L 3 R 207/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 5513/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 207/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1949 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1971 in der Bundesrepublik und verrichtete hier durchgehend ungelernte Tätigkeiten. Seit dem 01. Januar 2009 bezieht sie eine Altersrente. Einen ersten am 14. September 1999 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2000 ab. Grundlage der Entscheidung waren Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. G vom 25. Oktober 1999, der Chirurgin Dipl.-Med. B vom 07. Februar 2000 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. S vom 29. Februar 2000, die der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten bescheinigten. In dem sich daran anschließenden Klageverfahren bei dem Sozialgericht Berlin – S 31 RJ 643/00 – wurden weitere medizinische Begutachtungen veranlasst, die am 25. Juni 2001 durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G nebst ergänzender Stellungnahme vom 30. Januar 2002 und durch den Praktischen Arzt, Chirurgen und Arbeitsmediziner Dr. R am 15. Mai 2002 durchgeführt wurden. Auch sie hielten die Klägerin für fähig, noch zumindest leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Das Sozialgericht wies daraufhin die Klage durch Urteil vom 11. November 2002 ab. Die dagegen bei dem Landessozialgericht Berlin - L 8 RJ 2/03 - eingelegte Berufung wurde durch Urteil vom 25. März 2004 zurückgewiesen, nachdem die auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Neurologin und Psychiaterin Dr. S-O in ihrem Gutachten vom 28. Oktober 2003 der Klägerin ebenfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt hatte.

Einen zweiten am 18. April 2005 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung begründete die Klägerin mit seit 1999 bestehendem Asthma sowie Schmerzen in den Knochen und Gelenken, einem Halswirbelsäulen(HWS)- und Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom, einer Allergie, Depressionen, Migräne und Varizen. Die Klägerin bezog sich im Weiteren auf ärztliche Atteste der Allgemeinmedizinerin H vom 12. Februar 2005, des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr. F vom 08. März 2005, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P vom 15. März 2005 sowie der Orthopäden Dres. M, D und F vom 24. März 2005. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung, die am 24. Mai 2005 durch den Facharzt für Allgemeinmedizin – Sportmedizin – Dr. M durchgeführt wurde. Dieser stellte bei der Klägerin ein LWS-Syndrom mit deutlicher Funktionseinschränkung, eine Periarthritis humero scapularis mit mittlerer Funktionseinschränkung, eine Gonarthrose beider Kniegelenke mit leichter Funktionseinschränkung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COLD), medikamentös voll kompensiert, den Verdacht auf eine Dranginkontinenz (URGE) sowie den Verdacht auf ein depressives Syndrom bei Fibromyalgiesyndrom fest. Sie sei noch in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Wegefähigkeit der Klägerin, die den Führerschein besitze, sei nicht eingeschränkt. Nach Auswertung des Gutachtens durch den prüfärztlichen Dienst lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14. Juni 2005 ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs, mit dem die Klägerin geltend machte, sie sei nicht mehr in der Lage, eine Erwerbstätigkeit für mehr als zwei Stunden täglich auszuüben, bezog sie sich erneut auf Atteste von der Allgemeinmedizinerin H vom 23. Juli 2005, der Orthopäden Dres. M u. a. vom 01. August 2005 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. P vom 02. August 2005. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Facharzt für Chirurgie, Sozialmedizin, Dipl.-Med. P mit der weiteren Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. In seinem am 13. September 2005 erstellten Gutachten diagnostizierte Dipl. Med. P ein pseudoradikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom, eine Omalgie rechts bei Periarthropathie, eine Cervicalgie mit wiederkehrender Brachialgie rechts, eine Belastungsgonalgie links bei Chondropathie, eine Unterschenkelvaricosis beidseits und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten, das Gangbild nicht auffällig verändert. Bei der durchgeführten körperlichen Untersuchung habe eine auffällige Diskrepanz zwischen der Beschwerdeschilderung im Vergleich zu den radiologisch dokumentierten und objektivierbaren Funktionseinschränkungen bestanden. Zusätzlich habe sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der im Untersuchungsgang demonstrierten Funktionalität des Achsorgans und der rumpfnahen Körpergelenke im Vergleich zu den Möglichkeiten beim spontanen Gebrauch gezeigt. Die Hinfälligkeit habe im Untersuchungsverlauf dramatisch zugenommen, bei erkennbarer Steigerung einer psychischen Erregbarkeit seien Hyperventilationen und Angstzustände aufgetreten. Die am Untersuchungstag getragenen orthopädischen Hilfsmittel (Lumbotrain, Genutrain für links) seien neu gewesen und hätten keine Gebrauchsspuren gezeigt. Anschließend veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Psychiater G, der in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2005 feststellte, die Klägerin leide an einer mittelgradigen depressiven Störung und einer somatoformen Schmerzstörung bei chronifizierten Lendenwirbelsäulenbeschwerden. Die Klägerin, die sich in kontinuierlicher nervenärztlicher Behandlung befinde, erhalte derzeit keine suffiziente antidepressive Medikation. Das verordnete Medikament Amitriptylin diene allenfalls zur Schlafinduktion. Sie sei noch fähig, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei krankheitsbedingt außerstande, selbst leichte Frauenarbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen unter betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Ihr fehle wegen der vielfältigen zusätzlichen qualitativen Einschränkungen ihres Leistungsvermögens außerdem die Fähigkeit, eine Arbeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsfelds zu verrichten. Sie gehöre deshalb zum Personenkreis derjenigen Versicherten, bei denen bereits eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zur vollen Erwerbsminderung führe. Im Weiteren hat sie sich auf Atteste von Dr. F vom 29. November 2005, dem Urologen Dr. H vom 09. Dezember 2005 sowie von Dr. P vom 30. November 2005 bezogen. Außerdem hat sie den Widerspruchsbescheid des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin vom 10. Januar 2006 vorgelegt, mit dem ihr unter Abhilfe ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18. Juli 2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuerkannt worden ist.

Durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten bezogen. Die von der Klägerin eingereichten Atteste ihrer behandelnden Ärzte seien nicht geeignet, die Ergebnisse der Begutachtungen in Frage zu stellen. Der Lungenarzt Dr. F beschreibe selbst, dass es bei Einhaltung bestimmter Faktoren bei der Klägerin zu einer guten Atmung komme und Probleme erst unter Einfluss von Rauch usw. bei starker körperlicher Belastung oder Atemwegsinfektionen aufträten. Damit werde eine leichte körperliche Arbeit vorwiegend im Sitzen bei Beachtung der aufgezeigten Risikofaktoren gerade nicht ausgeschlossen. Eine Aussage zur Leistungsfähigkeit enthalte das Attest der Dr. P nicht. Ihre Diagnose stimme mit der des Gutachters im Widerspruchsverfahren und im Übrigen auch mit den Feststellungen der von der Klägerin im vorhergehenden Gerichtsverfahren selbst nach § 109 SGG bestimmten nervenärztlichen Gutachterin Dr. S-O überein. Die Gutachter hätten übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass und warum die Klägerin trotz ihrer psychischen Erkrankung noch leistungsfähig für leichte Tätigkeiten sei. Außergewöhnliche Umstände, die dennoch für eine Rentengewährung sprechen könnten, etwa eine Summierung ungewöhnlicher oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung, seien nicht erkennbar. Der Klägerin stehe deshalb eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe nicht, weil sich die Klägerin aufgrund ihrer fehlenden beruflichen Qualifikation auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisen lassen müsse. Hierfür bestehe jedoch noch eine ausreichende Leistungsfähigkeit.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, das Sozialgericht habe den medizinischen Sachverhalt nicht aufgeklärt. Es habe keine Befundberichte eingeholt, geschweige denn ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Vielmehr habe es auf die inzwischen veralteten ärztlichen Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren zurückgegriffen. Wie sich aus den fachärztlichen Attesten vom 29. und 30. November 2005 ergebe, sei sie infolge der bei ihr bestehenden Multimorbidität und Progredienz der Beschwerden nicht mehr fähig, regelmäßig und unter betriebsüblichen Bedingungen noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Frauenarbeiten zu verrichten. Sie habe nicht einmal mehr eine schlechte, sondern nur noch eine rein theoretische Chance, ihre Restleistungsfähigkeit wirtschaftlich zu verwerten. Es bestehe daher volle Erwerbsminderung.

Der Senat hat einen Versicherungsverlauf der Klägerin beigezogen, aus dem sich eine letzte Berufstätigkeit im Oktober 1994 ergibt. Seitdem bezieht die Klägerin Sozialleistungen.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ist der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F mit ihrer Begutachtung beauftragt worden. Dr. F hat in seinem Gutachten vom 27. Dezember 2007 (Untersuchungen am 25. und 28. September 2007 mit Dolmetscherin) auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt:

1. depressive gegenwärtig mittelgradige Episode, chronifiziert mit Angst und ausgeprägter Somatisierung sowie hypochondrischen Verhaltensweisen 2. generalisierte Angsterkrankung 3. dissoziative Störung 4. chronische Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen 5. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 6. Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerz 7. Carpaltunnelsyndrom beidseits.

Die Klägerin könne nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten. Die Arbeiten müssten einen Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen beinhalten, 75 % im Sitzen, der Rest zur Hälfte Gehen und Stehen. Arbeiten in geschlossenen Räumen seien möglich, im Freien dagegen nicht. Ausgeschlossen seien Arbeiten unter Zeitdruck, mit Wechsel- und Nachtschicht, in Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, auch zeitweilig auf Regalleitern, an laufenden Maschinen, bei Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen, Nässe, Lärm und Hautreizstoffen sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Arbeiten, die die Gebrauchsfertigkeit beider Hände erforderten, seien jedoch möglich. Es bestünden deutliche Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens durch die "psychischen" Diagnosen Depressivität, Angst gemischt sowie Angsterkrankung. Es seien kognitive Störungen entstanden (auch Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung), die die Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit deutlich beeinträchtigten. Es sei der Klägerin möglich, innerhalb von 20 Minuten viermal täglich ohne körperliche Anstrengung und Schmerzen eine Gehstrecke von mehr als 500 m zurückzulegen, sie sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Sie sei zum Zeitpunkt der Begutachtung jedoch nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu steuern. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Gutachtens könne die Klägerin nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie sei unter den angegebenen Einschränkungen nur noch in der Lage, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Sie könne im Rahmen der genannten Einschränkungen noch an fünf Tagen in der Woche regelmäßig arbeiten, jedoch nicht mit den betriebsüblichen Pausen. Durch die Schmerz-, die Zwangs- und Angstzustände sei jederzeit eine Unterbrechung nötig. Voraussichtlich seien wenigstens 15 bis 20 Minuten Pause notwendig. Aufgrund des komplexen Krankheitssyndroms seien häufige und längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu erwarten. Die einzelnen Gesundheitsstörungen, die zur Minderung des Leistungsvermögens geführt hätten, bestünden seit dem Tag der Antragstellung am 18. April 2005. Er, der Sachverständige, weiche nur unwesentlich von den Diagnosen und Bewertungen der bisherigen Gutachter ab. Inzwischen sei ein weiterer Zeitraum vergangen. Der klinische Zustand sei charakterisiert durch Progredienz und zunehmende Therapieresistenz. Der Begutachtungszeitraum habe in zwei Sitzungen erfolgen müssen. Somit habe eine lange Beobachtung des Verhaltens der Klägerin vorgelegen. Die Besonderheiten des Gutachtens bestünden in der Analyse der Komplexität des Krankheitssyndroms. Hier gelte es vor allem, die frühen eingefrorenen Affekte und Emotionen, die nicht hätten zugelassen werden können, aufzudecken und zu analysieren sowie die Sublimation und Transformation in körperliche Beschwerden zu erklären. An dieser Stelle solle daran erinnert werden, dass es für die fest eingebrannten Emotions- und Schmerzzustände keine Löschtaste gebe. Es müsse zurückgelernt werden. Das Wichtigste bei der Therapie des chronischen Schmerzes sei die Verhaltensanalyse.

Die Beklagte hat dem Ergebnis der Begutachtung nicht zu folgen vermocht und hat sich auf eine Stellungnahme des Psychiaters G vom 16. Januar 2008 bezogen. Der Arzt hat u. a. darauf hingewiesen, dass die Testverfahren mit Hilfe einer Dolmetscherin nicht statthaft seien. Sie verfälschten durch eine zweimalige Übersetzung das Ergebnis. Subjektive Beschwerdeskalen seien ebenfalls nicht validiert und könnten vom Versicherten selbst hin zum Beschwerdepol verschoben werden. Insgesamt hätten die Testungen keinen Beweischarakter. Eine Verschlechterung zu den Vorgutachten habe nicht überzeugt belegt werden können.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 2008 ist Dr. F bei seiner Auffassung verblieben. Dazu hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme vorgelegt, die am 19. September 2008 von der Fachärztin für Nervenheilkunde W erstellt worden ist.

Der Senat hat einen Befundbericht von Dr. P vom 22. Oktober 2008 über den Behandlungszeitraum ab Januar 2007 eingeholt. Hier ergeben sich Konsultationen am 08. Februar, 27. März, 21. Mai und 16. November 2007 sowie am 10. April, 05. Juni und 16. Oktober 2008. Es werden als Diagnosen eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Kopfschmerzen vom Spannungstyp, Insomnie multifaktorieller Genese und nicht weiter ausgeführte internistische und orthopädische Leiden gestellt. Die Behandlung erfolge mit Citalopram 20 mg und Amitriptylin 50 mg. Auch dazu hat die Beklagte eine Stellungnahme der Nervenärztin W vom 06. November 2008 vorgelegt.

Nach Beiziehung der Patientenkartei ab 2005 von Dr. P hat der Senat von Amts wegen ein Gutachten von dem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B veranlasst. Dieser ist in seinem Gutachten vom 06. März 2009 unter Berücksichtung eines nachgereichten Attests des Orthopäden Dr. Z vom 02. Februar 2009 und eines Befunds einer Knochendichtemessung am 17. März 2009 zu der abschließenden Beurteilung gelangt, die Klägerin leide an einer Dysthymia mit symptomatischem Ausdruck in ärgerlicher Verstimmung, reizbarer Schwäche und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einem möglicherweise durch Schmerzmittel unterhaltenem Spannungskopfschmerz. Das Übergewicht in Verbindung mit Bewegungsmangel führe zu statodynamischer Insuffizienz der Rumpfmuskulatur und einer Inaktivitätsosteoporose, außerdem sei von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule auszugehen. Neu sei eine Ellenbogenfraktur des Radiusköpfchens im Dezember 2008. Die Klägerin könne, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch leichte Arbeiten unter geschützten Witterungsbedingungen verrichten. Sie könne diese Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen verrichten, ein Wechsel der Haltungsarten sei ergonomisch günstig, ohne als definierte Bedingung formuliert werden zu können. Arbeiten in gebeugter oder kniender Haltung oder Überkopfarbeiten seien zu meiden. Nicht mehr zu leisten seien besonders stressbelastete Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord und maschinengetaktet am Fließband. Ein sonst betriebsüblicher Arbeitsrhythmus sei leistbar. Arbeit in Nachtschicht solle ausgeschlossen werden, möglich sei jedoch Arbeit in Wechselschicht. Außerdem seien Arbeiten auf hohen Leitern und Gerüsten zu meiden. Leicht eingeschränkt sei die Fingergeschicklichkeit rechts. Die eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Extremitäten sei durch die Gewichtsbegrenzung und den Ausschluss einseitiger körperlicher Belastungen angemessen berücksichtigt. Für Arbeiten am Computer sei die Stressbelastung limitierend. In der Ausübung geistiger Tätigkeiten sei die Klägerin unter Berücksichtigung ihres Ausbildungsniveaus nicht beschränkt. Die Wegefähigkeit sei ebenfalls nicht eingeschränkt, die übliche Pausenregelung reiche aus. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien reiche das verbliebene Leistungsvermögen noch für die volle übliche Arbeitszeit von täglich mindestens sechs Stunden aus. Die von Dr. P mittelgradig ausgeprägt gesehene depressive Störung sei jetzt nicht nachzuvollziehen. Dementsprechend sei auch die antidepressive Medikation abgesetzt worden. Dem Gutachten des Dr. F könne nicht gefolgt werden. Der von ihm erhobene psychische Befund sei mit der in eigener Untersuchung gesehenen Klägerin nicht vereinbar. Es falle auf, dass der psychische Befund nicht immer den Befund von psychodynamischen Hypothesen trenne. Die Beschreibung der im strukturierten Interview gewonnenen Hamilton-Angstskala werde übertrieben, wenn die ängstliche Stimmung sehr stark ausgeprägt sei, wenn die Stimmung sehr stark belastend sei, wenn Furcht sehr belastend und stark ausgeprägt erlebt werde, die Schlaflosigkeit sehr stark belastend und stark ausgeprägt sei und wenn kardiovaskuläre Symptome als sehr stark und belastend usw. dargestellt würden. So werde die Technik des strukturierten Interviews zum Stichwortgeber für abgerundete Syndrome. Was sich sonst in den eingesetzten Fragebögen finde, sei für die gutachterlichen Untersuchungen nicht validiert und bzgl. des verwendeten elektronischen Schmerzfragebogens in der therapeutischen Praxis fragwürdig. So nehme es nicht Wunder, dass auch das gutachterliche Ergebnis standardisiert erscheine. Eine chronische Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen festzustellen sei – die sozialmedizinische Dimension mitberücksichtigend – fast gleichbedeutend mit anhaltendem Schmerzbeklagen im sozialrechtlichen Verfahren. Die Diagnosen fänden sich zudem nicht klassifiziert. Wenn sich die Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerz der Falsifikation entziehe, finde sich in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme dazu das Stichwort des "Unbewussten". Mit dieser Argumentation sei das Gutachten endgültig der Diskussion enthoben, der Sozialgerichtsbarkeit und dem Anliegen einer Plausibilitätskontrolle im Übrigen auch.

Schlussendlich hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. F vom 21. September 2009 eingeholt, in der er sich mit den Feststellungen des Dr. B und den Stellungnahmen der Beklagten auseinandergesetzt hat. Im Ergebnis ist er bei seiner Auffassung verblieben.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme der Berufung im Übrigen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie unter Rücknahme der Berufung im Übrigen nur noch eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Beginn der Altersrente begehrt, ist zulässig aber unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den hier nur noch streitigen Zeitraum vom 01. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008.

Der geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach Auswertung der im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten auf allgemeinmedizinischem, orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet durch Dr. M vom 24. Mai 2005, Dipl.-Med. P vom 13. September 2005, Herrn G vom 17. Oktober 2005 und Dr. B vom 06. März 2009 ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist.

Nach den gutachterlichen Feststellungen leidet die Klägerin auf internistischem Fachgebiet an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, die allerdings medikamentös voll kompensiert ist. Aufgrund dieser Erkrankung sind Arbeiten mit inhalativen Belastungen ausgeschlossen. Außerdem ist der Verdacht auf eine Dranginkontinenz geäußert worden, der von dem behandelnden Urologen Dr. H in seinem Attest vom 09. Dezember 2005 bestätigt worden ist. Gründe, die eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens wegen der genannten Erkrankungen rechtfertigen könnten, vermag der Senat in Übereinstimmung mit den Gutachtern nicht zu erkennen.

Auf orthopädisch-chirurgischem Gebiet bestehen ein pseudoradikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom, eine Omalgie rechts bei Periarthropathie, eine Cervicalgie mit wiederkehrender Brachialgie rechts, eine Belastungsgonalgie links bei Chondropathie sowie eine Unterschenkelvaricosis beidseits. Wesentliche quantitative Einschränkungen, die die Anforderungen an eine leichte körperliche Arbeit übersteigen, resultieren aus diesen Krankheiten jedoch nicht, wie der Gutachter Dipl.-Med. P im Einzelnen ausgeführt hat. Die nach der Neutral-Null-Methode gemessenen und objektivierten Funktionseinschränkungen im Stütz- und Bewegungsapparat sind als eher mäßiggradig einzuschätzen. Sie sind also nicht so schwerwiegend, als ihnen nicht eine zumindest leichte Arbeit – nach Dipl.-Med. P sogar mittelschwere Arbeit - überwiegend im Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen und unter Ausschluss von Arbeiten im Knien, Hocken und Überkopf, mit Vibrationen sowie in Rumpfzwangshaltung gerecht wird. Es kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Gutachter – und später auch Dr. B - deutliche Anzeichen für eine Aggravation bei der Klägerin feststellen musste. Es bestand nicht nur eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Beschwerdeschilderung und den radiologisch dokumentierten Befunden und den objektivierbaren Funktionseinschränkungen, sondern auch eine Diskrepanz zwischen der im Untersuchungsgang demonstrierten Funktionalität des Achsorgans und der rumpfnahen Körpergelenke und den Möglichkeiten im spontanen Gebrauch. Die Schlussfolgerung des Gutachters, die Klägerin könne bei Beachtung der quantitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten, ist deshalb nicht zu beanstanden. Auch sind keine Gründe erkennbar, die eine Einschränkung der Wegefähigkeit oder eine unübliche Pausenregelung erforderten. Zwar hat sich die Klägerin im Laufe des Verfahrens im Dezember 2008 bei einem Sturz eine Radiusköpfchenfraktur rechts zugezogen, die operativ behandelt worden ist. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige Dr. B bei seiner orientierenden körperlichen Untersuchung am 06. März 2009, bei der die Klägerin deutlich gegen gespannt hat, außer einer endgradigen Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogen und einer Minderung des kraftvollen Zugriffs der rechten Hand, was einer intensiven krankengymnastischen Beübung bedarf, keinen pathologischen Befund erhoben. Mittlerweile ist bei der Klägerin auch eine manifeste Osteoporose festgestellt worden. Deren Werte liegen ausweislich des Berichts des Radiologen Dr. B vom 17. März 2009 jedoch deutlich unterhalb der Frakturschwelle und sind deshalb bei der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens nicht zu berücksichtigen.

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liegen ebenfalls keine das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin einschränkenden Gesundheitsstörungen vor. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B, leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des V Klinikum A U, vom 06. März 2009. Dieser hat bei der Klägerin keinen pathologischen neurologischen Befund erheben können. Er hat aber eine Dysthymia mit somatischem Ausdruck in ärgerlicher Verstimmung, reizbarer Schwäche und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie einen Spannungskopfschmerz festgestellt. Zwar weicht Dr. B damit von der Diagnose einer mittelgradigen Depression, wie sie von dem im Verwaltungsverfahren begutachtenden Psychiater G und der behandelnden Psychiaterin Dr. P und auch der im ersten Gerichtsverfahren bei dem LSG Berlin (L 8 RJ 2/03) begutachtenden Psychiaterin Dr.in ihrem Gutachten vom 28. Oktober 2003 gestellt worden ist, ab. Der Sachverständige hat dies jedoch nachvollziehbar damit begründet, dass bereits aufgrund des deutlich demonstrativen Verhaltens der Klägerin ein tiefgreifendes depressives Syndrom nicht sicher zu befunden sei. Auch der psychische Befund rechtfertigt eine solche Einschätzung nicht. Die Schwingungsfähigkeit der Klägerin ist nicht eingeschränkt und der Antrieb nicht reduziert gewesen, eine Hemmung des Denkens oder psychomotorische Entäußerungen sind nicht zur Beobachtung gekommen. Soweit Momente der Resignation und Verstimmung zu beobachten waren, rechtfertigt dies nicht die Bewertung als mittelgradige Depression. Selbstvorwürflichkeit war nicht festzustellen und Angst ist von der Klägerin kaum beklagt worden. Die Klägerin ist in der Begutachtungssituation konzentriert, wach und orientiert, das Denken nicht weitschweifig sondern zielgerichtet gewesen, Wahrnehmungsstörungen hat der Sachverständige nicht beobachten können. Er beschreibt anschaulich, dass sich die Klägerin im ritualisierten Ehekonflikt mit der größeren Sturheit und großer Erregung nicht schlecht gegen ihren strengen Ehemann durchzusetzen weiß. Letztlich weist er darauf hin, dass die von der Klägerin in Anspruch genommene Behandlung sich nicht mit der Diagnose einer mittelgradigen Depression in Einklang bringen lässt. Denn sie sucht Dr. P eher selten auf (sieben Behandlungstermine in dem Zeitraum vom 18. November 2006 bis zum 16. Oktober 2008). Wie die Auszüge aus der beigezogenen Patientenkartei zeigen, findet keine regelmäßige Gesprächstherapie und auch keine Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie statt. Angesichts der Sprachschwierigkeiten hätte auch die Konsultation eines muttersprachlichen Psychiaters nahegelegen, entsprechende Bemühungen der Klägerin sind aber nicht ersichtlich. Die Klägerin klagt im Wesentlichen über somatische Beschwerden und die ohnehin nur leicht dosierte antidepressive Medikation ist von ihr in der Medikamentenanamnese nicht mehr angegeben worden. Letztlich ist die getroffene Diagnose aber nicht entscheidend, sondern die objektivierten Funktionseinschränkungen. Hier hat der gerichtliche Sachverständige – auch unter Berücksichtigung des geschilderten Tagesablaufs, der eine in der Familie integrierte Persönlichkeit zeigt, die Freundinnen hat und den Haushalt weitestgehend versorgt – keine Einschränkungen finden können, die die Annahme eines quantitativ aufgehobenen Leistungsvermögen rechtfertigen könnten. Die Klägerin ist insbesondere in der Ausübung geistiger Tätigkeiten unter Berücksichtigung ihres Ausbildungsniveaus nicht beschränkt. Krankhafte Einschränkungen der sensorischen, kognitiven und sozialkommunikativen Leistungsmerkmale sind nicht zu eruieren gewesen. Letztlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl der Gutachter G als auch Dr. trotz der Diagnose einer mittelgradigen Depression die Klägerin für fähig gehalten haben, täglich vollschichtig zu arbeiten.

Die Klägerin kann ihre Berufung auch nicht erfolgreich auf das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. F vom 27. Dezember 2007 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 22. August 2008 und 21. September 2009 stützen. Dieser hat eine Depression, gegenwärtig mittelgradige Episode, chronifiziert mit Angst und ausgeprägter Somatisierung sowie hypochondrischen Verhaltensweisen, eine generalisierte Angsterkrankung, eine dissoziative Störung, eine chronische Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerz sowie ein Carpaltunnelsyndrom beidseits diagnostiziert und die Klägerin nicht mehr für fähig gehalten, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Der Sachverständige datiert die von ihm für erforderlich gehaltene Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens erst auf die Zeit der Abfassung seines Gutachtens, der klinische Zustand sei charakterisiert durch Progredienz und zunehmende Therapieresistenz. Damit dürfte er seine Untersuchungen am 25. und 28. September 2007 gemeint haben. Eine entscheidende und auch erkennbare Verschlechterung des Leistungsvermögens seit seiner Begutachtung lässt sich dem Gutachten jedoch nicht nachvollziehbar entnehmen. Wie schon in Verfahren anderer Kläger, in denen Dr. F als Sachverständiger nach § 109 SGG tätig war, ist auch hier zu kritisieren, dass die Qualität und Aussagekraft seines Gutachtens durch eine Vermischung von Beklagen und Beschwerdevortrag, dem ärztlichen Befund und der Diagnosestellung gemindert wird. Aus dem Ergebnis der umfänglichen psychometrischen Tests leitet der Sachverständige unmittelbar Leistungseinschränkungen ab, obwohl die Testverfahren von der Mitarbeit der Rentenantragsteller maßgeblich abhängig sind. Der Senat hat bereits in vorhergehenden Verfahren, in denen der auch hier vertretende Klägerbevollmächtigte tätig war (Urteile vom 30. November 2006 – L 3 RJ 40/04 – und 27. Juli 2007 – L 3 RJ 101/04 -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de), unter Berufung auf Sachverständige entschieden, dass das Ergebnis der ausschließlich mitarbeitsabhängigen psychometrischen Tests zur Bestimmung des Leistungsvermögens eines Rentenantragstellers nur eingeschränkt verwertbar ist. Der Verwertbarkeit steht in einem Fall wie dem vorliegenden weiterhin entgegen, dass die psychometrischen Testverfahren für Westeuropäer entwickelt worden sind. Für Bevölkerungsgruppen wie Arbeitsimmigranten sind sie nicht normiert. Bei dieser Bevölkerungsgruppe handelt es sich um eine besondere Gruppe, die weder mit dem Testverfahren in Deutschland noch mit dem vorliegenden Testverfahren in der Heimat entsprechend sicher erfasst werden kann. Die Testverfahren sind in der Regel im Hinblick auf Begriffe wie Krankheit, Krankheitssymptome, Krankheitskonzepte speziell für die westliche Kultur normiert und daher nur bedingt auf andere kulturelle Verhältnisse übertragbar (vgl. auch Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, zitiert nach www.uni-duesseldorf.de/AWMF). Sie vermitteln daher, wie die Nervenärztin W in ihrer Stellungnahme vom 19. September 2008 treffend ausgeführt hat, nur eine Scheinobjektivität. Sie können jedenfalls eine sorgfältige Exploration und kritische Auseinandersetzung mit dem Testergebnis und dem Beschwerdevortrag des Probanden im Vergleich zu den eigenen erhobenen sowie den bereits vorliegenden Befunden und Gutachten nicht ersetzen. Daran fehlt es hier aber. Darauf hat Dr. B ausführlich und überzeugend hingewiesen. Dr. F hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. September 2009 die Zweifel an der Aussagekraft seines Gutachtens nicht beseitigen können. Sein entscheidendes Argument, er habe die Klägerin, ebenso wie die behandelnde Ärztin Dr. P, lange beobachten können, vermag angesichts der von der Klägerin gezeigten Aggravation, der unzureichenden Behandlung und des nahezu ungestörten Alltagslebens nicht zu überzeugen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass den übrigen Diagnosen kein entsprechender Befund zugrunde liegt. So setzt eine chronische Schmerzkrankheit im Stadium III nach Gerbershagen u. a. einen langjährigen Medikamentenmissbrauch, oft drei oder mehr Medikamentenentzugsbehandlungen, insbesondere von Narkotika, einen mehr als dreimaligen Wechsel des persönlichen Arztes, einen ziellosen Arzt- und Heilpraktikerbesuch, mehr als drei Krankenhausaufenthalte wegen der geklagten Schmerzen und mehr als zwei Rehabilitationsmaßnahmen voraus (vgl. Dr. Winfried Häuser, "Gibt es eine Schmerzkrankheit? - Medizinische und psychosoziale Charakteristika von Probanden mit chronischen Schmerzsyndromen in der Sozialgerichtsbarkeit" in Der medizinische Sachverständige 1998, S. 120 ff.). Dass ein solcher Schweregrad bei der Klägerin vorliegen soll, wird von Dr. F in keiner Weise begründet. Weiter ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Befunde er zu der Diagnose eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms gelangt. Es sind diesbezüglich keine entsprechenden Beschwerden von der Klägerin angegeben worden und auch kein entsprechender Befund von dem Sachverständigen erhoben worden mit Ausnahme eines unspezifischen Druck- und Klopfschmerzens, der von der Klägerin jedoch am gesamten Körper angegeben worden ist. Zusammenfassend ist das Gutachten des Dr. F in keiner Weise geeignet, ein zeitlich aufgehobenes Leistungsvermögen ab September 2008 zu begründen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved