese Möglich in der ihm zugestellten Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Obwohl den Bescheid vom 26.02.2008 und den Teilabhilfebescheid vom 26.03.2008 der seinerzeit zuständige Landrat des Kreises B.- erlassen hat und die Klage ursprünglich auch gegen diesen erhoben wurde, ist richtiger Beklagter nunmehr der StädteRegionsrat der Städteregion B ... Denn durch das "Gesetz zur Bildung der Städteregion B. (B-Gesetz)" vom 26.02.2008 (GVBl. NW 2008 S. 162) ist der Kreis B. mit Ablauf des 20.10.2009 aufgelöst (Artikel I § 1 Abs. 1 Satz 2) und die Städteregion B. seit 21.10.2009 Rechtsnachfolgerin des Kreises B. (Artikel I § 2 Abs. 1). Der (ehemalige) "Landrat" führt nunmehr die Bezeichnung "StädteRegionsrat" (Artikel I § 3 Abs. 2). Dadurch ist es zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes gekommen, der keine Klageänderung zur Folge hat (vgl. hierzu: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 99 Rn. 6a). Der StädteRegionsrat als Behörde ist fähig, als Beklagter (vgl. § 69 Nr. 2 SGG) am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein. Seine Beteiligtenfähigkeit ergibt sich aus § 70 Nr. 3 SGG i.V.m. § 3 des "Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen" (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R; Urteil vom 24.03.2009 - B 8 SO 29/07 R; a.A. mit wenig überzeugender Begründung: LSG NRW, Urteil vom 25.02.2008 - L 20 SO 31/07, das den Rechtsträger, hier: die Städteregion B., für den allein richtigen Beklagten hält).

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld nach dem BEEG unter Zugrundelegung des von ihr gewünschten Bemessungszeitraumes, insbesondere der Monate Mai und Juni 2006.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von (mindestens) 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwerbseinkommen erzielt. Da die Klägerin im Juni 2008 Mutterschaftsgeld bezogen hat, bleibt dieser Monat bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Weitere Tatbestände, die diese Rechtsfolge bewirken (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG) liegen nicht vor.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG. Danach bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, für den Zwölf-Monate-Bemessungszeitraum unberücksichtigt. Die Klägerin hat kein Elterngeld für das ältere Kind H. bezogen. Der Umstand, dass allein die Stichtagsregelung des § 27 Abs. 1 BEEG bewirkt hat, dass sie kein Elterngeld für das erste - 2006 geborene - Kind beanspruchen konnte, begründet auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Anspruch, sie so zu stellen, als hätte sie Elterngeld für das erste Kind bezogen. Die Stichtagsregelung des § 27 Abs. 1 BEEG ist verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht (BSG) in drei Urteilen vom 23.01.2008 (B 10 EG 3/07 R, B 10 EG 4/07 R und B 10 EG 5/07 R = BSGE 99,239 = SozR 4-7837 § 27 Nr. 1) festgestellt hat. Dies hat die Kammer durch rechtskräftiges Urteil vom 25.09.2007 auch im Fall der Klägerin entschieden und ihren Anspruch auf Elterngeld für ihr im Jahre 2006 geborenes Kind verneint. Die Klägerin hat daher auch zu Recht kein "Elterngeld bezogen" und erfüllt deshalb nicht den Tatbestand des § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG. Angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts dieser Bestimmung kommt eine am "Gerechtigkeitsempfinden" orientierte erweitere Auslegung der Vorschrift, wie sie der Klägerin vorschwebt, nicht in Betracht (vgl. dazu auch: BSG, Urteile vom 19.02.2009 B 10 EG 1/08 R und B 10 EG 2/08 R).

Der maßgebliche Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngeldes, das der Klägerin für ihr zweites Kind zusteht, umfasst somit die zwölf Monate von Juni 2007 bis Mai 2008. Aufgrund des in diesem Zeitraum erzielten Einkommens hat der Beklagte das Elterngeld im Teilhilfebescheid vom 26.03.2008 unter Berücksichtigung des Geschwisterbonusses von 75,00 EUR (vgl. § 2 Abs. 4 BEEG) zutreffend errechnet und bewilligt. Höheres Elterngeld steht der Klägerin nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für den Fall, dass sich bei Zugrundelegung des von der Klägerin begehrten Bemessungszeitraums und des darin erzielten Bemessungsentgelts ein über den bewilligten Elterngeldbetrag hinausgehendes Elterngeld von weniger als 750,00 EUR ergibt, hat die Kammer im Hinblick auf die dann grundsätzlich nicht statthafte Berufung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) die Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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