Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 44 SB 2780/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 124/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festzustellen sind.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger erlitt im August 1957 einen als Arbeitsunfall anerkannten Motorradunfall und war wegen der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen in der ehemaligen DDR als Schwerbeschädigter der Stufe II anerkannt. Auf seinen Antrag vom 28. April 1992 stellte der Beklagte mit seinem Bescheid vom 3. Dezember 1992 für den Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
Am 2. Februar 2006 beantragte der Kläger beim Bezirksamt T als Straßenverkehrsbehörde, ihm eine Ausnahmegenehmigung für Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen zu erteilen. Das Bezirksamt T bat daraufhin den Beklagten um Stellungnahme dazu, ob der Kläger zu dem Personenkreis gehöre, dem eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne, und lehnte den Antrag mit seinem Bescheid vom 6. April 2006 ab, nachdem der Beklagte die an ihn gerichtete Frage verneint hatte. Diesen Bescheid ließ der Kläger bestandskräftig werden.
Am 20. Dezember 2006 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Verschlimmerung der bei ihm bestehenden Behinderungen bzw. das Hinzutreten neuer Behinderungen geltend und beantragte zugleich, ihm wegen seiner Behinderungen nunmehr u. a. auch das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen. Der Beklagte holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes für Orthopädie Dr. K sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie Dr. G ein und lehnte den Antrag des Klägers mit seinem Bescheid vom 26. April 2007 ab, weil sich eine wesentliche Verschlimmerung des bestehenden Leidenszustands nicht habe feststellen lassen.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens ließ der Beklagte den Kläger durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. H begutachten, der nach einer körperlichen Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 8. August 2007 zu dem Ergebnis kam: Bei dem Kläger bestünden eine Wackelsteife des rechten Hüftgelenks mit Beinverkürzung rechts und Muskelatrophie des rechten Beines, ein postthrombotisches Syndrom beider Beine sowie eine Funktionsstörung durch Fuß- und Zehenfehlform beiderseits, wofür ein Einzel-GdB von 60 anzusetzen sei. Daneben lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden L 2/L 3, L 3/L 4 sowie ein verheilter Wirbelbruch vor, wofür ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen sei. Der Gesamt-GdB betrage 70. Ferner lägen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), nicht jedoch für das Merkzeichen "aG" vor. Der Kläger gehöre aber zu einer Gruppe schwerbehinderter Menschen, denen auch ohne Zuerkennung des Merkzeichens "aG" Parkerleichterungen eingeräumt werden müssten. Denn soweit Parkerleichterungen u. a. auch solchen schwerbehinderten Menschen gewährt werden müssten, bei denen ein GdB von wenigstens 70 allein wegen der Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirkten) vorliege und bei denen gleichzeitig Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane mit einem GdB von wenigstens 50 bestünden sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuzuerkennen seien, seien diese Voraussetzungen im Fall des Klägers erfüllt.
Nach Auswertung dieses Gutachtens gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers mit seinem Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 insoweit statt, als er nunmehr einen GdB von 70 sowie (ergänzend zu dem seit 1992 zuerkannten Merkzeichen "G") das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" feststellte; hinsichtlich des Merkzeichens "aG" wies er den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 24. Oktober 2007 hat der Kläger "gegen den oben genannten Widerspruchsbescheid" Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und mit seinem am 29. Januar 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Januar 2008 zu ihrer Begründung ausgeführt: Die Klage werde auf die in dem Gutachten von Dr. H befürwortete Parkerleichterung für schwerbehinderte Menschen "eingegrenzt", denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt werden könne. Zur Erteilung dieser Parkerleichterung sei der Beklagte zu verurteilen.
Nachdem das Sozialgericht in seiner mündlichen Verhandlung vom 29. April 2008 darauf hingewiesen hatte, dass der vom Kläger verfolgte Anspruch bei der Straßenverkehrsbehörde geltend zu machen sei und über die Rechtmäßigkeit einer eventuellen Ablehnung das Verwaltungsgericht Berlin zu entscheiden habe, hat der Kläger seine Klage am 28. Mai 2008 zunächst dahingehend "erweitert", dass der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 zu verurteilen sei, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger sodann beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Er habe einen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Denn nach den versorgungsärztlichen Feststellungen von Dr. H in seinem Gutachten vom 8. August 2007 gehöre er zu den Personen, die den in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 der Straßenverkehrsordnung nur beispielhaft aufgeführten Vergleichsgruppen der Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten u. a. gleichzustellen seien.
Mit seinem Gerichtsbescheid vom 13. März 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Sie betreffe allein das Merkzeichen "aG", dessen Zuerkennung der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt habe. Diesen Bescheid könne der Kläger im hiesigen Verfahren nicht mehr mit Erfolg angreifen. Denn angesichts dessen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 28. Januar 2008 nicht mehr die Zuerkennung des Merkzeichens "aG", sondern nur noch die Gewährung einer Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beantragt habe, denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt worden sei, sei dieser Bescheid bestandskräftig geworden.
Gegen diesen ihm am 19. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. April 2009 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gerichtetes Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der mit ihr angegriffene Gerichtsbescheid ist zutreffend.
Wie das Sozialgericht mit Recht ausgeführt hat, ist die Klage unzulässig. Soweit der Kläger mit ihr zuletzt nur noch beantragt hat, den Beklagten zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen, hat er die in § 87 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelte Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 versäumt. Der Kläger hat zwar am 24. Oktober 2007 gegen den – das vorgenannte Begehren ablehnenden – Bescheid des Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 rechtzeitig Klage erhoben. Er hat diese Klage jedoch mit seinem am 29. Januar 2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Januar 2007 auf die in dem Gutachten von Dr. H befürwortete Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen "eingegrenzt", denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt werden könne. Diese Erklärung lässt sich nicht anders verstehen, als dass der Kläger – soweit dies zum Zeitpunkt der Klageerhebung überhaupt Streitgegenstand gewesen sein sollte – an seinem das Merkzeichen "aG" betreffenden Klagebegehren nicht mehr festhalten wollte. Sie stellt eine wirksame Prozesserklärung dar und ist für den Kläger bindend.
Soweit der Kläger mit seinem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Mai 2008 auf die vom Beklagten abgelehnte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" zurückgekommen ist, ändert dies an der Unzulässigkeit der diese Feststellung betreffenden Klage nichts. Die hierin liegende Klageänderung erweist sich zwar gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG als zulässig, weil sich der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 14. Juli 2008 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen. Die abgeänderte Klage ist jedoch verfristet, weil sie mehr als neun Monate nach der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 bei Gericht eingegangen ist.
Für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gemäß § 67 SGG ist im Fall des Klägers kein Raum. Denn der Kläger ist nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Dass ihm die genauen Einzelheiten des Ineinandergreifens von Schwerbehindertenrecht und Straßenverkehrsrecht nicht bekannt (gewesen) sind, rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nicht ersichtlich, dass das Sozialgericht ihm obliegende Beratungspflichten in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben könnte. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Klage mit seinem Schriftsatz vom 28. Januar 2008 auf die von Dr. H in seinem Gutachten vom 8. August 2007 befürwortete Parkerleichterung "eingegrenzt" hatte, war die Klagefrist hinsichtlich der auch heute noch begehrten Zuerkennung des Merkzeichens "aG" bereits abgelaufen, so dass eventuelle Hinweise des Gerichts auf die Zulässigkeit der Klage keinen Einfluss mehr hätten nehmen können. Dass das Gericht verpflichtet gewesen sein könnte, bei Eingang der Klage darauf hinzuweisen, dass zulässigerweise nur über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gestritten werden könne, ist nicht ersichtlich. Denn neben der Feststellung eines GdB von 70 betraf der Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 nur die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG", so dass das Gericht nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der dem Kläger ordnungsgemäß erteilten Rechtsbehelfsbelehrung davon ausgehen durfte, dass der Kläger sein Klagebegehren ausschließlich an der Bescheidlage orientieren werde.
Eine Entscheidung über das vom Kläger in der Sache verfolgte Begehren ist dem Senat damit verwehrt. Der Senat weist den Kläger jedoch erneut auf die Möglichkeit hin, beim Beklagten gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches einen Antrag auf Überprüfung des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 und/oder einen Neufeststellungsantrag zu stellen. Daneben sollte der Kläger beim Bezirksamt Tnochmals die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beantragen, denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt worden ist. Sollten die vorgenannten Behörden die an sie herangetragenen Begehren (erneut) ablehnen, könnte der Kläger nach Durchführung der jeweils erforderlichen Widerspruchsverfahren wiederum um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen, was hinsichtlich der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" beim Sozialgericht und hinsichtlich der Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beim Verwaltungsgericht zu geschehen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festzustellen sind.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger erlitt im August 1957 einen als Arbeitsunfall anerkannten Motorradunfall und war wegen der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen in der ehemaligen DDR als Schwerbeschädigter der Stufe II anerkannt. Auf seinen Antrag vom 28. April 1992 stellte der Beklagte mit seinem Bescheid vom 3. Dezember 1992 für den Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
Am 2. Februar 2006 beantragte der Kläger beim Bezirksamt T als Straßenverkehrsbehörde, ihm eine Ausnahmegenehmigung für Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen zu erteilen. Das Bezirksamt T bat daraufhin den Beklagten um Stellungnahme dazu, ob der Kläger zu dem Personenkreis gehöre, dem eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne, und lehnte den Antrag mit seinem Bescheid vom 6. April 2006 ab, nachdem der Beklagte die an ihn gerichtete Frage verneint hatte. Diesen Bescheid ließ der Kläger bestandskräftig werden.
Am 20. Dezember 2006 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Verschlimmerung der bei ihm bestehenden Behinderungen bzw. das Hinzutreten neuer Behinderungen geltend und beantragte zugleich, ihm wegen seiner Behinderungen nunmehr u. a. auch das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen. Der Beklagte holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes für Orthopädie Dr. K sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie Dr. G ein und lehnte den Antrag des Klägers mit seinem Bescheid vom 26. April 2007 ab, weil sich eine wesentliche Verschlimmerung des bestehenden Leidenszustands nicht habe feststellen lassen.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens ließ der Beklagte den Kläger durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. H begutachten, der nach einer körperlichen Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 8. August 2007 zu dem Ergebnis kam: Bei dem Kläger bestünden eine Wackelsteife des rechten Hüftgelenks mit Beinverkürzung rechts und Muskelatrophie des rechten Beines, ein postthrombotisches Syndrom beider Beine sowie eine Funktionsstörung durch Fuß- und Zehenfehlform beiderseits, wofür ein Einzel-GdB von 60 anzusetzen sei. Daneben lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden L 2/L 3, L 3/L 4 sowie ein verheilter Wirbelbruch vor, wofür ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen sei. Der Gesamt-GdB betrage 70. Ferner lägen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), nicht jedoch für das Merkzeichen "aG" vor. Der Kläger gehöre aber zu einer Gruppe schwerbehinderter Menschen, denen auch ohne Zuerkennung des Merkzeichens "aG" Parkerleichterungen eingeräumt werden müssten. Denn soweit Parkerleichterungen u. a. auch solchen schwerbehinderten Menschen gewährt werden müssten, bei denen ein GdB von wenigstens 70 allein wegen der Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirkten) vorliege und bei denen gleichzeitig Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane mit einem GdB von wenigstens 50 bestünden sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuzuerkennen seien, seien diese Voraussetzungen im Fall des Klägers erfüllt.
Nach Auswertung dieses Gutachtens gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers mit seinem Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 insoweit statt, als er nunmehr einen GdB von 70 sowie (ergänzend zu dem seit 1992 zuerkannten Merkzeichen "G") das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" feststellte; hinsichtlich des Merkzeichens "aG" wies er den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 24. Oktober 2007 hat der Kläger "gegen den oben genannten Widerspruchsbescheid" Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und mit seinem am 29. Januar 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Januar 2008 zu ihrer Begründung ausgeführt: Die Klage werde auf die in dem Gutachten von Dr. H befürwortete Parkerleichterung für schwerbehinderte Menschen "eingegrenzt", denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt werden könne. Zur Erteilung dieser Parkerleichterung sei der Beklagte zu verurteilen.
Nachdem das Sozialgericht in seiner mündlichen Verhandlung vom 29. April 2008 darauf hingewiesen hatte, dass der vom Kläger verfolgte Anspruch bei der Straßenverkehrsbehörde geltend zu machen sei und über die Rechtmäßigkeit einer eventuellen Ablehnung das Verwaltungsgericht Berlin zu entscheiden habe, hat der Kläger seine Klage am 28. Mai 2008 zunächst dahingehend "erweitert", dass der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 zu verurteilen sei, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger sodann beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Er habe einen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Denn nach den versorgungsärztlichen Feststellungen von Dr. H in seinem Gutachten vom 8. August 2007 gehöre er zu den Personen, die den in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 der Straßenverkehrsordnung nur beispielhaft aufgeführten Vergleichsgruppen der Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten u. a. gleichzustellen seien.
Mit seinem Gerichtsbescheid vom 13. März 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Sie betreffe allein das Merkzeichen "aG", dessen Zuerkennung der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt habe. Diesen Bescheid könne der Kläger im hiesigen Verfahren nicht mehr mit Erfolg angreifen. Denn angesichts dessen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 28. Januar 2008 nicht mehr die Zuerkennung des Merkzeichens "aG", sondern nur noch die Gewährung einer Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beantragt habe, denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt worden sei, sei dieser Bescheid bestandskräftig geworden.
Gegen diesen ihm am 19. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. April 2009 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gerichtetes Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der mit ihr angegriffene Gerichtsbescheid ist zutreffend.
Wie das Sozialgericht mit Recht ausgeführt hat, ist die Klage unzulässig. Soweit der Kläger mit ihr zuletzt nur noch beantragt hat, den Beklagten zu verpflichten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen, hat er die in § 87 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelte Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 versäumt. Der Kläger hat zwar am 24. Oktober 2007 gegen den – das vorgenannte Begehren ablehnenden – Bescheid des Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 rechtzeitig Klage erhoben. Er hat diese Klage jedoch mit seinem am 29. Januar 2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Januar 2007 auf die in dem Gutachten von Dr. H befürwortete Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen "eingegrenzt", denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt werden könne. Diese Erklärung lässt sich nicht anders verstehen, als dass der Kläger – soweit dies zum Zeitpunkt der Klageerhebung überhaupt Streitgegenstand gewesen sein sollte – an seinem das Merkzeichen "aG" betreffenden Klagebegehren nicht mehr festhalten wollte. Sie stellt eine wirksame Prozesserklärung dar und ist für den Kläger bindend.
Soweit der Kläger mit seinem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Mai 2008 auf die vom Beklagten abgelehnte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" zurückgekommen ist, ändert dies an der Unzulässigkeit der diese Feststellung betreffenden Klage nichts. Die hierin liegende Klageänderung erweist sich zwar gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG als zulässig, weil sich der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 14. Juli 2008 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen. Die abgeänderte Klage ist jedoch verfristet, weil sie mehr als neun Monate nach der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 bei Gericht eingegangen ist.
Für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gemäß § 67 SGG ist im Fall des Klägers kein Raum. Denn der Kläger ist nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Dass ihm die genauen Einzelheiten des Ineinandergreifens von Schwerbehindertenrecht und Straßenverkehrsrecht nicht bekannt (gewesen) sind, rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nicht ersichtlich, dass das Sozialgericht ihm obliegende Beratungspflichten in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben könnte. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Klage mit seinem Schriftsatz vom 28. Januar 2008 auf die von Dr. H in seinem Gutachten vom 8. August 2007 befürwortete Parkerleichterung "eingegrenzt" hatte, war die Klagefrist hinsichtlich der auch heute noch begehrten Zuerkennung des Merkzeichens "aG" bereits abgelaufen, so dass eventuelle Hinweise des Gerichts auf die Zulässigkeit der Klage keinen Einfluss mehr hätten nehmen können. Dass das Gericht verpflichtet gewesen sein könnte, bei Eingang der Klage darauf hinzuweisen, dass zulässigerweise nur über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gestritten werden könne, ist nicht ersichtlich. Denn neben der Feststellung eines GdB von 70 betraf der Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 nur die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG", so dass das Gericht nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der dem Kläger ordnungsgemäß erteilten Rechtsbehelfsbelehrung davon ausgehen durfte, dass der Kläger sein Klagebegehren ausschließlich an der Bescheidlage orientieren werde.
Eine Entscheidung über das vom Kläger in der Sache verfolgte Begehren ist dem Senat damit verwehrt. Der Senat weist den Kläger jedoch erneut auf die Möglichkeit hin, beim Beklagten gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches einen Antrag auf Überprüfung des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 und/oder einen Neufeststellungsantrag zu stellen. Daneben sollte der Kläger beim Bezirksamt Tnochmals die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beantragen, denen das Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt worden ist. Sollten die vorgenannten Behörden die an sie herangetragenen Begehren (erneut) ablehnen, könnte der Kläger nach Durchführung der jeweils erforderlichen Widerspruchsverfahren wiederum um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen, was hinsichtlich der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" beim Sozialgericht und hinsichtlich der Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen beim Verwaltungsgericht zu geschehen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
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