Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 38/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 368/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.3.2010 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.12.2009 wird hinsichtlich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils die Hälfte. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 13.166,80 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer der Klägerin I P (AN) für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007.
Der AN ist bei der Antragstellerin als Teamleiter in der Bilanzabteilung tätig. Mit Bescheid vom 7.9.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.6.2003 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Zahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für den AN für die Zeit vom 1.1.1997 bis zum 31.8.2001 auf. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Duisburg mit rechtskräftigem Urteil vom 14.9.2007 (Az: S 34 (11) RA 66/03) abgewiesen. Zur Begründung führte das SG u.a. aus, der AN habe die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) in der gesetzlichen Krankenversicherung im Streitzeitraum nicht überschritten. Bei der Ermittlung des zu erwartenden JAE seien die ihm gezahlten Überstunden- und Urlaubsabgeltungen nicht einzubeziehen, weil diese zum Jahresbeginn bei der notwendigen vorausschauenden Beurteilung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten seien.
Am 6.4.2005 erfolgte eine weitere Betriebsprüfung bezogen auf den Folgezeitraum vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2004. Am 20.6.2005 erging ein Beitragsbescheid, mit dem beitragsrechtliche Konsequenzen aufgrund einer Auswertung eines Lohnsteuerprüfberichtes gezogen wurden. Bezogen auf den AN erhielt der Bescheid den folgenden Hinweis:
"Wir weisen darauf hin, dass hinsichtlich des AN I P bzgl. der versicherungsrechtlichen Beurteilung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor dem Sozialgericht Duisburg ein Klageverfahren anhängig ist. Nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits bitten wir Sie, die beitragsrechtliche Behandlung für den Zeitraum ab dem 1.9.2001 bis zum Ende des Beschäftigungszeitraumes in eigener Zuständigkeit vorzunehmen. Eine Überprüfung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung wird insoweit bei der (den) nächsten Betriebsprüfung(en) erfolgen."
Die Antragstellerin entrichtete für den AN auch nach Abschluss des Klageverfahrens für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007 keine Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Aufgrund einer in der Zeit vom 4.6. bis zum 4.9.2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8.12.2009 u.a. für den AN Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007 nach. Es ergab sich insoweit ein Nachforderungsbetrag i.H.v. 44.639,21 Euro zuzüglich Säumniszuschlägen von 8.028,00 Euro. Zur Begründung legte die Antragsgegnerin dar, dass die für den AN zu ermittelnden Arbeitsentgelte auch für den Zeitraum ab dem 1.1.2001 weiterhin unter der jeweils geltenden JAE gelegen hätten. Überstunden- und Urlaubsabgeltungen seien bei der Ermittlung des JAE nicht zu berücksichtigen, da diese nicht mit hinreichender Sicherheit bei vorausschauender Betrachtung zu erwarten seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 17.12.2009 Widerspruch und beantragte zugleich wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Zur Begründung führte sie aus, dass auch die an den AN gezahlten Zusatzvergütungen bei der Ermittlung des JAE zu berücksichtigen seien, da sie mit der im Beitragsrecht geforderten Regelmäßigkeit entstünden und gezahlt würden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die zu Zwecken der Altersversorgung umgewandelten Entgeltbestandteile in die Bemessung des beitragspflichtigen JAE einzubeziehen seien. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag ab, so dass die Antragstellerin am 11.1.2010 beim Sozialgericht Duisburg (SG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt hat. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen und außerdem die Verjährungseinrede erhoben.
Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat die X-BKK als zuständige Einzugsstelle mit Schriftsatz vom 9.2.2010 mitgeteilt, dass sie sich mit einer Stundung der Forderung einverstanden erkläre. Bis zum Abschluss des Rechtsschutzverfahrens würden von ihrer Seite keine Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Für die Dauer der Stundung seien allerdings Stundungszinsen in analoger Anwendung des § 27 Abs. 1 SGB IV i.H.v. 4 % zu berechnen.
Das SG Duisburg hat den Antrag mit Beschluss vom 22.3.2010 abgelehnt. Es hat ihn für unzulässig gehalten, da ein Rechtsschutzbedürfnis nach Gewährung der Stundung nicht bestehe. Die Antragstellerin sei (derzeit) mit der Hauptforderung nicht belastet. Ein Rechtsschutzbedürfnis könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass eine Verzinsung i.H.v. 4 % des gestundeten Betrages anfalle. Denn das einstweilige Rechtsschutzverfahren diene nicht dem Zweck, die Entstehung eines gesetzlich, nämlich in § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV vorgesehenen Zinsanspruchs zu verhindern. Sollte sich im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung ergeben, so wäre eine solche Verzinsung dann rechtmäßig. Soweit sich umgekehrt im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass die Beitragsforderung rechtswidrig sei, entstünden auch keine Zinsansprüche gegen die Antragstellerin, da die Stundung einen tatsächlich bestehenden Anspruch voraussetze. Im Übrigen sei der Bescheid aber auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden, da unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des BSG bei der Ermittlung des JAE Überstunden- und Urlaubsabgeltungen regelmäßig nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen den der Antragstellerin am 21.4.2010 zugestellten Beschluss hat diese am 26.4.2010 unter Intensivierung ihres bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt. Ergänzend ist sie der Meinung, dass trotz der bestehenden Stundung der Hauptforderung ein Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorhanden sei, denn (nur) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes führe dazu, dass keine weiteren Säumniszuschläge entstünden. Im Übrigen habe das Gehalt des AN im Streitzeitraum bei vorausschauender Betrachtung jeweils die JAE-Grenze überschritten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.3.2010 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.12.2009 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ist beigezogen worden.
II.
Die Beschwerde ist zum Teil zulässig und begründet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.12.2009 ist zulässig, soweit er sich auf die mit diesem Bescheid geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 44.639,21 Euro bezieht. Hinsichtlich der Säumniszuschläge ist er unzulässig (1.). Bezüglich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 hat der Antrag auch in der Sache Erfolg. Im Übrigen ist er unbegründet (2.).
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob sie ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER, und 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER, jeweils juris).
1. Ausgehend von dieser Systematik besteht entgegen der Auffassung des SG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid hinsichtlich der Hauptforderung auch dann, wenn die Beitragsforderung - wie hier - von der Einzugsstelle verzinslich gestundet worden ist.
Nach allgemeinen Grundsätzen fehlt das Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz nur dann, wenn unzweifelhaft ist, dass die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Situation des Rechtsuchenden nicht verbessern kann, oder wenn das Verfahren zur Verfolgung rechtswidriger oder nicht schutzwürdiger Zwecke genutzt wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 51 Rdnr. 16 und 16a m.w.N.).
a) Durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann die Antragstellerin ihre wirtschaftliche Situation zumindest insoweit verbessern, als dass sie (auch für den Fall, dass sich die Beitragsforderung der Antragsgegnerin in der Hauptsache als rechtmäßig erweisen sollte) eine Belastung durch Stundungszinsen abwenden kann. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Beitragsbescheide ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Forderung noch nicht abschließend geklärt ist. Daher steht zum Zeitpunkt der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz in aller Regel auch nicht fest, ob die Einzugsstelle ihren Anspruch auf Zahlung von Stundungszinsen durchsetzen kann. Vor diesem Hintergrund ist die wirtschaftliche Situation des Rechtsuchenden typischerweise durch die Ungewissheit geprägt, ob sich die Belastung mit Stundungszinsen realisieren wird. Die Vermeidung einer solchen Belastung, die ggf. durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (ohne Stundungszinsen) erreicht wird, stellt daher eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation dar.
b) Dieser Beurteilung kann man nicht erfolgreich mit dem Argument begegnen, der Schutzzweck der aufschiebenden Wirkung bestehe nicht darin, die Belastung mit Stundungszinsen auch dann zu verhindern, wenn sich die Beitragsforderung im Ergebnis als rechtmäßig herausstelle. Ein dahingehendes Verständnis der §§ 86a, 86b SGG ist mit Wortlaut, Systematik und erkennbarer Zielsetzung der Vorschriften nicht vereinbar. Aus § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber abweichend von der Grundregel des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Abgabenbescheide typisierend in zwei Fallgruppen für möglich hält: einmal wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, zum anderen wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In beiden Fallgruppen ist der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG die grundsätzliche Bereitschaft des Gesetzgebers zu entnehmen, auf eine Verwirklichung der Beitragsforderung bis zu einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache vorerst zu verzichten. Das gilt auch dann, wenn sich entgegen der (vorübergehend) bestehenden ernstlichen Zweifel im Ergebnis doch die Rechtmäßigkeit der Forderung herausstellt. Auch dann akzeptiert es der Gesetzgeber erkennbar, dass die Vorteile der (einstweiligen) Kapitalnutzung beim Beitragsschuldner verbleiben und nicht durch die Vereinnahmung von Stundungszinsen abgeschöpft werden.
Für die zweite Fallgruppe hat der Senat zwar bereits entschieden, dass der Eintritt einer besonderen Härte durch Beitragsforderungen unter Umständen im Wege der Stundung vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss v. 11.8.2009, L 8 B 8/09 R, juris). Dies gilt jedoch in erster Linie dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides nicht bestehen. Sind solche Zweifel demgegenüber berechtigt, braucht der vermeintliche Beitragsschuldner sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auf die Stundung gegen Zahlung von Stundungszinsen verweisen zu lassen. In jedem Fall führt die Bewilligung einer verzinslichen Stundung jedoch nicht dazu, dass bereits das Rechtsschutzbedürfnis nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung entfällt. In welchem Umfang Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides bestehen oder ob eine besondere Härte durch verzinsliche Stundung vermieden werden kann, ist vielmehr erst im Rahmen der Begründetheit des Antrags zu prüfen.
c) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin besteht daher lediglich insoweit nicht, als sie auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der mit dem Bescheid vom 8.12.2009 festgesetzten Säumniszuschläge begehrt. Soweit ersichtlich, werden auf diese Zinsen nicht erhoben, sodass die Antragstellerin aufgrund der Stundung ausreichend geschützt ist. Auf die Frage, ob sich der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG auch auf Säumniszuschläge erstreckt, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.
2. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin hinsichtlich der Beitragsforderungen der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 anzuordnen ist. Denn insoweit bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides, weil die Antragstellerin voraussichtlich mit Erfolg die Einrede der Verjährung erheben kann.
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dementsprechend sind mit Ablauf des 31.12.2008 alle Forderungen verjährt, die bis zum 31.12.2004 fällig geworden sind. Dies sind nach § 23 Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung alle Beitragsforderungen, die sich auf den Zeitraum bis zum 30.11.2004 bezogen. Die Beiträge für Dezember 2004 wurden erst am 15.01.2005 fällig.
b) Die Verjährung der Beitragsforderungen für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 ist voraussichtlich auch nicht nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV für die Dauer einer Prüfung der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin gehemmt worden. Eine Prüfung hinsichtlich der Beitragserforderungen für den AN bei der Antragstellerin hat nämlich bis zur Durchführung der aktuellen Betriebsprüfung ab dem 4.6.2009 nach Aktenlage nicht stattgefunden. Im Gegensatz zu § 198 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 27.4.2010, B 5 R 8/08 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; Senat, Urteil v. 29.4.2009, L 8 R 145/08, juris) reicht für die Hemmung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht bereits die Durchführung eines Beitragsverfahrens. Vielmehr wird die Hemmung nur durch eine (Betriebs-)Prüfung beim Arbeitgeber ausgelöst. Eine solche hat die Antragsgegnerin bezogen auf die im vorliegenden Verfahren streitige Forderung im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung im Jahr 2005 jedoch gerade nicht durchgeführt. Vielmehr hat sie im Betriebsprüfungsbescheid vom 20.6.2005 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung bezüglich des AN erst bei der nächsten Betriebsprüfung erfolgen werde. Hieraus ist vom für das Verständnis dieses Bescheides maßgeblichen Empfängerhorizont der Antragstellerin im Umkehrschluss abzuleiten, dass die Antragsgegnerin angesichts des parallel laufenden noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren eine Prüfung hinsichtlich des AN gerade nicht durchführen wollte.
c) Darüber hinaus hat die Beschwerde keinen Erfolg, da hinsichtlich des Zeitraumes ab dem 1.12.2004 keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bestehen. Wie das SG zutreffend ausführt, sind Überstunden und Urlaubsabgeltungen bei der Ermittlung des zu erwartenden Arbeitsentgeltes nicht zu berücksichtigen, da sie regelmäßig nicht mit der nötigen Sicherheit zu erwarten sind. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berechnung für die Jahre 2004 bis 2007 wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen, wobei sich aus den vorgelegten Jahresentgeltabrechnungen ergibt, dass das monatlich zu erwartende sozialversicherungspflichtige Brutto im Jahre 2004 bei 3.536,59 Euro, im Jahre 2005 ebenfalls bei 3.536,59 Euro im Jahre 2006 bei 3.601,23 Euro und im Jahre 2007 bei 3.614,73 Euro lag. Die hieraus hochgerechneten Jahresarbeitsentgelte lagen aber jeweils erheblich unter den geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197 a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das in etwa hälftige Obsiegen der Antragstellerin.
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von 1/4 des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse vom 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils juris) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Im Streit ist die Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer der Klägerin I P (AN) für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007.
Der AN ist bei der Antragstellerin als Teamleiter in der Bilanzabteilung tätig. Mit Bescheid vom 7.9.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.6.2003 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Zahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für den AN für die Zeit vom 1.1.1997 bis zum 31.8.2001 auf. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Duisburg mit rechtskräftigem Urteil vom 14.9.2007 (Az: S 34 (11) RA 66/03) abgewiesen. Zur Begründung führte das SG u.a. aus, der AN habe die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) in der gesetzlichen Krankenversicherung im Streitzeitraum nicht überschritten. Bei der Ermittlung des zu erwartenden JAE seien die ihm gezahlten Überstunden- und Urlaubsabgeltungen nicht einzubeziehen, weil diese zum Jahresbeginn bei der notwendigen vorausschauenden Beurteilung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten seien.
Am 6.4.2005 erfolgte eine weitere Betriebsprüfung bezogen auf den Folgezeitraum vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2004. Am 20.6.2005 erging ein Beitragsbescheid, mit dem beitragsrechtliche Konsequenzen aufgrund einer Auswertung eines Lohnsteuerprüfberichtes gezogen wurden. Bezogen auf den AN erhielt der Bescheid den folgenden Hinweis:
"Wir weisen darauf hin, dass hinsichtlich des AN I P bzgl. der versicherungsrechtlichen Beurteilung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor dem Sozialgericht Duisburg ein Klageverfahren anhängig ist. Nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits bitten wir Sie, die beitragsrechtliche Behandlung für den Zeitraum ab dem 1.9.2001 bis zum Ende des Beschäftigungszeitraumes in eigener Zuständigkeit vorzunehmen. Eine Überprüfung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung wird insoweit bei der (den) nächsten Betriebsprüfung(en) erfolgen."
Die Antragstellerin entrichtete für den AN auch nach Abschluss des Klageverfahrens für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007 keine Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Aufgrund einer in der Zeit vom 4.6. bis zum 4.9.2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8.12.2009 u.a. für den AN Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 31.12.2007 nach. Es ergab sich insoweit ein Nachforderungsbetrag i.H.v. 44.639,21 Euro zuzüglich Säumniszuschlägen von 8.028,00 Euro. Zur Begründung legte die Antragsgegnerin dar, dass die für den AN zu ermittelnden Arbeitsentgelte auch für den Zeitraum ab dem 1.1.2001 weiterhin unter der jeweils geltenden JAE gelegen hätten. Überstunden- und Urlaubsabgeltungen seien bei der Ermittlung des JAE nicht zu berücksichtigen, da diese nicht mit hinreichender Sicherheit bei vorausschauender Betrachtung zu erwarten seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 17.12.2009 Widerspruch und beantragte zugleich wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Zur Begründung führte sie aus, dass auch die an den AN gezahlten Zusatzvergütungen bei der Ermittlung des JAE zu berücksichtigen seien, da sie mit der im Beitragsrecht geforderten Regelmäßigkeit entstünden und gezahlt würden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die zu Zwecken der Altersversorgung umgewandelten Entgeltbestandteile in die Bemessung des beitragspflichtigen JAE einzubeziehen seien. Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag ab, so dass die Antragstellerin am 11.1.2010 beim Sozialgericht Duisburg (SG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt hat. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen und außerdem die Verjährungseinrede erhoben.
Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat die X-BKK als zuständige Einzugsstelle mit Schriftsatz vom 9.2.2010 mitgeteilt, dass sie sich mit einer Stundung der Forderung einverstanden erkläre. Bis zum Abschluss des Rechtsschutzverfahrens würden von ihrer Seite keine Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Für die Dauer der Stundung seien allerdings Stundungszinsen in analoger Anwendung des § 27 Abs. 1 SGB IV i.H.v. 4 % zu berechnen.
Das SG Duisburg hat den Antrag mit Beschluss vom 22.3.2010 abgelehnt. Es hat ihn für unzulässig gehalten, da ein Rechtsschutzbedürfnis nach Gewährung der Stundung nicht bestehe. Die Antragstellerin sei (derzeit) mit der Hauptforderung nicht belastet. Ein Rechtsschutzbedürfnis könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass eine Verzinsung i.H.v. 4 % des gestundeten Betrages anfalle. Denn das einstweilige Rechtsschutzverfahren diene nicht dem Zweck, die Entstehung eines gesetzlich, nämlich in § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV vorgesehenen Zinsanspruchs zu verhindern. Sollte sich im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung ergeben, so wäre eine solche Verzinsung dann rechtmäßig. Soweit sich umgekehrt im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass die Beitragsforderung rechtswidrig sei, entstünden auch keine Zinsansprüche gegen die Antragstellerin, da die Stundung einen tatsächlich bestehenden Anspruch voraussetze. Im Übrigen sei der Bescheid aber auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden, da unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des BSG bei der Ermittlung des JAE Überstunden- und Urlaubsabgeltungen regelmäßig nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen den der Antragstellerin am 21.4.2010 zugestellten Beschluss hat diese am 26.4.2010 unter Intensivierung ihres bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt. Ergänzend ist sie der Meinung, dass trotz der bestehenden Stundung der Hauptforderung ein Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorhanden sei, denn (nur) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes führe dazu, dass keine weiteren Säumniszuschläge entstünden. Im Übrigen habe das Gehalt des AN im Streitzeitraum bei vorausschauender Betrachtung jeweils die JAE-Grenze überschritten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.3.2010 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.12.2009 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ist beigezogen worden.
II.
Die Beschwerde ist zum Teil zulässig und begründet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.12.2009 ist zulässig, soweit er sich auf die mit diesem Bescheid geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 44.639,21 Euro bezieht. Hinsichtlich der Säumniszuschläge ist er unzulässig (1.). Bezüglich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 hat der Antrag auch in der Sache Erfolg. Im Übrigen ist er unbegründet (2.).
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob sie ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER, und 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER, jeweils juris).
1. Ausgehend von dieser Systematik besteht entgegen der Auffassung des SG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid hinsichtlich der Hauptforderung auch dann, wenn die Beitragsforderung - wie hier - von der Einzugsstelle verzinslich gestundet worden ist.
Nach allgemeinen Grundsätzen fehlt das Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz nur dann, wenn unzweifelhaft ist, dass die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Situation des Rechtsuchenden nicht verbessern kann, oder wenn das Verfahren zur Verfolgung rechtswidriger oder nicht schutzwürdiger Zwecke genutzt wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 51 Rdnr. 16 und 16a m.w.N.).
a) Durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann die Antragstellerin ihre wirtschaftliche Situation zumindest insoweit verbessern, als dass sie (auch für den Fall, dass sich die Beitragsforderung der Antragsgegnerin in der Hauptsache als rechtmäßig erweisen sollte) eine Belastung durch Stundungszinsen abwenden kann. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Beitragsbescheide ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Forderung noch nicht abschließend geklärt ist. Daher steht zum Zeitpunkt der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz in aller Regel auch nicht fest, ob die Einzugsstelle ihren Anspruch auf Zahlung von Stundungszinsen durchsetzen kann. Vor diesem Hintergrund ist die wirtschaftliche Situation des Rechtsuchenden typischerweise durch die Ungewissheit geprägt, ob sich die Belastung mit Stundungszinsen realisieren wird. Die Vermeidung einer solchen Belastung, die ggf. durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (ohne Stundungszinsen) erreicht wird, stellt daher eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation dar.
b) Dieser Beurteilung kann man nicht erfolgreich mit dem Argument begegnen, der Schutzzweck der aufschiebenden Wirkung bestehe nicht darin, die Belastung mit Stundungszinsen auch dann zu verhindern, wenn sich die Beitragsforderung im Ergebnis als rechtmäßig herausstelle. Ein dahingehendes Verständnis der §§ 86a, 86b SGG ist mit Wortlaut, Systematik und erkennbarer Zielsetzung der Vorschriften nicht vereinbar. Aus § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber abweichend von der Grundregel des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Abgabenbescheide typisierend in zwei Fallgruppen für möglich hält: einmal wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, zum anderen wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In beiden Fallgruppen ist der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG die grundsätzliche Bereitschaft des Gesetzgebers zu entnehmen, auf eine Verwirklichung der Beitragsforderung bis zu einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache vorerst zu verzichten. Das gilt auch dann, wenn sich entgegen der (vorübergehend) bestehenden ernstlichen Zweifel im Ergebnis doch die Rechtmäßigkeit der Forderung herausstellt. Auch dann akzeptiert es der Gesetzgeber erkennbar, dass die Vorteile der (einstweiligen) Kapitalnutzung beim Beitragsschuldner verbleiben und nicht durch die Vereinnahmung von Stundungszinsen abgeschöpft werden.
Für die zweite Fallgruppe hat der Senat zwar bereits entschieden, dass der Eintritt einer besonderen Härte durch Beitragsforderungen unter Umständen im Wege der Stundung vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss v. 11.8.2009, L 8 B 8/09 R, juris). Dies gilt jedoch in erster Linie dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides nicht bestehen. Sind solche Zweifel demgegenüber berechtigt, braucht der vermeintliche Beitragsschuldner sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auf die Stundung gegen Zahlung von Stundungszinsen verweisen zu lassen. In jedem Fall führt die Bewilligung einer verzinslichen Stundung jedoch nicht dazu, dass bereits das Rechtsschutzbedürfnis nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung entfällt. In welchem Umfang Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides bestehen oder ob eine besondere Härte durch verzinsliche Stundung vermieden werden kann, ist vielmehr erst im Rahmen der Begründetheit des Antrags zu prüfen.
c) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin besteht daher lediglich insoweit nicht, als sie auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der mit dem Bescheid vom 8.12.2009 festgesetzten Säumniszuschläge begehrt. Soweit ersichtlich, werden auf diese Zinsen nicht erhoben, sodass die Antragstellerin aufgrund der Stundung ausreichend geschützt ist. Auf die Frage, ob sich der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG auch auf Säumniszuschläge erstreckt, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.
2. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin hinsichtlich der Beitragsforderungen der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 anzuordnen ist. Denn insoweit bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides, weil die Antragstellerin voraussichtlich mit Erfolg die Einrede der Verjährung erheben kann.
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dementsprechend sind mit Ablauf des 31.12.2008 alle Forderungen verjährt, die bis zum 31.12.2004 fällig geworden sind. Dies sind nach § 23 Abs. 1 SGB IV in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung alle Beitragsforderungen, die sich auf den Zeitraum bis zum 30.11.2004 bezogen. Die Beiträge für Dezember 2004 wurden erst am 15.01.2005 fällig.
b) Die Verjährung der Beitragsforderungen für den Zeitraum vom 1.9.2001 bis zum 30.11.2004 ist voraussichtlich auch nicht nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV für die Dauer einer Prüfung der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin gehemmt worden. Eine Prüfung hinsichtlich der Beitragserforderungen für den AN bei der Antragstellerin hat nämlich bis zur Durchführung der aktuellen Betriebsprüfung ab dem 4.6.2009 nach Aktenlage nicht stattgefunden. Im Gegensatz zu § 198 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 27.4.2010, B 5 R 8/08 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; Senat, Urteil v. 29.4.2009, L 8 R 145/08, juris) reicht für die Hemmung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht bereits die Durchführung eines Beitragsverfahrens. Vielmehr wird die Hemmung nur durch eine (Betriebs-)Prüfung beim Arbeitgeber ausgelöst. Eine solche hat die Antragsgegnerin bezogen auf die im vorliegenden Verfahren streitige Forderung im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung im Jahr 2005 jedoch gerade nicht durchgeführt. Vielmehr hat sie im Betriebsprüfungsbescheid vom 20.6.2005 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung bezüglich des AN erst bei der nächsten Betriebsprüfung erfolgen werde. Hieraus ist vom für das Verständnis dieses Bescheides maßgeblichen Empfängerhorizont der Antragstellerin im Umkehrschluss abzuleiten, dass die Antragsgegnerin angesichts des parallel laufenden noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren eine Prüfung hinsichtlich des AN gerade nicht durchführen wollte.
c) Darüber hinaus hat die Beschwerde keinen Erfolg, da hinsichtlich des Zeitraumes ab dem 1.12.2004 keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bestehen. Wie das SG zutreffend ausführt, sind Überstunden und Urlaubsabgeltungen bei der Ermittlung des zu erwartenden Arbeitsentgeltes nicht zu berücksichtigen, da sie regelmäßig nicht mit der nötigen Sicherheit zu erwarten sind. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berechnung für die Jahre 2004 bis 2007 wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen, wobei sich aus den vorgelegten Jahresentgeltabrechnungen ergibt, dass das monatlich zu erwartende sozialversicherungspflichtige Brutto im Jahre 2004 bei 3.536,59 Euro, im Jahre 2005 ebenfalls bei 3.536,59 Euro im Jahre 2006 bei 3.601,23 Euro und im Jahre 2007 bei 3.614,73 Euro lag. Die hieraus hochgerechneten Jahresarbeitsentgelte lagen aber jeweils erheblich unter den geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197 a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das in etwa hälftige Obsiegen der Antragstellerin.
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von 1/4 des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse vom 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils juris) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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