Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 5548/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5732/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1968 geborene Klägerin war seit 01.07.1997 als Reisende versicherungspflichtig beschäftigt. Nach der Geburt ihres Sohnes am 18.01.2001 befand sie sich bis 17.01.2004 in Erziehungsurlaub. Danach nahm sie bis zur Geburt ihres zweiten Kindes am 16.07.2004 unbezahlten Urlaub. Anschließend befand sich die Klägerin bis zum Tod dieses Kindes am 11.12.2004 wiederum in Erziehungsurlaub bis 31.12.2004. Danach nahm die Klägerin bis 31.01.2005 erneut unbezahlten Urlaub.
Mit Schreiben vom 28.01.2005 kündigte die Arbeitgeberin der Klägerin das mit ihr bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2005. Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht M. einigten sich die Parteien am 14.03.2005 auf einen Vergleich, nach dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2005 enden werde. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich für die Monate Februar 2005 bis Juni 2005 zur Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.100,00 EUR zuzüglich einer Durchschnittsprovision von 500,00 EUR, mithin insgesamt monatlich 2.600,00 EUR. Die Klägerin wurde bis zum 30.06.2005 von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
Am 23.06.2005 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 22.08.2005 arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag auf Alg stellte sie sich für eine Tätigkeit von 15 Stunden pro Woche der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Mit Bescheid vom 11.07.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 22.08.2005 für 360 Tage in Höhe von 36,04 EUR täglich (Arbeitsentgelt 92,50 EUR). Hierbei legte die Beklagte ausgehend von einem Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005 die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 (Arbeitsentgelt insgesamt 13.875,00 EUR) als Bemessungszeitraum zugrunde. Nach Minderung des Auszahlbetrages wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend mit Bescheid vom 07.07.2005 wurden ihr von der Beklagten für die Zeit vom 22.08.2005 bis 21.09.2005 lediglich 6,98 EUR täglich (anstatt 13,96 EUR täglich) ausgezahlt.
Am 25.07.2005 legte die Klägerin gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein und machte geltend, der Berechnung des Alg müsse ihr Jahresgehalt und nicht das vor dem Arbeitsgericht ausgehandelte Gehalt für die letzten fünf Monate des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden. Hierzu legte sie ihre Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 1999 bis 2001 vor, aus denen sich Bruttoarbeitslöhne von 95.184,66 DM (1999), 86.454,67 DM (2000) und 23.657,06 DM (2001) ergeben. Ihr Verdienst sei nicht konstant, da es sich aus dem Fixum und der Provision zusammensetze. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Bemessungsrahmen betrage hier ein Jahr. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltzeiträume vom 01.02.2005 bis 30.06.2005. In diesem Zeitraum sei in 150 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 13.875,00 EUR erzielt worden, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 92,50 EUR ergebe. Da sich die Klägerin der Arbeitsvermittlung lediglich für 15 Stunden in der Woche zur Verfügung gestellt habe, betrage das tägliche Bemessungsentgelt 36,04 EUR. Unter Berücksichtigung der Steuerklasse (V) und des Kinderfreibetrages bestehe ein Anspruch auf Alg nach dem erhöhten Leistungssatz (mit Kind) in Höhe von täglich 13,96 EUR und für die Zeit der Anrechnung des wegen verspäteter Arbeitslosmeldung bestehenden Minderungsbetrages von 6,98 EUR täglich.
Am 30.08.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie einen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geltend machte. Sie brachte vor, die Beklagte verkenne, dass sie sich von 2001 bis 2004 dauerhaft in Elternzeit befunden habe. Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums blieben aber Zeiten außer Betracht, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen habe. Als Bemessungszeitraum sei daher das Jahr 2000, ihr letztes reguläres Arbeitsjahr, heranzuziehen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Klägerin habe im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen, so dass eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre, in denen ohnehin kein weiteres Arbeitsentgelt erzielt worden sei, nicht erforderlich sei. Sie legte ihre Durchführungsanweisungen (DA) zu § 130 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) vor.
Mit Urteil vom 04.04.2006 wies das SG die Klage ab. Der Bewilligungsbescheid der Beklagten entspreche der Sach- und Rechtslage, da der Bemessungszeitraum vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfasse, so dass eine Erweiterung des Bemessungsrahmens ausscheide. Auch bei einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre (30.06.2005 bis 01.07.2003) würde sich im Übrigen mangels weiterer Entgeltzeiträume kein höheres Bemessungsentgelt ergeben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.04.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.05.2006 (Montag) Berufung eingelegt, mit der sie einen Anspruch auf höheres Alg unter Berücksichtigung des im Jahr 2000 erzielten Arbeitsentgelts geltend macht. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Auffassung, es sei hier unbillig, von einem Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005 auszugehen. Dies bedeute bei einer Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses sofort nach der Erziehungszeit eine Benachteiligung und Ungleichbehandlung des erziehenden Elternteils.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2005 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des im Jahr 2000 erzielten Bemessungsentgelts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Beschluss vom 27.04.2007 hat der Senat im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren B 11a/7a AL 64/06 das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet, das die Klägerin am 07.12.2009 wieder angerufen hat und unter dem aktuellen Aktenzeichen fortgeführt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg auf der Grundlage des von ihr im Jahr 2000 erzielten Bemessungsentgelts.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.07.2005 (Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005), mit dem die Beklagte der Klägerin Alg ab 22.08.2005 für 360 Tage in Höhe von täglich 13,96 EUR (für die ersten 30 Tage nur in Höhe von 6,98 EUR täglich) bewilligt hat. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Minderungsbescheid der Beklagten vom 07.07.2005, da dieser durch die damit erfolgte Anrechnung eines Minderungsbetrages für 30 Leistungstage ein entsprechend niedrigeres Alg zur Folge hat und zusammen mit dem Bewilligungsbescheid vom 11.07.2005 als Einheit anzusehen ist.
Die Klägerin macht allein einen Anspruch auf höheres Alg auf der Grundlage des von ihr im Jahr 2000 erzielten Arbeitsentgelts geltend und begründet dies damit, dass die Beklagte das Alg zu Unrecht auf der Grundlage des vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 erzielten Arbeitsentgelts und nicht nach den vor den Erziehungszeiten liegenden Entgeltabrechnungszeiträumen im Jahr 2000, ihrem letzten regulären Arbeitsjahr, bemessen habe. Insbesondere fühlt sie sich dadurch als erziehender Elternteil benachteiligt und ungleich behandelt. Die Klägerin wendet sich nicht gegen den Minderungsbescheid vom 07.07.2005. Der Senat vermochte hinsichtlich der Höhe des Anrechnungsbetrages auch keine Rechtsfehler zu erkennen. Der Bescheid vom 07.07.2005 ist somit rechtmäßig.
Die Beklagte hat hier das Alg zu Recht nach § 130 SGB III bemessen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 01.01.2005 geltenden - und im Hinblick auf das hier von der Klägerin für die Zeit ab 22.08.2005 beantragte Alg anzuwendenden - Fassung durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III). Der Bemessungszeitraum wird auch dann auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Nach näherer Maßgabe von § 130 Abs. 2 SGB III bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bestimmte Zeiten außer Betracht.
Aus diesen Bestimmungen folgt, dass das von der Klägerin noch vor der Geburt ihrer Kinder in den Jahren 1999 bis 2001, mithin auch das im Jahr 2000, erzielte Arbeitsentgelt nicht als Bemessungsentgelt berücksichtigt werden kann. Der Bemessungsrahmen endet im vorliegenden Fall am 30.06.2005, dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III). Hieraus ergibt sich ein regulärer Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005. In diesem (regulären) Bemessungsrahmen liegt ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vor, da die Klägerin aufgrund ihres bis 30.06.2005 dauernden Arbeitsverhältnisses nach dem am 14.03.2005 vor dem Arbeitsgericht M. zwischen ihr und ihrer Arbeitgeberin geschlossenen Vergleich für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 - also für 150 Tage - Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Die gesetzlich festgelegte Mindestdauer des Bemessungszeitraums im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr - mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt - ist folglich erfüllt.
Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III liegen nicht vor. Sowohl eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre gemäß Nr. 1 dieser Vorschrift als auch nach dessen Nr. 2 scheidet aus. Da der Bemessungszeitraum (01.02.2005 bis 30.06.2005) im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr (01.07.2004 bis 30.06.2005) nicht weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern (gerade) 150 Tage mit einem solchen Anspruch enthält, kommt eine Erweiterung des Bemessungsrahmens aufgrund § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht in Betracht. Auch die Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III sind nicht erfüllt. Danach müsste es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen (01.07.2003 bis 30.06.2005) unbillig hart sein, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum (01.02.2005 bis 30.06.2005) auszugehen. Auch im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen liegen nämlich - mit Ausnahme der Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 - keine Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vor, da sich die Klägerin vom 01.07.2003 bis 17.01.2004 in Erziehungszeit und anschließend in unbezahltem Urlaub befunden hat. Eine zusätzliche Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus sehen die anzuwendenden Vorschriften (§§ 130 Abs. 3, 132 Abs. 1 SGB III) nicht vor (vgl. Urteile des BSG vom 29.05.2008 - B 11a AL 23/07 R - und 03.12.2009 - B 11 AL 42/08 R). Ein Rückgriff auf das von der Klägerin im Jahr 2000 - mithin ca. fünf Jahre vor der Stellung des Antrages auf Alg - erzielte Arbeitsentgelt ist deshalb gesetzlich nicht möglich.
Die Verkürzung des Bemessungsrahmens auf maximal zwei Jahre mit Wirkung ab 01.01.2005 bedeutet für die Klägerin auch keine Schlechterstellung gegenüber der bis 31.12.2004 geltenden Rechtslage. Innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs (22.08.2002 bis 21.08.2005), die nach der früheren Regelung (§ 133 Abs. 4 SGB III aF) den zeitlichen Höchstrahmen für die Berücksichtigung früher erzielten Entgelts darstellten, hätte die Klägerin ebenfalls keine weiteren Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen gehabt. Sie hatte auch in der Zeit vom 22.08.2002 bis 31.01.2005 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das vor der Geburt ihres ersten Kindes am 18.01.2001 erzielte Arbeitsentgelt hätte mithin auch nach § 133 Abs. 4 SGB III aF nicht als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden können. Vielmehr hätte die Klägerin nach der früheren gesetzlichen Regelung gar keinen Anspruch auf Alg gehabt, da nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht (innerhalb der letzten drei Jahre) mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt hätten vorliegen müssen, was hier nicht der Fall ist. Die Anwartschaftszeit wäre folglich nach altem Recht nicht erfüllt gewesen.
Das tägliche Bemessungsentgelt gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III beträgt 92,50 EUR (13.875,00 EUR: 150 Tage). Da sich die Klägerin nur zu einer Teilzeittätigkeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat, vermindert sich das tägliche Bemessungsentgelt gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 SGB III entsprechend (92,50 EUR: 38,50 Stunden x 15 Stunden = 36,04 EUR). Auch die weitere Berechnung des Alg durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Bestimmungen der §§ 129, 133 SGB III und führt unter Berücksichtigung des bindend festgestellten Minderungsbetrages für 30 Tage zu dem von der Beklagten zutreffend bewilligten Alg von 6,98 EUR bzw. (nach Wegfall der Minderung) von 13,96 EUR täglich.
Dass das Arbeitsentgelt, das die Klägerin im Jahr 2000 erzielt hat, nicht als Bemessungsentgelt herangezogen wird, verstößt auch nicht gegen die Verfassung. Art. 6 Abs. 1 und 4 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG - diese Verfassungsbestimmungen kommen hier als mögliche Grundlage für das Begehren der Klägerin in Frage - sieht der Senat nicht als verletzt an. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Gemäß Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Ein konkreter Anspruch der Klägerin darauf, dass hier nicht - wie in § 130 SGB III vorgesehen - die Bemessung des Alg auf der Grundlage des im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr in 150 Tagen erzielten Arbeitsentgelts erfolgen darf, sondern - im Unterschied zu anderen Arbeitslosen und in Abkehr von der gesetzlichen Konzeption, das Alg als nicht dauerhafte Lohnersatzleistung an einem möglichst zeitnahen Lohnniveau auszurichten - der Bemessung des Alg (auch) länger zurückliegende Entgeltzeiträume, insbesondere solche, die vor der Geburt der Kinder liegen, zugrunde gelegt werden müssen, ergibt sich aus diesen Verfassungsartikeln jedoch nicht. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG sieht der Senat in der gesetzlichen Regelung nicht. Das BSG hat in seinem einschlägigen Urteil vom 29.05.2008 (B 11a AL 23/07 R) einen Verfassungsverstoß aufgrund der §§ 130 Abs. 3, 132 Abs. 1 SGB III, die eine Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus nicht vorsehen, unter Darlegung der erwähnten verfassungsrechtlichen Aspekte, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 4 sowie Art. 3 Abs. 1 GG, mit überzeugender Begründung verneint. Diese Rechtsauffassung hat es in danach ergangenen weiteren Entscheidungen, zuletzt im Urteil vom 03.12.2009 (B 11 AL 42/08 R) bestätigt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung des BSG an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1968 geborene Klägerin war seit 01.07.1997 als Reisende versicherungspflichtig beschäftigt. Nach der Geburt ihres Sohnes am 18.01.2001 befand sie sich bis 17.01.2004 in Erziehungsurlaub. Danach nahm sie bis zur Geburt ihres zweiten Kindes am 16.07.2004 unbezahlten Urlaub. Anschließend befand sich die Klägerin bis zum Tod dieses Kindes am 11.12.2004 wiederum in Erziehungsurlaub bis 31.12.2004. Danach nahm die Klägerin bis 31.01.2005 erneut unbezahlten Urlaub.
Mit Schreiben vom 28.01.2005 kündigte die Arbeitgeberin der Klägerin das mit ihr bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2005. Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht M. einigten sich die Parteien am 14.03.2005 auf einen Vergleich, nach dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2005 enden werde. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich für die Monate Februar 2005 bis Juni 2005 zur Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.100,00 EUR zuzüglich einer Durchschnittsprovision von 500,00 EUR, mithin insgesamt monatlich 2.600,00 EUR. Die Klägerin wurde bis zum 30.06.2005 von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
Am 23.06.2005 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 22.08.2005 arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag auf Alg stellte sie sich für eine Tätigkeit von 15 Stunden pro Woche der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Mit Bescheid vom 11.07.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 22.08.2005 für 360 Tage in Höhe von 36,04 EUR täglich (Arbeitsentgelt 92,50 EUR). Hierbei legte die Beklagte ausgehend von einem Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005 die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 (Arbeitsentgelt insgesamt 13.875,00 EUR) als Bemessungszeitraum zugrunde. Nach Minderung des Auszahlbetrages wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend mit Bescheid vom 07.07.2005 wurden ihr von der Beklagten für die Zeit vom 22.08.2005 bis 21.09.2005 lediglich 6,98 EUR täglich (anstatt 13,96 EUR täglich) ausgezahlt.
Am 25.07.2005 legte die Klägerin gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein und machte geltend, der Berechnung des Alg müsse ihr Jahresgehalt und nicht das vor dem Arbeitsgericht ausgehandelte Gehalt für die letzten fünf Monate des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden. Hierzu legte sie ihre Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 1999 bis 2001 vor, aus denen sich Bruttoarbeitslöhne von 95.184,66 DM (1999), 86.454,67 DM (2000) und 23.657,06 DM (2001) ergeben. Ihr Verdienst sei nicht konstant, da es sich aus dem Fixum und der Provision zusammensetze. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Bemessungsrahmen betrage hier ein Jahr. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltzeiträume vom 01.02.2005 bis 30.06.2005. In diesem Zeitraum sei in 150 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 13.875,00 EUR erzielt worden, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 92,50 EUR ergebe. Da sich die Klägerin der Arbeitsvermittlung lediglich für 15 Stunden in der Woche zur Verfügung gestellt habe, betrage das tägliche Bemessungsentgelt 36,04 EUR. Unter Berücksichtigung der Steuerklasse (V) und des Kinderfreibetrages bestehe ein Anspruch auf Alg nach dem erhöhten Leistungssatz (mit Kind) in Höhe von täglich 13,96 EUR und für die Zeit der Anrechnung des wegen verspäteter Arbeitslosmeldung bestehenden Minderungsbetrages von 6,98 EUR täglich.
Am 30.08.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie einen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geltend machte. Sie brachte vor, die Beklagte verkenne, dass sie sich von 2001 bis 2004 dauerhaft in Elternzeit befunden habe. Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums blieben aber Zeiten außer Betracht, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen habe. Als Bemessungszeitraum sei daher das Jahr 2000, ihr letztes reguläres Arbeitsjahr, heranzuziehen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Klägerin habe im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen, so dass eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre, in denen ohnehin kein weiteres Arbeitsentgelt erzielt worden sei, nicht erforderlich sei. Sie legte ihre Durchführungsanweisungen (DA) zu § 130 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) vor.
Mit Urteil vom 04.04.2006 wies das SG die Klage ab. Der Bewilligungsbescheid der Beklagten entspreche der Sach- und Rechtslage, da der Bemessungszeitraum vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfasse, so dass eine Erweiterung des Bemessungsrahmens ausscheide. Auch bei einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre (30.06.2005 bis 01.07.2003) würde sich im Übrigen mangels weiterer Entgeltzeiträume kein höheres Bemessungsentgelt ergeben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.04.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.05.2006 (Montag) Berufung eingelegt, mit der sie einen Anspruch auf höheres Alg unter Berücksichtigung des im Jahr 2000 erzielten Arbeitsentgelts geltend macht. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Auffassung, es sei hier unbillig, von einem Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005 auszugehen. Dies bedeute bei einer Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses sofort nach der Erziehungszeit eine Benachteiligung und Ungleichbehandlung des erziehenden Elternteils.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2005 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des im Jahr 2000 erzielten Bemessungsentgelts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Beschluss vom 27.04.2007 hat der Senat im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren B 11a/7a AL 64/06 das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet, das die Klägerin am 07.12.2009 wieder angerufen hat und unter dem aktuellen Aktenzeichen fortgeführt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg auf der Grundlage des von ihr im Jahr 2000 erzielten Bemessungsentgelts.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.07.2005 (Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005), mit dem die Beklagte der Klägerin Alg ab 22.08.2005 für 360 Tage in Höhe von täglich 13,96 EUR (für die ersten 30 Tage nur in Höhe von 6,98 EUR täglich) bewilligt hat. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Minderungsbescheid der Beklagten vom 07.07.2005, da dieser durch die damit erfolgte Anrechnung eines Minderungsbetrages für 30 Leistungstage ein entsprechend niedrigeres Alg zur Folge hat und zusammen mit dem Bewilligungsbescheid vom 11.07.2005 als Einheit anzusehen ist.
Die Klägerin macht allein einen Anspruch auf höheres Alg auf der Grundlage des von ihr im Jahr 2000 erzielten Arbeitsentgelts geltend und begründet dies damit, dass die Beklagte das Alg zu Unrecht auf der Grundlage des vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 erzielten Arbeitsentgelts und nicht nach den vor den Erziehungszeiten liegenden Entgeltabrechnungszeiträumen im Jahr 2000, ihrem letzten regulären Arbeitsjahr, bemessen habe. Insbesondere fühlt sie sich dadurch als erziehender Elternteil benachteiligt und ungleich behandelt. Die Klägerin wendet sich nicht gegen den Minderungsbescheid vom 07.07.2005. Der Senat vermochte hinsichtlich der Höhe des Anrechnungsbetrages auch keine Rechtsfehler zu erkennen. Der Bescheid vom 07.07.2005 ist somit rechtmäßig.
Die Beklagte hat hier das Alg zu Recht nach § 130 SGB III bemessen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 01.01.2005 geltenden - und im Hinblick auf das hier von der Klägerin für die Zeit ab 22.08.2005 beantragte Alg anzuwendenden - Fassung durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III). Der Bemessungszeitraum wird auch dann auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Nach näherer Maßgabe von § 130 Abs. 2 SGB III bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bestimmte Zeiten außer Betracht.
Aus diesen Bestimmungen folgt, dass das von der Klägerin noch vor der Geburt ihrer Kinder in den Jahren 1999 bis 2001, mithin auch das im Jahr 2000, erzielte Arbeitsentgelt nicht als Bemessungsentgelt berücksichtigt werden kann. Der Bemessungsrahmen endet im vorliegenden Fall am 30.06.2005, dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III). Hieraus ergibt sich ein regulärer Bemessungsrahmen vom 01.07.2004 bis 30.06.2005. In diesem (regulären) Bemessungsrahmen liegt ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vor, da die Klägerin aufgrund ihres bis 30.06.2005 dauernden Arbeitsverhältnisses nach dem am 14.03.2005 vor dem Arbeitsgericht M. zwischen ihr und ihrer Arbeitgeberin geschlossenen Vergleich für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 - also für 150 Tage - Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Die gesetzlich festgelegte Mindestdauer des Bemessungszeitraums im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr - mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt - ist folglich erfüllt.
Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III liegen nicht vor. Sowohl eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre gemäß Nr. 1 dieser Vorschrift als auch nach dessen Nr. 2 scheidet aus. Da der Bemessungszeitraum (01.02.2005 bis 30.06.2005) im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr (01.07.2004 bis 30.06.2005) nicht weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern (gerade) 150 Tage mit einem solchen Anspruch enthält, kommt eine Erweiterung des Bemessungsrahmens aufgrund § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht in Betracht. Auch die Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III sind nicht erfüllt. Danach müsste es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen (01.07.2003 bis 30.06.2005) unbillig hart sein, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum (01.02.2005 bis 30.06.2005) auszugehen. Auch im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen liegen nämlich - mit Ausnahme der Zeit vom 01.02.2005 bis 30.06.2005 - keine Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vor, da sich die Klägerin vom 01.07.2003 bis 17.01.2004 in Erziehungszeit und anschließend in unbezahltem Urlaub befunden hat. Eine zusätzliche Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus sehen die anzuwendenden Vorschriften (§§ 130 Abs. 3, 132 Abs. 1 SGB III) nicht vor (vgl. Urteile des BSG vom 29.05.2008 - B 11a AL 23/07 R - und 03.12.2009 - B 11 AL 42/08 R). Ein Rückgriff auf das von der Klägerin im Jahr 2000 - mithin ca. fünf Jahre vor der Stellung des Antrages auf Alg - erzielte Arbeitsentgelt ist deshalb gesetzlich nicht möglich.
Die Verkürzung des Bemessungsrahmens auf maximal zwei Jahre mit Wirkung ab 01.01.2005 bedeutet für die Klägerin auch keine Schlechterstellung gegenüber der bis 31.12.2004 geltenden Rechtslage. Innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs (22.08.2002 bis 21.08.2005), die nach der früheren Regelung (§ 133 Abs. 4 SGB III aF) den zeitlichen Höchstrahmen für die Berücksichtigung früher erzielten Entgelts darstellten, hätte die Klägerin ebenfalls keine weiteren Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen gehabt. Sie hatte auch in der Zeit vom 22.08.2002 bis 31.01.2005 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das vor der Geburt ihres ersten Kindes am 18.01.2001 erzielte Arbeitsentgelt hätte mithin auch nach § 133 Abs. 4 SGB III aF nicht als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden können. Vielmehr hätte die Klägerin nach der früheren gesetzlichen Regelung gar keinen Anspruch auf Alg gehabt, da nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht (innerhalb der letzten drei Jahre) mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt hätten vorliegen müssen, was hier nicht der Fall ist. Die Anwartschaftszeit wäre folglich nach altem Recht nicht erfüllt gewesen.
Das tägliche Bemessungsentgelt gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III beträgt 92,50 EUR (13.875,00 EUR: 150 Tage). Da sich die Klägerin nur zu einer Teilzeittätigkeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat, vermindert sich das tägliche Bemessungsentgelt gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 SGB III entsprechend (92,50 EUR: 38,50 Stunden x 15 Stunden = 36,04 EUR). Auch die weitere Berechnung des Alg durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Bestimmungen der §§ 129, 133 SGB III und führt unter Berücksichtigung des bindend festgestellten Minderungsbetrages für 30 Tage zu dem von der Beklagten zutreffend bewilligten Alg von 6,98 EUR bzw. (nach Wegfall der Minderung) von 13,96 EUR täglich.
Dass das Arbeitsentgelt, das die Klägerin im Jahr 2000 erzielt hat, nicht als Bemessungsentgelt herangezogen wird, verstößt auch nicht gegen die Verfassung. Art. 6 Abs. 1 und 4 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG - diese Verfassungsbestimmungen kommen hier als mögliche Grundlage für das Begehren der Klägerin in Frage - sieht der Senat nicht als verletzt an. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Gemäß Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Ein konkreter Anspruch der Klägerin darauf, dass hier nicht - wie in § 130 SGB III vorgesehen - die Bemessung des Alg auf der Grundlage des im regulären Bemessungsrahmen von einem Jahr in 150 Tagen erzielten Arbeitsentgelts erfolgen darf, sondern - im Unterschied zu anderen Arbeitslosen und in Abkehr von der gesetzlichen Konzeption, das Alg als nicht dauerhafte Lohnersatzleistung an einem möglichst zeitnahen Lohnniveau auszurichten - der Bemessung des Alg (auch) länger zurückliegende Entgeltzeiträume, insbesondere solche, die vor der Geburt der Kinder liegen, zugrunde gelegt werden müssen, ergibt sich aus diesen Verfassungsartikeln jedoch nicht. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG sieht der Senat in der gesetzlichen Regelung nicht. Das BSG hat in seinem einschlägigen Urteil vom 29.05.2008 (B 11a AL 23/07 R) einen Verfassungsverstoß aufgrund der §§ 130 Abs. 3, 132 Abs. 1 SGB III, die eine Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus nicht vorsehen, unter Darlegung der erwähnten verfassungsrechtlichen Aspekte, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 4 sowie Art. 3 Abs. 1 GG, mit überzeugender Begründung verneint. Diese Rechtsauffassung hat es in danach ergangenen weiteren Entscheidungen, zuletzt im Urteil vom 03.12.2009 (B 11 AL 42/08 R) bestätigt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung des BSG an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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