L 4 U 57/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 188/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 57/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.04.2009 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im zweiten Rechtszug zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 14.8.2000 als Versicherungsfall.

Die im Jahre 1958 geborene Klägerin ist seit Juli 1998 arbeitslos und wohnt innerhalb des Hauses der Eltern mit ihrem Ehemann in einer Einliegerwohnung. Sie hat einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 und den Nachteilsausgleich G (Bescheid vom 14.05.1998). Eigenen Angaben zufolge pflegte sie unentgeltlich als einzige Pflegeperson ihren 1931 geborenen Vater, der seit Februar 2000 Pflegegeld wegen Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I bezog sowie ihre mit ihm zusammen lebende 1929 geborene Mutter, bei der seit 1995 zunächst die Pflegestufe II und seit Februar 2001 die Pflegestufe III festgestellt wurde. Bei dem Vater lagen seit 1976 ein GdB von 100 v.H. und die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G, aG und B, bei der Mutter seit 1975 ebenfalls ein GdB von 100 und die Nachteilsausgleiche G, aG, B und RF vor.

In der Zeit von Ende Juli bis zum 14.08.2000 befand sich die Klägerin mit ihren Eltern in deren Zweitwohnung in D in Spanien und pflegte auch dort ihre Eltern. Nach dem Rückflug stürzte die Klägerin am 14.08.2000 am Flughafen Düsseldorf auf die linke Hüfte, als sie nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug der Johanniter Unfallhilfe, mit dem ihre Eltern und sie zum Parkplatz ihres Fahrzeuges gebracht worden waren, zu ihrem Fahrzeug gehen wollte. Dabei erlitt sie eine osteosynthisch versorgte Schenkelhalsfraktur links (Krankenhausbericht vom 11.09.2000). Nach stationärer Behandlung bis zum 29.08.2000 befand sie sich sodann bis zum 02.10.2000 in einer auf Kosten der BfA durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Entlassungsbericht der Fachklinik Rhein/Ruhr vom 02.10.2000). Wegen einer kernspintomographisch im April 2002 gesicherten Nekrose wurde im Juli 2002 eine Duokopfprothese eingesetzt (Berichte von Prof. Dr. N, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik C in C vom 17.05.2002 und 26.07.2002).

Im Mai 2001 machte die Klägerin den Unfall im Zusammenhang mit ihrer Pflegetätigkeit gegenüber der Krankenkasse geltend, die wiederum im Juli 2001 einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend machte. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Chefarzt Dr. H, G-Krankenhaus in E unter dem 10.04.2002 nachträglich einen Durchgangsarztbericht, der weiterbehandelnde Orthopäde Dr. E berichtete über den Behandlungsverlauf mit weiterer Arbeitsunfähigkeit bis zum 26.11.2002 und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 % ein (Berichte vom 22.01.2002 und 11.04.2003).

Nach schriftlicher Befragung der Klägerin (12.04.2002), Beiziehung der Angaben der AOK Pflegekasse zur Pflegebedürftigkeit der Eltern und Übersendung der Pflegegutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2004 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen wegen dessen Folgen ab. Zur Begründung führte sie aus, die zum Unfall führende Tätigkeit sei eine unversicherte Begleitung gewesen, Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) habe nicht bestanden. Auch erfülle das Zurücklegen des Weges von Spanien einschließlich des Weges, das geparkte Auto zu holen, nicht den Begriff der "Mobilität" im Sinne des SGB XI. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass es sich um den Wohnsitz der Eltern handele. Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII nicht erfüllt, da sie als Verwandte ersten Grades für unentgeltliche Tätigkeiten im Haushalt gemäß § 4 Abs. 4 SGB VII versicherungsfrei sei. Den hiergegen am 16.2.2004 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin dahingehend, der Aufenthalt der Eltern habe auch der Erholung und Rehabilitation gedient. Das Ereignis sei jedenfalls als Wegeunfall versichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und bekräftigte ihre Auffassung, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht als Pflegeperson tätig geworden und im Übrigen versicherungsfrei sei.

Gegen den ihr am 22.06.2005 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 25.07.2005 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Durch Beschluss vom 04.01.2006 hat das SG der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, ihre Pflegetätigkeit während des Auslandsaufenthaltes werde auch von der Beklagten als unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit anerkannt. Insoweit sei aber auch eine ständige Begleitung gemäß Behindertenausweis des Versorgungsamtes als Teil der Pflegetätigkeit anzusehen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten könne zu dem Begriff Mobilität wohl kaum nur die Begleitung zu Ärzten, Behörden und Krankengymnasten gehören, sondern auch die etwa ihrer Mutter gewährten Mobilitätshilfen, unter anderem durch Bewegung des Rollstuhls, Hilfestellung beim Ein- und Aussteigen aus Fahrzeugen, notwendige Hilfestellung bei der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse usw ... Andernfalls würde man derartigen Personen das Recht der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aberkennen. Nach § 8 SGB VII sei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert.

Das SG hat dem Begehren der Klägerin als Antrag entnommen,

die Feststellung, dass der Unfall vom 14.08.2000 als Arbeitsunfall anerkannt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bekräftigt ihre Auffassung, wonach im Rahmen der für den Bereich der Mobilität genannten Verrichtungen nach dem Willen des Gesetzgebers Lebensbereiche wie Freizeitgestaltung, Unterhaltung, Erholung, Bildung und Kommunikation nicht erfasst würden. Vielmehr folge aus dem Sinn und Zweck der Pflegeleistungen, wonach die Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung gesichert werden soll, dass nur die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglichen Wege und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig seien. Ergänzend hat sie auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.08.2000 - B 2 U 15/99 R - verwiesen.

Durch Gerichtsbescheid vom 03.04.2009 hat das SG festgestellt, dass die Klägerin am 14.08.2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Unfall habe sich zwar nicht bei einer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versicherten Pflegetätigkeit ereignet, jedoch auf einem mit der Pflegetätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg von dem Ort dieser Tätigkeit nach Hause. So habe sich die Klägerin bis zum 14.08.2000 in der Zweitwohnung der Eltern aufgehalten und diese dort gepflegt. Diese Zweitwohnung sei bis zum Unfalltag ihre Arbeitsstätte gewesen. Von dieser Arbeitsstätte sei sie auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung in X verunglückt.

Gegen den ihr am 14.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Beklagten vom 04.05.2009, zu deren Begründung sie vorträgt, ein versicherter Wegeunfall habe nicht vorgelegen. Die während des Erholungsurlaubes von der Klägerin verrichteten Pflegetätigkeiten hätten nicht dazu geführt, dass sich der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung auf die gesamte Zeit der Begleitung und auf dem Weg nach Spanien und zurück zum Wohnort in X erstreckt habe. Der gesamte Rückweg von Spanien nach X habe im Wesentlichen der Vollendung des Erholungsurlaubs der Eltern gedient. Auf diesem Weg habe die Klägerin ihre Eltern lediglich begleitet. Auch bestehe für Pflegepersonen, die im selben Haus oder im selben Haushalt wie der Pflegebedürftige wohnten, auf Wegen von und zum Haus kein Versicherungsschutz (Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 2 Rn. 33. 10; Lauterbach, Unfallversicherung § 2 Rn. 622). Ausgenommen seien lediglich solche Wege, die allein mit dem Ziel der Verrichtung einer Pflegetätigkeit zurückgelegt würden und sonst nicht zur gleichen Zeit oder in gleicher Weise zurückgelegt worden wären (zum Beispiel vorzeitige Rückkehr aus dem Urlaub, weil die für die Zeit des Urlaubs vorgesehene Vertretung der Pflegeperson unvorgesehen ausgefallen sei).

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.04.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagen Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass das Ereignis vom 14.8.2000 ein Arbeitsunfall ist.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), wobei nach § 8 Abs. 2 Nr.1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz steht. Der von der Klägerin erlittene Unfall am Flughafen Düsseldorf, bei dem sie sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzog, stellte zwar weder eine Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1, noch eine Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII dar. Das geplante Herbeiholen des Pkw als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch als versicherter Weg i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nach den Angaben der Klägerin war sie keine Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, denn ein Beschäftigungsverhältnis mit ihren Eltern hat nach den gesamten Umständen aufgrund der Unentgeltlichkeit und der eigenverantwortlichen Pflege nicht bestanden. Aus diesem Grund scheidet auch eine Versicherung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII aus. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin gemäß § 4 Abs. 4 SGB VII versicherungsfrei wäre.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ereignete sich der Unfall auch nicht im Rahmen einer Tätigkeit als Pflegeperson gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. Danach sind Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI kraft Gesetzes versichert, wobei die versicherte Tätigkeit Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend dem Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zwar war die Klägerin Pflegeperson im Sinne dieser Vorschrift. Nach der Legaldefinition in § 19 S. 1 SGB XI sind Pflegepersonen Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB X in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Sowohl die Mutter der Klägerin als auch deren Vater waren ausweislich der aktenkundigen Pflegegutachten pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI. Sie wurden auch unstreitig von der Klägerin als einziger Pflegeperson in deren häuslicher Umgebung versorgt.

Dass die Klägerin ihre Eltern während des Urlaubs außerhalb der häuslichen Umgebung gepflegt hat, steht dabei einem Versicherungsschutz grundsätzlich nicht entgegen (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 52). Darüber hinaus führte auch der Auslandsaufenthalt in Spanien nicht zu einem Ruhen der Leistungsansprüche, da bei derartigen vorübergehenden Auslandsaufenthalten von bis zu sechs Wochen Pflegegeld und Pflegesachleistungen jedenfalls bei Begleitung durch die Pflegekraft weitergewährt werden (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Dass ein Leistungsexport ins Ausland bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten des Versicherten im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung vom Gesetzgeber für zulässig erachtet wird, ergibt sich ferner aus § 34 Abs. 3 SGB XI, wonach auch die Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 in Fällen der vorliegenden Art nicht ruhen. Konnte die Klägerin danach während des Aufenthaltes in Spanien die Pflegeleistungen in der dortigen häuslichen Umgebung nach Maßgabe des SGB XI erbringen, bestand auch insoweit grundsätzlich Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Gleichwohl war die zum Unfall führende Tätigkeit nicht als Pflegetätigkeit unfallversicherungsrechtlich geschützt. Der Umfang des Versicherungsschutzes in diesen Fällen ist unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 4 SGB XI, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII bestimmt (BSG, Urteil vom 22.8.2000 - B 2 U 15/99 R -) Danach ist die Einbeziehung der Pflegetätigkeit in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht umfassend. Vielmehr konkretisiert die Vorschrift die versicherten Pflegetätigkeiten in Abgrenzung zu allgemeinen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Tätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung sind nur dann versicherte Tätigkeiten mit der Folge eines Unfallversicherungsschutzes, wenn sie überwiegend dem Pflegebedürftigen zugute kommen. Der gemeinsame Rückweg der Klägerin vom Urlaubsort mit den Eltern könnte allenfalls eine Pflegetätigkeit im Rahmen der Mobilität darstellen. Die Mobilität umfasst das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Dazu zählen alle Hilfeleistungen innerhalb der Wohnung, die zur Aktivierung des Pflegebedürftigen beitragen sowie Verrichtungen außerhalb der Wohnung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause umgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen (vgl. BT-Drs. 12/5262, S. 97). Die Pflegeversicherung ist jedoch bewusst nicht als umfassende Absicherung des Pflegerisikos konzipiert worden, die bei jeder Form eines Pflegebedarfs Leistungen vorsieht. So stellt § 4 Abs. 2 S. 1 SGB XI klar, dass die Pflegeversicherung keine Vollversorgung der Pflegebedürftigen sicherstellt, wie dies im Grundsatz in Bezug auf die Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet ist. Die Leistungen bei häuslicher und teilstationärer Pflege haben gegenüber der fortbestehenden Notwendigkeit von Pflegeleistungen durch Familienangehörige, Nachbarn oder sonstige ehrenamtliche Pflegekräfte nur ergänzende Funktion. Ausgeschlossen sind danach Leistungen, bei denen auf anderen als den in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten Gebieten (zum Beispiel Kommunikation, Bildung, Freizeitgestaltung) ein Hilfebedarf besteht. Auch richtet sich die Ausgrenzung nicht nach dem Schweregrad der Betroffenheit des zu Pflegenden beziehungsweise der Pflegeperson. Diese Begrenzung des maßgeblichen Hilfebedarfs ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG, Urteil vom 19.2.1998 - B 3 P 3/97 R - www.Juris.de).

Davon ausgehend befand sich die Klägerin gemeinsam mit ihren pflegebedürftigen Eltern auf dem Rückweg von einer Urlaubsreise. Dass die Klägerin am Urlaubsort Pflegeleistungen im Sinne des SGB XI erbracht hat und auch auf dem Rückweg den Eltern behilflich war, kann vor dem Hintergrund der zuvor genannten Kriterien insoweit keinen Versicherungsschutz begründen. Es fehlt der unmittelbare Zusammenhang mit einer unter Unfallversicherungsschutz stehenden Verrichtung. Die Handlungstendenz der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt nicht wesentlich darauf gerichtet, Pflegetätigkeiten für ihre Eltern zu verrichten, sondern das Fahrzeug zu holen, um nach Hause zu gelangen. Im Übrigen ereignete sich der Unfall auch nicht bei einer Hilfeleistung, sondern ohne fremde Einwirkung auf dem Weg zum eigenen Pkw. Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag daran der Gesichtspunkt nichts zu ändern, dass beide Elternteile den Nachteilsausgleich "B" im Sinne einer ständigen Begleitung hatten, denn dieser Nachteilsausgleich berechtigt nur zur Mitnahme der Begleitpersonen in öffentlichen Verkehrsmitteln (§§ 69 Abs. 4 und 5, 145 SGB IX, § 3 Abs. 2 SchwerbehindertenausweisVO), eine Ausweitung der unter Versicherungsschutz stehenden Hilfeleistungen im Sinne des SGB XI kann daraus nicht abgeleitet werden.

Gleiches gilt bezogen auf die Möglichkeit der Teilhabe der pflegebedürftigen Personen am Leben in der Gesellschaft. Ein Ausgleich der behindertenbedingt eingeschränkten Teilhabe etwa am gemeinschaftlichen oder kulturellen Leben bietet zwar der der Mutter der Klägerin zuerkannte Nachteilsausgleich "RF". Auch § 55 SGB IX sieht entsprechende Leistungen für behinderte Menschen schwerpunktmäßig in Form von Mobilitätshilfen vor. Hat aber der Gesetzgeber keine Veranlassung gesehen, den Hilfebedarf der pflegebedürftigen Personen im Sinne des SGB XI auf derartige Teilhaben am Leben in der Gesellschaft auszuweiten, kann dies auch keinen Unfallversicherungsschutz der Pflegeperson begründen.

Des Weiteren handelte es sich bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nicht um einen versicherten Betriebsweg, also einen Weg außerhalb der Betriebsstätte, der zur Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird und der eigentlichen Betriebstätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII gleichgestellt ist. Er unterscheidet sich von den Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des Abs. 2 Nr. 1 dadurch, dass er in Ausübung der versicherten Tätigkeit beziehungsweise im unmittelbaren Betriebsinteresse zurück gelegt wird und nicht lediglich der versicherten Tätigkeit vorausgeht oder sich ihr anschließt (BSG SozR 3 - 2700 § 8 Nr. 3). Die Klägerin hatte ihre grundsätzlich versicherte Pflegetätigkeit am Urlaubsort beendet und befand sich bei der zum Unfall führenden Verrichtung - wie dargelegt - auf der insoweit unversicherten Rückreise vom Urlaubsort in die häusliche Wohnung.

Zutreffend hat das SG aber einen Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt eines versicherten Wegeunfalles bejaht. Danach ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versichert auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Wie bereits in der Vorgängervorschrift des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist in dieser Vorschrift als End- bzw. Ausgangspunkt des Weges nur der Ort der Tätigkeit festgelegt. Wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt und wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet, ist nicht umschrieben. Begründet wird dieser Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R - www.juris.de m.w.N.). Wesentlich ist dabei die finale Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, - Handkommentar - § 8 Rdnr. 12.1 m.w.N.). Dient das Zurücklegen des Weges sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken, ist zunächst zu prüfen, ob sich der zurückgelegte Weg in zwei Teile zerlegen lässt, von denen der eine betrieblichen Zwecken und der andere privaten Zwecken gedient hat. Ist eine Trennung nicht möglich, handelt es sich um eine sog. gemischte Tätigkeit. Versicherungsschutz ist danach zu bejahen, wenn die gemischte Tätigkeit auch wesentlich der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Die Tätigkeit braucht den betrieblichen Interessen nicht überwiegend gedient zu haben; es genügt, wenn das Handeln im Interesse der versicherten Tätigkeit nicht lediglich Nebenzweck ist.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien war aber die Handlungstendenz der Klägerin zum Unfallzeitpunkt darauf gerichtet, nach Beendigung der als solche versicherten Pflegeleistungen am Urlaubsort der Eltern zurück nach Hause zu gelangen. Dass der Aufenthalt der Klägerin nicht wesentlich als gemeinsamer Erholungsurlaub mit den Eltern anzusehen ist, sondern ganz maßgeblich durch die Tendenz geprägt war, den pflegebedürftigen Eltern am Urlaubsort Pflegeleistungen zu erbringen, ergibt sich aus dem Gesamtvorbringen der Klägerin, dessen Glaubhaftigkeit auch von der Beklagen nicht in Zweifel gezogen worden ist. Danach hat sie ihre Eltern zu deren Wohnung in Spanien begleitet und während des dortigen Aufenthaltes im üblichen Rahmen gepflegt. Gegen die Annahme eines Erholungsurlaubes der Klägerin spricht, dass die Eltern auch ihre Urlaubskosten getragen haben und die Klägerin im Übrigen glaubhaft versichert hat, dass sie die Reise bei Verhinderung der Eltern nicht alleine angetreten hätte und ihr Ehemann im Übrigen zu Hause verblieben ist. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass aus der Sicht der Klägerin die Reise nach Spanien wenn nicht ausschließlich, doch zumindest ganz überwiegend bestimmt war vom Gesichtspunkt der Pflegetätigkeit zu Gunsten ihrer Eltern.

Aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten ist auch das Zurücklegen vom Ort der Pflegetätigkeit zurück nach Hause als einheitlicher Vorgang zu werten, so dass die zum Unfall führende Tätigkeit der Klägerin - das Zurücklegen des Weges, um das Fahrzeug zu holen - Teil des versicherten Heimweges war. Für eine Unterbrechung durch eine unversicherte Tätigkeit fehlen hier jegliche Anhaltspunkte. Befand sich danach die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Heimweg, war weder dem Gesichtspunkt der großen räumlichen Entfernung noch dem des lediglich auf die Pflegeleistungen in der Ferienwohnung beschränkten Versicherungsschutzes eine dem Anspruch entgegenstehende Bedeutung beizumessen.

Die Beklagte kann sich zur Stützung ihrer abweichenden Meinung auch nicht auf die von ihr zitierte Kommentierung in Bereiter-Hahn/Mehrtens und Lauterbach (a.a.O.) berufen. Vielmehr bestätigt diese Auffassung einen Versicherungsschutz in Fällen der vorliegenden Art, wenn der Weg mit dem Ziel der Verrichtung (oder nach Abschluss) der Pflegetätigkeit zurückgelegt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat misst der Frage des Versicherungsschutzes von Pflegepersonen bei der Teilnahme an Urlaubsreisen der pflegebedürftigen Person eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung bei und hat daher die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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