L 22 U 43/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 19 U 54/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 43/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2004 insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin zur Zahlung einer Verletztenrente verurteilt worden ist. Die Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin die im Tenor des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2004 ausgeurteilte Rente zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Verfahren erster Instanz. Die Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erkrankung der Klägerin an einer Hepatitis C Viruserkrankung HCV als Berufskrankheit (BK) zu beurteilen ist.

Die 1933 geborene Klägerin war von 1951 bis 1986 im Gesundheitswesen der ehemaligen DDR beschäftigt. Aus den Eintragungen im Ausweis der Sozialversicherung der Klägerin ergibt sich: Vom 01. April 1950 bis zum 31. Dezember 1953 arbeitete sie als Sprechstundenanlernling, Schwesternhelferin und Arztsekretärin, bevor sie zum 01. Januar 1954 als Sprechstundenhilfe in die damalige Poliklinik im Kreiskrankenhaus K wechselte. Zum 01. Januar 1964 nahm sie am Ambulatorium am Krankenhaus K eine Tätigkeit als Sprechstundenschwester auf. Ab dem 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1972 war die Klägerin als Sprechstundenschwester beim Rat der Gemeinde K beschäftigt und weiter als Sprechstundenschwester ab dem 01. Januar 1973 im ambulanten Gesundheitswesen im Industriegebiet T in K Ab dem 01. Januar 1979 bis zum Ausscheiden aus der beruflichen Tätigkeit mit Invalidenrente ab dem 08. Mai 1986 arbeitete sie in der Poliklinik T/K Die Klägerin wurde nach ihren eigenen Angaben aufgrund einer rheumatischen Polyarthritis invalidisiert und war seit ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben als Hausfrau tätig.

Mit Eingang vom 01. August 1997 beim Gewerbeärztlichen Dienst des Landesinstitutes für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin P bat der die Klägerin behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. med. F um Anerkennung der chronischen Hepatitis C bei der Klägerin als Berufserkrankung: 1992 sei histologisch eine chronisch-aggressive Hepatitis mit Übergang in eine aktive Zirrhose gesichert worden. Der Gewerbeärztliche Dienst übersandte die ärztliche Meldung an den damaligen Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg (GUV) - dem Rechtsvorgänger der Beklagten -, der die Unterlagen "zuständigkeitshalber" an die Beigeladene sandte.

Die Beigeladene ermittelte durch Befragung der Klägerin zu deren Tätigkeit und Erkrankung. Diese gab an, als Sprechstundenschwester täglich auch Blut mit Spritzen subcutan und intravenös entnommen und Wunden versorgt zu haben. Sie habe die Spritzen nach deren Gebrauch gesäubert und sterilisiert. Darüber hinaus habe sie in der "kleinen" Unfallchirurgie assistiert. Erstmalig 1970 seien unklare, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden aufgetreten, die 1970 und 1985 zu operativen Eingriffen geführt hätten. Darüber hinaus übersandte die Klägerin Fotokopien ihrer Sozialversicherungsausweise.

Die Beigeladene zog zahlreiche medizinische Unterlagen bei, darunter eine Epikrise vom 03. Dezember 1985 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 14. Oktober 1985 bis zum 21. November 1985 wegen eines lumbalen Schmerzsyndroms sowie einer Cholecystopathie, das Krankenblatt über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 24. November 1985 bis zum 11. Dezember 1985 im Krankenhaus L L wegen einer Gallenblasenentfernung, einen Befundbericht von Dr. med. F vom 15. Dezember 1997, der einen histologischen Befund vom 16. Juni 1992 enthält, in dem eine chronisch-aggressive Hepatitis im Sinne einer aktiven hepatitischen Zirrhose attestiert wird, einen serologischen Befund, einen weiteren Befundbericht von Dr. med. F vom 20. April 1999, einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. N vom 21. Dezember 1997 mit weiteren medizinischen Unterlagen. Bei den von Dr. med. N übersandten Unterlagen befindet sich auch ein serologischer Befund vom 01. Dezember 1995 über den Nachweis einer Hepatitis C Virus RNA sowie ein Leberbiopsiebefund vom 15. Januar 1996.Das Universitätsklinikum B, Medizinische Klinik und Poliklinik, Lebersprechstunde übersandte ebenfalls weitere Befunde.

Nachdem die Beigeladene gegenüber der Beklagten erklärt hatte, dass im Verlauf der Ermittlung ihre Zuständigkeit nicht habe festgestellt werden können, übernahm die Beklagte im Mai 1999 das Verfahren in ihre Zuständigkeit.

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin W Prof. Dr. O am 30. Juli 1999 mit, dass nach Durchsicht der umfangreichen Aktenunterlagen keinerlei vernünftige Zweifel daran bestünden, dass sich die Klägerin in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mit Hepatitis C Viren infiziert habe. Es sollte unverzüglich bei der Klägerin eine persönliche Untersuchung und Begutachtung stattfinden, um die aktuelle Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festlegen zu können.

Mit Bescheid vom 26. August 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung der HCV der Klägerin als BK Nr. 60 der Berufskrankheitenliste der ehemaligen DDR und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit einer Sprechstundenschwester im ambulanten Bereich nicht als erhöht infektionsgefährdet eingeschätzt werde. Deshalb sei für die Anerkennung der Erkrankung als BK der Nachweis der Infektionsquelle sowie der Infektionszeitpunkt zu erbringen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2000 zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 17. April 2000 beim Sozialgericht Potsdam (SG) Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.

Sie hat vorgetragen, dass sie im Krankenhaus K bis 1972 als Stationsschwester gearbeitet und bis zum Jahre 1972 in der so genannten "kleinen" Chirurgie assistiert habe. Bei dieser Assistenz habe ihre Tätigkeit darin bestanden, den OP Tisch herzurichten und die entsprechenden Instrumente bei der Operation dem Operateur zuzureichen. Dies sei mindestens zweimal monatlich vorgekommen. 1972 habe sie in derselben Einrichtung - nunmehr unter dem Namen Poliklinik K, seit 1979 unter dem Dach der Poliklinik T - als Sprechstundenschwester gearbeitet. Sie sei nach ihrer Erinnerung im speziellen Spritzenraum der Poliklinik in den Jahren von 1978 bis 1983 eingesetzt worden, und zwar täglich mehrere Stunden, im Durchschnitt bei etwa 35 bis 40 Patienten pro Tag. Zu den Aufgaben im Spritzenraum habe beinahe hauptsächlich gehört, den Patienten Blut abzunehmen, wobei sie keine Gummihandschuhe und die damals üblichen Mehrwegspritzen verwendet habe. Die Spritzen hätten selbst gesäubert, in ein Behältnis gelegt und dann in den Sterilisationskeller getragen werden müssen. Beim Reinigen der Spritzen sei es durchaus vorgekommen, dass sie sich an einer Nadel verletzt habe. Sie habe damals die Infektionsgefahr nicht so ernst genommen. In der Poliklinik sei kinderärztlich, frauenärztlich, urologisch, chirurgisch und allgemeinmedizinisch behandelt worden.

Darüber hinaus hat die Klägerin vorgetragen, dass sie während ihrer Tätigkeit zweimal wöchentlich einer bereits verstorben Patientin namens C K wegen deren schwerer Lebererkrankungen Spritzen verabreicht habe. Hierzu hat die Klägerin auch eine "schriftliche Bestätigung" der Tochter von Frau K, Frau R Z, vom 05. Februar 2002 vorgelegt. Die genannte Patientin sei an Hepatitis C erkrankt gewesen. Darüber hinaus sei auch eine ihrer Kolleginnen namens U S in der Poliklinik an Hepatitis erkrankt gewesen; diese Kollegin habe ähnliche Tätigkeiten ausgeführt wie sie. Als weitere mögliche Infektionsquelle ist die verstorbene, ehemalige Leitende Schwester im G T Frau C P benannt worden; diese sei wegen einer Leberentzündung über einen längeren Zeitraum regelmäßig in Behandlung gewesen. Ihr sei von der Klägerin regelmäßig Blut entnommen und einmal pro Woche eine Spritze verabreicht worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 26. August 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2000 zu verpflichten, der Klägerin zur Entschädigung ihrer BK nach Nr. 60 der DDR Liste eine Verletztenrente vom 01. August 1997 an nach einer MdE von 30 % und vom 28. Januar 1998 an nach einer MdE von 40 % und vom 01. Mai 2001 an nach einer MdE von 50 % zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im April 2003 die Auffassung vertreten, dass hier allein die Voraussetzungen einer BK Nr. 60 der BKV der ehemaligen DDR zu prüfen seien.

Das SG hat Befundberichte von Dr. med. F sowie von der Ärztin Dr. med. G, Lebersprechstunde der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums B eingeholt. Auf Anforderung des SG hat die damalige Medizinische-Einrichtungs-GmbH die bei ihr archivierte Poliklinikakte der Klägerin übersandt.

Während vom Landkreis Potsdam-Mittelmark die Patientenunterlagen zu der von der Klägerin als mögliche Ansteckungsquelle benannten U S und die Poliklinikakte übersandt werden konnten, meldete der Landkreis bezüglich der von Frau C K Fehlanzeige. Die Fachärztinnen für Allgemeinmedizin Dr. med. N sowie K konnten keine Auskunft über eine Behandlung der Frau C P machen.

Auf Anordnung des SG hat Dr. med. K unter dem 08. Oktober 2003 ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage erstattet. Er hat in seinem Begleitbrief zum Gutachten darauf hingewiesen, dass er bereits zu DDR Zeiten am damaligen Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Berlin ausführlich mit der Virus Hepatitis beschäftigt gewesen sei und die dabei gesammelten Erfahrungen auch wiederholt veröffentlicht worden seien. Aus seiner Sicht spreche deutlich mehr für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schwesterntätigkeit der Klägerin und deren Lebererkrankung als dagegen. Die frühere DDR-Obergutachtenkommission für Berufskrankheiten, der er zwei Jahrzehnte lang vorgestanden habe, hätte höchstwahrscheinlich ebenso entschieden. In seinem Gutachten hat er ausgeführt, dass die Voraussetzungen des DDR Rechts für die Anerkennung einer BK Nr. 60 der BK Liste, gestützt auf die zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Richtlinien, erfüllt seien.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die von dem Sachverständigen postulierte Tätigkeit in erhöht infektionsgefährdendem Milieu so nicht dem Erkenntnisstand zum Gefährdungsrisiko im pflegerischen Bereich entspreche. Die Klägerin habe bei ihrer Arbeitsplatzbeschreibung vom 24. März 1998 auch die Frage zu Nachweisen über konkrete Verletzungen mit "nein, unbekannt" beantwortet. Sicher feststellbare Anknüpfungstatsachen für die Feststellung eines erhöhten Gefährdungsniveaus lägen nicht vor.

Durch Urteil vom 26. Oktober 2004 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das SG hat sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. med. K gestützt.

Gegen das der Beklagten am 07. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat diese am 17. Dezember 2004 Berufung beim damaligen Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt.

Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen worden, dass nach Maßgabe des heutigen Erkenntnisstandes zur haftungsbegründenden Kausalität bei einer Hepatitis C vorliegend weder der Nachweis im Sinne der Stufenprüfung, dass ein prozentualer Anteil Hepatitis C infektiöser Patienten in der Gruppe der Kontaktpersonen deutlich höher gewesen sei als in der Normalbevölkerung, noch der Nachweis, dass die Art der Tätigkeit der Klägerin als solche besonders Hepatitis gefährdend gewesen sei, als geführt anzusehen sei. Die Klägerin sei keinem der in den Begutachtungsrichtlinien des BK Rechts der ehemaligen DDR zur BK Nr. 60 genannten Berufsgruppenkreise mit erhöhter Gefährdung zuzuordnen. Darüber hinaus sei weder der Zeitpunkt der Infektion noch der der Erkrankung verlässlich sicher zu bestimmen, so dass nicht sicher feststehe, dass die Infektion in den Zeitraum der in der Summe möglicherweise erhöht gefährdenden Tätigkeiten in der Poliklinik K ab Anfang der 70 er Jahre gefallen sei. Für eine Entschädigung sei nach ihrer Auffassung die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zuständig, da diese die Poliklinik T, in welcher die Klägerin ab 01. Januar 1979 bis zu ihrem Ausscheiden tätig gewesen sei, übernommen worden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen

hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihr die im Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2004 ausgeurteilte Rente zu leisten.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zum Nachweis ihrer Tätigkeit als Spritzenschwester hat sie eine von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. N unterschriebene "Bestätigung" vom 27. Februar 2005 überreicht sowie die Ärzte K sowie Dr. med. W als Zeugen benannt.

Die durch Beschluss vom 23. Mai 2005 beigeladene Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege hat zunächst die Auffassung vertreten, dass eine HVC der Klägerin durch ihre Tätigkeit in der Poliklinik, auch wenn diese mit einer Dialyseeinrichtung vergleichbar gewesen sein möge, nicht wahrscheinlich zu machen sei. Beachtlich sei, dass der Sachverständige Dr. med. K sowohl den Zeitpunkt der Infektion als auch den der Erkrankung nicht sicher habe bestimmen können, so dass nicht festgestellt werden könne, dass die Infektion in den Zeitraum der Tätigkeiten der Klägerin in der Poliklinik gefallen sei. Es sei darüber hinaus nicht angemessen, eine chronische HCV als BK anzuerkennen, wenn die Angaben bezüglich des Infektionshergangs so unklar seien wie im vorliegenden Fall. Für das Nachfolgeunternehmen der Poliklinik T/K, die MEG, sei ihre Zuständigkeit ab 01. Oktober 1991 gegeben.

Beigezogen wurden die Totenscheine der Frau C K sowie der Frau C P.

In nichtöffentlicher Sitzung sind die Ärztinnen K und Dr. med. N sowie Dr. med. W am 11. Juli 2006 durch den Berichterstatter vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift vom 11. Juli 2006 Bezug genommen.

Nach Vorliegen der Entscheidung des BSG vom 02. April 2009 (Az.: B 2 U 30/07 R) hat der Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie der C, B, Prof. Dr. W nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 08. April 2010 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine chronisch aktive Hepatitis C Infektion bewiesen sei. Die histologische Diagnose einer bereits chronischen aktiven Hepatitis sei im Juni 1992 erfolgt. Die Klägerin sei einem signifikant erhöhten Infektionsrisiko bei erhöhter HCV-Ptävalenz im Arbeitsumfeld im Vergleich zur Normalbevölkerung ausgesetzt gewesen.

Die Beklagte trug mit Schriftsatz vom 01. Juni 2010 vor, hinsichtlich des Infektionszeitraumes zwischen 1960 und 1985 dürften sich nach dem Gutachten im Hinblick auf die erhöhten Leberwerte im November 1985 keine Bedenken ergeben. Die Beigeladene verweist darauf, dass sie im Hinblick auf den vermeintlichen Infektionszeitpunkt zwischen 1960 und 1985 nicht zuständig sei. Sie sei geneigt, dem Gutachten von Prof. Dr. W zu folgen.

Zum Verfahren wurden die Verwaltungsakten der Beklagten, Az.: ), die Verwaltungsakten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Az.: ) sowie die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes Potsdam (Gz.: ) beigezogen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt dieser Akten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist insoweit erfolgreich, als das SG zu Unrecht die Beklagte verurteilt hat. Denn der vom SG zu Recht ausgeurteilte Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist von der Beigeladenen zu erfüllen. Zu Recht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 26. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2000 aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Rente zur Entschädigung der Folgen ihrer HVC, die als BK zu beurteilen ist.

Dahinstehen kann, ob der Anspruch noch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder bereits nach den Vorschriften des am 01. Januar 1997 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) zu beurteilen ist. Denn die für den Anspruch der Klägerin maßgeblichen Vorschriften des alten und neuen Rechts stimmen in den streitigen Punkten inhaltlich überein. Anspruch auf Rente haben im Fall des Fehlens eines Tatbestandes für eine Stützrente gemäß § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VII (früher § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Bk) über die 26. (früher die 13. Woche) um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.

Der Anspruch setzt in jedem Fall voraus, dass die Voraussetzungen einer BK- nur die ist hier streitgegenständlich- erfüllt sind. Das ist der Fall. Die Erkrankung der Klägerin ist sowohl als BK 60 der Liste der Bken der DDR vom 21. April 1982 als auch als BK Nr. 3101 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung (BKV) zu beurteilen.

Krankheiten, die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht BKen der Sozialversicherung der DDR waren - wie hier die im Streit stehende BK Nr. 60 - und die bis zum 31. Dezember 1991 eingetreten sind, gelten gemäß der Ausnahmeregelung des § 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. § 1150 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als BK im Sinne des Dritten Buchs der RVO (bzw. des SGB VII).

Die von der Klägerin als BK geltend gemachte Erkrankung an HCV ist zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) bis zum 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet eingetreten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. K und Prof. Dr. med. W.

Dr. med. F hat die Klägerin nach seinem Bericht vom 15. Dezember 1997 seit Januar 1991 aufgrund dieser Erkrankung behandelt, auch wenn seinerzeit erst der Verdacht auf die Erkrankung an HVC bestand. Für den Eintritt der HCV-Erkrankung der Klägerin bis zum 31. Dezember 1991 spricht, dass sich bei der erstmaligen Leberbiopsie vom Juni 1992 bereits eine manifeste aktive chronische Hepatitis mit beginnender Leberzirrhose nachweisen lässt. Bei dieser handelt es sich, worauf der die Klägerin damals behandelnde Internist Dr. med. F ausdrücklich hingewiesen hat, um eine Erkrankung im bereits fortgeschrittenen Stadium. Hinzukommt, dass es sich nach den Ausführungen von Prof. Dr. med. W bei der HCV der Klägerin um eine langsam sich progredient entwickelt habende Erkrankung handelt und dass zu einer Hepatitis C Infektion typischerweise eine zum Teil jahrelange symptomfreie Latenzphase gehört, die erst nach mehreren Jahren in ein progredientes, symptombehaftetes Stadium übergeht. Zudem sind bereits im Jahr 1985 erstmals patholologische Leberfunktionsproben (Transaminasen) dokumentiert worden. Erstmals im November 1985 vor der operativen Gallenblasenentfernung der Klägerin sind solche erhöhten Transaminasewerte aktenkundig, worauf auch Prof. Dr. Whingewiesen hat entsprechend dem Krankenblatt über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 24. November 1985 bis zum 11. Dezember 1985, dort unter dem Datumsblatt bis zum 27. November 1985. Erhöhte Transaminasewerte sind auch für das Jahr 1991 (Befundbericht Dr. med. F vom 20. April 1999 mit von ihm übersandten paraklinischem Befund aus "1991") festgestellt worden. Die vor dem 31. Dezember 1991 bei der Klägerin eingetretene HCV ist als BK im Sinne der BK Nr. 60 der Berufskrankheitenliste der DDR (Krankheiten durch von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionserreger und Parasiten) i. V. m. § 221 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR (vom 16. Juni 1977, GBl. DDR I Nr. 18, 1977) zu beurteilen.

Nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl DDR I 185) und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (GBl DDR I 137) ist eine Bk eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) herausgegebenen Liste der BKen (Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung der BKVO-DDR vom 21. April 1981 (GBl DDR I 138)) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 4 und 5 des Einigungsvertrages).

Die Liste nennt unter der Nr. 60 der Liste: Krankheiten durch von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionserreger und Parasiten.- Tätigkeiten, bei denen die Gefährdung hinsichtlich der Infektionskrankheit oder parasitären Krankheit berufseigentümlich und im einzelnen Erkrankungsfall nachweisbar oder durch epidemiologische Untersuchungsergebnisse belegt ist.

Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um die Voraussetzungen der BK 60 zu erfüllen, ist dem Wortlaut der Norm nicht unmittelbar zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln. Die hier einschlägigen Vorschriften des in Bundesrecht transformierten Rechts der ehemaligen DDR, die im Beitrittsgebiet fortgalten, dienten der zeitlich befristeten Wahrung eines in der ehemaligen DDR etablierten rechtlichen Status quo bis zur endgültigen Überleitung des Unfallversicherungsrechts (vgl. Erläuterung zu Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III EinigVtr in BT-Drucksache 11/7817, S. 158). Daher kommt hier der historischen Auslegung ein besonderes Gewicht zu. Ausgangspunkt hierfür ist die Konkretisierung der betreffenden Norm aus diesem Regelungsbereich durch die Rechts- und Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR, wobei indes Bestimmungen und Auslegungsgrundsätze, die von spezifisch sozialistischen Wertungen und Rechtsmaximen geprägt sind, unberücksichtigt bleiben müssen. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, (BSG Urteil vom 04. Dezember 2001, B 2 U 35/00, zitiert nach juris).

Der erkennende Senat hat keine Bedenken, im vorliegenden Fall der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR bei der Konkretisierung des Inhalts der BK 60 entscheidende Bedeutung beizumessen, soweit diese Praxis sich zweifelsfrei feststellen lässt, zumal sie mit dem Wortlaut der betreffenden Norm in Einklang steht und sich innerhalb der genannten Schranken hält.

Der Senat folgt dem BSG (Urteil vom 29. April 1997 – 8 RKN U 1/96 Bk – im dort entschiedenen Fall zur BK 70-) auch insoweit, als bedeutsames Hilfsmittel für die Ermittlung der Verwaltungspraxis Hinweise der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten beim Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der DDR sind, (abgedruckt z. B. in der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Bräunlich u. a., Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer (1949 – 1990)). Darin wird auf S.274 f zur BK 60 Bezug genommen auf Konetzke, G.: Mitteilung der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten, Berlin 1974 mit folgenden Ausführungen:

"Im Gesundheitswesen besteht für folgende Berufe und Tätigkeiten ein gegenüber der Durchschnittsbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko für die Hepatitis infectiosa: Dialysezentren, Einrichtungen des Transfusions- und Blutspendewesens, pathologische und gerichtsmedizinische Institute, Operationssäle, Wachstationen, Infektionsabteilungen, innere Abteilungen für chronisch Leberkranke, ambulante Einrichtungen, in denen Leberkranke überwacht werden. Potentielle Infektionsquellen sind auch Diabetiker mit Leberschäden sowie Träger chronischer Nierenleiden, so dass auch stationäre und interne Einrichtungen, welche diesen Personenkreis betreuen, in den Kreis der Exponierten einbezogen werden müssen. Lehrer und Erzieher gehören ebenfalls zum Personenkreis mit erhöhtem Infektionsrisiko, weiterhin das Personal in Kinderkrippen und Kindergärten.

Infektionsquelle kann sowohl der Mensch als Objekt der Tätigkeit als auch infektionstüchtiges Material sein, mit welchem der Gefährdete in Ausübung seines Berufes in Berührung kommt.

Im Einzelfall genügt im Sinne der Nr. 38 der Liste der BK der Nachweis der überdurchschnittlichen berufseigentümlichen Infektionsgefährdung. Dabei ist der Nachweis der einzelnen Infektionsquelle, wenn irgend möglich, zu führen. Er ist aber nicht Bedingung für die Bejahung des Zusammenhangs zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit, wenn die epidemiologische Situation genügend geklärt und der Infektionsquellennachweis nach Lage der Dinge nicht zu erbringen ist. Dies trifft nach dem derzeitigen Stand unserer Kenntnisse in erster Linie für Tätigkeiten in Dialysezentren und Einrichtungen des Blutspende- und Transfusionswesens zu. Die Tätigkeit in Dialysezentren ist Arbeiten in Infektionsabteilungen gleichzustellen ".

Die berufliche Tätigkeit der Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen. Auch war ihre Erkrankung an HVC von der Bk 60 erfasst. Dies hat Dr. K überzeugend begründet. Der erkennende Senat folgt der Beurteilung von Prof. Dr. med. K. Angesichts der herausragenden Stellung des Sachverständigen als früherem Vorsitzenden der ehemaligen Obergutachtenkommission kann dessen Beurteilung als authentisch im Hinblick auf Praxis und Recht der Beurteilung von BKen gelten. Er ist originäre Quelle für den Nachweis der Anerkennungspraxis der DDR und wird auch als Quelle der Praxis der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten in der genannten Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin bei der BK 60 genannt. Danach lagen bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankung nach BK Nr. 60 schon nach dem bis 1989 verfügbaren Kenntnisstand vor.

Die Diagnose der virusinduzierten Hepatitis der Klägerin ist zweifelsfrei gesichert. Die HVC war nach Ausführungen von Dr. K als neue Entität aus der Gruppe der durch unterschiedliche Viren hervorgerufenen Leberentzündungen A bis E prinzipiell bekannt, und zwar (bis zur Identifizierung des Erregers 1989) unter der Bezeichnung Hepatitis non A-non B, obwohl der Erreger – das Hepatitis-C-Virus – noch nicht nachweisbar gewesen ist.

Die Klägerin ist nach dem Gutachten von Dr. med. K auch nach damaligem Verständnis aufgrund ihrer langjährigen, überwiegend täglichen Kontakte zu Blut und potenziell kontaminierten Instrumenten und Verbandsmaterialien als chirurgisch tätige Sprechstundenschwester einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass die von Dr. med. K zur Bejahung des wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs für ausreichend gehaltene Tätigkeit in erhöht infektionsgefährdendem Milieu nicht dem "derzeitigen (gemeint wohl: damaligen DDR-Standard) Erkenntnisstand zum Gefährdungsniveau im pflegerischen Bereich entsprochen" habe, ist dies rechtlich unerheblich. Nach den Mitteilungen der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten von 1974 ist wie dargelegt ausreichend, dass im Einzelfall der Nachweis der überdurchschnittlichen berufseigentümlichen Infektionsgefährdung genüge (Konetzke, G., a. a. O., Seite 275 unter Nr. 12 des Anhangs B). So stellen die Mitteilungen der Obergutachtenkommission 1974 nicht allein auf ein allgemein erhöhtes Infektionsrisiko in bestimmten, besonders benannten Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens der DDR ab, sondern auch auf eine konkret individuelle, arbeitsplatzeigentümliche, überdurchschnittliche Infektionsgefährdung ab. Dies zeigt sich bereits daran, dass auch Lehrer und Erzieher zum Personenkreis mit erhöhtem Infektionsrisiko gezählt wurden, ebenso wie das Personal in Kinderkrippen und Kindergärten (Konetzke, G., a. a. O., Seite 275 unter Nr. 12 des Anhangs B).

Damit in Übereinstimmung steht die Beurteilung von Dr. med. Kder eine arbeitsplatzeigentümliche, überdurchschnittliche Infektionsgefährdung der Klägerin bei 30 jähriger Tätigkeit als Sprechstundenschwester in erhöht infektionsgefährdendem Milieu dargestellt hat. Er hat schlüssig dargelegt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Sprechstundenschwester ganz vorwiegend im ambulanten Bereich chirurgisch orientierter ärztlicher Tätigkeit bei Würdigung der im letzten Jahrzehnt erarbeiteten wissenschaftlichen Kenntnisse ein überdurchschnittliches Infektionsrisiko für die HCV gegenüber der Normalbevölkerung aufgewiesen hat.

Die Klägerin war im Rahmen ihrer Tätigkeit auch nach dem zum Jahre 1989 verfügbaren Kenntnisstand, auf den Dr. med. K ausdrücklich abgestellt hat, einer erhöhten berufseigentümlichen Gefährdung, an einer HCV zu erkranken, ausgesetzt. Der Sachverständige hat zunächst auf die überdurchschnittliche Infektionsgefährdung der Klägerin im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung hingewiesen. Er hat einerseits festgestellt, dass sich aus übereinstimmenden Ergebnissen epidemiologischer Untersuchungen eine unerwartet hohe Durchseuchung im Gesundheitswesen von 1 bis 4 % und in Hochrisikobereichen sogar von 6 bis 7 % ergeben habe. Das seien immerhin noch Größenordnungen von einem Drittel gegenüber dem besser erforschten Durchseuchungsverhalten bei der Virus Hepatitis B und betrage das Doppelte der Normalbevölkerung mit 0,8 bis 1,4 %. Andererseits hat er das die Klägerin treffende Risiko einer HCV-Infektion nachvollziehbar anhand der Angaben der Klägerin aus deren Tätigkeit vorwiegend im ambulanten chirurgischen Bereich hergeleitet. Zu den Aufgaben der Klägerin bis 1972 gehörte einerseits die Vor- und Nachbereitung des Operationstisches, darunter Reinigen und Sterilisation von Instrumenten und Entsorgung von Verbandsmaterial, sowie gelegentliches Assistieren bei den chirurgischen Eingriffen. Darüber hinaus hat die Klägerin, was den größten zeitlichen Anteil ihrer Aufgaben ausmachte, Patienten Blut entnommen und subcutane und intravenöse Injektionen vorgenommen und die Mehrwegspritzen mit dem Risiko einer Hautverletzung auch gereinigt.

Dr. med. K ist berechtigter Weise von den entsprechenden Angaben der Klägerin ausgegangen, wonach eine durchschnittliche Zeit für die Blutentnahmen von täglich zwei Stunden bei 20 bis 30 Patienten zugrunde zu legen ist. Zweifel an diesen Verrichtungen der Klägerin bestehen nicht, sie sind im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens auch durch die Zeugenaussagen von Ärzten, die mit der Klägerin zusammen gearbeitet haben, bestätigt worden. So hat die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. N ausgesagt, dass sie die Klägerin seit 1977, also noch vor ihrer Tätigkeit in der Poliklinik T ab 01. Januar 1979 und über einen Zeitraum von zirka zehn Jahren vor dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Berufsleben, beruflich gekannt habe. Für die Zeit ab 1980, also der Tätigkeit der Klägerin in der Poliklinik T/K, konnte die Ärztin aus eigener Anschauung ihrer Tätigkeit in der Poliklinik mitteilen, dass die Klägerin als eine von sieben bis acht Schwestern in der Abteilung gearbeitet habe, in der auch sie - die Zeugin Dr. med. N - tätig gewesen sei. Dabei seien die Sprechstunden jeweils von einem Arzt zusammen mit einer Schwester gehalten worden, wobei eine Schwester auch für die Blutentnahmen im Spritzenzimmer abgestellt war. Gearbeitet worden sei damals noch nicht mit Einmalspritzen und kanülen, da diese erst seit zirka 1986 vorhanden gewesen seien. Im Schnitt seien pro Tag in der Frühschicht mindestens 30 bis 40 Blutentnahmen erfolgt, so dass eine Schwester und damit auch auf die Klägerin zirka eine solche Anzahl an Blutentnahmen pro Woche entfallen sei. Bei der Blutentnahme seien in der Regel keine Handschuhe verwendet worden; dies sei nur in den Fällen erfolgt, in denen der Verdacht einer Infektion bei einem Patienten bestanden habe. Handschuhe seien bei der Reinigung der Kanülen und Spritzen getragen worden, wobei es bei der Abnahme von Blut und dem anschließendem Vorbereiten der Sterilisierung der Spritzen und Kanülen zu Stichverletzungen gekommen sei. Die Schwestern im Spritzenzimmer hätten weitgehend selbstständig gearbeitet. Nach der Ansicht der Zeugin war die Menge der Blutentnahmen zwar nicht vergleichbar mit denen in einem Dialysezentrum, aber die Art und Weise der Tätigkeit sei so Infektionsgefahr erhöhend gewesen, dass sie durchaus mit den Gefahren bei Abnahme von Blut, die in Dialysezentrum bestanden hätten, verglichen werden könne. Der weitere Zeuge, der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. med. W, hat bekundet, dass er die Klägerin aus der Zeit ihrer Tätigkeit von 1971 bis 1977 in seiner Arztpraxis und später in der Poliklinik K, und zwar bis 1986, kenne. Die von Dr. med. N genannten etwa 30 bis 40 Blutentnahmen täglich pro Schwester würden nach seiner Ansicht die Obergrenze der Menge an Blutentnahmen täglich darstellen. Bei Blutentnahmen und Reinigen der Kanülen sei es ab und an zu Stichverletzungen der Schwestern, die diese Tätigkeit ausgeübt hätten, gekommen. Er gehe aber davon aus, dass bei den eher kleineren Stichverletzungen Meldungen hierüber, wie sie eigentlich zu erfolgen hatten - mit Eintragungen in einem Arbeitsschutzbuch - gar nicht erst erfolgt seien. Die Ärztin für Allgemeinmedizin K, die die Klägerin seit zirka 1972 aus ihrer ärztlichen Tätigkeit gekannt hat, ist von einer Obergrenze von zirka 25 bis 30 Blutentnahmen und sonstigen Spritzen pro Spritzenschwester täglich ausgegangen. Die Tätigkeit im Spritzenzimmer sei jeden Tag neu eingeteilt worden, so dass etwa zwei bis drei Schwestern für die Arbeit im Spritzenzimmer zuständig gewesen seien. Zu diesen zwei bis drei Schwestern habe auch die Klägerin gehört. Bei der Arbeit im Spritzenzimmer seien in der Regel keine Handschuhe getragen worden. Die Spritzen und Kanülen seien nach dem Spritzvorgang desinfiziert, durchgespült und anschließend sterilisiert worden, wobei diese Tätigkeit von den Spritzenschwestern verrichtet worden sei. Die Tätigkeit der Klägerin sei durchaus vergleichbar mit der Tätigkeit einer Krankenschwester einer Dialysestation, wobei sie davon ausgehe, dass in einer Dialysestation sogar eine Schwester weniger Manipulationsvorgänge mit Blut zu verrichten gehabt hätte als die einzelnen Spritzenschwestern in der Poliklinik damals. An konkrete Stichverletzungen der Klägerin könne sie sich - Frau K - nicht erinnern. Aus diesen Zeugenaussagen ergibt sich übereinstimmend, dass Dr. med. K zu Recht von einer langjährigen Tätigkeit der Klägerin ausgegangen ist, während der sie überwiegend täglich Kontakt mit Blut und zu potentiell kontaminierten Instrumenten und Verbandsmaterialien gehabt habe, woraus er auf ein erhöhtes Infektionsrisiko geschlossen hat.

Prof. Dr. hat aufgrund der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme zusätzlich nachvollziehbar darauf hingewiesen, ein hohes Infektionsrisiko der Klägerin habe nicht nur bei der von ihr beschriebenen operativen Assistenz sowie der nachfolgenden Reinigung der potenziell infizierten Operationsmaterialien bestanden. Die von der Zeugin Dr. med. N in den Angaben zu den Tätigkeiten der Klägerin enthaltene Aussage über Blutsenkungsmessungen, bei denen das Blut durch das Pflegepersonal über eine Pipette per Mund aufgezogen worden sei, ergäben zudem ein erhöhtes Risiko einer Infektion bei Kontakt von infiziertem Blut mit Schleimhautwunden der Mundschleimhaut.

Rechtlich unerheblich ist, dass der Nachweis einer Einzelinfektionsquelle nicht geführt werden kann, da der Nachweis der einzelnen Infektionsquelle wie dargelegt nicht Bedingung für die Bejahung des Zusammenhangs zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung war.

Eine außerberufliche Infektion der Klägerin lässt sich nach Dr. med. K und dem die Aktenlage im Verwaltungsverfahren bewertenden Prof. Dr. med. O und auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. W nicht feststellen. Ein relevant erhöhtes Infektionsrisiko aus dem privaten Lebensbereich der Klägerin ist nicht feststellbar. Ein Beleg dafür, dass die Klägerin eine Bluttransfusion erhalten hat und sich auf diesem Wege mit Hepatitis C infiziert haben könnte, findet sich nicht. Dass bei der Gallenoperation der Klägerin am 27. November 1985 zwar möglicherweise eine Bluttransfusion vorgenommen worden ist - Dr. med. K hat in diesem Zusammenhang von einer nicht eindeutig gesicherten einmaligen Bluttransfusion während einer Gallenblasenoperation 1985 gesprochen, Prof. Dr. med. Oh hat eine Verwechslung der Begriffe Infusion und Transfusion in den Krankenunterlagen für möglich gehalten und eine Transfusion im Jahre 1985 als eine Seltenheit bei einer "einfachen" Gallenblasenentfernung bezeichnet – reicht für den Nachweis einer Infektion nicht aus. Beide Ärzte haben demgegenüber die berufliche Infektionsgefährdung der Klägerin als "sehr viel höher" (so Prof. Dr. med. O) bzw. das Risiko einer HCV Infektion bei der Klägerin durch eine einmalige Bluttransfusion gegenüber der beruflichen Infektionsgefahr als unwesentlich eingestuft (so Dr. med. K unter Bezugnahme auf die neueste Forschung, wonach das Restinfektionsrisiko im Blutspendewesen nach Einführung der serologisch-immunologischen Testverfahren für Hepatitis Viren im Jahre 1991, hauptsächlich B und C ganz minimal sei). Die HCV der Klägerin als Folge der antirheumatischen Therapie, hat Prof. Dr. med. W ausgeschlossen. Den nicht begründeten Verdacht einer solchen Verursachung in einem Arztbrief des Arztes für Orthopädie Dr. med. J vom 19. Mai 1994 hat er für nicht überzeugend gehalten: Gold- und Antirheumatika-Therapien könnten zwar in seltenen Fällen eine Hepatitis hervorrufen, diese verliefen jedoch akut und fulminant (Gelbsucht) und führten nicht zu einer dauerhaften chronischen Leberzirrhose nach Absetzen der toxischen Medikamente, wie im Fall der Klägerin (Seite 11 des Gutachtens Prof. Dr. med. W)Der Eintritt der Erkrankung stand auch in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Infektion, die in der Zeit zwischen 1960 und 1985 eingetreten war.

Die HCV ist auch nach dem Recht der RVO und des SGB VII als BK zu beurteilen.

BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge eines Versicherungsschutzes nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO).

Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war".

Für die Anerkennung als BK muss grundsätzlich eine versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben, und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben. Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteile vom 02. April 2009, B 2 U 7/08 R und B 2 U 30/08 R, den Beteiligten im Verfahren zur Kenntnis gegeben und zitiert nach juris).

Die Klägerin war während ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit bis 1986 im Gesundheitsdienst der DDR als medizinische Hilfsperson als Beschäftigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig. Bei der HCV handelt es sich um eine Infektionskrankheit im Sinne der BKVO, die zweifelsfrei nachgewiesen ist.

Für die BK nach Nr. 3101 genügt als "Einschränkung" i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, dass der Versicherte bei Verrichtung der versicherten Tätigkeit einer dieser Verrichtung innewohnenden Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt war. Das BSG hat in seiner aktuellen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, (so mit seiner Entscheidung vom 02. April 2009 (B 2 U 30/07 R)) die Kriterien der erhöhten Infektionsgefahr im Sinne der BK 3101 fortentwickelt und ausgeführt. Er hat ausgeführt: Eine erhöhte Ansteckungsgefahr ist bei Versicherten anzunehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben (in diesem Sinne auch Brandenburg, Rechtliche Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung von Hepatitis B- und C-Infektionen als Berufskrankheit, in Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 2. Aufl, S 163 f; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101 10.2 (3.2)). Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und ggf. technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entnehmen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 RBSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, jeweils RdNr 20). Daneben sind die individuellen Arbeitsvorgänge zu beachten. Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (zT typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird § 9 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII, kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil zB trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist (vgl hierzu BSG vom 30. Mai 1988 - 2 RU 33/87 - NZA 1988, 823, 824), sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht. Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit. Dabei können die in der fachwissenschaftlichen Literatur für die Beurteilung der Übertragungsgefahr ausgearbeiteten Schemata (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl, S 782 f; Mehrtens/Brandenburg, aaO, 12) herangezogen werden, sofern sie sich auf dem neuesten Stand befinden. Ihnen kommt indes keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu und sie ersetzen nicht die Ermittlung der erhöhten Infektionsgefahr anhand der Umstände des zu beurteilenden konkreten Einzelfalles. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens war einem solchen besonders erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.

Entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. med. W legt der Senat zugrunde, dass die Klägerin im Vergleich zur gesunden Normalbevölkerung, bei der die Hepatitis C Durchseuchung (positiver Antikörper-Status, Seroprävalenz) mit 0,2 bis 0,5 % geschätzt wird, einer signifikant erhöhten Seroprävalenz während der Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt gewesen ist. Prof. Dr. med. W hat eine erhöhte Seroprävalenz bei bestimmten gefährdeten Personengruppen, die mit Ärzten und Pflegern in Kontakt kommen, mitgeteilt (vgl. Seite 5 seines Gutachtens): bei Patienten, die vor 1991 Massentransfusionen erhielten, liegt eine HCV Seroprävalenz von bis zu 80 % der Patienten vor, bis zu 60 % bei Drogenabhängigen mit intravenösem Drogenabusus und 4 bis 10 % bei Dialysepatienten. Auch bei schwangeren Frauen, die sich in einer Uniklinik zur Geburt vorstellten, ist eine mit 0,94 % signifikant erhöhte Durchseuchungsrate im Vergleich zur Normalbevölkerung beschrieben worden. Aus diesem Verseuchungsgrad eines bestimmten Patientenkollektivs kann indirekt auf das Risiko einer Infektion im beruflichen Umfeld von medizinischem Personal im Krankenhaus geschlossen werden. Zwar hat er, was Untersuchungen auf Durchseuchungsraten bzw. Anti HCV Seroprävalenzraten bei Beschäftigten im Gesundheitswesen betrifft, von divergierenden Angaben gesprochen. So zeigte je eine englische und eine schwedische Studie eine vergleichbare HCV Seroprävalenz von Ärzten und Pflegepersonal im Vergleich zur Normalbevölkerung. Zwei Studien in Deutschland hingegen demonstrierten eine zwischen zwei- und siebenfach erhöhte HCV Seroprävalenz bei medizinischem Personal (Ärzte und Krankenschwestern) im Vergleich zur lokalen Normalbevölkerung. Eine Studie habe ein dreifach erhöhtes Risiko für eine HCV Infektion an Pflegepersonal gezeigt, welches im Rahmen von Blutabnahmen eingesetzt wurde, signifikanter Risikofaktor war hierbei die Arbeit im Bereich der Notaufnahme.

Dies entspricht der Beurteilung durch Dr. K, wonach laut Einschätzung des Robert Koch Instituts die Durchseuchung von medizinischem Personal mit 0,8 % bis 1,4 % etwa doppelt so hoch wie der übrigen Bevölkerung ist, so dass auch Dr. med. K von einem signifikant höheren Durchseuchungsgrad des beruflichen Umfelds der Klägerin ausgegangen ist. Dies ist auch nachvollziehbar, da die Klägerin in unterschiedlichen Bereichen der Poliklinik K tätig gewesen ist und dabei von einem sehr gemischten Patientenkollektiv auszugehen ist, für welches zum Teil erhöhte HCV Seroprävalenzen berichtet werden. Da die Klägerin nach ihren Angaben bis 1972 im Krankenhaus K auf der Chirurgischen und Gynäkologischen Stadion auch im Operationssaal beschäftigt war und eine Infektionsabteilung im Krankenhaus K nicht existierte, ist die Klägerin gerade auch mit Patienten in Kontakt gekommen, die einen signifikant höheren Durchseuchungsgrad als die Normalbevölkerung aufgewiesen haben.

Prof. Dr. med. W ist auch unter Beachtung der versicherungsmedizinischen Literatur zum Ergebnis einer erhöhten Infektionsgefahr der Klägerin mit HCV gekommen. Er hat die Tätigkeit der Klägerin dem Gefährdungsniveau der Kategorie I der Fallgruppe 2 zugeordnet (Seite 9 seines Gutachtens; vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Seite 786; unverändert in der neuesten Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin von 2010, Seite 726). Die Kategorie I setzt voraus, dass eine regelmäßige berufliche Exposition gegenüber Blut, Körperflüssigkeiten, humanem Gewebe und u. a. Hepatitis C Viren, kontaminiertem Material vorhanden ist, wobei als betroffene Berufsgruppe auch das Krankenpflegepersonal genannt wird. Der Buchstabe a weist dabei auf ein hohes Gefährdungsrisiko hin (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 784). Die Fallgruppe 2 kennzeichnet im Vergleich zur Fallgruppe 1 ein vergleichbares besonderes Infektionsrisiko aufgrund von häufigen Kontakten mit Blut oder sonstigen infektiösen Flüssigkeiten auch bei anderen Personengruppen als bei operativen Eingriffen unmittelbar beteiligten Ärzten einschließlich Anästhesisten, behandelnden Ärzten, Notärzten, Rettungsassistenten, behandelnden Zahnärzten und mit der Behandlung beauftragtem medizinischen Personal in Dialyseeinrichtungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 785). Er hat dabei nachvollziehbar die bereits genannten Tätigkeiten der Klägerin während ihrer Zeit im Krankenhaus/der Poliklinik K im Einzelnen in das Schema der Kategorie 1 a, Fallgruppe 2 eingeordnet, und zwar in den Arbeitsbereich "ambulanter oder stationärer Operationseinheiten" sowie einer "chirurgischen Krankenhausstation mit frisch operierten oder verletzten Patienten" bzw. "gynäkologischen Station" sowie "in Notfallaufnahmen", "bei regelmäßiger und häufiger Ausübung von Tätigkeiten, die erfahrungsgemäß ein konkretes Risiko bzw. Verletzungsereignisse mit Blutaustausch darstellten, wie z. B. Kanülenstichverletzungen, Verletzungen durch spitze oder scharfe OP Instrumente". Das Schema ist nach den Angaben von Prof. Dr. med. W nach wie vor aktuell und wissenschaftlich untermauert, wobei er darauf hingewiesen hat, dass in der Person der Klägerin ein von diesem Schema nicht erfasstes hohes Infektionsrisiko dadurch bestanden hat, dass die Blutabnahme ohne Handschuhe erfolgt ist und potentiell infektiöses Mehrwegmaterial verwendet und gesäubert worden ist.

Selbst wenn die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen nicht im Hinblick auf die Situation in den neuen Bundesländern durchgeführt wurden, ist eine besondere Infektionsgefahr der Klägerin zweifelsfrei feststellbar.

Die Feststellbarkeit einer erhöhten Infektionsgefahr ergibt sich auch aus von der Klägerin ausgeübten Verrichtungen, die die Gefahr von Stichverletzungen begründeten, auch wenn die Klägerin nicht sagen konnte, wann solche genau und in welcher Häufigkeit sie aufgetreten sind. Daran, dass es solche Stichverletzungen angesichts der Tätigkeit der Klägerin als sog. "Spritzenschwester" im Rahmen regelmäßiger Blutabnahmen und Injektionen in der Poliklinik und bei der Reinigung der Spritzen in dem o.g. Umfang aber gegeben haben muss, bestehen keine vernünftigen Zweifel.

Die Infektion von Gesundheitspersonal mit HCV erfolgt am häufigsten durch Inokulation von infiziertem Blut.im Rahmen von Stichwunden mit infizierten Nadeln und Schnittverletzungen während einer invasiven Tätigkeit, wobei entscheidend für das Risiko einer Infektion die Menge des inokulierten Blutes, die Häufigkeit dieser Vorfälle sowie der darin enthaltene Virus ist (Gutachten Prof. Dr. med. W). Prof. Dr. med. W hat in seinem Gutachten mitgeteilt, dass das Risiko einer Infektion durch HCV im Vergleich zu einer Hepatitis B Viruserkrankung bei gleicher Blutmenge zwar um das 20 Fache geringer ist; dennoch berichtet er von vorhandenen internationalen Daten, wonach eine HCV Infektionsrate nach percutaner Inokulation mit infiziertem Material auf 1,8 % geschätzt worden ist. Da die Klägerin nach ihren eigenen Angaben wie auch nach insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugin Dr. med. N und K sowie des Zeugen Dr. med. W etwa seit Ende der 70 er Jahre regelmäßig Blutabnahmen und Injektionen in der Poliklinik K bis zum Ausscheiden aus ihrer Tätigkeit im Jahre 1986 vorgenommen hatte, ohne dass hierfür Mehrwegmaterialien oder ständig zum zusätzlichen Schutz Handschuhe verwendet worden waren, ist auch insoweit das Infektionsrisiko erheblich erhöht worden (Gutachten Prof. Dr. med. W).

Ein erhöhtes Risiko hat Prof. Dr. med. W auch insoweit dargelegt, dass die Klägerin - wie von Dr. med. N bekundet - bei Blutsenkungsmessungen, bei denen die Spritzen durch das Pflegepersonal per Mund aufgezogen worden sind, mit infiziertem Blut durch Schleimhautwunden ihrer Mundschleimhaut in Kontakt gekommen sein kann. In der Literatur wird nachweislich zumindest über Einzelfälle einer Übertragung von HCV durch Blutspritzer im Bereich von Schleimhäuten berichtet.

Da nach allem eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit bei der Klägerin vorliegen, nimmt nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG der Verordnungsgeber typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat. Zwar ist für diese Typisierung dann kein Raum, wenn eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und damit der unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen ist. Allerdings ist dies hier nicht der Fall. Außerberufliche Risiken oder sonstige Umstände sind für den Ausschluss nicht feststellbar. Die Inkubationszeit spricht hier nicht gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit. Die Inkubationszeit beträgt zwei Wochen bis sechs Monate (Gutachten Prof. Dr. med. in Übereinstimmung mit Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 777 ebenso in der 8. Auflage, Seite 717). Denn die Klägerin war im spätesten anzunehmenden Infektionszeitpunkt im Jahr1985 bereits über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus HCV gefährdend tätig gewesen.

Auch der Infektionszeitpunkt spricht nicht gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit. Mit Prof. Dr. W ist davon auszugehen, dass die HCV-Infektion in der Zeit von 1960 bis 1985 erfolgt sein muss. Er hat ausgeführt, dass bei der Klägerin seit 1989 wiederholt bestätigte Transaminasen – Erhöhungen nachgewiesen wurden. (VA Bl. 47, 90, 94, 134, 135). In der erstmaligen Leberbiopsie 1992 zeigte sich bereits eine aktive chronische Hepatitis mit beginnender Leberzirrhose. Zusammen mit dem nach Diagnosestellung 1995 weiter (langsam) progredienten Verlauf der Erkrankung spricht dies gegen eine rapid verlaufende HCV-vermittelte Leberzirrhose und damit gegen einen Infektionszeitpunkt nach 1985. Bei einer Infektion vor 1960 wären vorzeitige Leberfunktionseinschränkungen zu erwarten gewesen. Damit fällt der Zeitpunkt der Infektion in den Zeitraum der gefährdenden Arbeitsvorgänge. Danach ist der unterstellte Ursachenzusammenhang nicht ausgeschlossen. Ein dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Infektionsrisiko, insbesondere durch eine Infusion/Transfusion bei ihrer Gallenblasenoperation 1985, kann - wie oben dargelegt - nicht festgestellt werden.

Nicht nachvollziehbar ist der von der Beklagten und der Beigeladenen geäußerte Zweifel, ob die Voraussetzungen der BK 60 überhaupt noch zu prüfen seien. Auch ihr Hinweis auf die Rechtsprechung des 31. Senats des LSG Berlin-Brandenburg erschließt sich nicht. Der 31. Senat hat ebenfalls eine Prüfung der BK 60 vorgenommen und hat diese im Urteil vom 26. April 2009 – L 31 U 393/08 ebenso bejaht wie die BK 3101.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wie das SG insoweit zu Recht festgestellt hat. Die Erkrankung der Klägerin an HCV ist zweifelsfrei wesentliche Ursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin.

Für die hier ab 01. Januar 1997 zu zahlende Rente und ab diesem Zeitpunkt zu beurteilende MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Nach diesen Maßstäben, die der Senat zugrunde legt, ist die vom SG im angefochtenen Urteil ausgeurteilte MdE nicht zu beanstanden.

Das angefochtene Urteil ist insoweit zu ändern, als die Klage nicht gegen die Beklagte sondern gegen die Beigeladene begründet ist. Für die Zahlung der Rente ist die Beigeladene der zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger.

Dies ergibt sich aus den §§ 669 Abs. 1, 649 Abs. 1 RVO. Auf Gemeinunfallversicherungsverbände finden die für die Berufsgenossenschaften geltenden Vorschriften, und damit die §§ 669, 649 RVO entsprechende Anwendung.

Nach § 669 Abs. 1 RVO gilt für den Übergang der Unfalllast § 649, wenn Einzelunternehmen oder Nebenunternehmen von einem Träger der Unfallversicherung auf einen anderen übergehen. Unfalllast ist die auf einem Unternehmen oder Nebenunternehmen liegende Entschädigungslast aus ihm zuzurechnenden Versicherungsfällen einschließlich BKen (KassKomm-Ricke, § 669 RVO Rz. 3). Nach §§ 649, 669, 769 RVO ist die Entschädigungslast auf die Beigeladene übergegangen.

§ 649 RVO besagt, dass die andere Berufsgenossenschaft die Entschädigungsansprüche zu befriedigen hat, die gegen die alte Berufsgenossenschaft aus Unfällen in den ausgeschiedenen Unternehmen erwachsen sind. Bereits seit Januar 1991 war ein Anspruch der Klägerin auf Heilbehandlung - zunächst gegen den GUV - später gegen die Beklagte erwachsen. Seitdem war die Klägerin wegen der Folgen der streitgegenständlichen Erkrankung von Dr. behandelt worden, wie sich aus dessen Bericht ergibt. Damit ist die neu zuständige Berufsgenossenschaft- hier die Beigeladene - neue Schuldnerin anstelle der alten für alle Entschädigungsansprüche aus Versicherungsfällen der übergegangenen Unternehmen (Kass.Komm/ Ricke § 649 RVO Rz. 3).

Zum 01. Oktober 1991 ist die Unfalllast der auf die Beigeladene als den für das Nachfolgeunternehmen der, die, sachlich zuständigen Unfallversicherungsträger übergegangen. Somit hat die Beklagte - als Rechtsnachfolgerin des GUV - ihre zuvor für die in der Trägerschaft der befindlichen Unternehmen bestehende sachliche Zuständigkeit verloren. Damit ist auch der Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aus ihrer BK, der gegen den Gemeindeunfallversicherungsverband aus Unfällen und BKen aus dem ausgeschiedenen Unternehmen der Poliklinik Teltow erwachsen ist, von der Beigeladenen zu befriedigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren waren der Beklagten aufzuerlegen, da sie als unzuständiger Träger einen Bescheid erlassen hat, der Anlass für die Klageerhebung gewesen ist. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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