L 15 SF 85/10 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 SF 59/08 KO
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 85/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Zum üblichen Gutachtensaufbau eines medizinischen Gutachtens.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 01.03.2010 gegen den Be-
schluss des Sozialgerichts Augsburg vom 15.02.2010 - S 3 SF 59/08 KO
wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

In dem am Sozialgericht Augsburg anhängig gewesenen Rechtsstreit B. R. gegen Deutsche Rentenversicherung Bund mit Az.: S 13 R 4051/05 ist der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer mit Beweisanordnung des Sozialgerichts Augsburg vom 01.08.2006 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden, d.h. auf Kostenrisiko der Klägerin.

Der Antragsteller hat für sein fachorthopädisches Gutachten vom 21.09.2006 mit Liquidation vom 16.11.2006 insgesamt 2.066,48 EUR in Rechnung gestellt. Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Augsburg hat mit Schreiben vom 27.11.2006 lediglich 1.515,68 EUR bewilligt, weil nicht 28 Stunden a 60,00 EUR, sondern nur 20,50 Stunden a 60,00 EUR (zuzüglich Nebenkosten und 16 % Umsatzsteuer) vergütungsfähig seien.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 03.07.2008 insgesamt 550,80 EUR nachgefordert. Seine Gutachten enthielten durch Fettdruck hervorgehobene Passagen während des Begutachtungstextes, die als Beurteilung zu bewerten seien. Es sei eine kritische Auseinandersetzung mit vorangegangenen Gutachteräußerungen oder an dem Prozess Beteiligten anderen Stellen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde dies nicht in der Zusammenfassung und Beurteilung extra aufgeführt. Diese Teile des Gutachtens seien aber als Beurteilung zu bewerten. Um aber den Zusammenhang der kritischen Beurteilung mit dem Gutachtenstext zu wahren, werde er weiterhin diese Art von Verteilung des Textes im Gutachten fortführen, auch wenn dadurch der Richter gezwungen sei, das gesamte Gutachten zu lesen und nicht, wie telefonisch mitgeteilt worden sei, häufig Richter nur die Beurteilung und Zusammenfassung zur Kenntnis nehmen würden.

Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Augsburg hat mit Schreiben vom 16.07.2008 u.a. auf die aus ihrer Sicht großzügige Handhabung hinsichtlich Bewertung der Beurteilung hingewiesen.

Auf Antrag des Antragstellers vom 24.07.2008 hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 15.02.2010 die Vergütung für das Gutachten des Antragstellers vom 21.09.2006 auf 1.515,68 EUR festgesetzt. Dem Sachverständigen seien bei der Gutachtenerstellung der Zeitaufwand für das Aktenstudium, die Abfassung und Beurteilung sowie Diktat und Durchsicht zu vergüten (hier: im Ergebnis zutreffend 20,5 Stunden mit geringfügig abweichender Begründung). Zugrunde gelegt werde dabei eine übliche Schreibweise von 28 Zeilen a 65 Anschlägen pro Seite. Erschwert werde die sachgerechte Bewertung des Gutachtens durch deren endemische Gestaltung. Denn in seinen über das gesamte Gutachten verstreuten "Anmerkungen" vermische der Antragsteller Beurteilung einerseits und nicht vergütungsfähige Kommentierungen bzw. (fachliche) Kritik andererseits. Lege man die vom Antragsteller angegebenen 50.333 Anschläge als zutreffend zugrunde, umfasse das Gutachten bei anzunehmenden 1.820 Anschlägen nicht 43 Seiten, sondern 27,2 Seiten. Daraus errechne sich nur grenzwertig vertretbar ein Zeitaufwand für die Diktat und Durchsicht von 6,9 Stunden und 8,36 Stunden für die Beurteilung abzüglich der nicht vergütungsfähigen Wiederholung der Beweisfragen. Insgesamt seien nur 20,50 Stunden a 60,00 EUR zuzüglich Nebenkosten und 16 % Umsatzsteuer vergütungsfähig.

Der Antragsteller hat mit Beschwerdeschrift vom 01.03.2010 auf seine materiellen Forderungen verzichtet, jedoch das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) um Überprüfung der Interpretation seiner gutachterlichen Ausführungen und Erklärungen durch das Sozialgericht Augsburg gebeten.

Von Seiten des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat wurden die Renten-Streitakten und zugehörigen Kostenakten beigezogen.

II.

Auch wenn der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 15.02.2010 - S 3 SF 59/08 KO eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung enthält, ist die Beschwerde vom 01.03.2010 als unzulässig zu verwerfen, weil der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer mit Beschwerdeschrift vom 01.03.2010 im letzten Absatz auf seine materiellen Forderungen verzichtet hat. Damit ist ein Rechtsschutzbedürfnis entfallen.

Nachdem der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer in zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als ärztlicher Sachverständiger benannt worden ist und wird, ist zur Vermeidung künftiger kostenrechtlicher Differenzen dennoch auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen: Gemäß § 8 Abs.1 Nr.1, Abs.2 in Verbindung mit § 9 Abs.1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und der Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs.1 Nr.2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das sich nach Stundensätzen bemisst. Dieses Honorar wird gemäß § 8 Abs.2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages. - Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden an. Dabei hängt die Zeit, die erforderlich ist, nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. - Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Grundsatzentscheidung vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko) kann nur der Aufwand als "erforderlich" angesehen werden, den ein Sachverständiger mit einer durchschnittlichen Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Demnach ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. auch Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Auflage, Rdnr.8.48). Andererseits ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Begriff "erforderliche Zeit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der zwar von den Kostensachbearbeitern und Gerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden kann, der jedoch zugleich auch einen gewissen Beurteilungsspielraum des Sachverständigen beinhaltet. Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Anlass zur Nachprüfung, ob die vom Sachverständigen geltend gemachte Zeit auch erforderlich war, besteht in der Regel nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur "objektiv" erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint. - Für die Plausibilitätsprüfung des geltend gemachten Zeitaufwandes der im Rahmen der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens anfallenden Leistungsabschnitte (Aktenstudium, Anamnese/Untersuchung, Abfassung des Gutachtens, Diktat und Durchsicht, eventuell Literaturstudium) hat der Kostensenat im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und einer gleichmäßigen Entschädigung aller für die Sozialgerichtsbarkeit tätigen Sachverständigen bereits vor etlichen Jahren entsprechende Erfahrungssätze entwickelt (vgl. z.B. Beschluss vom 05.12.1997 - L 18 Ar 301/92.KO).

Mit anderen Worten: Der von dem Antragsteller und hiesigen Beschwerdeführer gewählte Gutachtensaufbau entspricht nicht dem üblichen, wenn er wesentliche Teile der Beurteilung in Form von "Anmerkungen" in den Gutachtenstext einstreut. - Wenngleich es keinen allgemeinen Standard für die Fertigung sozialgerichtlicher Gutachten gibt, hat sich dennoch folgender Aufbau bewährt: Knappe Wiedergabe des Akteninhalts soweit für das Verständnis des Gutachtens erforderlich, Anamnese, Untersuchungsbefund, gegebenenfalls technische Untersuchungsbefunde wie Röntgen o.ä., als wesentlicher Teil die Beurteilung sowie anschließend die Beantwortung der Beweisfragen (unter einmaliger Wiedergabe derselben), Literaturnachweis bei in Ausnahmefällen notwendigem Literaturstudium.

Weiterhin hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 15.02.2010 - S 3 SF 59/08 KO zutreffend darauf hingewiesen, dass das Layout des Gutachtens zu großzügig gewählt worden ist. Ausgehend von 50.333 Anschlägen und angemessenen 1.820 Anschlägen pro Seite (nach älterer Kostenrechtsprechung) sind der Berechnung der Vergütung nicht 43 Seiten, sondern 27,2 Seiten zugrunde zu legen gewesen. Infolge dessen errechnen sich unabhängig von dem gewählten Gutachtensaufbau hier auch nicht 28 Stunden, sondern nur 20,5 Stunden als vergütungsfähig, wie erstinstanzlich bereits zutreffend ausgeführt.

Nachdem es sich hier kostenrechtlich um einen "Altfall" handelt, wird weiterhin darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund des Beschlusses des Kostensenats des BayLSG vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko sowie hierauf aufbauend der Mitteilung des Präsidenten des BayLSG vom 25.05.2007 - GenA 537/07 neue Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung in erster Linie medizinische Gutachten nach dem JVEG bei allen ab dem 01.06.2007 erteilten Gutachtensaufträgen gelten:
- Für das Aktenstudium 100 Blatt/Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten bei mindestens 25 % medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt/Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im Einzelfall zugebilligte und davon abweichende Aktenstudium bleibt davon unberührt, z.B. nur eine bis zwei Stunden bei einem testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG.
- Anamnese und rein körperliche Untersuchung wie beantragt, soweit nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur z.B. Anwesenheitszeit des Klägers stehend oder sonstige begründete Zweifel bestehen.
- Für die Abfassung einer Seite der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen eine Stunde, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1.800 Anschlägen (30 Zeilen x 60 Anschläge nach DIN 1422) ausgegangen wird.
- Für Diktat und Durchsicht eine Stunde für je sechs Seiten, wobei auch hier jeweils für eine ganze Seite 1.800 Anschläge (30 Zeilen x 60 Anschläge) zugrunde gelegt werden.
- Die Anerkennung von zusätzlich notwendigem Literaturstudium ist weiterhin nur in besonderen Fällen möglich.

Das BayLSG hat hierüber gemäß § 4 Abs.7 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt, zumal der 15. Senat des BayLSG zuletzt mit Beschluss vom 21.10.2009 - L 15 B 71/08 SF KO in Senatsbesetzung entsprechend entschieden hat.

Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs.8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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