Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 6235/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 305/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1953 geborene Kläger absolvierte von 1969 bis 1973 eine Lehre zum Kfz-Mechaniker und war anschließend - unterbrochen durch eine Tätigkeit als Lkw-Fahrer von 1974 bis 1978 und Ableistung seines Wehrdienstes - bis 1993 in verschiedenen Autohäusern als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Seither übt der Kläger keine berufliche Tätigkeit mehr aus. Seit August 1996 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit. Im Rahmen seiner Tätigkeiten als KfZ-Mechaniker war der Kläger neurotoxischen Lösungsmitteln, wie bspw. Benzol und Trichloräthylen ausgesetzt.
Im Zusammenhang mit einer Ende 2003 beantragten Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als BK machte der Kläger u.a. auch eine Nervenschädigung durch Arbeiten mit Reinigungsmittel (u.a. Trichloräthylen, Nitroverdünnung), Kontakt mit Benzin sowie Öl und Frostschutzmittel als BK geltend. Nach den daraufhin von den Technischen Aufsichtsdiensten (TAD) der Beklagten und der B. M. S. (BGMS) eingeholten Stellungnahmen ist davon auszugehen, dass der Kläger von 1969 bis ca. 1991 gegenüber Trichloräthylen exponiert war. Entsprechend der damaligen Gepflogenheiten habe die Exposition insbesondere im Zeitraum von 1969 bis 1973 über mehrere Stunden pro Woche über dem Grenzwert gelegen; danach sei sowohl der zeitliche Umfang als auch die Expositionshöhe deutlich geringer gewesen. Die Beklagte zog von der IKK Baden-Württemberg und Hessen das Vorerkrankungsverzeichnis und von den behandelnden Ärzten des Klägers sowie der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg medizinische Unterlagen bei. Danach war der Kläger im Hinblick auf ab dem Jahr 1994 gestellte Anträge auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit mehrmals auf Veranlassung der damaligen Landesversicherungsanstalt B. (LVA) bzw. des Sozialgerichts Freiburg (SG) im Rahmen sich anschließender Klageverfahren untersucht und begutachtet worden (u.a. Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. auf Grund Untersuchung vom 28.09.1994 - Diagnosen: akzentuierte Persönlichkeit mit dependenten und auch narzisstischen Zügen mit Neigung zu neurotisch-depressiven Verstimmungen und funktionellen körperlichen Beschwerden, anamnestisch Panikattacken mit Hyperventilation, chronischer Tranquilizer- Mißbrauch, Nikotinabusus; Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. K.-H. auf Grund Untersuchung vom 12.01.1996 - Diagnosen: Persönlichkeitsstörung von vorwiegend depressiv-abhängiger Ausprägung mit Neigung zu neurotisch-depressiv-dysphorischen Verstimmungszuständen und Ausbildung von funktionellen Körperbeschwerden, chronischer Benzodiazepin-Abusus; Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch.-B. auf Grund Untersuchung vom 08.09.1997 - Diagnosen: Persönlichkeitsstörung mit depressiv-abhängigen Tendenzen und Neigung zu funktionellen Körperbeschwerden, Benzodiazepin-Mißbrauch; Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. auf Grund Untersuchung vom 26.07.1999 - Diagnosen: Angst- und Panikstörung bei zwanghafter Persönlichkeit, C2H5OH-Abusus, depressives Syndrom, somatoforme Schmerzstörung; Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutischen Medizin Dr. K. auf Grund viertägiger stationärer Begutachtung im März 2001 - Diagnosen: kombinierte Persönlichkeitsstörung mit anankastischen, ängstlich (vermeidenden) und abhängigen Zügen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, schädlicher Gebrauch psychotroper Substanzen; Gutachten des Prof. Dr. F. auf Grund Untersuchung vom 06.02.2002 - Diagnose: asthenische Persönlichkeitsstörung).
Die Beklagte veranlasste sodann das arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. T. , Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. , auf Grund Untersuchung des Klägers am 09. und 10.11.2006 und Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Siefert. Prof. Dr. T. fand keine Hinweise für das Vorliegen einer Polyneuropathie und vermochte diagnostisch nicht zweifelsfrei von einer Enzephalopathie auszugehen, es handle sich vielmehr um eine Persönlichkeitsstörung. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin G., die die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht vorschlug, lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit Bescheid vom 26.07.2007 ab, weil eine entsprechende BK nicht vorliege. Der Kläger sei im Zeitraum von 1969 bis 1993 mit Unterbrechungen zwar neurotoxischen Lösungsmittel, wie beispielsweise Benzol und Trichloräthylen, ausgesetzt gewesen, so dass eine Gefährdung im Sinne der BK Nr. 1317 vorgelegen habe, jedoch sei bei ihm weder eine toxische Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie festzustellen. Der dagegen mit der Begründung eingelegte Widerspruch, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK seien erfüllt, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.11.2007).
Am 03.12.2007 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen die Unverwertbarkeit des eingeholten Gutachtens geltend gemacht.
Das SG hat das in dem Parallelrechtsstreit S 8 U 4205/08 auch zu der vorliegend im Streit stehenden BK eingeholte Gutachten des Facharztes für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. B. auf Grund Untersuchung des Klägers vom 19.12.2007 unter Mitberücksichtigung des neurologischen und neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. Sch. , Arzt für Neurologie am Zentrum für Geriatrie und Gerontologie im Universitätsklinikum Freiburg, auf Grund Untersuchung vom 12.12.2007 zu dem Verfahren beigezogen. Der Sachverständige hat das Vorliegen einer Polyneuropathie verneint und keine ausreichenden Belege für das Vorliegen einer Enzephalopathie gesehen. Mit Urteil vom 01.10.2008 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Dr. B. abgewiesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 29.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.01.2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und die Einholung eines neurologischen Gutachtens für erforderlich erachtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2007 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Nervenarztes Dr. B. auf Grund Untersuchung vom 24.06.2009 und Berücksichtigung des Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass Schädigungen in Form einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie typisch für chemische Expositionen im Kfz-Gewerbe seien und diese beim Kläger zweifellos vorlägen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat beim Kläger die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt. Denn es ist nicht festzustellen, dass der Kläger im Sinne dieser BK an einer Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leidet.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Danach ist beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen. Zwar erfüllt der Kläger - wovon die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid angesichts des Ergebnisses der Ermittlungen ihres TAD sowie des TAD der BGMS ausgegangen ist - die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK, weil er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker im Zeitraum von 1969 bis 1991 organischen Lösungsmitteln wie beispielsweise Benzol und Trichloräthylen ausgesetzt war. Allerdings ist beim Kläger im Sinne dieser BK keine Erkrankung festzustellen, die durch die Einwirkung entsprechender neurotoxischer organischer Lösungsmittel verursacht werden kann. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger an einer Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leidet. Dies geht nach dem dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Der Kläger leidet nicht an einer Polyneuropathie. Typisch für eine neurotoxische Polyneuropathie sind symmetrisch-distale arm- und beinbetonte, sensible, motorische oder sensomotorische Ausfälle mit strumpf- bzw. handschuhförmiger Verteilung. Anamnestisch ist wichtig, dass die Sensibilitätsstörungen von distal nach proximal aufsteigen und dass die Parästhesien häufig nachts zunehmen. Objektiv lassen sich je nach Krankheitsausprägung distal symmetrische Sensibilitätsstörung für Vibrationsempfinden, Lageempfinden, Ästhesie, Algesie und Zweipunktdiskrimination erkennen. Im weiteren Verlauf werden Reflexabschwächungen oder Areflexie, Störungen der autonomen Nervenversorgung, Verminderung der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten und distalen Latenzen sowie neurogene Schädigungsmuster im EMG nachweisbar. Die motorischen Veränderungen können sich darstellen als leichte motorische Schwäche bis hin zur völligen muskulären Lähmung mit Muskelatrophie. Betroffen ist überwiegend die Muskulatur im Bereich der Hände und Füße. In schweren Fällen kann es jedoch zu vollständiger Tetraplegie und Befall der Atemmuskulatur kommen. Dagegen ist die Polyneuropathie durch Trichloräthylen gekennzeichnet durch Sensibilitäts- und Reflexverlust oder sensomotorische Ausfälle im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus im Gesicht. Ein Befall des Nervus oculomotorius und des Nervus abducens kommt ebenfalls vor. Auch nach Trichloräthylen-Einwirkung wurde eine periphere Polyneuropathie beschrieben. Die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie entwickelt sich in der Regel in engem zeitlichem Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition. Allerdings wurden vereinzelt Krankheitsverläufe berichtet, bei denen es zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit kommt, so dass die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch zwei bis drei Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus (Merkblatt zur BK Nr. 1317, BArbBl. 3/205 S. 49).
Ein derartiges Krankheitsbild liegt beim Kläger nicht vor. Für den Senat schlüssig und überzeugend hat der Sachverständige Dr. B. ausgeführt, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden nicht dieser Symptomatik einer Polyneuropathie entsprechen. Denn der Kläger hat über Beeinträchtigungen im Sinne von Kribbelbeschwerden der Beine mit ziehenden Schmerzen bei längerem Gehen oder Stehen sowie über eine intermittierende Gefühllosigkeit im Bereich der Beine geklagt. Auch die angegebenen Schmerzen der Beine, vor allem wenn er mehr als eine Stunde auf den Beinen sei, sowie die geklagten Schmerzen "vom Genick bis in das Gehirn" passen ebenso wenig wie seine Angaben, wonach er kalte und heiße Sensationen mit beiden Füßen spüren könne, zum Krankheitsbild der Polyneuropathie. Zudem hat Prof. Dr. Sch. anlässlich seiner Untersuchung mit der von ihm durchgeführten Neurographie eine entsprechende Erkrankung der Beine sogar ausschließen können. Darüber hinaus wurde auch in der Vergangenheit von keinem der zahlreichen, mit den Gesundheitsstörungen des Klägers befassten nervenärztlichen Gutachter ein entsprechendes Krankheitsbild beschrieben oder gar die Diagnose einer Polyneuropathie gestellt. Vielmehr wurden wiederholt Ausfälle der Muskeleigenreflexe oder Sensibilitätsstörungen sogar ausdrücklich verneint. Damit ergeben sich für den Senat keine Hinweise darauf, dass beim Kläger das Krankheitsbild einer Polyneuropathie vorliegt; damit scheidet die Annahme einer neurotoxischen Polyneuropathie erst recht aus.
Auch eine Enzephalopathie ist beim Kläger nicht festzustellen. Eine solche äußert sich durch diffuse Störungen der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektstörungen stehen im Vordergrund. Im klinischen Verlauf unterscheidet man verschiedene Schweregrade, wobei zwischen dem Schweregrad I (Erschöpfung, Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Merkschwäche, allgemeine Antriebsminderung), dem Schweregrad IIA (ausgeprägte und dauerhafte Persönlichkeitsveränderungen, zunehmende Merk- und Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen mit depressiven Einschlag, Affektlabilität. Nachweistest psychologischer Leistungsminderungen), dem Schweregrad IIB (zusätzlich zu den unter "IIA" ausgeführten psychischen Störungen Nachweis von leichten neurologischen Befunden wie Tremor, Ataxie und andere Koordinationsstörungen) und dem Schwergrad III (Demenz mit ausgeprägten Intelligenz- und Gedächtnisstörungen, Nachweis hirnatrophischer Veränderungen bei kranialer Computertomographie oder Kernspintomographie) unterschieden wird. Toxische Enzephalopathien treten in der Regel noch während des Expositionszeitraums auf. Mehrere Studien zeigen jedoch auch Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Zunahme der subjektiven Beschwerden sowie eine Verschlechterung der Ergebnisse psychologischer Testverfahren und der neurologischen Untersuchungsergebnisse. Hieraus folgt, dass die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Die lösungsmittelbedingte Enzephalopathie kann sich nach Unterlassung der gefährdende Tätigkeit bessern, konstant bleiben oder verschlechtern. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus. Die Diagnose stützt sich auf die anamnestischen Angaben und den psychopathologischen Befund. Wichtige anamnestische Hinweise sind Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition (Benommenheit, Trunkenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Brechreiz, aber auch Zustände von Euphorie). Der psychopathologische Befund muss durch psychologische Testverfahren objektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Bei diesen Testverfahren sollen die prämorbide Intelligenz, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, Psychomotorik, Wesensveränderungen und Befindlichkeitsstörungen untersucht werden. Neurophysiologische Untersuchungen (EEG, evozierte Potentiale, Nervenleidgeschwindigkeit) sowie bildgebende Verfahren (Computertomo-gramm, Kernspintomo¬gramm) ergeben bei den lösungsmittelverursachten Enzephalopathien in der Regel Normalbefunde. Sie sind jedoch für die Differentialdiagnostik von Bedeutung. Erhöhte Werte im Biomonotoring (Lösungsmittel oder deren Metabolite im Blut oder Urin) können die Diagnose stützen. Differentialdiagnostisch sind in erster Linie eine Multiinfarkt-Demenz, ein Morbus Alzheimer und eine alkoholtoxische Enzephalopathie auszuschließen. Darüber hinaus ist die gesamte Differentialdiagnostik exogener und endogener toxischer Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen, neurotischer Fehlentwicklungen usw. zu berücksichtigen (Merkblatt zur BK Nr. 1317, a.a.O.).
Davon dass beim Kläger ein solches Krankheitsbild vorliegt, vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Zwar ähneln die vom Kläger geklagten Beschwerden, wie beispielsweise die kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen mit reduziertem Konzentrationsvermögen und verminderter Merkfähigkeit sowie Kopfschmerzen, den Symptomen einer toxischen Enzephalopathie. Für den Senat überzeugend hat der Sachverständige Dr. B. jedoch dargelegt, dass sich auf Grund der von Prof. Dr. Sch. durchgeführten Testungen unter Berücksichtigung entsprechender früherer Testungen im Zusammenhang mit dem Gutachten des Dr. F. eine organisch bedingte Hirnleistungseinschränkung nicht zweifelsfrei belegen lässt. So ergaben weder die früheren, im Zusammenhang mit den Rentenverfahren des Klägers veranlassten Untersuchungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Schädigung des Gehirns einen richtungsweisenden Befund noch hat Prof. Dr. Sch. anlässlich seiner neuropsychologischen Testuntersuchungen einen konkreten Anhalt für eine entsprechende Hirnschädigung gefunden. Bei den neuropsychologischen Testungen anlässlich seiner Untersuchung des Klägers im Jahr 2002 fand Prof. Dr. F. zwar subnormale Leistungen im Bereich des verbalen und figuralen Gedächtnisses, der Konzentration und Aufmerksamkeit im Zahlen-Symbol-Test und im Reaktionstest, allerdings im Aufmerksamkeitstest "d2" noch normale Leistungen im Bereich der Konzentration und Aufmerksamkeit sowie normalwertige Leistungen in den weiteren Tests. Im Hinblick auf diese Inkonsistenz wies Prof. Dr. F. seinerzeit darauf hin, dass beim Kläger eine unmotiviert wirkende Arbeitsweise zu verzeichnen gewesen sei. Eine ähnliche Situation hat sich - nach den Darlegungen des Dr. B. - auch bei der von Prof. Dr. Sch. durchgeführten neuropsychologischen Untersuchung gezeigt. So ist die Gedächtnisleistung beim Wortlistenlernen im Sofortabruf mit insgesamt 36 richtigen am untersten Rand des Normalen gewesen, während sich im Spätabruf mit noch neun Begriffen dann ein unauffälliger Befund gezeigt hat. Soweit sich beim Kläger im von Prof. Dr. Sch. durchgeführten Zahlenverbindungstest eine unternormwertige Leistung ergeben hat, während die Leistung im vergleichbaren Aufmerksamkeitstest "d2" im Vorgutachten noch normale Werte zeigte, hat der Sachverständige die Verschlechterung der Testleistungen nicht abschließend zu bewerten vermocht. Denn der Umstand, dass lediglich ein Bereich betroffen war und dieser Bereich sich im Vorgutachten als unauffällig zeigte, spricht - so überzeugend Dr. B. - gegen eine organisch bedingte Hirnleistungseinschränkung. Vor dem Hintergrund der auch von Prof. Dr. Sch. erteilten Hinweise auf eine lediglich eingeschränkte Mitarbeit des Klägers, teilt der Senat die Auffassung des Dr. B. , wonach insgesamt von einem normwertigen Befund auszugehen ist, ohne Anhalt für eine organisch bedingte Gedächtnisstörung, zumal Dr. B. und Prof. Dr. Sch. anlässlich ihrer jeweiligen Untersuchungen auch keine Hinweise auf Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens beim Kläger gefunden haben. Dieses haben sie vielmehr als unauffällig beurteilt, da sie keine Anzeichen für eine vorzeitige Ermüdung, keine Auffälligkeiten des Konzentrationsvermögen, der Auffassungsgabe, der Ausdauerbelastbarkeit, des Tempos im Denken und Sprechen sowie der allgemeinen Intelligenz gefunden haben. Wegweisende Befunde, die für eine Enzephalopathie sprechen, lassen sich - so überzeugend Dr. B. - auch der von ihm erhobenen aktuellen Anamnese nicht entnehmen. Ebenso wenig wie Dr. K. im Jahre 2001 hat auch Dr. B. in der Lebensführung des Klägers Hinweise finden können, die auf eine krankhafte Minderung seines geistigen Leistungsvermögens hindeuten würden. So ist der Kläger in der Lage, als Alleinstehender sein Leben mit Haushaltsführung, Erledigung schriftlicher Arbeiten, Auto fahren und Hobbys zu bewältigen, wobei er an Computern Interesse hat und sogar die Fähigkeit erworben hat, die Geräte zu reparieren; zudem traut er sich insoweit sogar zu, im Wege der Umschulung professionelle Kenntnisse zu erwerben. Während sich vor dem Hintergrund all dieser Gesichtspunkte einerseits keine hinreichend sicheren Belege für das Vorliegen einer Hirnleistungsschwäche beim Kläger finden lassen, hat Dr. B. für den Senat andererseits überzeugend dargelegt, dass sich die vom Kläger beschriebenen Einschränkungen seines geistigen Leistungsvermögens ausreichend als Symptome einer wechselhaft ausgeprägten psychischen Störung erklären lassen, wie sie bei ihm bereits seit den 90er Jahren - ohne dass sich seither Hinweise auf eine toxische Schädigung ergeben hätten - insbesondere in Form einer oft diagnostizierten Persönlichkeitsstörung und depressiven Symptomatik nachweisen lassen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass es beim Kläger im Zusammenhang mit der seit 1982 immer wieder dokumentierten depressiven Symptomatik auch zu variabel ausgeprägten, funktionellen, d.h. nicht organischen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gekommen ist, für die Symptome wie Denkblockierung, Gefühl des Nebels, vage und unklare Gedanken, Gedankenabreißen, Gedächtnisschwäche und Antriebsmangel in hohem Maße typisch sind. Dementsprechend passen die vom Kläger angegebenen Symptome von Gedächtnisdefiziten im Alltagsleben zu einer nicht organischen, also funktionellen Konzentrations- und Gedächtnisstörung, wie sie infolge vermehrter innerer Abgelenktheit regelmäßig bei Depressionen, chronischen und psychischem Stress auftreten. Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, dass beim Kläger diagnostisch von einer Enzephalopathie, also einer hirnorganischen Störung auszugehen ist.
Soweit der Sachverständige Dr. B. in seinem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten demgegenüber sowohl das Vorliegen einer Polyneuropathie als auch einer Enzephalopathie zweifellos bejaht hat, folgt der Senat dem nicht. Das Gutachten des Dr. B. lässt bereits eine schlüssige Begründung dafür vermissen, auf Grund welcher konkreter Gesichtspunkte er beim Kläger zum einen die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt hat und zum anderen diagnostisch sogar von einer Polyneuropathie ausgegangen ist, was durch die von dem Vorgutachter Prof. Dr. Sch. durchgeführten objektiven Messverfahren sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Die Darlegungen des Sachverständigen lassen vielmehr deutlich erkennen, dass er allein aus der stattgehabten Exposition des Klägers gegenüber organischer Lösungsmittel auf das Vorliegen der vorliegend zu prüfenden BK-relevanten Erkrankungen geschlossen hat, ohne allerdings der eigentlich zu prüfenden Frage nachzugehen, ob die beim Kläger konkret vorliegende Beschwerdesituation diagnostisch überhaupt den in Rede stehenden Krankheitsbildern zugeordnet werden kann. Erst wenn diese Frage zu bejahen ist, ist der Frage der Kausalität zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung nachzugehen. So hat der Sachverständige beispielsweise die Frage, welche Gesundheitsstörungen beim Kläger vorliegen, ob insbesondere eine Enzephalopathie oder eine Polyneuropathie vorliegt, damit beantwortet, dass beide Schäden (gemeint wohl Erkrankungen) typisch für chemische Expositionen im Kfz-Gewerbe seien und beim Kläger zweifellos vorlägen. Eine Begründung dafür, warum im Einzelfall des Klägers diagnostisch vom Vorliegen der entsprechenden Erkrankungen auszugehen ist, findet sich demgegenüber nicht. Auch hat sich der Sachverständige mit den ausführlichen Darlegungen des Dr. B. , der anhand der von ihm erhobenen Befunde seine Einschätzung unter Berücksichtigung der zahlreichen Vorgutachten ausführlich begründet hat, nicht auseinander gesetzt. Die Tatsache, dass der Kläger gegenüber neurotoxischen Lösungsmitteln exponiert war, rechtfertigt aber für sich allein nicht die Annahme, dass sich das von diesen Stoffen ausgehende Risiko im Einzelfall des Klägers auch verwirklicht hat und die BK-relevanten Erkrankungen einer Enzephalopathie und einer Polyneuropathie auch tatsächlich aufgetreten sind.
Nichts anderes gilt für die Ausführungen des Dipl.-Psych. K. in seinem von Dr. B. veranlassten testpsychologischen Zusatzgutachten. Dipl.-Psych. K. hat auf Grund der von ihm im Juli 2009 durchgeführten Tests kognitiv-mentale Leistungsdefizite beim Kläger festgestellt. Warum diese aber - so seine weitere Wertung - einer toxischen Enzephalopathie entsprechen sollen, hat er nicht begründet. Er hat lediglich - anders als für die früheren testpsychologischen Untersuchungen beschrieben - keine Hinweise auf eine fehlende Mitarbeit des Klägers gefunden und dies damit begründet, dass die - nach seiner Auffassung objektiven - Ergebnisse der Tests mit der Einschätzung des Klägers in der Exploration übereingestimmt hätten. Dies zeigt, dass Dipl.-Psych. K. gerade keine kritische Überprüfung vorgenommen hat. Insbesondere fehlt eine kritische Plausibilitätsprüfung bezüglich der vom Kläger in den Tests gezeigten Leistungen auf Widersprüche innerhalb dieser Testergebnisse bzw. der gegebenen Antworten, wie sie insbesondere Prof. Dr. Sch. durchgeführt hat. Schon deshalb geht Dipl.-Psych. K. auch zu Unrecht von einer Objektivität der Testergebnisse aus. Darüber hinaus fehlt eine nachvollziehbare Dokumentation der von Dipl.-Psych. K. durchgeführten Exploration, insbesondere im Hinblick auf den psychischen Befund; Dipl.-Psych. K. führt lediglich aus, es seien keine psychischen Auffälligkeiten deutlich geworden. Insoweit aber steht er im Widerspruch zur - wenn auch spärlichen - Dokumentaton im Gutachten von Dr. Binz, der den Kläger in seinem Verhalten erschöpft und resigniert beschreibt. Dipl.-Psych. K. geht auf diesen Widerspruch in den Explorationsbefunden nicht ein. Er diskutiert - anders als z.B. Prof. Dr. Sch. - auch nicht die Frage diskrepanter Befunde im psychologischen Test (unauffälliger Depressionstest) und solcher in der Exploration durch Dr. B. (Erschöpfung und Resignation als möglicher Hinweis auf eine depressive Grund- oder Restsymptomatik) und problematisiert folglich auch nicht die Frage, inwieweit sonstige psychische Störungen (immerhin seit 1994 als Persönlichkeitsstörung bzw. depressive Symptomatik beschrieben) die Leistungsdefizite erklären könnten (so aber Dr. B. und Prof. Dr. Sch. gerade für die Konzentrations- und Gedächtnisstörungen). Damit bleibt Dipl.-Psych. K. auch jede Erklärung dafür schuldig, warum eine erstmals von ihm als nachgewiesen erachtete psychische Leistungseinschränkung eine hirnorganische Ursache (Enzephalopathie) haben soll. Warum diese dann auch noch erstmals 16 Jahre nach Ende der beruflichen Tätigkeit und 18 Jahre nach Ende der in Rede stehenden Expositionen (1991) toxischer Ursache sein soll, ohne dass jemals zuvor gesicherte Erkenntnisse hierfür vorlagen, wird ebenfalls nicht erläutert.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1953 geborene Kläger absolvierte von 1969 bis 1973 eine Lehre zum Kfz-Mechaniker und war anschließend - unterbrochen durch eine Tätigkeit als Lkw-Fahrer von 1974 bis 1978 und Ableistung seines Wehrdienstes - bis 1993 in verschiedenen Autohäusern als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Seither übt der Kläger keine berufliche Tätigkeit mehr aus. Seit August 1996 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit. Im Rahmen seiner Tätigkeiten als KfZ-Mechaniker war der Kläger neurotoxischen Lösungsmitteln, wie bspw. Benzol und Trichloräthylen ausgesetzt.
Im Zusammenhang mit einer Ende 2003 beantragten Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als BK machte der Kläger u.a. auch eine Nervenschädigung durch Arbeiten mit Reinigungsmittel (u.a. Trichloräthylen, Nitroverdünnung), Kontakt mit Benzin sowie Öl und Frostschutzmittel als BK geltend. Nach den daraufhin von den Technischen Aufsichtsdiensten (TAD) der Beklagten und der B. M. S. (BGMS) eingeholten Stellungnahmen ist davon auszugehen, dass der Kläger von 1969 bis ca. 1991 gegenüber Trichloräthylen exponiert war. Entsprechend der damaligen Gepflogenheiten habe die Exposition insbesondere im Zeitraum von 1969 bis 1973 über mehrere Stunden pro Woche über dem Grenzwert gelegen; danach sei sowohl der zeitliche Umfang als auch die Expositionshöhe deutlich geringer gewesen. Die Beklagte zog von der IKK Baden-Württemberg und Hessen das Vorerkrankungsverzeichnis und von den behandelnden Ärzten des Klägers sowie der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg medizinische Unterlagen bei. Danach war der Kläger im Hinblick auf ab dem Jahr 1994 gestellte Anträge auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit mehrmals auf Veranlassung der damaligen Landesversicherungsanstalt B. (LVA) bzw. des Sozialgerichts Freiburg (SG) im Rahmen sich anschließender Klageverfahren untersucht und begutachtet worden (u.a. Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. auf Grund Untersuchung vom 28.09.1994 - Diagnosen: akzentuierte Persönlichkeit mit dependenten und auch narzisstischen Zügen mit Neigung zu neurotisch-depressiven Verstimmungen und funktionellen körperlichen Beschwerden, anamnestisch Panikattacken mit Hyperventilation, chronischer Tranquilizer- Mißbrauch, Nikotinabusus; Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. K.-H. auf Grund Untersuchung vom 12.01.1996 - Diagnosen: Persönlichkeitsstörung von vorwiegend depressiv-abhängiger Ausprägung mit Neigung zu neurotisch-depressiv-dysphorischen Verstimmungszuständen und Ausbildung von funktionellen Körperbeschwerden, chronischer Benzodiazepin-Abusus; Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch.-B. auf Grund Untersuchung vom 08.09.1997 - Diagnosen: Persönlichkeitsstörung mit depressiv-abhängigen Tendenzen und Neigung zu funktionellen Körperbeschwerden, Benzodiazepin-Mißbrauch; Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. auf Grund Untersuchung vom 26.07.1999 - Diagnosen: Angst- und Panikstörung bei zwanghafter Persönlichkeit, C2H5OH-Abusus, depressives Syndrom, somatoforme Schmerzstörung; Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutischen Medizin Dr. K. auf Grund viertägiger stationärer Begutachtung im März 2001 - Diagnosen: kombinierte Persönlichkeitsstörung mit anankastischen, ängstlich (vermeidenden) und abhängigen Zügen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, schädlicher Gebrauch psychotroper Substanzen; Gutachten des Prof. Dr. F. auf Grund Untersuchung vom 06.02.2002 - Diagnose: asthenische Persönlichkeitsstörung).
Die Beklagte veranlasste sodann das arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. T. , Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. , auf Grund Untersuchung des Klägers am 09. und 10.11.2006 und Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Siefert. Prof. Dr. T. fand keine Hinweise für das Vorliegen einer Polyneuropathie und vermochte diagnostisch nicht zweifelsfrei von einer Enzephalopathie auszugehen, es handle sich vielmehr um eine Persönlichkeitsstörung. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin G., die die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht vorschlug, lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit Bescheid vom 26.07.2007 ab, weil eine entsprechende BK nicht vorliege. Der Kläger sei im Zeitraum von 1969 bis 1993 mit Unterbrechungen zwar neurotoxischen Lösungsmittel, wie beispielsweise Benzol und Trichloräthylen, ausgesetzt gewesen, so dass eine Gefährdung im Sinne der BK Nr. 1317 vorgelegen habe, jedoch sei bei ihm weder eine toxische Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie festzustellen. Der dagegen mit der Begründung eingelegte Widerspruch, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK seien erfüllt, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.11.2007).
Am 03.12.2007 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen die Unverwertbarkeit des eingeholten Gutachtens geltend gemacht.
Das SG hat das in dem Parallelrechtsstreit S 8 U 4205/08 auch zu der vorliegend im Streit stehenden BK eingeholte Gutachten des Facharztes für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. B. auf Grund Untersuchung des Klägers vom 19.12.2007 unter Mitberücksichtigung des neurologischen und neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. Sch. , Arzt für Neurologie am Zentrum für Geriatrie und Gerontologie im Universitätsklinikum Freiburg, auf Grund Untersuchung vom 12.12.2007 zu dem Verfahren beigezogen. Der Sachverständige hat das Vorliegen einer Polyneuropathie verneint und keine ausreichenden Belege für das Vorliegen einer Enzephalopathie gesehen. Mit Urteil vom 01.10.2008 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Dr. B. abgewiesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 29.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.01.2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und die Einholung eines neurologischen Gutachtens für erforderlich erachtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2007 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Nervenarztes Dr. B. auf Grund Untersuchung vom 24.06.2009 und Berücksichtigung des Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass Schädigungen in Form einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie typisch für chemische Expositionen im Kfz-Gewerbe seien und diese beim Kläger zweifellos vorlägen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat beim Kläger die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt. Denn es ist nicht festzustellen, dass der Kläger im Sinne dieser BK an einer Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leidet.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Danach ist beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen. Zwar erfüllt der Kläger - wovon die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid angesichts des Ergebnisses der Ermittlungen ihres TAD sowie des TAD der BGMS ausgegangen ist - die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK, weil er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker im Zeitraum von 1969 bis 1991 organischen Lösungsmitteln wie beispielsweise Benzol und Trichloräthylen ausgesetzt war. Allerdings ist beim Kläger im Sinne dieser BK keine Erkrankung festzustellen, die durch die Einwirkung entsprechender neurotoxischer organischer Lösungsmittel verursacht werden kann. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger an einer Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leidet. Dies geht nach dem dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Der Kläger leidet nicht an einer Polyneuropathie. Typisch für eine neurotoxische Polyneuropathie sind symmetrisch-distale arm- und beinbetonte, sensible, motorische oder sensomotorische Ausfälle mit strumpf- bzw. handschuhförmiger Verteilung. Anamnestisch ist wichtig, dass die Sensibilitätsstörungen von distal nach proximal aufsteigen und dass die Parästhesien häufig nachts zunehmen. Objektiv lassen sich je nach Krankheitsausprägung distal symmetrische Sensibilitätsstörung für Vibrationsempfinden, Lageempfinden, Ästhesie, Algesie und Zweipunktdiskrimination erkennen. Im weiteren Verlauf werden Reflexabschwächungen oder Areflexie, Störungen der autonomen Nervenversorgung, Verminderung der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten und distalen Latenzen sowie neurogene Schädigungsmuster im EMG nachweisbar. Die motorischen Veränderungen können sich darstellen als leichte motorische Schwäche bis hin zur völligen muskulären Lähmung mit Muskelatrophie. Betroffen ist überwiegend die Muskulatur im Bereich der Hände und Füße. In schweren Fällen kann es jedoch zu vollständiger Tetraplegie und Befall der Atemmuskulatur kommen. Dagegen ist die Polyneuropathie durch Trichloräthylen gekennzeichnet durch Sensibilitäts- und Reflexverlust oder sensomotorische Ausfälle im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus im Gesicht. Ein Befall des Nervus oculomotorius und des Nervus abducens kommt ebenfalls vor. Auch nach Trichloräthylen-Einwirkung wurde eine periphere Polyneuropathie beschrieben. Die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie entwickelt sich in der Regel in engem zeitlichem Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition. Allerdings wurden vereinzelt Krankheitsverläufe berichtet, bei denen es zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit kommt, so dass die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch zwei bis drei Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus (Merkblatt zur BK Nr. 1317, BArbBl. 3/205 S. 49).
Ein derartiges Krankheitsbild liegt beim Kläger nicht vor. Für den Senat schlüssig und überzeugend hat der Sachverständige Dr. B. ausgeführt, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden nicht dieser Symptomatik einer Polyneuropathie entsprechen. Denn der Kläger hat über Beeinträchtigungen im Sinne von Kribbelbeschwerden der Beine mit ziehenden Schmerzen bei längerem Gehen oder Stehen sowie über eine intermittierende Gefühllosigkeit im Bereich der Beine geklagt. Auch die angegebenen Schmerzen der Beine, vor allem wenn er mehr als eine Stunde auf den Beinen sei, sowie die geklagten Schmerzen "vom Genick bis in das Gehirn" passen ebenso wenig wie seine Angaben, wonach er kalte und heiße Sensationen mit beiden Füßen spüren könne, zum Krankheitsbild der Polyneuropathie. Zudem hat Prof. Dr. Sch. anlässlich seiner Untersuchung mit der von ihm durchgeführten Neurographie eine entsprechende Erkrankung der Beine sogar ausschließen können. Darüber hinaus wurde auch in der Vergangenheit von keinem der zahlreichen, mit den Gesundheitsstörungen des Klägers befassten nervenärztlichen Gutachter ein entsprechendes Krankheitsbild beschrieben oder gar die Diagnose einer Polyneuropathie gestellt. Vielmehr wurden wiederholt Ausfälle der Muskeleigenreflexe oder Sensibilitätsstörungen sogar ausdrücklich verneint. Damit ergeben sich für den Senat keine Hinweise darauf, dass beim Kläger das Krankheitsbild einer Polyneuropathie vorliegt; damit scheidet die Annahme einer neurotoxischen Polyneuropathie erst recht aus.
Auch eine Enzephalopathie ist beim Kläger nicht festzustellen. Eine solche äußert sich durch diffuse Störungen der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektstörungen stehen im Vordergrund. Im klinischen Verlauf unterscheidet man verschiedene Schweregrade, wobei zwischen dem Schweregrad I (Erschöpfung, Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Merkschwäche, allgemeine Antriebsminderung), dem Schweregrad IIA (ausgeprägte und dauerhafte Persönlichkeitsveränderungen, zunehmende Merk- und Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen mit depressiven Einschlag, Affektlabilität. Nachweistest psychologischer Leistungsminderungen), dem Schweregrad IIB (zusätzlich zu den unter "IIA" ausgeführten psychischen Störungen Nachweis von leichten neurologischen Befunden wie Tremor, Ataxie und andere Koordinationsstörungen) und dem Schwergrad III (Demenz mit ausgeprägten Intelligenz- und Gedächtnisstörungen, Nachweis hirnatrophischer Veränderungen bei kranialer Computertomographie oder Kernspintomographie) unterschieden wird. Toxische Enzephalopathien treten in der Regel noch während des Expositionszeitraums auf. Mehrere Studien zeigen jedoch auch Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Zunahme der subjektiven Beschwerden sowie eine Verschlechterung der Ergebnisse psychologischer Testverfahren und der neurologischen Untersuchungsergebnisse. Hieraus folgt, dass die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Die lösungsmittelbedingte Enzephalopathie kann sich nach Unterlassung der gefährdende Tätigkeit bessern, konstant bleiben oder verschlechtern. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus. Die Diagnose stützt sich auf die anamnestischen Angaben und den psychopathologischen Befund. Wichtige anamnestische Hinweise sind Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition (Benommenheit, Trunkenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Brechreiz, aber auch Zustände von Euphorie). Der psychopathologische Befund muss durch psychologische Testverfahren objektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Bei diesen Testverfahren sollen die prämorbide Intelligenz, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, Psychomotorik, Wesensveränderungen und Befindlichkeitsstörungen untersucht werden. Neurophysiologische Untersuchungen (EEG, evozierte Potentiale, Nervenleidgeschwindigkeit) sowie bildgebende Verfahren (Computertomo-gramm, Kernspintomo¬gramm) ergeben bei den lösungsmittelverursachten Enzephalopathien in der Regel Normalbefunde. Sie sind jedoch für die Differentialdiagnostik von Bedeutung. Erhöhte Werte im Biomonotoring (Lösungsmittel oder deren Metabolite im Blut oder Urin) können die Diagnose stützen. Differentialdiagnostisch sind in erster Linie eine Multiinfarkt-Demenz, ein Morbus Alzheimer und eine alkoholtoxische Enzephalopathie auszuschließen. Darüber hinaus ist die gesamte Differentialdiagnostik exogener und endogener toxischer Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen, neurotischer Fehlentwicklungen usw. zu berücksichtigen (Merkblatt zur BK Nr. 1317, a.a.O.).
Davon dass beim Kläger ein solches Krankheitsbild vorliegt, vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Zwar ähneln die vom Kläger geklagten Beschwerden, wie beispielsweise die kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen mit reduziertem Konzentrationsvermögen und verminderter Merkfähigkeit sowie Kopfschmerzen, den Symptomen einer toxischen Enzephalopathie. Für den Senat überzeugend hat der Sachverständige Dr. B. jedoch dargelegt, dass sich auf Grund der von Prof. Dr. Sch. durchgeführten Testungen unter Berücksichtigung entsprechender früherer Testungen im Zusammenhang mit dem Gutachten des Dr. F. eine organisch bedingte Hirnleistungseinschränkung nicht zweifelsfrei belegen lässt. So ergaben weder die früheren, im Zusammenhang mit den Rentenverfahren des Klägers veranlassten Untersuchungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Schädigung des Gehirns einen richtungsweisenden Befund noch hat Prof. Dr. Sch. anlässlich seiner neuropsychologischen Testuntersuchungen einen konkreten Anhalt für eine entsprechende Hirnschädigung gefunden. Bei den neuropsychologischen Testungen anlässlich seiner Untersuchung des Klägers im Jahr 2002 fand Prof. Dr. F. zwar subnormale Leistungen im Bereich des verbalen und figuralen Gedächtnisses, der Konzentration und Aufmerksamkeit im Zahlen-Symbol-Test und im Reaktionstest, allerdings im Aufmerksamkeitstest "d2" noch normale Leistungen im Bereich der Konzentration und Aufmerksamkeit sowie normalwertige Leistungen in den weiteren Tests. Im Hinblick auf diese Inkonsistenz wies Prof. Dr. F. seinerzeit darauf hin, dass beim Kläger eine unmotiviert wirkende Arbeitsweise zu verzeichnen gewesen sei. Eine ähnliche Situation hat sich - nach den Darlegungen des Dr. B. - auch bei der von Prof. Dr. Sch. durchgeführten neuropsychologischen Untersuchung gezeigt. So ist die Gedächtnisleistung beim Wortlistenlernen im Sofortabruf mit insgesamt 36 richtigen am untersten Rand des Normalen gewesen, während sich im Spätabruf mit noch neun Begriffen dann ein unauffälliger Befund gezeigt hat. Soweit sich beim Kläger im von Prof. Dr. Sch. durchgeführten Zahlenverbindungstest eine unternormwertige Leistung ergeben hat, während die Leistung im vergleichbaren Aufmerksamkeitstest "d2" im Vorgutachten noch normale Werte zeigte, hat der Sachverständige die Verschlechterung der Testleistungen nicht abschließend zu bewerten vermocht. Denn der Umstand, dass lediglich ein Bereich betroffen war und dieser Bereich sich im Vorgutachten als unauffällig zeigte, spricht - so überzeugend Dr. B. - gegen eine organisch bedingte Hirnleistungseinschränkung. Vor dem Hintergrund der auch von Prof. Dr. Sch. erteilten Hinweise auf eine lediglich eingeschränkte Mitarbeit des Klägers, teilt der Senat die Auffassung des Dr. B. , wonach insgesamt von einem normwertigen Befund auszugehen ist, ohne Anhalt für eine organisch bedingte Gedächtnisstörung, zumal Dr. B. und Prof. Dr. Sch. anlässlich ihrer jeweiligen Untersuchungen auch keine Hinweise auf Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens beim Kläger gefunden haben. Dieses haben sie vielmehr als unauffällig beurteilt, da sie keine Anzeichen für eine vorzeitige Ermüdung, keine Auffälligkeiten des Konzentrationsvermögen, der Auffassungsgabe, der Ausdauerbelastbarkeit, des Tempos im Denken und Sprechen sowie der allgemeinen Intelligenz gefunden haben. Wegweisende Befunde, die für eine Enzephalopathie sprechen, lassen sich - so überzeugend Dr. B. - auch der von ihm erhobenen aktuellen Anamnese nicht entnehmen. Ebenso wenig wie Dr. K. im Jahre 2001 hat auch Dr. B. in der Lebensführung des Klägers Hinweise finden können, die auf eine krankhafte Minderung seines geistigen Leistungsvermögens hindeuten würden. So ist der Kläger in der Lage, als Alleinstehender sein Leben mit Haushaltsführung, Erledigung schriftlicher Arbeiten, Auto fahren und Hobbys zu bewältigen, wobei er an Computern Interesse hat und sogar die Fähigkeit erworben hat, die Geräte zu reparieren; zudem traut er sich insoweit sogar zu, im Wege der Umschulung professionelle Kenntnisse zu erwerben. Während sich vor dem Hintergrund all dieser Gesichtspunkte einerseits keine hinreichend sicheren Belege für das Vorliegen einer Hirnleistungsschwäche beim Kläger finden lassen, hat Dr. B. für den Senat andererseits überzeugend dargelegt, dass sich die vom Kläger beschriebenen Einschränkungen seines geistigen Leistungsvermögens ausreichend als Symptome einer wechselhaft ausgeprägten psychischen Störung erklären lassen, wie sie bei ihm bereits seit den 90er Jahren - ohne dass sich seither Hinweise auf eine toxische Schädigung ergeben hätten - insbesondere in Form einer oft diagnostizierten Persönlichkeitsstörung und depressiven Symptomatik nachweisen lassen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass es beim Kläger im Zusammenhang mit der seit 1982 immer wieder dokumentierten depressiven Symptomatik auch zu variabel ausgeprägten, funktionellen, d.h. nicht organischen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gekommen ist, für die Symptome wie Denkblockierung, Gefühl des Nebels, vage und unklare Gedanken, Gedankenabreißen, Gedächtnisschwäche und Antriebsmangel in hohem Maße typisch sind. Dementsprechend passen die vom Kläger angegebenen Symptome von Gedächtnisdefiziten im Alltagsleben zu einer nicht organischen, also funktionellen Konzentrations- und Gedächtnisstörung, wie sie infolge vermehrter innerer Abgelenktheit regelmäßig bei Depressionen, chronischen und psychischem Stress auftreten. Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, dass beim Kläger diagnostisch von einer Enzephalopathie, also einer hirnorganischen Störung auszugehen ist.
Soweit der Sachverständige Dr. B. in seinem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten demgegenüber sowohl das Vorliegen einer Polyneuropathie als auch einer Enzephalopathie zweifellos bejaht hat, folgt der Senat dem nicht. Das Gutachten des Dr. B. lässt bereits eine schlüssige Begründung dafür vermissen, auf Grund welcher konkreter Gesichtspunkte er beim Kläger zum einen die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt hat und zum anderen diagnostisch sogar von einer Polyneuropathie ausgegangen ist, was durch die von dem Vorgutachter Prof. Dr. Sch. durchgeführten objektiven Messverfahren sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Die Darlegungen des Sachverständigen lassen vielmehr deutlich erkennen, dass er allein aus der stattgehabten Exposition des Klägers gegenüber organischer Lösungsmittel auf das Vorliegen der vorliegend zu prüfenden BK-relevanten Erkrankungen geschlossen hat, ohne allerdings der eigentlich zu prüfenden Frage nachzugehen, ob die beim Kläger konkret vorliegende Beschwerdesituation diagnostisch überhaupt den in Rede stehenden Krankheitsbildern zugeordnet werden kann. Erst wenn diese Frage zu bejahen ist, ist der Frage der Kausalität zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung nachzugehen. So hat der Sachverständige beispielsweise die Frage, welche Gesundheitsstörungen beim Kläger vorliegen, ob insbesondere eine Enzephalopathie oder eine Polyneuropathie vorliegt, damit beantwortet, dass beide Schäden (gemeint wohl Erkrankungen) typisch für chemische Expositionen im Kfz-Gewerbe seien und beim Kläger zweifellos vorlägen. Eine Begründung dafür, warum im Einzelfall des Klägers diagnostisch vom Vorliegen der entsprechenden Erkrankungen auszugehen ist, findet sich demgegenüber nicht. Auch hat sich der Sachverständige mit den ausführlichen Darlegungen des Dr. B. , der anhand der von ihm erhobenen Befunde seine Einschätzung unter Berücksichtigung der zahlreichen Vorgutachten ausführlich begründet hat, nicht auseinander gesetzt. Die Tatsache, dass der Kläger gegenüber neurotoxischen Lösungsmitteln exponiert war, rechtfertigt aber für sich allein nicht die Annahme, dass sich das von diesen Stoffen ausgehende Risiko im Einzelfall des Klägers auch verwirklicht hat und die BK-relevanten Erkrankungen einer Enzephalopathie und einer Polyneuropathie auch tatsächlich aufgetreten sind.
Nichts anderes gilt für die Ausführungen des Dipl.-Psych. K. in seinem von Dr. B. veranlassten testpsychologischen Zusatzgutachten. Dipl.-Psych. K. hat auf Grund der von ihm im Juli 2009 durchgeführten Tests kognitiv-mentale Leistungsdefizite beim Kläger festgestellt. Warum diese aber - so seine weitere Wertung - einer toxischen Enzephalopathie entsprechen sollen, hat er nicht begründet. Er hat lediglich - anders als für die früheren testpsychologischen Untersuchungen beschrieben - keine Hinweise auf eine fehlende Mitarbeit des Klägers gefunden und dies damit begründet, dass die - nach seiner Auffassung objektiven - Ergebnisse der Tests mit der Einschätzung des Klägers in der Exploration übereingestimmt hätten. Dies zeigt, dass Dipl.-Psych. K. gerade keine kritische Überprüfung vorgenommen hat. Insbesondere fehlt eine kritische Plausibilitätsprüfung bezüglich der vom Kläger in den Tests gezeigten Leistungen auf Widersprüche innerhalb dieser Testergebnisse bzw. der gegebenen Antworten, wie sie insbesondere Prof. Dr. Sch. durchgeführt hat. Schon deshalb geht Dipl.-Psych. K. auch zu Unrecht von einer Objektivität der Testergebnisse aus. Darüber hinaus fehlt eine nachvollziehbare Dokumentation der von Dipl.-Psych. K. durchgeführten Exploration, insbesondere im Hinblick auf den psychischen Befund; Dipl.-Psych. K. führt lediglich aus, es seien keine psychischen Auffälligkeiten deutlich geworden. Insoweit aber steht er im Widerspruch zur - wenn auch spärlichen - Dokumentaton im Gutachten von Dr. Binz, der den Kläger in seinem Verhalten erschöpft und resigniert beschreibt. Dipl.-Psych. K. geht auf diesen Widerspruch in den Explorationsbefunden nicht ein. Er diskutiert - anders als z.B. Prof. Dr. Sch. - auch nicht die Frage diskrepanter Befunde im psychologischen Test (unauffälliger Depressionstest) und solcher in der Exploration durch Dr. B. (Erschöpfung und Resignation als möglicher Hinweis auf eine depressive Grund- oder Restsymptomatik) und problematisiert folglich auch nicht die Frage, inwieweit sonstige psychische Störungen (immerhin seit 1994 als Persönlichkeitsstörung bzw. depressive Symptomatik beschrieben) die Leistungsdefizite erklären könnten (so aber Dr. B. und Prof. Dr. Sch. gerade für die Konzentrations- und Gedächtnisstörungen). Damit bleibt Dipl.-Psych. K. auch jede Erklärung dafür schuldig, warum eine erstmals von ihm als nachgewiesen erachtete psychische Leistungseinschränkung eine hirnorganische Ursache (Enzephalopathie) haben soll. Warum diese dann auch noch erstmals 16 Jahre nach Ende der beruflichen Tätigkeit und 18 Jahre nach Ende der in Rede stehenden Expositionen (1991) toxischer Ursache sein soll, ohne dass jemals zuvor gesicherte Erkenntnisse hierfür vorlagen, wird ebenfalls nicht erläutert.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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