Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 37/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 355/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zurückverweisung, Gerichtsbescheid, Anfrageverfahren
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. September 2009 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Stendal zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1.).
Am 19. Oktober 2006 stellte der Kläger zu 1.) ausweislich einer entsprechenden Mitteilung der Taunus BKK einen Antrag auf Prüfung seines versicherungsrechtlichen Status als Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin zu 2.). Daraufhin habe sie, die Taunus BKK, nach ihren Angaben mit – nicht aktenkundigem – Bescheid vom 2. Januar 2007 festgestellt, dass diese Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde und somit der Sozialversicherungspflicht unterliege. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Taunus BKK mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2007 zurück. Der Kläger zu 1.) habe seine Mitgliedschaft bei der Taunus BKK sodann zum 30. September 2007 gekündigt. Bei seiner neuen Krankenkasse, der AOK Sachsen-Anhalt (im Folgenden: AOK), leitete der Kläger anschließend ein erneutes Statusfeststellungsverfahren ein (Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 des Viertes Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV)), offenbar ohne die Entscheidung der Taunus BKK zu erwähnen. Diesen Vorgang übersandte die AOK mit der Bitte um weitere Veranlassung an die Beklagte. Diese stellte mit zwei inhaltlich gleichlautenden, an die Kläger adressierten Bescheiden vom 20. März 2008 fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1.) als Geschäftsführer/Gesellschafter seit dem 1. Oktober 2006 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit und damit dem Grunde nach nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde.
Am 2. April 2008 erhielt die Beklagte Kenntnis von der Entscheidung der Taunus BKK über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1.). Mit Schreiben vom 18. April 2008 und 21. April 2008 hörte die Beklagte die Kläger zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 20. März 2008 zurückzunehmen und den Antrag auf Statusfeststellung abzulehnen, weil bereits eine Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Taunus BKK getroffen worden sei. Mit zwei inhaltlich gleichlautenden, an die Kläger adressierten Bescheiden vom 9. Mai 2008 nahm die Beklagte ihre Bescheide vom 20. März 2008 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit der Begründung zurück, aufgrund der Entscheidung der Taunus BKK über den sozialversicherungsrechtlichen Status sei die erneute Entscheidung hierüber unzulässig gewesen. Den dagegen am 11. Juni 2008 per Fax erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit inhaltlich gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 22. Januar 2009 zurück.
Dagegen haben die Kläger am 20. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Stendal erhoben und geltend gemacht, mit Bescheid vom 20. März 2008 habe die Beklagte zutreffend festgestellt, dass keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege. Die Entscheidung der Taunus BKK sei offensichtlich rechtswidrig. Deshalb sei dort ein Überprüfungsantrag anhängig.
Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Bescheide der Beklagten vom 9. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. Januar 2009 (gemeint sind wohl die Bescheide vom 20. März 2008) seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Beklagte sei gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV nicht berechtigt gewesen, eine Entscheidung im Anfrageverfahren zu treffen, da bereits zuvor die Taunus BKK eine Statusfeststellung getroffen habe. Auf eine eventuell inhaltliche Richtigkeit der Bescheide der Beklagten komme es nicht an.
Gegen den am 22. September 2009 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 22. Oktober 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Betracht kommt, weil Bedenken bestehen, ob das SG durch Gerichtsbescheid entscheiden durfte. Die Kläger haben hierzu erklärt, der Senat möge entsprechend seiner Ankündigung verfahren.
Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. September 2009 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stendal zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, die zu entscheidende Rechtsfrage weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, so dass durch Gerichtsbescheid habe entschieden werden dürfen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 2. Dezember 2009, Schriftsatz der Kläger vom 21. Dezember 2009).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Stendal vom 21. September 2009 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 159 Rdnr. 3, 3a m. w. N.). Die Entscheidung des SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln.
Das SG hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es den Klägern ihren gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich die Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, SozR 4-1500 § 105 Nr. 1). Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Sachverhalt ist geklärt, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 34). Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem SG ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a.a.O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40).
Das SG hat im Gerichtsbescheid nicht näher begründet, warum die Voraussetzungen für diese Entscheidungsform gegeben sein sollen, sondern zählt diese lediglich auf. In dem Anhörungsschreiben vom 12. August 2009 sind die Voraussetzungen des § 105 SGG überhaupt nicht erwähnt. Dieses Schreiben erscheint formelhaft und ohne Fallbezug.
Schwerer wiegt, dass der Sachverhalt nicht geklärt ist, denn für eine umfassende rechtliche Beurteilung erscheint die Beiziehung des Verwaltungsvorganges der Taunus BKK notwendig. Insbesondere deren Bescheid vom 2. Januar 2007 ist (im Gegensatz zum Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2007) nicht aktenkundig. Der Verwaltungsvorgang ist vor folgendem rechtlichen Hintergrund von Interesse: Über die Rücknahme oder Aufhebung eines von Anfang an rechtswidrigen oder nach seinem Erlass rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes entscheidet nach dessen Unanfechtbarkeit die zuständige Behörde – und zwar auch dann, wenn der Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (§§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 5, 48 Abs. 4 SGB X). Folglich darf eine Behörde, wenn sie für die Sachentscheidung zuständig ist, auch Verwaltungsakte anderer Behörden zurücknehmen oder aufheben. Die Tatsache, dass die Taunus-BKK den (nicht aktenkundigen) Bescheid vom 2. Januar 2007 erlassen hat, bedeutet also nicht zwingend, dass die Beklagte diesen nicht hätte zurücknehmen können, zumal sie in der Sache – was die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1. anbelangt – offenbar anderer Meinung ist als die Taunus BKK.
Ob die Beklagte für die von der Taunus BKK getroffenen Entscheidung zuständig gewesen wäre, beurteilt sich nach § 7a SGB IV. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Zuständig für die Entscheidung im Anfrageverfahren ist gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV nicht die Einzugsstelle, sondern die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das galt auch schon im Zeitpunkt der Entscheidung der Taunus BKK Anfang 2007. Selbst die Einzugsstelle hätte eine derartige Anfrage zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergeben würde, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Das verdeutlicht die ausschließliche Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung im Anfrageverfahren. Der Akteninhalt deutet darauf hin, dass die Entscheidung der Taunus BKK im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV und nicht im Rahmen des § 28h Abs. 2 SGB IV erfolgte, sie also sachlich nicht zuständig war. Sicher lässt sich das allerdings nur anhand des Verwaltungsvorganges der Taunus BKK beurteilen.
Vorliegend lässt sich auch nicht ohne Weiteres argumentieren, dass das Statusfeststellungsverfahren bei der Beklagten wegen des von der Taunus BKK eingeleiteten und abgeschlossenen Verfahrens unzulässig war. Dies mag gelten, wenn die Beklagte von vornherein eine Sachentscheidung abgelehnt hätte. Dies hätte dem Zweck des Anfrageverfahrens gemäß § 7a SGB IV entsprochen. Denn dieses Verfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage eröffnen und dadurch divergierende Entscheidungen verhindern (BT-Drucks. 14/1855 S. 6). Hier liegt der Fall aber anders, denn durch die Bescheide der Beklagten vom 20. März 2008 waren divergierende Entscheidungen ergangen und konnten nicht mehr verhindert werden. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob durch die bestandskräftige Entscheidung der Taunus BKK mit Bescheid vom 2. Januar 2007 das Statusfeststellungsverfahren wieder zulässig geworden ist, denn § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezieht sich ausdrücklich nur auf die Einleitung des Verfahrens (" es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet"). Einerseits lässt sich argumentieren, dass eine (erneute) Überprüfung im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV erst recht ausgeschlossen ist, wenn ein zeitlich vorher eingeleitetes Verfahren sogar bestandskräftig abgeschlossen ist. Andererseits sind auch bei abgeschlossenen Verfahren Überprüfungsanträge gemäß § 44 SGB X grundsätzlich möglich, für die dann gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV die Beklagte zuständig ist.
Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass eine besondere Schwierigkeit rechtlicher Art vorlag, die eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid unzulässig machte, zumal – soweit ersichtlich – keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliegt, wie zu verfahren ist, wenn – wie hier – zwei divergierende Entscheidungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status ergangen sind. Hinzu kommt, dass das SG eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 45 SGB X zu überprüfen hatte. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2009 nicht zwischen Vertrauensschutzprüfung und Ermessensausübung differenziert hat, hätte Anlass bestanden, hierauf näher einzugehen. Der Gerichtsbescheid des SG enthält aber keine Ausführungen zum Ermessen.
Der Besetzungsmangel des SG aufgrund der Entscheidung durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Kläger an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Angesichts der Tatsache, dass die bisherige Verfahrensdauer seit Klageerhebung im Februar 2009 weit unterdurchschnittlich ist, hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Das SG sollte auch die Taunus BKK und die aktuelle Krankenkasse des Klägers zu 1.) beiladen (§ 75 SGG), zumal nicht bekannt ist, in welchem Verfahrensstadium sich das Überprüfungsverfahren bei der Taunus BKK befindet.
Der Streitwert war auf 5.000 Euro festzusetzen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz). Da keine Anhaltspunkte für eine konkrete Bemessung des Streitwerts nach dem verfolgten Interesse vorliegen, ist vom Regel-Streitwert auszugehen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1.).
Am 19. Oktober 2006 stellte der Kläger zu 1.) ausweislich einer entsprechenden Mitteilung der Taunus BKK einen Antrag auf Prüfung seines versicherungsrechtlichen Status als Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin zu 2.). Daraufhin habe sie, die Taunus BKK, nach ihren Angaben mit – nicht aktenkundigem – Bescheid vom 2. Januar 2007 festgestellt, dass diese Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde und somit der Sozialversicherungspflicht unterliege. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Taunus BKK mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2007 zurück. Der Kläger zu 1.) habe seine Mitgliedschaft bei der Taunus BKK sodann zum 30. September 2007 gekündigt. Bei seiner neuen Krankenkasse, der AOK Sachsen-Anhalt (im Folgenden: AOK), leitete der Kläger anschließend ein erneutes Statusfeststellungsverfahren ein (Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 des Viertes Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV)), offenbar ohne die Entscheidung der Taunus BKK zu erwähnen. Diesen Vorgang übersandte die AOK mit der Bitte um weitere Veranlassung an die Beklagte. Diese stellte mit zwei inhaltlich gleichlautenden, an die Kläger adressierten Bescheiden vom 20. März 2008 fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1.) als Geschäftsführer/Gesellschafter seit dem 1. Oktober 2006 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit und damit dem Grunde nach nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde.
Am 2. April 2008 erhielt die Beklagte Kenntnis von der Entscheidung der Taunus BKK über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1.). Mit Schreiben vom 18. April 2008 und 21. April 2008 hörte die Beklagte die Kläger zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 20. März 2008 zurückzunehmen und den Antrag auf Statusfeststellung abzulehnen, weil bereits eine Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Taunus BKK getroffen worden sei. Mit zwei inhaltlich gleichlautenden, an die Kläger adressierten Bescheiden vom 9. Mai 2008 nahm die Beklagte ihre Bescheide vom 20. März 2008 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit der Begründung zurück, aufgrund der Entscheidung der Taunus BKK über den sozialversicherungsrechtlichen Status sei die erneute Entscheidung hierüber unzulässig gewesen. Den dagegen am 11. Juni 2008 per Fax erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit inhaltlich gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 22. Januar 2009 zurück.
Dagegen haben die Kläger am 20. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Stendal erhoben und geltend gemacht, mit Bescheid vom 20. März 2008 habe die Beklagte zutreffend festgestellt, dass keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege. Die Entscheidung der Taunus BKK sei offensichtlich rechtswidrig. Deshalb sei dort ein Überprüfungsantrag anhängig.
Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Bescheide der Beklagten vom 9. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. Januar 2009 (gemeint sind wohl die Bescheide vom 20. März 2008) seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Beklagte sei gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV nicht berechtigt gewesen, eine Entscheidung im Anfrageverfahren zu treffen, da bereits zuvor die Taunus BKK eine Statusfeststellung getroffen habe. Auf eine eventuell inhaltliche Richtigkeit der Bescheide der Beklagten komme es nicht an.
Gegen den am 22. September 2009 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 22. Oktober 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Betracht kommt, weil Bedenken bestehen, ob das SG durch Gerichtsbescheid entscheiden durfte. Die Kläger haben hierzu erklärt, der Senat möge entsprechend seiner Ankündigung verfahren.
Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. September 2009 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stendal zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, die zu entscheidende Rechtsfrage weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, so dass durch Gerichtsbescheid habe entschieden werden dürfen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 2. Dezember 2009, Schriftsatz der Kläger vom 21. Dezember 2009).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Stendal vom 21. September 2009 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 159 Rdnr. 3, 3a m. w. N.). Die Entscheidung des SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln.
Das SG hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es den Klägern ihren gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich die Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, SozR 4-1500 § 105 Nr. 1). Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Sachverhalt ist geklärt, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 34). Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem SG ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a.a.O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40).
Das SG hat im Gerichtsbescheid nicht näher begründet, warum die Voraussetzungen für diese Entscheidungsform gegeben sein sollen, sondern zählt diese lediglich auf. In dem Anhörungsschreiben vom 12. August 2009 sind die Voraussetzungen des § 105 SGG überhaupt nicht erwähnt. Dieses Schreiben erscheint formelhaft und ohne Fallbezug.
Schwerer wiegt, dass der Sachverhalt nicht geklärt ist, denn für eine umfassende rechtliche Beurteilung erscheint die Beiziehung des Verwaltungsvorganges der Taunus BKK notwendig. Insbesondere deren Bescheid vom 2. Januar 2007 ist (im Gegensatz zum Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2007) nicht aktenkundig. Der Verwaltungsvorgang ist vor folgendem rechtlichen Hintergrund von Interesse: Über die Rücknahme oder Aufhebung eines von Anfang an rechtswidrigen oder nach seinem Erlass rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes entscheidet nach dessen Unanfechtbarkeit die zuständige Behörde – und zwar auch dann, wenn der Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (§§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 5, 48 Abs. 4 SGB X). Folglich darf eine Behörde, wenn sie für die Sachentscheidung zuständig ist, auch Verwaltungsakte anderer Behörden zurücknehmen oder aufheben. Die Tatsache, dass die Taunus-BKK den (nicht aktenkundigen) Bescheid vom 2. Januar 2007 erlassen hat, bedeutet also nicht zwingend, dass die Beklagte diesen nicht hätte zurücknehmen können, zumal sie in der Sache – was die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1. anbelangt – offenbar anderer Meinung ist als die Taunus BKK.
Ob die Beklagte für die von der Taunus BKK getroffenen Entscheidung zuständig gewesen wäre, beurteilt sich nach § 7a SGB IV. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Zuständig für die Entscheidung im Anfrageverfahren ist gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV nicht die Einzugsstelle, sondern die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das galt auch schon im Zeitpunkt der Entscheidung der Taunus BKK Anfang 2007. Selbst die Einzugsstelle hätte eine derartige Anfrage zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergeben würde, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Das verdeutlicht die ausschließliche Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung im Anfrageverfahren. Der Akteninhalt deutet darauf hin, dass die Entscheidung der Taunus BKK im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV und nicht im Rahmen des § 28h Abs. 2 SGB IV erfolgte, sie also sachlich nicht zuständig war. Sicher lässt sich das allerdings nur anhand des Verwaltungsvorganges der Taunus BKK beurteilen.
Vorliegend lässt sich auch nicht ohne Weiteres argumentieren, dass das Statusfeststellungsverfahren bei der Beklagten wegen des von der Taunus BKK eingeleiteten und abgeschlossenen Verfahrens unzulässig war. Dies mag gelten, wenn die Beklagte von vornherein eine Sachentscheidung abgelehnt hätte. Dies hätte dem Zweck des Anfrageverfahrens gemäß § 7a SGB IV entsprochen. Denn dieses Verfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage eröffnen und dadurch divergierende Entscheidungen verhindern (BT-Drucks. 14/1855 S. 6). Hier liegt der Fall aber anders, denn durch die Bescheide der Beklagten vom 20. März 2008 waren divergierende Entscheidungen ergangen und konnten nicht mehr verhindert werden. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob durch die bestandskräftige Entscheidung der Taunus BKK mit Bescheid vom 2. Januar 2007 das Statusfeststellungsverfahren wieder zulässig geworden ist, denn § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezieht sich ausdrücklich nur auf die Einleitung des Verfahrens (" es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet"). Einerseits lässt sich argumentieren, dass eine (erneute) Überprüfung im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV erst recht ausgeschlossen ist, wenn ein zeitlich vorher eingeleitetes Verfahren sogar bestandskräftig abgeschlossen ist. Andererseits sind auch bei abgeschlossenen Verfahren Überprüfungsanträge gemäß § 44 SGB X grundsätzlich möglich, für die dann gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV die Beklagte zuständig ist.
Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass eine besondere Schwierigkeit rechtlicher Art vorlag, die eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid unzulässig machte, zumal – soweit ersichtlich – keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliegt, wie zu verfahren ist, wenn – wie hier – zwei divergierende Entscheidungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status ergangen sind. Hinzu kommt, dass das SG eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 45 SGB X zu überprüfen hatte. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2009 nicht zwischen Vertrauensschutzprüfung und Ermessensausübung differenziert hat, hätte Anlass bestanden, hierauf näher einzugehen. Der Gerichtsbescheid des SG enthält aber keine Ausführungen zum Ermessen.
Der Besetzungsmangel des SG aufgrund der Entscheidung durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Kläger an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Angesichts der Tatsache, dass die bisherige Verfahrensdauer seit Klageerhebung im Februar 2009 weit unterdurchschnittlich ist, hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Das SG sollte auch die Taunus BKK und die aktuelle Krankenkasse des Klägers zu 1.) beiladen (§ 75 SGG), zumal nicht bekannt ist, in welchem Verfahrensstadium sich das Überprüfungsverfahren bei der Taunus BKK befindet.
Der Streitwert war auf 5.000 Euro festzusetzen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz). Da keine Anhaltspunkte für eine konkrete Bemessung des Streitwerts nach dem verfolgten Interesse vorliegen, ist vom Regel-Streitwert auszugehen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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