Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3647/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 6091/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2006 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 13.10.2005.
Der 1946 geborene Kläger ist gelernter Elektriker. Nach seinen eigenen Angaben hat er als solcher nach Abschluss der Ausbildung nicht gearbeitet. Vom 01.04.1969 bis 31.08.2005 war er als Sachbearbeiter beim SRH Berufsförderungswerk in Heidelberg angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen am 20.07.2005/01.08.2005 zwischen dem Kläger und der SRH Berufliche Rehabilitation gGmbH in Heidelberg geschlossenen Auflösungsvertrag zum 31.08.2005. Von September 2002 bis August 2003 erzielte der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 41.016,34 EUR. Vom 18.09.2003 bis 30.09.2003 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Vom 01.10.2003 bis 31.08.2005 erhielt er eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Am 01.08.2005 meldete sich der Kläger zum 01.09.2005 arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag verneinte er die Frage, ob er die Tätigkeit aus seiner letzten Beschäftigung weiter ausüben könne. Nach dem dem Antrag beigefügten ärztlichen Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Seibert vom 25.04.2005 leidet der Kläger an einer endogenen Depression, einem chronischen LWS-Syndrom und einem Tinnitus aurium. Mit einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit könne nicht gerechnet werden.
Mit Bescheid vom 26.08.2005 (Bl. 24 der Verwaltungsakte, Angabe des Klägers) bewilligte die Beklagte dem Kläger im Anschluss an das Ruhen des Leistungsanspruchs bis 12.10.2005 wegen der erhaltenen Entlassungsentschädigung (Bescheid vom 25.08.2005) Alg ab 13.10.2005 für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen und unter Zugrundelegung eines (fiktiv ermittelten) Arbeitsentgelts in Höhe von 64,40 EUR täglich.
Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Alg nach seinem früheren Verdienst zu berechnen sei. Falls es bei der fiktiven Einstufung verbleibe, sei er zumindest fehlerhaft eingestuft. Er sei über 40 Jahre als Berater mit Weisungsbefugnis über mehrere Mitarbeiter in der Reha-Anmeldestelle des Berufsförderungswerkes Heidelberg tätig und nach BAT IV eingestuft gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als Bemessungsentgelt sei, da ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden könne, ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Dabei sei gem. § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erforderten (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen. Der Kläger sei der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen. Im Kalenderjahr 2005 habe die Bezugsgröße 28.980 EUR betragen. Ein Vierhundertfünfzigstel hiervon betrage 64,40 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2005 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er halte die seit Januar 2005 geltende Regelung für nicht rechtens, da das ihm bewilligte Alg nur 760 EUR betrage. Dies sei ca. die Hälfte des Betrags, der ihm bei einer Berechnung nach seinem tatsächlichen Einkommen zustehen würde. Abgesehen davon sei die Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 3 falsch. Bis zu seiner Verrentung sei er als Berater mit Vorgesetztenfunktion tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe er über einen Zeitraum von ca. 38 Jahren ausgeübt. Bei Aufnahme der Tätigkeit im Jahr 1968 habe es in diesem Bereich zwar noch keinen Ausbildungsberuf bzw. kein Berufsbild, das dieser Tätigkeit entsprochen hätte, gegeben. Er habe jedoch durch unzählige, regelmäßige und spezielle Fortbildungen die Qualifikation eines Rehabilitationsberaters, wie er heute im Fachhochschulstudium angeboten werde, erworben. Dem habe auch seine Bezahlung entsprochen. Deshalb sei er in die Qualifikationsgruppe 2 einzugruppieren. Der Kläger hat sein Zeugnis der Fachschulreife vom 04.10.1980, Zertifikate des Funkkollegs über die Teilnahme und den erfolgreichen Abschluss am Funkkolleg "Sozialer Wandel" im Wintersemester 1974/75 und im Sommersemester 1975, am Funkkolleg "Recht" im Wintersemester 1982/83 und im Sommersemester 1983, am Funkkolleg "Beratung in der Erziehung" im Wintersemester 1975/76 und im Sommersemester 1976 und am Funkkolleg "Umwelt und Gesundheit" im Wintersemester 1978/79 und im Sommersemester 1979, Bescheinigungen der Stiftung Rehabilitation Heidelberg über einen dreitägigen Grundkurs "Transaktionsanalyse" im Dezember 1981 und über eine Fortbildungsveranstaltung für Mitarbeiter der Beratung und Betreuung des Fachbereichs IV in der Zeit von Januar 1974 bis September 1974, eine Bescheinigung der Volkshochschule über einen Kurs "Die klassische Psychoanalyse" vom 05.02. bis 08.04.1976, eine Bescheinigung über den Besuch von Vortragsabenden bei der Landesversicherungsanstalt Baden im Februar 1975 und die Bestätigung über die Teilnahme an einem fünftägigen Fortbildungsseminar "Methode der Beratung und Technik des non-direktiven Gesprächs" vorgelegt.
Die Beklagte hat sich hierzu dahingehend geäußert, dass es nicht darauf ankomme, was der Kläger in der Vergangenheit gearbeitet habe, sondern darauf, auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten die Vermittlungsbemühungen zu erstrecken seien. Eine Einstufung in die Qualifikationsstufe 2 erfordere, dass es realistisch wäre, den Kläger in eine Stelle zu vermitteln, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordere. Dies könne der Kläger nicht nachweisen, so dass eine bessere Einstufung nicht möglich sei. Im Übrigen setze die Beschäftigung als Sachbearbeiter bei der SRH keinen Fachschulabschluss voraus. Auch die Teilnahme an den sonstigen Veranstaltungen führe nicht zur Anerkennung der Qualifikationsgruppe 2.
Mit Urteil vom 17.11.2006 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.05.2005 (richtig: 26.08.2005) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2005 verurteilt, dem Kläger Alg unter Berücksichtigung des Entgelts der Qualifikationsgruppe 2 als maßgebliches Bemessungsentgelt zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger sei eine fiktive Bemessung des Bemessungsentgelts erforderlich. Die fiktive Bemessung erfolge nach Qualifikationsgruppen. Die Zuordnung zu der entsprechenden Qualifikationsgruppe erfolge nach der beruflichen Qualifikation, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Welche Beschäftigungen der Arbeitslose anstreben könne, hänge wiederum von seiner beruflichen Qualifikation ab, so dass diese das ausschlaggebende Kriterium für die Eingruppierung darstelle. Für die berufliche Qualifikation sei damit der Ausbildungsabschluss wesentlich, dies jedoch nicht ausschließlich. Würde man ausschließlich auf die formale Berufsausbildung abstellen, wäre der Kläger zutreffend in die Qualifikationsgruppe 3 auf Grund seiner Ausbildung als Elektriker einzuordnen. Diesen erlernten Beruf habe der Kläger nach seinen Angaben aber nie ausgeübt. Er habe beim Berufsförderungswerk Heidelberg den Status eines Rehabilitationsberaters erreicht und sei im Wege des Bewährungsaufstiegs bis zur Vergütungsgruppe IVa BAT gelangt. Diese Eingruppierung entspreche der Beamtenebene des gehobenen Dienstes, d.h. Bediensteten mit einem Fachhochschulabschluss. Die Tätigkeit als Rehabilitationsberater basiere nicht auf einer festgelegten beruflichen Ausbildungsordnung. Ein besonderer schulischer oder beruflicher Abschluss für die Tätigkeit des Rehabilitationsberaters sei nicht erforderlich. Vorrangig werde die Aufgabe von den Mitarbeitern wahrgenommen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten oder eine gleichwertige Ausbildung verfügten und sich qualifiziert hätten. Für eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten sei wiederum weder eine schulische noch eine berufliche Vorbildung nach dem Berufsbildungsgesetz vorgeschrieben. Damit handele es sich bei der Qualifikation eines Rehabilitationsberaters nicht um eine typische Qualifikation durch eine vorgeschriebene Berufsausbildung, die wiederum einen bestimmten schulischen Abschluss voraussetze. Durch beruflichen Aufstieg habe sich der Kläger innerhalb der Institution den Status eines besonders qualifizierten Sozialversicherungsfachangestellten erworben. Er könne deshalb einem Beschäftigten, der einen Fachschulabschluss habe, gleichgestellt werden und sei damit der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen.
Gegen das am 27.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.12.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, die Einstufung nach Qualifikationsgruppen diene der Verwaltungsvereinfachung. Bei der Ausgestaltung der vier Qualifikationsstufen habe der Gesetzgeber auf den formellen Gesichtspunkt eines Ausbildungs-/Studienabschlusses abgestellt. Die vom SG vorgenommene Prüfung, welche tatsächlichen Tätigkeiten die gesetzlich aufgeführten Abschlüsse ersetzen könnten und die rückwärtsgewandte Betrachtung sei unzutreffend. Der Gesetzeswortlaut des § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III sei insoweit eindeutig. Danach sei der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Beim Kläger, der weder über einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung, die eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 möglich mache, verfüge, und der im Übrigen seine Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt habe, seien dies Beschäftigungen nach der Qualifikationsgruppe 3.
Der Kläger hat dagegen vorgetragen, dass auch die Beklagte bei realistischer Betrachtung einräumen müsse, dass sie die Vermittlungsbemühungen für ihn auf Tätigkeiten, die mit der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Rehabilitationsberater korrespondierten, zu erstrecken habe. Heute werde die Qualifikation für diese Tätigkeit über ein Fachhochschulstudium erworben. Eine festgelegte Ausbildung gebe es aber weiterhin nicht. Als Rehabilitationsberater seien überwiegend Sozialversicherungsfachangestellte oder Angestellte mit ähnlicher Ausbildung tätig, die sich im Bereich der Rehabilitationsberatung entsprechend qualifiziert hätten. Als er die Tätigkeit aufgenommen habe, sei der Zugang zu dieser Tätigkeit ohne Abschluss möglich gewesen. Es habe weder die Pflicht noch die Notwendigkeit bestanden, den Abschluss nachzuholen. Auch heute dürfte es noch genügend Personen geben, die diese Tätigkeit ausübten, ohne einen Abschluss zu haben. Er habe sich durch beruflichen Aufstieg den Status eines besonders qualifizierten Sozialversicherungsfachangestellten erworben und sei entsprechend eingestuft gewesen. An dem "fehlenden" Abschluss könne seine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 daher nicht scheitern. Ob eine Einschränkung der beruflichen Tätigkeit aus gesundheitlichen oder medizinischen Gründen vorliege, spiele keine Rolle. Im Übrigen sei dies nicht endgültig festgestellt. Dass eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit sich auf die Berechnung der Höhe des Alg auswirken könne, sei ihm bei seinem Antrag auf Alg nicht gesagt worden.
Mit Beschluss vom 22.08.2008 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) am 21.07.2009 im Revisionsverfahren B 7 AL 23/08 R entschieden hatte, dass die Bemessung des Alg nach Qualifikationsgruppen nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, hat die Beklagte das Verfahren, das nunmehr unter dem Az.: L 3 AL 6091/09 geführt wird, wieder angerufen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Alg im Rahmen der fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III nach der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2005, in dem Alg unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 gewährt wurde, ist rechtmäßig, denn die Beklagte hatte ihre Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie auf eine Tätigkeit zu erstrecken, für die ein Abschluss in einem Ausbildungsberuf erforderlich war. Die daraus abgeleitete Bemessung des Alg nach der in § 132 Abs. 2 SGB III genannten Qualifikationsgruppe 3 ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg dem Grunde nach. Er ist arbeitslos im Sinne von § 119 SGB III, hat sich bei der Agentur für Arbeit am 01.08.2005 mit Wirkung zum 01.09.2005 arbeitslos gemeldet (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 122 Abs. 1 SGB III) und erfüllt die Anwartschaftszeit (§ 123 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III).
Das Alg beträgt nach § 129 SGB III für Arbeitslose, die - wie hier - kein Kind haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III (in der Fassung, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 erhalten hat) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr, er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III).
In Anwendung dieser Regelungen endet der Bemessungsrahmen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2005 und beginnt - rückwärts gerechnet - unter Zugrundelegung des einjährigen Bemessungsrahmens mit dem 01.09.2004 bzw. unter Berücksichtigung des erweiterten Bemessungsrahmens mit dem 01.09.2003. Weder im einjährigen Bemessungsrahmen noch im erweiterten Bemessungsrahmen sind 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorhanden, denn der letzte Lohnabrechnungszeitraum seines Arbeitgebers bezog sich auf den Monat August 2003 und damit auf 21 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat daher zu Recht eine fiktive Bemessung vorgenommen, deren Berechtigung dem Grunde nach der Kläger auch nicht (mehr) bezweifelt. Die Bemessung des Alg nach Qualifikationsgruppen verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 23/08 R - in juris).
Auch die konkrete Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) ist nicht zu beanstanden.
Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§ 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die
1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, 3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße (§ 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III).
In welche der Qualifikationsgruppen der Arbeitslose einzustufen ist, bestimmt sich nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie nach der Beschäftigung, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Arbeitsangebots zu erstrecken hat (vgl. BT-Drs. 15/1515 S. 86). Es ist also nicht die Gesamtbreite der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen, relevant sind nur die Tätigkeiten, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 7a AL 66/05 R - in juris). Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt maßgeblich von seiner beruflichen Qualifikation, aber gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III auch von den personenbezogenen Vermittlungskriterien wie Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit sowie den Anforderungen der angebotenen Stellen und darüber hinaus von dem in Betracht kommenden Arbeitsangebot ab (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07 - in juris; Brand, SGB III, § 132 Rd. 6). Bezüglich der Qualifikation ist nicht allein auf den formalen Ausbildungsabschluss abzustellen, es sind auch die sonstigen beruflichen Qualifikationen wie z.B. die Berufserfahrung zu berücksichtigen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2006 - L 8 AL 3082/06 -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.05.2009 - L 10 AL 378/07 - , jeweils in juris). Beschäftigung im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist die in nennenswertem Umfang vorhandene, nach Lebensalter, Leistungsfähigkeit, Eignung, Neigung und persönlichen Verhältnissen realistisch maßgebende Beschäftigung, auf die die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu richten sind (Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 132 Rn. 6). Es handelt sich insoweit um eine Prognoseentscheidung der Arbeitsverwaltung, die im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07 - mit weiteren Nachweisen, a.a.O.).
Unter Beachtung dieser Kriterien ist die Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 2 - entgegen der Auffassung des SG und des Klägers - nicht möglich. Der Kläger hat aufgrund dessen, dass er nur eine Ausbildung zum Elektriker absolviert hat, jedoch über keinen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung verfügt, für die Tätigkeit als Rehabilitationsberater ein Fachschulabschluss nach wie vor keine zwingende Voraussetzung ist, er in seine frühere Tätigkeit darüber hinaus letztlich "nur" durch einen beruflichen Aufstieg gelangt ist und diese Tätigkeit nach seinen eigenen Angaben im Antrag und nach dem Attest des Arztes Seibert im Übrigen nicht mehr verrichten kann, diese selbst beendet hat, er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits 59 Jahre alt war und zuvor fast zwei Jahre krankheitsbedingt nicht mehr gearbeitet hat, keine realistische Möglichkeit, in eine Tätigkeit vermittelt zu werden, die der Qualifikationsgruppe 2 entspricht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger im Jahr 1980 das Fachabitur bestanden hat. Er hat im Anschluss daran nicht studiert. Auch die weiteren Fortbildungen führten nicht zu einem Fachschulabschluss oder dem Nachweis über ein abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung.
Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger nach der Vergütungsgruppe BAT IV bezahlt wurde, denn entscheidend für die anzustellenden Vermittlungsbemühungen ist nicht die frühere Bezahlung, sondern die berufliche Qualifikation, die sich nicht zwingend in der Eingruppierung nach dem BAT widerspiegelt.
Da der Kläger nicht über die in der Qualifikationsgruppe 2 erforderlichen Abschlüsse verfügt und seine Stellung im Wesentlichen auf Grund eines Bewährungsaufstiegs innehatte, würde die Bewerbung des Klägers für eine Anstellung auf der Ebene eines Fachschulabschlusses oder eines Meisters (oder einer vergleichbaren Tätigkeit) demzufolge, zumal die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichtet werden kann, scheitern.
Angesichts dessen sind die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in erster Linie auf eine Tätigkeit zu erstrecken, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert und damit in die Qualifikationsgruppe 3 einzugruppieren ist. Dahingestellt bleiben kann insoweit, dass die Ausbildung des Klägers zum Elektriker mehrere Jahrzehnte zurückliegt und der Kläger im Ausbildungsberuf nicht tätig war, denn auch die bisherige Tätigkeit des Klägers als Rehabilitationsberater ist einer Beschäftigung, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert, gleichzustellen, so dass die lang zurückliegende Ausbildung keine Rolle spielt.
In der Folge ist auch die Bemessung des Entgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 mit 64,40 EUR täglich, das der Arbeitslosengeldbewilligung vom 26.08.2008 zugrundegelegt wurde, nicht zu beanstanden, so dass der Berufung der Beklagten stattzugeben und die Klage abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 13.10.2005.
Der 1946 geborene Kläger ist gelernter Elektriker. Nach seinen eigenen Angaben hat er als solcher nach Abschluss der Ausbildung nicht gearbeitet. Vom 01.04.1969 bis 31.08.2005 war er als Sachbearbeiter beim SRH Berufsförderungswerk in Heidelberg angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen am 20.07.2005/01.08.2005 zwischen dem Kläger und der SRH Berufliche Rehabilitation gGmbH in Heidelberg geschlossenen Auflösungsvertrag zum 31.08.2005. Von September 2002 bis August 2003 erzielte der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 41.016,34 EUR. Vom 18.09.2003 bis 30.09.2003 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Vom 01.10.2003 bis 31.08.2005 erhielt er eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Am 01.08.2005 meldete sich der Kläger zum 01.09.2005 arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag verneinte er die Frage, ob er die Tätigkeit aus seiner letzten Beschäftigung weiter ausüben könne. Nach dem dem Antrag beigefügten ärztlichen Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Seibert vom 25.04.2005 leidet der Kläger an einer endogenen Depression, einem chronischen LWS-Syndrom und einem Tinnitus aurium. Mit einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit könne nicht gerechnet werden.
Mit Bescheid vom 26.08.2005 (Bl. 24 der Verwaltungsakte, Angabe des Klägers) bewilligte die Beklagte dem Kläger im Anschluss an das Ruhen des Leistungsanspruchs bis 12.10.2005 wegen der erhaltenen Entlassungsentschädigung (Bescheid vom 25.08.2005) Alg ab 13.10.2005 für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen und unter Zugrundelegung eines (fiktiv ermittelten) Arbeitsentgelts in Höhe von 64,40 EUR täglich.
Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Alg nach seinem früheren Verdienst zu berechnen sei. Falls es bei der fiktiven Einstufung verbleibe, sei er zumindest fehlerhaft eingestuft. Er sei über 40 Jahre als Berater mit Weisungsbefugnis über mehrere Mitarbeiter in der Reha-Anmeldestelle des Berufsförderungswerkes Heidelberg tätig und nach BAT IV eingestuft gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als Bemessungsentgelt sei, da ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden könne, ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Dabei sei gem. § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erforderten (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen. Der Kläger sei der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen. Im Kalenderjahr 2005 habe die Bezugsgröße 28.980 EUR betragen. Ein Vierhundertfünfzigstel hiervon betrage 64,40 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2005 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er halte die seit Januar 2005 geltende Regelung für nicht rechtens, da das ihm bewilligte Alg nur 760 EUR betrage. Dies sei ca. die Hälfte des Betrags, der ihm bei einer Berechnung nach seinem tatsächlichen Einkommen zustehen würde. Abgesehen davon sei die Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 3 falsch. Bis zu seiner Verrentung sei er als Berater mit Vorgesetztenfunktion tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe er über einen Zeitraum von ca. 38 Jahren ausgeübt. Bei Aufnahme der Tätigkeit im Jahr 1968 habe es in diesem Bereich zwar noch keinen Ausbildungsberuf bzw. kein Berufsbild, das dieser Tätigkeit entsprochen hätte, gegeben. Er habe jedoch durch unzählige, regelmäßige und spezielle Fortbildungen die Qualifikation eines Rehabilitationsberaters, wie er heute im Fachhochschulstudium angeboten werde, erworben. Dem habe auch seine Bezahlung entsprochen. Deshalb sei er in die Qualifikationsgruppe 2 einzugruppieren. Der Kläger hat sein Zeugnis der Fachschulreife vom 04.10.1980, Zertifikate des Funkkollegs über die Teilnahme und den erfolgreichen Abschluss am Funkkolleg "Sozialer Wandel" im Wintersemester 1974/75 und im Sommersemester 1975, am Funkkolleg "Recht" im Wintersemester 1982/83 und im Sommersemester 1983, am Funkkolleg "Beratung in der Erziehung" im Wintersemester 1975/76 und im Sommersemester 1976 und am Funkkolleg "Umwelt und Gesundheit" im Wintersemester 1978/79 und im Sommersemester 1979, Bescheinigungen der Stiftung Rehabilitation Heidelberg über einen dreitägigen Grundkurs "Transaktionsanalyse" im Dezember 1981 und über eine Fortbildungsveranstaltung für Mitarbeiter der Beratung und Betreuung des Fachbereichs IV in der Zeit von Januar 1974 bis September 1974, eine Bescheinigung der Volkshochschule über einen Kurs "Die klassische Psychoanalyse" vom 05.02. bis 08.04.1976, eine Bescheinigung über den Besuch von Vortragsabenden bei der Landesversicherungsanstalt Baden im Februar 1975 und die Bestätigung über die Teilnahme an einem fünftägigen Fortbildungsseminar "Methode der Beratung und Technik des non-direktiven Gesprächs" vorgelegt.
Die Beklagte hat sich hierzu dahingehend geäußert, dass es nicht darauf ankomme, was der Kläger in der Vergangenheit gearbeitet habe, sondern darauf, auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten die Vermittlungsbemühungen zu erstrecken seien. Eine Einstufung in die Qualifikationsstufe 2 erfordere, dass es realistisch wäre, den Kläger in eine Stelle zu vermitteln, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordere. Dies könne der Kläger nicht nachweisen, so dass eine bessere Einstufung nicht möglich sei. Im Übrigen setze die Beschäftigung als Sachbearbeiter bei der SRH keinen Fachschulabschluss voraus. Auch die Teilnahme an den sonstigen Veranstaltungen führe nicht zur Anerkennung der Qualifikationsgruppe 2.
Mit Urteil vom 17.11.2006 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.05.2005 (richtig: 26.08.2005) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2005 verurteilt, dem Kläger Alg unter Berücksichtigung des Entgelts der Qualifikationsgruppe 2 als maßgebliches Bemessungsentgelt zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger sei eine fiktive Bemessung des Bemessungsentgelts erforderlich. Die fiktive Bemessung erfolge nach Qualifikationsgruppen. Die Zuordnung zu der entsprechenden Qualifikationsgruppe erfolge nach der beruflichen Qualifikation, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Welche Beschäftigungen der Arbeitslose anstreben könne, hänge wiederum von seiner beruflichen Qualifikation ab, so dass diese das ausschlaggebende Kriterium für die Eingruppierung darstelle. Für die berufliche Qualifikation sei damit der Ausbildungsabschluss wesentlich, dies jedoch nicht ausschließlich. Würde man ausschließlich auf die formale Berufsausbildung abstellen, wäre der Kläger zutreffend in die Qualifikationsgruppe 3 auf Grund seiner Ausbildung als Elektriker einzuordnen. Diesen erlernten Beruf habe der Kläger nach seinen Angaben aber nie ausgeübt. Er habe beim Berufsförderungswerk Heidelberg den Status eines Rehabilitationsberaters erreicht und sei im Wege des Bewährungsaufstiegs bis zur Vergütungsgruppe IVa BAT gelangt. Diese Eingruppierung entspreche der Beamtenebene des gehobenen Dienstes, d.h. Bediensteten mit einem Fachhochschulabschluss. Die Tätigkeit als Rehabilitationsberater basiere nicht auf einer festgelegten beruflichen Ausbildungsordnung. Ein besonderer schulischer oder beruflicher Abschluss für die Tätigkeit des Rehabilitationsberaters sei nicht erforderlich. Vorrangig werde die Aufgabe von den Mitarbeitern wahrgenommen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten oder eine gleichwertige Ausbildung verfügten und sich qualifiziert hätten. Für eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten sei wiederum weder eine schulische noch eine berufliche Vorbildung nach dem Berufsbildungsgesetz vorgeschrieben. Damit handele es sich bei der Qualifikation eines Rehabilitationsberaters nicht um eine typische Qualifikation durch eine vorgeschriebene Berufsausbildung, die wiederum einen bestimmten schulischen Abschluss voraussetze. Durch beruflichen Aufstieg habe sich der Kläger innerhalb der Institution den Status eines besonders qualifizierten Sozialversicherungsfachangestellten erworben. Er könne deshalb einem Beschäftigten, der einen Fachschulabschluss habe, gleichgestellt werden und sei damit der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen.
Gegen das am 27.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.12.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, die Einstufung nach Qualifikationsgruppen diene der Verwaltungsvereinfachung. Bei der Ausgestaltung der vier Qualifikationsstufen habe der Gesetzgeber auf den formellen Gesichtspunkt eines Ausbildungs-/Studienabschlusses abgestellt. Die vom SG vorgenommene Prüfung, welche tatsächlichen Tätigkeiten die gesetzlich aufgeführten Abschlüsse ersetzen könnten und die rückwärtsgewandte Betrachtung sei unzutreffend. Der Gesetzeswortlaut des § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III sei insoweit eindeutig. Danach sei der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Beim Kläger, der weder über einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung, die eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 möglich mache, verfüge, und der im Übrigen seine Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt habe, seien dies Beschäftigungen nach der Qualifikationsgruppe 3.
Der Kläger hat dagegen vorgetragen, dass auch die Beklagte bei realistischer Betrachtung einräumen müsse, dass sie die Vermittlungsbemühungen für ihn auf Tätigkeiten, die mit der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Rehabilitationsberater korrespondierten, zu erstrecken habe. Heute werde die Qualifikation für diese Tätigkeit über ein Fachhochschulstudium erworben. Eine festgelegte Ausbildung gebe es aber weiterhin nicht. Als Rehabilitationsberater seien überwiegend Sozialversicherungsfachangestellte oder Angestellte mit ähnlicher Ausbildung tätig, die sich im Bereich der Rehabilitationsberatung entsprechend qualifiziert hätten. Als er die Tätigkeit aufgenommen habe, sei der Zugang zu dieser Tätigkeit ohne Abschluss möglich gewesen. Es habe weder die Pflicht noch die Notwendigkeit bestanden, den Abschluss nachzuholen. Auch heute dürfte es noch genügend Personen geben, die diese Tätigkeit ausübten, ohne einen Abschluss zu haben. Er habe sich durch beruflichen Aufstieg den Status eines besonders qualifizierten Sozialversicherungsfachangestellten erworben und sei entsprechend eingestuft gewesen. An dem "fehlenden" Abschluss könne seine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 daher nicht scheitern. Ob eine Einschränkung der beruflichen Tätigkeit aus gesundheitlichen oder medizinischen Gründen vorliege, spiele keine Rolle. Im Übrigen sei dies nicht endgültig festgestellt. Dass eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit sich auf die Berechnung der Höhe des Alg auswirken könne, sei ihm bei seinem Antrag auf Alg nicht gesagt worden.
Mit Beschluss vom 22.08.2008 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) am 21.07.2009 im Revisionsverfahren B 7 AL 23/08 R entschieden hatte, dass die Bemessung des Alg nach Qualifikationsgruppen nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, hat die Beklagte das Verfahren, das nunmehr unter dem Az.: L 3 AL 6091/09 geführt wird, wieder angerufen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Alg im Rahmen der fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III nach der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2005, in dem Alg unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 gewährt wurde, ist rechtmäßig, denn die Beklagte hatte ihre Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie auf eine Tätigkeit zu erstrecken, für die ein Abschluss in einem Ausbildungsberuf erforderlich war. Die daraus abgeleitete Bemessung des Alg nach der in § 132 Abs. 2 SGB III genannten Qualifikationsgruppe 3 ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg dem Grunde nach. Er ist arbeitslos im Sinne von § 119 SGB III, hat sich bei der Agentur für Arbeit am 01.08.2005 mit Wirkung zum 01.09.2005 arbeitslos gemeldet (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 122 Abs. 1 SGB III) und erfüllt die Anwartschaftszeit (§ 123 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III).
Das Alg beträgt nach § 129 SGB III für Arbeitslose, die - wie hier - kein Kind haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III (in der Fassung, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 erhalten hat) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr, er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III).
In Anwendung dieser Regelungen endet der Bemessungsrahmen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2005 und beginnt - rückwärts gerechnet - unter Zugrundelegung des einjährigen Bemessungsrahmens mit dem 01.09.2004 bzw. unter Berücksichtigung des erweiterten Bemessungsrahmens mit dem 01.09.2003. Weder im einjährigen Bemessungsrahmen noch im erweiterten Bemessungsrahmen sind 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorhanden, denn der letzte Lohnabrechnungszeitraum seines Arbeitgebers bezog sich auf den Monat August 2003 und damit auf 21 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat daher zu Recht eine fiktive Bemessung vorgenommen, deren Berechtigung dem Grunde nach der Kläger auch nicht (mehr) bezweifelt. Die Bemessung des Alg nach Qualifikationsgruppen verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 23/08 R - in juris).
Auch die konkrete Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) ist nicht zu beanstanden.
Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§ 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die
1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, 3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße (§ 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III).
In welche der Qualifikationsgruppen der Arbeitslose einzustufen ist, bestimmt sich nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie nach der Beschäftigung, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Arbeitsangebots zu erstrecken hat (vgl. BT-Drs. 15/1515 S. 86). Es ist also nicht die Gesamtbreite der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen, relevant sind nur die Tätigkeiten, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 7a AL 66/05 R - in juris). Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt maßgeblich von seiner beruflichen Qualifikation, aber gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III auch von den personenbezogenen Vermittlungskriterien wie Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit sowie den Anforderungen der angebotenen Stellen und darüber hinaus von dem in Betracht kommenden Arbeitsangebot ab (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07 - in juris; Brand, SGB III, § 132 Rd. 6). Bezüglich der Qualifikation ist nicht allein auf den formalen Ausbildungsabschluss abzustellen, es sind auch die sonstigen beruflichen Qualifikationen wie z.B. die Berufserfahrung zu berücksichtigen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2006 - L 8 AL 3082/06 -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.05.2009 - L 10 AL 378/07 - , jeweils in juris). Beschäftigung im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist die in nennenswertem Umfang vorhandene, nach Lebensalter, Leistungsfähigkeit, Eignung, Neigung und persönlichen Verhältnissen realistisch maßgebende Beschäftigung, auf die die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu richten sind (Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 132 Rn. 6). Es handelt sich insoweit um eine Prognoseentscheidung der Arbeitsverwaltung, die im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AL 1160/07 - mit weiteren Nachweisen, a.a.O.).
Unter Beachtung dieser Kriterien ist die Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 2 - entgegen der Auffassung des SG und des Klägers - nicht möglich. Der Kläger hat aufgrund dessen, dass er nur eine Ausbildung zum Elektriker absolviert hat, jedoch über keinen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung verfügt, für die Tätigkeit als Rehabilitationsberater ein Fachschulabschluss nach wie vor keine zwingende Voraussetzung ist, er in seine frühere Tätigkeit darüber hinaus letztlich "nur" durch einen beruflichen Aufstieg gelangt ist und diese Tätigkeit nach seinen eigenen Angaben im Antrag und nach dem Attest des Arztes Seibert im Übrigen nicht mehr verrichten kann, diese selbst beendet hat, er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits 59 Jahre alt war und zuvor fast zwei Jahre krankheitsbedingt nicht mehr gearbeitet hat, keine realistische Möglichkeit, in eine Tätigkeit vermittelt zu werden, die der Qualifikationsgruppe 2 entspricht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger im Jahr 1980 das Fachabitur bestanden hat. Er hat im Anschluss daran nicht studiert. Auch die weiteren Fortbildungen führten nicht zu einem Fachschulabschluss oder dem Nachweis über ein abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung.
Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger nach der Vergütungsgruppe BAT IV bezahlt wurde, denn entscheidend für die anzustellenden Vermittlungsbemühungen ist nicht die frühere Bezahlung, sondern die berufliche Qualifikation, die sich nicht zwingend in der Eingruppierung nach dem BAT widerspiegelt.
Da der Kläger nicht über die in der Qualifikationsgruppe 2 erforderlichen Abschlüsse verfügt und seine Stellung im Wesentlichen auf Grund eines Bewährungsaufstiegs innehatte, würde die Bewerbung des Klägers für eine Anstellung auf der Ebene eines Fachschulabschlusses oder eines Meisters (oder einer vergleichbaren Tätigkeit) demzufolge, zumal die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichtet werden kann, scheitern.
Angesichts dessen sind die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in erster Linie auf eine Tätigkeit zu erstrecken, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert und damit in die Qualifikationsgruppe 3 einzugruppieren ist. Dahingestellt bleiben kann insoweit, dass die Ausbildung des Klägers zum Elektriker mehrere Jahrzehnte zurückliegt und der Kläger im Ausbildungsberuf nicht tätig war, denn auch die bisherige Tätigkeit des Klägers als Rehabilitationsberater ist einer Beschäftigung, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert, gleichzustellen, so dass die lang zurückliegende Ausbildung keine Rolle spielt.
In der Folge ist auch die Bemessung des Entgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 mit 64,40 EUR täglich, das der Arbeitslosengeldbewilligung vom 26.08.2008 zugrundegelegt wurde, nicht zu beanstanden, so dass der Berufung der Beklagten stattzugeben und die Klage abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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