Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 146/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 99/10 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum so genannten Vormonatsprinzip bei der Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen im Rahmen von § 96a SGB VI.
Auf die Beschwerde wird die Berufung unter entsprechender Abänderung
des Urteils des Sozialgerichts München vom 12. November 2009 zugelas-
sen.
Gründe:
Obwohl die Entscheidung, mit der das Landessozialgericht eine Berufung zulässt, an sich keiner Begründung bedarf, hält der Senat rechtliche Ausführungen zu bestimmten Problemen für angezeigt.
I.
Die Parteien streiten wegen der teilweisen Aufhebung einer Rentenbewilligung und einer Leistungserstattung für die Monate April und Mai 2007.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Bf) bezieht von der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg) seit 01.03.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Aus einer Beschäftigung von April bis Juni 2007 erzielte er in den Monaten April und Mai ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 400 EUR, im Juni blieb dieses unter 300 EUR. Aufgrund des Hinzuverdienstes hob die Bg mit Bescheid vom 06.09.2007 die Rentenbewilligung für die Monate April und Mai insoweit auf, als nur noch drei Viertel der vollen Rente bewilligt wurden; zudem ordnete sie die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 353,98 EUR an. Das folgende Widerspruchs- und das Klageverfahren vor dem Sozialgericht München sind ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2009 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Am 22.01.2010 hat der Bf gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache dann, wenn eine bislang nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen wird, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Zwar verleiht der Umstand, dass ein Urteil möglicherweise falsch ist, für sich betrachtet einer Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; anders kann es ausnahmsweise dann sein, wenn das Urteil auf Willkür beruht.
Im vorliegenden Fall besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass erstens ein besonders grober Fehler der Bg vorliegt, der zweitens auf einer allgemeinen behördlichen Praxis beruht und deshalb weit über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Prüfung, ob die Bg tatsächlich in dieser Form rechtswidrig gehandelt hat, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Jedenfalls genügt der auf der Grundlage mehrerer Rückfragen entstandene "Anfangsverdacht", um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu bejahen und daher ein Berufungsverfahren einzuleiten. Der mögliche Fehler der Bg liegt in einer falschen Handhabung von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
Die hier einschlägigen Regelungen haben für den maßgebenden Zeitraum April und Mai 2007 folgende Fassung: Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten ist. Die Hinzuverdienstgrenze wird gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht überschritten, wenn das zusätzliche Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt. Für die hier gegebene Rente wegen voller Erwerbsminderung beträgt die Hinzuverdienstgrenze ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße für eine Rente in voller Höhe (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI am Ende (a.E.)). Weiter sah und sieht § 96a Abs. 2 Nr. 3 SGB VI gestaffelt ansteigende Hinzuverdienstgrenzen vor bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte und in Höhe eines Viertels. Wie sich das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze auf die Rentengewährung auswirkt, ergibt sich aus § 96a Abs. 1a SGB VI in der maßgebenden Fassung. Danach wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels geleistet. Gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI bleibt ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Lauf eines jeden Kalenderjahrs außer Betracht.
Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass der Bf nur in den Monaten April und Mai 2007 Arbeitsentgelt bezog, welches knapp über der niedrigsten Hinzuverdienstgrenze des § 96a Abs. 2 Nr. 2, aber deutlich unter allen in § 96a Abs. 2 Nr. 3 SGB VI geregelten Hinzuverdienstgrenzen lag. In den Monaten Januar bis März und Juli bis Dezember 2007 floss dem Bf keinerlei nach § 96a SGB VI grundsätzlich anrechenbares Einkommen zu, im Juni 2007 nur in einer Höhe unterhalb der niedrigsten Hinzuverdienstgrenze. Dass der Kläger gleichwohl aufgrund von § 96a SGB VI 353,98 EUR zu viel an Rente bezogen haben soll, leuchtet angesichts des Wortlauts von § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI nicht ein.
Eine schriftliche Stellungnahme der Bg dazu liegt noch nicht vor; eine solche ist auch nicht notwendig, um über die Zulassungsfähigkeit der Berufung befinden zu können. Fernmündlich bzw. mündlich hat die Bf ihre Praxis mit dem so genannten Vormonatsprinzip gerechtfertigt. Die Notwendigkeit zu dessen Heranziehung ist dadurch entstanden, dass nach Ansicht der Bg für jeden zu beurteilenden Kalendermonat von den vier gesetzlich vorgesehenen Hinzuverdienstgrenzen nur eine einzige greift, nicht aber alle vier Hinzuverdienstgrenzen parallel in "übereinander gestapelter" Form (in letztere Richtung wohl eher BTDrucks 13/2590, S. 23, linke Spalte unten). Der Senat vertritt die Ansicht, dass dieses Modell zahlreiche Folgeprobleme mit sich bringt. Man tut sich aber angesichts des Duktus von § 96a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI schwer, es zu verwerfen. Denn diesen Regelungen zufolge führt der Bezug einer Rente in ganz bestimmter Höhe im jeweiligen Kalendermonat zu einem bestimmten Hinzuverdienstfaktor und damit auch zu einer bestimmten Hinzuverdienstgrenze. § 34 Abs. 3 SGB VI ist hinsichtlich der Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Wesentlichen identisch gestaltet (vgl. Schulin in: Ders., Handbuch des Sozialversicherungsrechts Band 3, 1999, § 39 RdNr. 166). Die innere Berechtigung dieses legislativen Ansatzes liegt auf der Hand: Je niedriger die Rente ist, je weniger also der Lebensunterhalt aus dieser bestritten werden kann, desto weit gehender muss der Gesetzgeber Hinzuverdienstmöglichkeiten einräumen. Eine wesensmäßige andere Fragestellung ist gerade bei inkonstantem Hinzuverdienst, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene im Rentenniveau überhaupt von der Vollrente auf eine Teilrente absinkt; zu deren Beantwortung hält das Gesetz jedoch kein spezifisches Normengefüge bereit.
Wenn aber in dem zu beurteilenden Monat tatsächlich eine geringere als die volle Erwerbsminderungsrente gezahlt wird - mit der Folge einer höheren Hinzuverdienstgrenze -, dann kann diese Absenkung der Rente auf drei Viertel, die Hälfte oder ein Viertel zwangsläufig nur von einem übersteigenden Hinzuverdienst aus Vormonaten herrühren. Das Vormonatsprinzip ist damit notwendige Konsequenz der Annahme, für jeden einzelnen Monat sei eine einzige Hinzuverdienstgrenze zu bestimmen (für das Vormonatsprinzip z.B. Gürtner in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 96a SGB VI RdNr. 7 ). Diese basiert wiederum darauf, dass § 96a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI rechtsetzungstechnisch nicht eine bestimmte Rentenhöhe an eine bestimmte Hinzuverdienstsituation knüpft, sondern umgekehrt.
Der Senat braucht nicht zu erörtern, ob und inwieweit dieses Anrechnungsmodell mit dem Gesetz in Einklang steht oder gar zweckmäßig ist. Auch wenn man seine Richtigkeit unterstellt und es heranzieht, leuchtet das Ergebnis, zu dem die Bg im vorliegenden Fall gelangt ist, nicht ein. Im Monat Januar 2007 bezog der Bf eine volle Rente wegen Erwerbsminderung, was dazu führte, dass die Hinzuverdienstgrenze in diesem Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße war. Entsprechend war die Konstellation in den Monaten Februar und März. Auch im April lag die Hinzuverdienstgrenze bei einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße; denn aufgrund der Vormonatsverhältnisse - es war keinerlei Hinzuverdienst angefallen - stand dem Bf nach dem "Vormonatsprinzip" nach wie vor die volle Rente zu. Im April 2007 erzielte der Bf jedoch Arbeitsentgelt, das die Hinzuverdienstgrenze überstieg, jedoch nicht deren Doppeltes. Das durfte nicht dazu führen, dass im Mai 2007 nur noch eine Drei-Viertel-Rente gezahlt wurde. Denn dieses erstmalige Übersteigen der Hinzuverdienstgrenze im April war gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI unschädlich. Da auch im Mai die volle Rente zustand, betrug die Hinzuverdienstgrenze wiederum ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße. So kam es im Mai 2007 zum zweiten, ebenfalls unschädlichen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Dabei blieb es aber in diesem Jahr: Bereits im Juni erzielte der Bf einen Hinzuverdienst nur noch unter 300 EUR, im zweiten Halbjahr 2007 überhaupt keinen mehr.
Auch wenn man somit im vorliegenden Fall ein "Vormonatsprinzip" anwendet, führt § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI dazu, dass im Kalenderjahr 2007 nur zweimal jeweils im unschädlichen Umfang die jeweilige Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde (vgl. das Beispiel in BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 RdNr. 32). Dem Ergebnis der Bg, dass nur verminderte Renten auszuzahlen seien, kann daher auch unter dieser Prämisse nicht beigetreten werden. Der Senat kann sich die Praxis der Bg nur so erklären, dass diese sich an die Entscheidung BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 anlehnen wollte. Denn dort (RdNr. 24) wird ausgeführt, die Voraussetzungen eines privilegierten Überschreitens nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI lägen nicht vor, weil der Verdienst des damaligen Klägers bereits im jeweiligen Vormonat über derselben Hinzuverdienstgrenze gelegen habe. Sollte sich die Bg daran orientiert haben, hätte sie verkannt, dass das BSG seinerzeit den Fall eines gleichmäßigen Hinzuverdienstes entscheiden musste, nicht aber die Konstellation schwankender Einkommensverhältnisse. Bei gleichbleibendem Hinzuverdienst verneint das BSG die Privilegierung des § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI von vornherein (die Notwendigkeit dieser Differenzierung ist dadurch entstanden, dass die Privilegierung nicht als bloße "Freigrenze", sondern als "Freibetrag" angesehen wird); es lässt nicht zu, unter konstanten Verhältnissen in jedem Kalenderjahr zwei Monate anrechnungsfrei zu halten (vgl. BSG, a.a.O. RdNr. 26). Bezeichnender Weise hat das BSG in der genannten Entscheidung explizit darauf hingewiesen, möglicherweise gelte etwas anderes, wenn der Verdienst lediglich in zwei aufeinanderfolgenden Monaten dieselbe Hinzuverdienstgrenze übersteige und danach wieder darunter absinke (BSG, a.a.O., RdNr. 24).
Zu den Einzelheiten der Berechnung mag das Gesetz mehrdeutig sein und Anlass zu Kontroversen geben. Der vorliegende Fall verlangt indes nicht, ein optimales Berechnungsmodell zu ermitteln und zugrunde zu legen. Denn bereits ein unverstellter Blick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI vermittelt nahezu die Gewissheit, dass das Ergebnis, zu dem die Bg gelangt ist, nicht richtig sein kann. Denn hier liegt eine Konstellation vor, bei der der Rentenempfänger nur zweimal im Jahr die unterste Hinzuverdienstgrenze jeweils nur geringfügig überschritten und ansonsten überhaupt keinen oder (im Juni) nur einen unter jeglicher Anrechnungsgrenze liegenden Hinzuverdienst erzielt hatte. Man muss sich fragen, wann, wenn nicht im vorliegenden Fall, die Privilegierung des § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI greifen soll.
Eine eigene Kostenentscheidung unterbleibt. Die Kostentragung folgt der Kostenentscheidung zur Berufung.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
des Urteils des Sozialgerichts München vom 12. November 2009 zugelas-
sen.
Gründe:
Obwohl die Entscheidung, mit der das Landessozialgericht eine Berufung zulässt, an sich keiner Begründung bedarf, hält der Senat rechtliche Ausführungen zu bestimmten Problemen für angezeigt.
I.
Die Parteien streiten wegen der teilweisen Aufhebung einer Rentenbewilligung und einer Leistungserstattung für die Monate April und Mai 2007.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Bf) bezieht von der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg) seit 01.03.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Aus einer Beschäftigung von April bis Juni 2007 erzielte er in den Monaten April und Mai ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 400 EUR, im Juni blieb dieses unter 300 EUR. Aufgrund des Hinzuverdienstes hob die Bg mit Bescheid vom 06.09.2007 die Rentenbewilligung für die Monate April und Mai insoweit auf, als nur noch drei Viertel der vollen Rente bewilligt wurden; zudem ordnete sie die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 353,98 EUR an. Das folgende Widerspruchs- und das Klageverfahren vor dem Sozialgericht München sind ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2009 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Am 22.01.2010 hat der Bf gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache dann, wenn eine bislang nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen wird, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Zwar verleiht der Umstand, dass ein Urteil möglicherweise falsch ist, für sich betrachtet einer Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; anders kann es ausnahmsweise dann sein, wenn das Urteil auf Willkür beruht.
Im vorliegenden Fall besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass erstens ein besonders grober Fehler der Bg vorliegt, der zweitens auf einer allgemeinen behördlichen Praxis beruht und deshalb weit über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Prüfung, ob die Bg tatsächlich in dieser Form rechtswidrig gehandelt hat, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Jedenfalls genügt der auf der Grundlage mehrerer Rückfragen entstandene "Anfangsverdacht", um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu bejahen und daher ein Berufungsverfahren einzuleiten. Der mögliche Fehler der Bg liegt in einer falschen Handhabung von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
Die hier einschlägigen Regelungen haben für den maßgebenden Zeitraum April und Mai 2007 folgende Fassung: Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten ist. Die Hinzuverdienstgrenze wird gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht überschritten, wenn das zusätzliche Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt. Für die hier gegebene Rente wegen voller Erwerbsminderung beträgt die Hinzuverdienstgrenze ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße für eine Rente in voller Höhe (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI am Ende (a.E.)). Weiter sah und sieht § 96a Abs. 2 Nr. 3 SGB VI gestaffelt ansteigende Hinzuverdienstgrenzen vor bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte und in Höhe eines Viertels. Wie sich das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze auf die Rentengewährung auswirkt, ergibt sich aus § 96a Abs. 1a SGB VI in der maßgebenden Fassung. Danach wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels geleistet. Gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI bleibt ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Lauf eines jeden Kalenderjahrs außer Betracht.
Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass der Bf nur in den Monaten April und Mai 2007 Arbeitsentgelt bezog, welches knapp über der niedrigsten Hinzuverdienstgrenze des § 96a Abs. 2 Nr. 2, aber deutlich unter allen in § 96a Abs. 2 Nr. 3 SGB VI geregelten Hinzuverdienstgrenzen lag. In den Monaten Januar bis März und Juli bis Dezember 2007 floss dem Bf keinerlei nach § 96a SGB VI grundsätzlich anrechenbares Einkommen zu, im Juni 2007 nur in einer Höhe unterhalb der niedrigsten Hinzuverdienstgrenze. Dass der Kläger gleichwohl aufgrund von § 96a SGB VI 353,98 EUR zu viel an Rente bezogen haben soll, leuchtet angesichts des Wortlauts von § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI nicht ein.
Eine schriftliche Stellungnahme der Bg dazu liegt noch nicht vor; eine solche ist auch nicht notwendig, um über die Zulassungsfähigkeit der Berufung befinden zu können. Fernmündlich bzw. mündlich hat die Bf ihre Praxis mit dem so genannten Vormonatsprinzip gerechtfertigt. Die Notwendigkeit zu dessen Heranziehung ist dadurch entstanden, dass nach Ansicht der Bg für jeden zu beurteilenden Kalendermonat von den vier gesetzlich vorgesehenen Hinzuverdienstgrenzen nur eine einzige greift, nicht aber alle vier Hinzuverdienstgrenzen parallel in "übereinander gestapelter" Form (in letztere Richtung wohl eher BTDrucks 13/2590, S. 23, linke Spalte unten). Der Senat vertritt die Ansicht, dass dieses Modell zahlreiche Folgeprobleme mit sich bringt. Man tut sich aber angesichts des Duktus von § 96a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI schwer, es zu verwerfen. Denn diesen Regelungen zufolge führt der Bezug einer Rente in ganz bestimmter Höhe im jeweiligen Kalendermonat zu einem bestimmten Hinzuverdienstfaktor und damit auch zu einer bestimmten Hinzuverdienstgrenze. § 34 Abs. 3 SGB VI ist hinsichtlich der Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Wesentlichen identisch gestaltet (vgl. Schulin in: Ders., Handbuch des Sozialversicherungsrechts Band 3, 1999, § 39 RdNr. 166). Die innere Berechtigung dieses legislativen Ansatzes liegt auf der Hand: Je niedriger die Rente ist, je weniger also der Lebensunterhalt aus dieser bestritten werden kann, desto weit gehender muss der Gesetzgeber Hinzuverdienstmöglichkeiten einräumen. Eine wesensmäßige andere Fragestellung ist gerade bei inkonstantem Hinzuverdienst, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene im Rentenniveau überhaupt von der Vollrente auf eine Teilrente absinkt; zu deren Beantwortung hält das Gesetz jedoch kein spezifisches Normengefüge bereit.
Wenn aber in dem zu beurteilenden Monat tatsächlich eine geringere als die volle Erwerbsminderungsrente gezahlt wird - mit der Folge einer höheren Hinzuverdienstgrenze -, dann kann diese Absenkung der Rente auf drei Viertel, die Hälfte oder ein Viertel zwangsläufig nur von einem übersteigenden Hinzuverdienst aus Vormonaten herrühren. Das Vormonatsprinzip ist damit notwendige Konsequenz der Annahme, für jeden einzelnen Monat sei eine einzige Hinzuverdienstgrenze zu bestimmen (für das Vormonatsprinzip z.B. Gürtner in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 96a SGB VI RdNr. 7 ). Diese basiert wiederum darauf, dass § 96a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI rechtsetzungstechnisch nicht eine bestimmte Rentenhöhe an eine bestimmte Hinzuverdienstsituation knüpft, sondern umgekehrt.
Der Senat braucht nicht zu erörtern, ob und inwieweit dieses Anrechnungsmodell mit dem Gesetz in Einklang steht oder gar zweckmäßig ist. Auch wenn man seine Richtigkeit unterstellt und es heranzieht, leuchtet das Ergebnis, zu dem die Bg im vorliegenden Fall gelangt ist, nicht ein. Im Monat Januar 2007 bezog der Bf eine volle Rente wegen Erwerbsminderung, was dazu führte, dass die Hinzuverdienstgrenze in diesem Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße war. Entsprechend war die Konstellation in den Monaten Februar und März. Auch im April lag die Hinzuverdienstgrenze bei einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße; denn aufgrund der Vormonatsverhältnisse - es war keinerlei Hinzuverdienst angefallen - stand dem Bf nach dem "Vormonatsprinzip" nach wie vor die volle Rente zu. Im April 2007 erzielte der Bf jedoch Arbeitsentgelt, das die Hinzuverdienstgrenze überstieg, jedoch nicht deren Doppeltes. Das durfte nicht dazu führen, dass im Mai 2007 nur noch eine Drei-Viertel-Rente gezahlt wurde. Denn dieses erstmalige Übersteigen der Hinzuverdienstgrenze im April war gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI unschädlich. Da auch im Mai die volle Rente zustand, betrug die Hinzuverdienstgrenze wiederum ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße. So kam es im Mai 2007 zum zweiten, ebenfalls unschädlichen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Dabei blieb es aber in diesem Jahr: Bereits im Juni erzielte der Bf einen Hinzuverdienst nur noch unter 300 EUR, im zweiten Halbjahr 2007 überhaupt keinen mehr.
Auch wenn man somit im vorliegenden Fall ein "Vormonatsprinzip" anwendet, führt § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI dazu, dass im Kalenderjahr 2007 nur zweimal jeweils im unschädlichen Umfang die jeweilige Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde (vgl. das Beispiel in BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 RdNr. 32). Dem Ergebnis der Bg, dass nur verminderte Renten auszuzahlen seien, kann daher auch unter dieser Prämisse nicht beigetreten werden. Der Senat kann sich die Praxis der Bg nur so erklären, dass diese sich an die Entscheidung BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 anlehnen wollte. Denn dort (RdNr. 24) wird ausgeführt, die Voraussetzungen eines privilegierten Überschreitens nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI lägen nicht vor, weil der Verdienst des damaligen Klägers bereits im jeweiligen Vormonat über derselben Hinzuverdienstgrenze gelegen habe. Sollte sich die Bg daran orientiert haben, hätte sie verkannt, dass das BSG seinerzeit den Fall eines gleichmäßigen Hinzuverdienstes entscheiden musste, nicht aber die Konstellation schwankender Einkommensverhältnisse. Bei gleichbleibendem Hinzuverdienst verneint das BSG die Privilegierung des § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI von vornherein (die Notwendigkeit dieser Differenzierung ist dadurch entstanden, dass die Privilegierung nicht als bloße "Freigrenze", sondern als "Freibetrag" angesehen wird); es lässt nicht zu, unter konstanten Verhältnissen in jedem Kalenderjahr zwei Monate anrechnungsfrei zu halten (vgl. BSG, a.a.O. RdNr. 26). Bezeichnender Weise hat das BSG in der genannten Entscheidung explizit darauf hingewiesen, möglicherweise gelte etwas anderes, wenn der Verdienst lediglich in zwei aufeinanderfolgenden Monaten dieselbe Hinzuverdienstgrenze übersteige und danach wieder darunter absinke (BSG, a.a.O., RdNr. 24).
Zu den Einzelheiten der Berechnung mag das Gesetz mehrdeutig sein und Anlass zu Kontroversen geben. Der vorliegende Fall verlangt indes nicht, ein optimales Berechnungsmodell zu ermitteln und zugrunde zu legen. Denn bereits ein unverstellter Blick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI vermittelt nahezu die Gewissheit, dass das Ergebnis, zu dem die Bg gelangt ist, nicht richtig sein kann. Denn hier liegt eine Konstellation vor, bei der der Rentenempfänger nur zweimal im Jahr die unterste Hinzuverdienstgrenze jeweils nur geringfügig überschritten und ansonsten überhaupt keinen oder (im Juni) nur einen unter jeglicher Anrechnungsgrenze liegenden Hinzuverdienst erzielt hatte. Man muss sich fragen, wann, wenn nicht im vorliegenden Fall, die Privilegierung des § 96a Abs. 1 Satz 2 a.E. SGB VI greifen soll.
Eine eigene Kostenentscheidung unterbleibt. Die Kostentragung folgt der Kostenentscheidung zur Berufung.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
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