L 19 B 334/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 17 AS 174/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 334/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 05.10.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattende Vergütung eines Rechtsanwalts.

Mit Bescheid vom 09.03.2007 bewilligte die Beklagte dem seinerzeit noch in Bedarfsgemeinschaft mit Ehefrau und zwei gemeinsamen Kindern lebenden Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007.

Nachdem der Kläger am 16.04.2007 den Erhalt einer Erbschaft mitgeteilt hatte, hob die Beklagte die Leistungsbewilligung vom 01.04.2007 bis zum 30.06.2007 auf und forderte die für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen zurück. Die Klage hiergegen war erfolgreich (S 17 AS 132/08, SG Köln).

Mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheid vom 31.05.2007 hob die Beklagte die Bewilligung durch Bescheid vom 09.03.2007 ab dem 01.07.2007 ganz auf und wies den Widerspruch des seit dem 02.07.2007 von seiner Familie getrennt lebenden Klägers mit Bescheid vom 12.08.2008 zurück.

Mit Bescheid vom 30.10.2007 wurden dem nunmehr allein lebenden Kläger für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 erneut Leistungen nach dem SGB II bewilligt.

Am 28.08.2008 hat der Kläger persönlich Klage erhoben und diese begründet.

Am 08.09.2008 hat der Kläger Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers beantragt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.09.2008 Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und den Beschwerdeführer beigeordnet.

Am 30.09.2008 hat sich der Beschwerdeführer bestellt und im Rahmen eines etwa eine DIN A4-Seite umfassenden Schreibens vom 18.11.2008 folgenden, als "Vergleich" bezeichneten Vorschlag unterbreitet:

1.Die Parteien sind sich einig, dass für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.09.2007 keine Ansprüche gegeneinander mehr bestehen. Die Beklagte verzichtet insoweit gegenüber dem Kläger ausdrücklich auf Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2007.

2.Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3.Die Parteien erklären den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Köln (S 17 AS 174/08) für erledigt.

Mit Schreiben vom 25.11.2008 hat die Beklagte die mit Schriftsatz vom 18.11.2008 vorgeschlagene und von ihr als "Vergleichsvorschlag" bezeichnete Regelung akzeptiert und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit S 17 AS 174/08 als erledigt.

Mit Schreiben vom 02.12.2008 hat der Beschwerdeführer auf Aufforderung des Sozialgerichts den "Vergleich" angenommen und erklärt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache gem. § 101 Abs. 1 SGG erledigt.

Mit Schreiben vom 02.12.2008, beim Sozialgericht am 04.12.2008 eingegangen, hat der Beschwerdeführer beantragt, seine Vergütung aus der Staatskasse auf 567,04 EUR festzusetzen in Höhe von:

Verfahrensgebühr (Mittelgebühr) Nr. 3101 VV RVG = EUR 250,00
Vergleichsgebühr (Mittelgebühr) Nr. 1006 VV RVG = EUR 190,00
Kopienpauschale Nr. 7000 VV RVG = EUR 16,50
Auslagenpauschel Nr. 7002 VV RVG = EUR 20,00
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG = EUR 90,54
gesamt = EUR 567,04

Mit Beschluss vom 29.01.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 352,83 EUR in Höhe von:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG = EUR 150,00
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG = EUR 110,00
Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG (33 Kopien) = EUR 16,50
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG = EUR 20,00
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG = EUR 56,33
gesamt = EUR 352,83

Mit Erinnerung vom 02.02.2009 hat sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren gewandt und den Ansatz einer Mittelgebühr sowohl im Rahmen der Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG als auch der Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG begehrt und - unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach mindestens durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und den mindestens durchschnittlichen Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit - die Nützlichkeit des unterbreiteten Vergleichsvorschlages für eine rasche Streitbeilegung begründet.

Mit Beschluss vom 05.10.2009, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen den am 20.10.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 23.10.2009 Beschwerde eingelegt, mit der er unter Anknüpfung an seinen Vortrag im Rahmen des Erinnerungsverfahrens weiterhin den Ansatz der geltend gemachten Mittelgebühr im Rahmen der Nrn. 3102 VV RVG und 1006 VV RVG begehrt.

Der Beschwerdegegner hat sich nicht eingelassen.

Mit Beschluss vom 06.10.2010 hat das Sozialgericht entschieden, der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 05.10.2009 nicht abzuhelfen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beschwerde ist statthaft. Sie ist innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG)) eingelegt worden. Die Differenz des geltend gemachten Gebührenanspruchs zum bislang festgesetzten Vergütungsanspruches beträgt 214,21 EUR (567,04 EUR - 352,83 EUR = 214,21 EUR) und übersteigt damit den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 EUR nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG.

Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Ein höherer als der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29.01.2009 festgesetzte Vergütungsanspruch steht dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht zu, weil die geltend gemachte Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG nicht angefallen ist.

Weder wurde im vorliegenden Fall unter anwaltlicher Mitwirkung eine Einigung erzielt, noch wäre eine solche Einigung überhaupt zulässig gewesen.

Nach Nrn. 1006, 1000 VV RVG entsteht eine Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Anmerkung 1 zu Nr. 1000 VV RVG). Vorliegend wurde jedoch schon kein Vertrag geschlossen, sondern eine Klagerücknahme im Sinne von § 102 Abs. 1 SGG erklärt. Entgegen der Annahme im "Vergleichsvorschlag" war eine Rückforderung für den streitigen Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2007 zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens Verfahrensgegenstand und kam auch nicht in Betracht, da der Kläger in diesem Zeitraum überhaupt keine Leistungen erhalten hatte.

Der danach allein im Streit stehende Leistungsanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2007 wurde durch die im Rahmen des "Vergleichsvorschlages" abgegebene Erklärung aufgegeben. Unter diesen Umständen ist die Erklärung des Klägers als Klagerücknahme im Sinne von § 102 Abs. 2 SGG zu werten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage § 102 Rn 3, vgl. zu einem solchen Fall bereits Beschluss des Senats vom 25.10.2010 - L 19 AS 1513/10 B -).

Zudem wäre die Beklagte vorliegend auch nicht berechtigt gewesen, einen dem Vergütungsanspruch nach Nr. 1006 VV RVG auslösenden Einigungsvertrag abzuschließen. Zwar kann grundsätzlich eine Einigungsgebühr auch in Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts anfallen, wenn über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann (Anmerkung 4 zu Nr. 1000 VV RVG). In Verfahren, deren Gegenstand ein Anspruch aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist, über den die Beteiligten nicht verfügen können, ist dies jedoch ausgeschlossen. Nach § 53 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht. Die Erbringung der streitgegenständlichen Leistungen nach §§ 20 und 22 SGB II für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2007 steht bzw. stand jedoch nicht im Ermessen der Beklagten. Damit ist der Anfall einer Einigungsgebühr grundsätzlich ausgeschlossen. Soweit in der Literatur auch bei solchen Streitigkeiten die Möglichkeit einer Einigungsgebühr angenommen wird (vgl. die Nachweise bei Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, VV RVG 1000 Rn 76) beruht dies auf einer Verwechslung von Einigungs- und Erledigungsgebühr (vgl. bereits Senat, a.a.O.).

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung auf die Bedeutsamkeit seines "Vergleichsvorschlages" für die rasche Streitbeilegung hinweist, ergibt sich hieraus kein Ansatz für eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1006, 1002 VV RVG. Nach Nrn. 1006, 1002 VV RVG entsteht eine Erledigungsgebühr in Verfahren nach § 183 SGG, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes oder durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Verfahren hat sich hier aber nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern wie oben dargelegt durch Rücknahme erledigt.

Selbst unter Ansatz der geltend gemachten - allerdings auch aus Sicht des Senats kaum berechtigten - Mittelgebühr ergibt sich lediglich ein Vergütungsanspruch von 340,93 EUR, nämlich:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG EUR = 250,00
Kopienpauschale (33 Kopien) Nr. 7000 VV RVG = EUR 16,50
Pauschale Nr. 7002 VV RVG = EUR 20,00
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG = EUR 54,43
gesamt = EUR 340,93

Damit unterschreitet dieser Vergütungsanspruch den Betrag der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Jedoch ist der Senat an dessen Festsetzung der Vergütung gebunden. Eine Herabsetzung der Gebühren im Beschwerdeverfahren scheidet wegen der Unzulässigkeit der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren aus (Beschlüsse des Senats a.a.O. sowie vom 04.06.2008 - L 19 B 5/08 AL - und vom 24.09.2008 - L 19 B 21/08 AS - und vom 25.10.2010 - L 19 AS 1513/10 B - jeweils mwN.)

Das Verfahren ist gebührenfrei nach § 56 Abs. 2 S. 2 RVG.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG)

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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