Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 1142/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 209/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 09. Februar 2007 als Arbeitsunfall.
Der 1951 geborene Kläger verspürte am 09. Februar 2007 beim Anheben von Rohren im Rahmen seiner Beschäftigung als Montageschlosser einen stechenden Schmerz in der Lendenwirbelsäule, der bis in den linken Fuß einstrahlte. Ab dem 14. Februar 2007 bestand Arbeitsunfähigkeit. Durch spinales CT vom 18. April 2007 wurde ein linkslateraler Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 gesichert. Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen, unter anderem den Entlassungsbericht der Reha-Klinik H vom 07. August 2007 sowie einen Befundbericht des Hausarztes Dr. D vom 22. August 2007 bei.
Mit Bescheid vom 05. August 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 09. Februar 2007 als Arbeitsunfall ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten daher nicht erbracht werden. Bei dem Ereignis handele es sich nicht um einen Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn das bloße Anheben von Rohren sei nicht geeignet, eine gesunde Wirbelsäule derart zu schädigen, dass ein Bandscheibenvorfall eintrete. Eine isolierte Bandscheibenverletzung sei nur äußerst selten unfallbedingt. In der Regel brächen in Begleitung des Bandscheibenvorfalls zuerst Wirbelkörper oder Dornfortsätze oder es komme zur Zerreißung der Längsbänder. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06. November 2008 zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene und auf Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2009 zurückgewiesen. Bei dem Ereignis habe es sich nicht um ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt habe, gehandelt. Arbeitsübliche Handlungen, die mit einem zielgerichteten, vom Betroffenen selbst gewollten Bewegungsablauf einhergingen, fielen nicht unter den gesetzlich definierten Unfallbegriff. Dazu zählten das Heben und Tragen selbst schwerer Lasten, Arbeiten in gebeugter Haltung oder das Hochdrücken einer Last mit den Armen. Das so genannte Verheben, also der Schmerzanfall beim Anheben eines Gegenstandes aus gebückter Haltung, stelle eine arbeitsübliche Handlung dar, die nicht als traumatisches Ereignis anzusehen sei.
Der Gerichtsbescheid ist dem damals anwaltlich nicht vertretenen Kläger laut Postzustellungsurkunde am 03. Juni 2009 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04. Juni 2009, beim SG am 05. Juni 2009 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die anwaltliche Vertretung unter Einreichung einer Vollmacht des Klägers vom 04. Mai 2009 angezeigt.
Mit Schriftsatz vom 03. Juli 2009, beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) per Fax am 06. Juli 2009 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt. Das Original zum Fax ist ebenfalls am 06. Juli 2009 beim LSG eingegangen.
Nach Hinweis des Gerichts auf die Berufungsfrist trägt der Kläger vor, er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Einlegung der Berufung zu wahren. Ihm sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Berufungsfrist zu gewähren. Der Gerichtsbescheid habe am 04. Juni 2009 mit der übrigen Post als verschlossener Umschlag im Briefkasten der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gelegen. Daher sei davon ausgegangen worden, dass er durch die Post zugestellt worden sei und übersehen worden, dass der Gerichtsbescheid zuvor dem Kläger selber zugestellt worden sei. Demgemäß sei der Gerichtsbescheid durch die ausgebildete und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte Frau Z B mit dem Eingangsstempel 04. Juni 2009 gestempelt und mit der Vorfrist 29. Juni 2009 sowie der Endfrist 06. Juli 2009 versehen worden. Den Auftrag zur Einlegung der Berufung habe der Kläger bereits erteilt gehabt. Am 03. Juli 2009 habe die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten beschäftigte Rechtsanwältin G die Berufungsschrift gefertigt, wobei ihr lediglich der Gerichtsbescheid mit den notierten Fristen vorgelegen habe. Aufgrund des Eingangsstempels habe sich Frau G darauf verlassen, dass die Fristen ordnungsgemäß notiert worden seien. Da Ablauf der Berufungsfrist der 06. Juli 2009 gewesen sei, habe Frau G veranlasst, die Berufungsschrift am 06. Juli 2009 zu faxen. Gemäß ständiger Anweisung in der Kanzlei seien sämtliche Mitarbeiter beauftragt, jeweils zu überprüfen, ob die Schriftsätze an die Anwälte oder an die Betroffenen selbst adressiert seien. Sei die Post unmittelbar an die Kanzlei gesandt worden, versähen die Mitarbeiter die Post mit den entsprechenden Fristen. Sei ein Schriftsatz hingegen an die Mandanten selbst adressiert, sei der Schriftsatz mit Eingangsstempel zunächst dem Anwalt zur Fristprüfung und –bestimmung vorzulegen. Hierdurch sei sichergestellt, dass die Fristen stets richtig eingetragen würden. Dies sei am fraglichen Tag durch die Rechtsanwaltsfachangestellte B übersehen worden. Der Kläger legt eine eidesstattliche Versicherung der Frau B vom 29. Juli 2009 sowie eine Kopie des gestempelten Deckblatts des Gerichtsbescheides vom 18. Mai 2009 vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 09. Februar 2007 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 formgerecht eingelegte Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt hat (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger selber am 03. Juni 2009 im Wege der Ersatzzustellung durch Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 180 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) begann am 04. Juni 2009 (§ 64 Abs. 1 und 2 SGG) und endete mit Ablauf des 03. Juli 2009, einem Freitag (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG).
Die Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten ist jedoch erst am 06. Juli 2009 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim LSG eingegangen. Dem Gerichtsbescheid des SG war eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung beigefügt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden kann, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim LSG oder beim SG Berlin, deren Anschriften ebenfalls angegeben waren, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist.
Der angefochtene Gerichtsbescheid ist mit Ablauf der Berufungsfrist am 03. Juli 2009 rechtskräftig geworden, denn der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten; Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (Abs. 2 Satz 2).
Vorliegend hat der Kläger unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Frau B sinngemäß geltend gemacht, trotz Beschäftigung einer qualifizierten und zuverlässigen Fachangestellten zur Fristenbestimmung und –eintragung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten und trotz eindeutiger allgemeiner Anweisung zur Fristbestimmung sei hier versehentlich in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ein falsches Datum für den Ablauf der Berufungsfrist notiert worden.
Mit diesem Vorbringen kann er nicht gehört werden. Auch wenn den Kläger selbst an dem Überschreiten der Berufungsfrist kein Verschulden trifft, so hat er doch das Verschulden seines für ihn tätig gewordenen Bevollmächtigten zu vertreten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., Randnr. 3e zu § 67). Zwar dürfen Anwälte grundsätzlich einfachere Aufgaben, die mit der Prozessführung zusammenhängen, gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Angestellten übertragen. Dies betrifft auch die Berechnung und Überprüfung geläufiger Fristen, allerdings muss der Prozessbevollmächtigte in komplizierten Fällen die Fristberechnung auch selbst übernehmen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Randnr. 8b zu § 67). Verschuldet eine Hilfsperson wie eine Rechtsanwaltsfachangestellte das Fristversäumnis ist grundsätzlich eine Wiedereinsetzung möglich, sofern den oder die Bevollmächtigte weder ein Auswahl oder Überwachungsverschulden noch ein Organisationsverschulden trifft (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,a. a. O.).
Zwar durfte der Bevollmächtigte grundsätzlich die Berechnung der Berufungsfrist an eine Rechtsanwaltsfachangestellte delegieren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Randnr. 9 zu § 67 m. w. N.). Auch ist hier anhand des Vortrags davon auszugehen, dass es sich bei Frau B um eine ausgebildete, qualifizierte und zuverlässige Fachkraft handelt. Ebenso sind sachgerechte allgemeine Anweisungen für die Fristenbestimmung dargelegt worden.
Hier trifft jedoch die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigte des Klägers beschäftigte und kanzleiintern mit der Bearbeitung des Falles beauftragte Rechtsanwältin G selber das Verschulden für die Fristversäumnis, denn bei der Fertigung der Berufungsschrift am 03. Juli 2009 – also am Tag des Fristablaufs – lag der Rechtsanwältin Görtz zumindest der Gerichtsbescheid mit der von Frau B notierten Frist vor. An diesem Tag hätte sie die Berufungsschrift noch fristgemäß an das LSG faxen können. Anhand des Rubrums des Gerichtsbescheides, in welchem kein Prozessbevollmächtigter aufgeführt ist, war erkennbar, dass der Gerichtsbescheid dem Kläger selber und nicht der Kanzlei des Bevollmächtigten zugestellt worden sein musste. Andererseits ergab sich aus den Fristvermerken auf dem Deckblatt des Gerichtsbescheides nicht, dass eine Fristprüfung durch einen der Rechtsanwälte stattgefunden hatte, so dass Frau G als Rechtsanwältin gemäß der kanzleiinternen Organisationsanweisung die Berufungsfrist in diesem Moment nochmals hätte prüfen müssen. Sollte die Prüfung problematischer Fristen – also insbesondere im Falle der Zustellung an die Mandantschaft selber - durch die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten tätigen Rechtsanwälte derart organisiert sein, dass sich aus den Fristnotierungen regelmäßig nicht mehr erkennen lässt, ob Überprüfung durch einen Anwalt bzw. eine Anwältin tatsächlich stattgefunden hat, wäre hier jedenfalls von einem dem Kläger zurechenbaren Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten auszugehen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung auch in der Sache keinen Erfolg haben dürfte, denn es fehlt an einem Unfall i. S. v. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Zwar stellt auch das Anheben einer Last ein von außen wirkendes Ereignis dar, bei dem durch die Anspannung Kräfte auf die Wirbelsäule einwirken. Jedoch ist das Anheben auch einer schweren Last im Regelfall nicht geeignet, einen Bandscheibenvorfall zu verursachen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Anheben und dem Zerreißen der Bandscheibe ist nicht wahrscheinlich zu machen. Bei dem Kläger sind weder Verletzungen der knöchernen Strukturen der Wirbelsäule noch der Längsbänder oder anderer Weichteilstrukturen nachgewiesen. Laut dem CT vom 18. April 2007 besteht bei ihm vielmehr ein isolierter Bandscheibenvorfall. Die Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls an der Lendenwirbelsäule als Gesundheitserstschaden kommt aber nur dann ernsthaft in Betracht, wenn begleitende knöcherne oder ligamentäre Verletzungen vorliegen. Liegen derartige Begleitverletzungen wie hier nicht vor, kann ein äußeres Ereignis einen Bandscheibenvorfall nur herbeiführen, wenn eine gravierende Schadensanlage vorliegt, d. h. eine fortgeschrittene Zermürbung des Faserrings der Bandscheibe. Nur dann führt das Ereignis zu einem Zerreißen der letzten Fasern und zu einem Manifestwerden des Vorfalls. Hierbei lässt sich das Lastanheben mit einem mehr oder minder großen Tropfen vergleichen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da der unfallunabhängige Prozess, welcher primär zu der fortgeschrittenen Zermürbung des Faserrings geführt hat, seinem Wesen nach fortschreitend ist, ist das Ereignis des Lastanhebens als Ursache des Bandscheibenvorfalls unwesentlich. In absehbarer Zeit wäre der Bandscheibenvorfall auch unter den Bedingungen des alltäglichen Lebens zu erwarten gewesen (vgl. hierzu z. B. Grosser/Kranz/Wenzel/Schmidt/Jürgens, "Zusammenhangsfragen bei der Begutachtung des so genannten Verhebetraumas", in Trauma und Berufskrankheit 2000 2:182-187).
Die Berufung war danach mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unzulässig zu verwerfen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 09. Februar 2007 als Arbeitsunfall.
Der 1951 geborene Kläger verspürte am 09. Februar 2007 beim Anheben von Rohren im Rahmen seiner Beschäftigung als Montageschlosser einen stechenden Schmerz in der Lendenwirbelsäule, der bis in den linken Fuß einstrahlte. Ab dem 14. Februar 2007 bestand Arbeitsunfähigkeit. Durch spinales CT vom 18. April 2007 wurde ein linkslateraler Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 gesichert. Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen, unter anderem den Entlassungsbericht der Reha-Klinik H vom 07. August 2007 sowie einen Befundbericht des Hausarztes Dr. D vom 22. August 2007 bei.
Mit Bescheid vom 05. August 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 09. Februar 2007 als Arbeitsunfall ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten daher nicht erbracht werden. Bei dem Ereignis handele es sich nicht um einen Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn das bloße Anheben von Rohren sei nicht geeignet, eine gesunde Wirbelsäule derart zu schädigen, dass ein Bandscheibenvorfall eintrete. Eine isolierte Bandscheibenverletzung sei nur äußerst selten unfallbedingt. In der Regel brächen in Begleitung des Bandscheibenvorfalls zuerst Wirbelkörper oder Dornfortsätze oder es komme zur Zerreißung der Längsbänder. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06. November 2008 zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene und auf Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2009 zurückgewiesen. Bei dem Ereignis habe es sich nicht um ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt habe, gehandelt. Arbeitsübliche Handlungen, die mit einem zielgerichteten, vom Betroffenen selbst gewollten Bewegungsablauf einhergingen, fielen nicht unter den gesetzlich definierten Unfallbegriff. Dazu zählten das Heben und Tragen selbst schwerer Lasten, Arbeiten in gebeugter Haltung oder das Hochdrücken einer Last mit den Armen. Das so genannte Verheben, also der Schmerzanfall beim Anheben eines Gegenstandes aus gebückter Haltung, stelle eine arbeitsübliche Handlung dar, die nicht als traumatisches Ereignis anzusehen sei.
Der Gerichtsbescheid ist dem damals anwaltlich nicht vertretenen Kläger laut Postzustellungsurkunde am 03. Juni 2009 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04. Juni 2009, beim SG am 05. Juni 2009 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die anwaltliche Vertretung unter Einreichung einer Vollmacht des Klägers vom 04. Mai 2009 angezeigt.
Mit Schriftsatz vom 03. Juli 2009, beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) per Fax am 06. Juli 2009 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt. Das Original zum Fax ist ebenfalls am 06. Juli 2009 beim LSG eingegangen.
Nach Hinweis des Gerichts auf die Berufungsfrist trägt der Kläger vor, er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Einlegung der Berufung zu wahren. Ihm sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Berufungsfrist zu gewähren. Der Gerichtsbescheid habe am 04. Juni 2009 mit der übrigen Post als verschlossener Umschlag im Briefkasten der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gelegen. Daher sei davon ausgegangen worden, dass er durch die Post zugestellt worden sei und übersehen worden, dass der Gerichtsbescheid zuvor dem Kläger selber zugestellt worden sei. Demgemäß sei der Gerichtsbescheid durch die ausgebildete und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte Frau Z B mit dem Eingangsstempel 04. Juni 2009 gestempelt und mit der Vorfrist 29. Juni 2009 sowie der Endfrist 06. Juli 2009 versehen worden. Den Auftrag zur Einlegung der Berufung habe der Kläger bereits erteilt gehabt. Am 03. Juli 2009 habe die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten beschäftigte Rechtsanwältin G die Berufungsschrift gefertigt, wobei ihr lediglich der Gerichtsbescheid mit den notierten Fristen vorgelegen habe. Aufgrund des Eingangsstempels habe sich Frau G darauf verlassen, dass die Fristen ordnungsgemäß notiert worden seien. Da Ablauf der Berufungsfrist der 06. Juli 2009 gewesen sei, habe Frau G veranlasst, die Berufungsschrift am 06. Juli 2009 zu faxen. Gemäß ständiger Anweisung in der Kanzlei seien sämtliche Mitarbeiter beauftragt, jeweils zu überprüfen, ob die Schriftsätze an die Anwälte oder an die Betroffenen selbst adressiert seien. Sei die Post unmittelbar an die Kanzlei gesandt worden, versähen die Mitarbeiter die Post mit den entsprechenden Fristen. Sei ein Schriftsatz hingegen an die Mandanten selbst adressiert, sei der Schriftsatz mit Eingangsstempel zunächst dem Anwalt zur Fristprüfung und –bestimmung vorzulegen. Hierdurch sei sichergestellt, dass die Fristen stets richtig eingetragen würden. Dies sei am fraglichen Tag durch die Rechtsanwaltsfachangestellte B übersehen worden. Der Kläger legt eine eidesstattliche Versicherung der Frau B vom 29. Juli 2009 sowie eine Kopie des gestempelten Deckblatts des Gerichtsbescheides vom 18. Mai 2009 vor.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 09. Februar 2007 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 formgerecht eingelegte Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt hat (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger selber am 03. Juni 2009 im Wege der Ersatzzustellung durch Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 180 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) begann am 04. Juni 2009 (§ 64 Abs. 1 und 2 SGG) und endete mit Ablauf des 03. Juli 2009, einem Freitag (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG).
Die Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten ist jedoch erst am 06. Juli 2009 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim LSG eingegangen. Dem Gerichtsbescheid des SG war eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung beigefügt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden kann, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim LSG oder beim SG Berlin, deren Anschriften ebenfalls angegeben waren, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist.
Der angefochtene Gerichtsbescheid ist mit Ablauf der Berufungsfrist am 03. Juli 2009 rechtskräftig geworden, denn der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten; Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (Abs. 2 Satz 2).
Vorliegend hat der Kläger unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Frau B sinngemäß geltend gemacht, trotz Beschäftigung einer qualifizierten und zuverlässigen Fachangestellten zur Fristenbestimmung und –eintragung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten und trotz eindeutiger allgemeiner Anweisung zur Fristbestimmung sei hier versehentlich in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ein falsches Datum für den Ablauf der Berufungsfrist notiert worden.
Mit diesem Vorbringen kann er nicht gehört werden. Auch wenn den Kläger selbst an dem Überschreiten der Berufungsfrist kein Verschulden trifft, so hat er doch das Verschulden seines für ihn tätig gewordenen Bevollmächtigten zu vertreten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., Randnr. 3e zu § 67). Zwar dürfen Anwälte grundsätzlich einfachere Aufgaben, die mit der Prozessführung zusammenhängen, gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Angestellten übertragen. Dies betrifft auch die Berechnung und Überprüfung geläufiger Fristen, allerdings muss der Prozessbevollmächtigte in komplizierten Fällen die Fristberechnung auch selbst übernehmen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Randnr. 8b zu § 67). Verschuldet eine Hilfsperson wie eine Rechtsanwaltsfachangestellte das Fristversäumnis ist grundsätzlich eine Wiedereinsetzung möglich, sofern den oder die Bevollmächtigte weder ein Auswahl oder Überwachungsverschulden noch ein Organisationsverschulden trifft (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,a. a. O.).
Zwar durfte der Bevollmächtigte grundsätzlich die Berechnung der Berufungsfrist an eine Rechtsanwaltsfachangestellte delegieren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Randnr. 9 zu § 67 m. w. N.). Auch ist hier anhand des Vortrags davon auszugehen, dass es sich bei Frau B um eine ausgebildete, qualifizierte und zuverlässige Fachkraft handelt. Ebenso sind sachgerechte allgemeine Anweisungen für die Fristenbestimmung dargelegt worden.
Hier trifft jedoch die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigte des Klägers beschäftigte und kanzleiintern mit der Bearbeitung des Falles beauftragte Rechtsanwältin G selber das Verschulden für die Fristversäumnis, denn bei der Fertigung der Berufungsschrift am 03. Juli 2009 – also am Tag des Fristablaufs – lag der Rechtsanwältin Görtz zumindest der Gerichtsbescheid mit der von Frau B notierten Frist vor. An diesem Tag hätte sie die Berufungsschrift noch fristgemäß an das LSG faxen können. Anhand des Rubrums des Gerichtsbescheides, in welchem kein Prozessbevollmächtigter aufgeführt ist, war erkennbar, dass der Gerichtsbescheid dem Kläger selber und nicht der Kanzlei des Bevollmächtigten zugestellt worden sein musste. Andererseits ergab sich aus den Fristvermerken auf dem Deckblatt des Gerichtsbescheides nicht, dass eine Fristprüfung durch einen der Rechtsanwälte stattgefunden hatte, so dass Frau G als Rechtsanwältin gemäß der kanzleiinternen Organisationsanweisung die Berufungsfrist in diesem Moment nochmals hätte prüfen müssen. Sollte die Prüfung problematischer Fristen – also insbesondere im Falle der Zustellung an die Mandantschaft selber - durch die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten tätigen Rechtsanwälte derart organisiert sein, dass sich aus den Fristnotierungen regelmäßig nicht mehr erkennen lässt, ob Überprüfung durch einen Anwalt bzw. eine Anwältin tatsächlich stattgefunden hat, wäre hier jedenfalls von einem dem Kläger zurechenbaren Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten auszugehen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung auch in der Sache keinen Erfolg haben dürfte, denn es fehlt an einem Unfall i. S. v. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Zwar stellt auch das Anheben einer Last ein von außen wirkendes Ereignis dar, bei dem durch die Anspannung Kräfte auf die Wirbelsäule einwirken. Jedoch ist das Anheben auch einer schweren Last im Regelfall nicht geeignet, einen Bandscheibenvorfall zu verursachen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Anheben und dem Zerreißen der Bandscheibe ist nicht wahrscheinlich zu machen. Bei dem Kläger sind weder Verletzungen der knöchernen Strukturen der Wirbelsäule noch der Längsbänder oder anderer Weichteilstrukturen nachgewiesen. Laut dem CT vom 18. April 2007 besteht bei ihm vielmehr ein isolierter Bandscheibenvorfall. Die Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls an der Lendenwirbelsäule als Gesundheitserstschaden kommt aber nur dann ernsthaft in Betracht, wenn begleitende knöcherne oder ligamentäre Verletzungen vorliegen. Liegen derartige Begleitverletzungen wie hier nicht vor, kann ein äußeres Ereignis einen Bandscheibenvorfall nur herbeiführen, wenn eine gravierende Schadensanlage vorliegt, d. h. eine fortgeschrittene Zermürbung des Faserrings der Bandscheibe. Nur dann führt das Ereignis zu einem Zerreißen der letzten Fasern und zu einem Manifestwerden des Vorfalls. Hierbei lässt sich das Lastanheben mit einem mehr oder minder großen Tropfen vergleichen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da der unfallunabhängige Prozess, welcher primär zu der fortgeschrittenen Zermürbung des Faserrings geführt hat, seinem Wesen nach fortschreitend ist, ist das Ereignis des Lastanhebens als Ursache des Bandscheibenvorfalls unwesentlich. In absehbarer Zeit wäre der Bandscheibenvorfall auch unter den Bedingungen des alltäglichen Lebens zu erwarten gewesen (vgl. hierzu z. B. Grosser/Kranz/Wenzel/Schmidt/Jürgens, "Zusammenhangsfragen bei der Begutachtung des so genannten Verhebetraumas", in Trauma und Berufskrankheit 2000 2:182-187).
Die Berufung war danach mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unzulässig zu verwerfen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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