Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 KA 597/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 11/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Regelung des § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V ist als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen (Anschluss an SG Berlin, Urt. v. 17.03.2010 – S 83 KA 651/08 – juris, Revision beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 6 KA 13/10 R). Danach beschränkt sich das abgekürzte Verwaltungsverfahren auf Fälle, in denen die betroffenen Leistungen als solche generell bereits unmittelbar durch das Gesetz oder die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgeschlossen sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn es - wie hier - um die Abgrenzung einer ambulanten vertragsärztlichen von einer vorstationären belegärztlichen Tätigkeit geht. Anders ist es in Fällen, in denen die medizinischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und für die Entscheidung ausschlaggebend sind, in denen also keine gleichartig zu bewertenden Vorgänge vorliegen.
2. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gemäß § 115a SGB V obliegt (ebenso wie bei der vollstationären Behandlung gemäß § 39 SGB V) allein dem Krankenhaus.
3. Mit der Regelung des § 115a SGB V ist keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung verbunden. Gesetzlich krankenversicherte Patienten haben Anspruch auf die Gewährung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auch im Fall der vorstationären Krankenhausbehandlung – sowohl wenn sie dem Versicherten gewährt wird (so ausdrücklich § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V) als auch erst recht dann, wenn sie ihm pflichtwidrig nicht gewährt wird.
2. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gemäß § 115a SGB V obliegt (ebenso wie bei der vollstationären Behandlung gemäß § 39 SGB V) allein dem Krankenhaus.
3. Mit der Regelung des § 115a SGB V ist keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung verbunden. Gesetzlich krankenversicherte Patienten haben Anspruch auf die Gewährung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auch im Fall der vorstationären Krankenhausbehandlung – sowohl wenn sie dem Versicherten gewährt wird (so ausdrücklich § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V) als auch erst recht dann, wenn sie ihm pflichtwidrig nicht gewährt wird.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Schadensersatzforderung, die die Beklagte im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung für das 1. bis 3. Quartal 2007 festgesetzt hat.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis für Nuklearmedizin. Sie nahm im streitgegenständlichen Zeitraum durch ihre Gesellschafter, die niedergelassene Ärzte sind, kraft deren Zulassung in A-Stadt, also im Bezirk der Beklagten, an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zugleich wurden belegärztliche Tätigkeiten für das Klinikum A-Stadt erbracht.
Mit Schreiben vom 27.11.2007 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem seinerzeit zuständigen Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Hessen die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten XY. im 1. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 1.004,80 Euro (netto) entstanden seien. Im vorliegenden Fall seien aber die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten dieses Arzneimittels nicht erfüllt. Es sei zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie verordnet worden. Die Kosten seien daher dem Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 15.03.2007 bis 18.03.2007 zuzuordnen. Am 11.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies unter dem 16.01.2008 darauf hin, dass die betreffende Krankenhausbehandlung im Klinikum A-Stadt belegärztlich durch die Klägerin durchgeführt worden sei. Da es sich um eine reine Belegstation handele, sei eine vorstationäre Behandlung der Patientin dort nicht möglich gewesen.
Mit Schreiben vom 16.01.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten F und G. im 2. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 2.009,00 Euro (netto) entstanden seien. Am 24.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie nahm in gleicher Weise wie für das Vorquartal Stellung.
Mit Schreiben vom 05.06.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten H, I und J im 3. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 3.023,50 Euro (netto) entstanden seien. Am 22.07.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies in Ergänzung ihrer für das Vorquartal abgegebenen Stellungnahme darauf hin, dass das Klinikum A-Stadt bei seinen Abrechnungen die Gabe von Thyrogen nicht im Rahmen der Codierung berücksichtige. Die Fallpauschale sei daher geringer.
Mit Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009, der aufgrund des entsprechenden Beschlusses aus der Sitzung vom 09.04.2009 erging, wurde dem Antrag der Beigeladenen zu 1) in vollem Umfang stattgegeben und für das 1. bis 3. Quartal 2007 eine Schadensersatzpflicht in Höhe von 6.037,30 Euro festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, man habe einen Verstoß nach § 16 der Prüfvereinbarung ("Feststellung eines sonstigen Schadens") festgestellt. Die betreffende Verordnung sei unzulässig gewesen, da die Gabe von Thyrogen bereits in den Fallpauschalen für die stationäre Behandlung enthalten sei. Letztere sei für die streitgegenständliche Radiojodtherapie auch vorgeschrieben.
Dagegen hat die Klägerin am 26.08.2009 (Eingangsdatum) Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 11 KA 597/09 geführt worden ist. Mit Beschluss vom 28.09.2009 hat das Gericht die aus dem Rubrum ersichtlichen Personen zum Verfahren beigeladen. Nach einem geschäftsplanmäßigen Kammerwechsel zum 01.07.2010 ist die 10. Kammer des Sozialgerichts Marburg für das Verfahren zuständig geworden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die streitgegenständliche Verordnung sei medizinisch indiziert und notwendig gewesen. Schon aus diesem Grund könne ihr nicht der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit gemacht werden. In der Sache habe keine vorstationäre Behandlung vorgelegen, da das Klinikum A-Stadt diese im Fall der bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten nicht durchgeführt habe. Dies sei einem reinen Belegkrankenhaus auch gar nicht möglich. Schließlich könne der Klägerin kein Verschulden bezüglich eines eventuellen Fehlverhaltens vorgeworfen werden, da sie alle Möglichkeiten genutzt habe, um die Rechtmäßigkeit ihrer Vorgehensweise aufzuklären. Unabhängig hiervon sei der angegriffene Bescheid rechtswidrig, da die Beklagte gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" verstoße und die Berechnung der Schadenshöhe nicht nachvollziehbar sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands und insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben hat. Die vorherige Durchführung eines als Vorverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltenden Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenlassen in Hessen war im vorliegenden Fall gemäß § 106 Abs. 5 Satz 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) entbehrlich. Dies ist nach der genannten Vorschrift der Fall, wenn in einem Bescheid eine Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei solchen Leistungen festgesetzt worden ist, die durch das Gesetz oder die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind. Diese Regelung ist als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen. Die Kammer folgt insoweit dem Urteil des SG Berlin vom 17.03.2010 – S 83 KA 651/08 – juris (Revision beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 6 KA 13/10 R). Danach beschränkt sich das abgekürzte Verwaltungsverfahren auf Fälle, in denen die betroffenen Leistungen als solche generell bereits unmittelbar durch das Gesetz oder die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgeschlossen sind. Dagegen erscheint es in Fällen, in denen die medizinischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und für die Entscheidung ausschlaggebend sind – in denen also eben gerade keine gleichartig zu bewertenden Vorgänge vorliegen – weiterhin sachgerecht, dass der aufgrund seiner Besetzung mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung (typischerweise Vertragsärzte) und der Krankenkassen (§ 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V) mit besonderer medizinischer Fachkunde ausgestattete Beschwerdeausschuss die Entscheidung der Prüfungsstelle überprüft. Auch erschiene andernfalls eine einheitliche, klare und sachgerechte Abgrenzung der Fälle, die dem Grundsatz des § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V unterfallen, von denen, die der Ausnahme des § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V unterfallen, kaum möglich. Diese engen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift sind im vorliegenden Fall indes erfüllt. Die Beklagte stützt ihren streitgegenständlichen Bescheid auf die Annahme, die Kosten für das von der Klägerin verordnete Thyrogen hätten als Bestandteil der stationären bzw. vorstationären Behandlung von dem Krankenhausträger abgerechnet werden müssen bzw. seien in dessen Fallpauschalen enthalten. Damit geht es – unabhängig von den medizinischen Einzelheiten der betroffenen Patienten – um die Rechtsfrage, ob das zur Vorbereitung einer Krankenhausbehandlung verabreichte Thyrogen auf Kassenrezept verordnet werden darf bzw. ob die Klägerin insoweit eine ambulante vertragsärztliche oder eine vorstationäre belegärztliche Tätigkeit durchführt.
Die Klage ist begründet, weil der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 rechtwidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Unrecht eine Schadensersatzpflicht der Klägerin in Höhe von insgesamt 6.037,30 Euro festgestellt. Der Klägerin fällt im Hinblick auf die streitgegenständlichen Arzneimittelverordnungen keine schuldhafte Verletzung ihrer vertragsärztlichen Pflichten zur Last, wie es § 16 der Prüfvereinbarung in der maßgebenden Fassung (Geltung ab 01.01.2004) für die Feststellung eines sonstigen Schadens voraussetzt.
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gehindert, ihren bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie Thyrogen auf Kassenrezept zu verordnen. Diese Vorgehensweise der Klägerin war rechtmäßig, da es sich um eine ambulante Behandlung der betreffenden Patienten und nicht um eine vorstationäre Krankenhausbehandlung gehandelt hat.
Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die betreffenden, bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Arzneimittelverordnungen überhaupt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine vorstationäre Behandlung im Krankenhaus erfüllt haben. Dies setzt gemäß § 115a Abs. 1 SGB V voraus, dass den Versicherten Krankenhausbehandlung verordnet worden ist. Am Vorliegen dieser tatsächlichen Voraussetzung bestehen in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen aufgrund der Angaben der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 erhebliche Zweifel. Denn der Gesellschafter der Klägerin, Herr K, hat auf Befragen des Gerichts erklärt, die Verordnung von Krankenhausbehandlung erfolge bei den betreffenden Patienten regelmäßig erst am Aufnahmetag. Auch der Vertreter der Beigeladenen zu 1) ging aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen eher davon aus, die Arzneimittelverordnung sei jeweils vor der Verordnung von Krankenhausbehandlung erfolgt.
Darauf kommt es jedoch zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an, weil schon aus Rechtsgründen kein Hinderungsgrund für eine ambulante Behandlung der betreffenden Patienten durch die Klägerin und eine dementsprechende Verordnung von Thyrogen auf Kassenrezept bestand. Zunächst wendet sich die gesetzliche Regelung des § 115a SGB V allein an Krankenhäuser. Gemäß § 115a Abs.1 SGB V kann ein Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um etwa eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Eine solche vorstationäre Behandlung ist nach § 115a Abs. 2 Satz 1 SGB V auf längstens 3 Behandlungstage innerhalb von 5 Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt. Diese Regelung richtet sich ersichtlich an Krankenhäuser. Ihnen gestattet der Gesetzgeber, nicht nur vollstationäre, sondern auch vorstationäre Leistungen zu erbringen. Da es sich dabei um eine Behandlung ohne Unterkunft und Verpflegung handelt, wird den Krankenhäusern durch die Regelung des § 115a SGB V in begrenztem Ausmaß gestattet, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gemäß § 115a SGB V obliegt (ebenso wie bei der vollstationären Behandlung gemäß § 39 SGB V) allein dem Krankenhaus, das dazu durch seinen zuständigen Krankenhausarzt die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen hat. Unerheblich ist für den vorliegenden Fall, ob man dem Krankenhaus wegen der gesetzgeberischen Formulierung "kann" in § 115a Abs. 1 SGB V einen Ermessenspielraum für diese Entscheidung zubilligen möchte oder ob man den Wortlaut der Norm als reines "Kompetenz-kann" versteht und davon ausgeht, dass das Krankenhaus bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vorstationäre Behandlung zu erbringen hat. Denn in jedem Fall bleibt es eine autonome Entscheidung des Krankenhauses, auf die der ambulant behandelnde Vertragsarzt naturgemäß keinen Einfluss hat.
Im vorliegenden Fall hat das für die vollstationäre Behandlung der betreffenden Versicherten zuständige Klinikum A-Stadt keine Entscheidung über die Gewährung vorstationärer Leistungen getroffen. Es kann unentschieden bleiben, ob eine solche Entscheidung auch einem reinen Belegkrankenhaus bzw. einer Belegabteilung überhaupt möglich wäre. Denkbar wäre aus Sicht des Gerichts, dass das Krankenhaus insoweit durch seine Belegärzte handelt. Dies ist im vorliegenden Fall indes nicht erfolgt. Wollte man darin eine Pflichtverletzung erkennen, so wäre diese allein dem Klinikum A-Stadt und nicht der Klägerin zur Last zu legen.
Auf der anderen Seite ist für die Kammer maßgebend gewesen, dass nach ihrer Ansicht mit der Regelung des § 115a SGB V ohnehin keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung verbunden sein soll. Zunächst lassen sich der Gesetzgebungsgeschichte keinerlei Hinweise auf eine entsprechende Intention des Gesetzgebers entnehmen. Auch spricht die Vorschrift in § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V ausdrücklich davon, dass eine notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses selbst während einer vorstationären Behandlung im Rahmen des Sicherstellungsauftrags durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleistet wird. Eine andere Lösung wäre auch deshalb sinnwidrig, weil sie evident den Versorgungsanspruch der Versicherten aus § 11 SGB V i.V.m. § 27 SGB V gefährden würde. Aus Sicht der Kammer kann kein Zweifel daran bestehen, dass gesetzlich krankenversicherte Patienten Anspruch auf die Gewährung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auch dann haben, wenn sie an sich einer stationären Behandlung bedürften und diese ihnen von einem Krankenhaus pflichtwidrig versagt worden ist. In der Erfüllung eines solchen Leistungsanspruchs durch einen Vertragsarzt ist keineswegs eine Verletzung (sondern vielmehr die Befolgung) seiner vertragsärztlichen Pflichten zu erblicken. Gleiches muss für den Fall der vorstationären Krankenhausbehandlung gelten – sowohl wenn sie dem Versicherten gewährt wird (so ausdrücklich § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V) als auch erst recht dann, wenn sie einem Versicherten pflichtwidrig nicht gewährt wird.
Da der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 bereits aus dem genannten Grund aufzuheben war, brauchte die Kammer den weiteren Einwendungen der Klägerin nicht mehr nachzugehen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten bestehen insoweit aus Sicht der Kammer vor allem, weil die Beklagte entgegen der Vorschrift des § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V davon abgesehen hat, vor der Verhängung eines Regresses eine gezielte Beratung der Klägerin vorzunehmen. Eine Ausnahme von der Pflicht zur vorherigen Beratung gestattet die höchstrichterliche Rechtsprechung nur, wenn das Fehlverhalten des Vertragsarztes von vornherein unzweifelhaft war. Dies dürfte im vorliegenden Fall kaum anzunehmen sein, selbst wenn man die Rechtsansicht der Beklagten zugrunde legen wollte. Bedenken bestehen aus Sicht der Kammer darüber hinaus, ob der Klägerin ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Insoweit erfordert § 16 Abs. 2 Satz 1 der Prüfvereinbarung mindestens fahrlässiges Verhalten. Die Klägerin hat jedoch einiges unternommen, um die Rechtslage bezüglich der Verordnung von Thyrogen zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie aufzuklären. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Schadensersatzforderung, die die Beklagte im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung für das 1. bis 3. Quartal 2007 festgesetzt hat.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis für Nuklearmedizin. Sie nahm im streitgegenständlichen Zeitraum durch ihre Gesellschafter, die niedergelassene Ärzte sind, kraft deren Zulassung in A-Stadt, also im Bezirk der Beklagten, an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zugleich wurden belegärztliche Tätigkeiten für das Klinikum A-Stadt erbracht.
Mit Schreiben vom 27.11.2007 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem seinerzeit zuständigen Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Hessen die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten XY. im 1. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 1.004,80 Euro (netto) entstanden seien. Im vorliegenden Fall seien aber die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten dieses Arzneimittels nicht erfüllt. Es sei zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie verordnet worden. Die Kosten seien daher dem Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 15.03.2007 bis 18.03.2007 zuzuordnen. Am 11.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies unter dem 16.01.2008 darauf hin, dass die betreffende Krankenhausbehandlung im Klinikum A-Stadt belegärztlich durch die Klägerin durchgeführt worden sei. Da es sich um eine reine Belegstation handele, sei eine vorstationäre Behandlung der Patientin dort nicht möglich gewesen.
Mit Schreiben vom 16.01.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten F und G. im 2. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 2.009,00 Euro (netto) entstanden seien. Am 24.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie nahm in gleicher Weise wie für das Vorquartal Stellung.
Mit Schreiben vom 05.06.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten H, I und J im 3. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 3.023,50 Euro (netto) entstanden seien. Am 22.07.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies in Ergänzung ihrer für das Vorquartal abgegebenen Stellungnahme darauf hin, dass das Klinikum A-Stadt bei seinen Abrechnungen die Gabe von Thyrogen nicht im Rahmen der Codierung berücksichtige. Die Fallpauschale sei daher geringer.
Mit Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009, der aufgrund des entsprechenden Beschlusses aus der Sitzung vom 09.04.2009 erging, wurde dem Antrag der Beigeladenen zu 1) in vollem Umfang stattgegeben und für das 1. bis 3. Quartal 2007 eine Schadensersatzpflicht in Höhe von 6.037,30 Euro festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, man habe einen Verstoß nach § 16 der Prüfvereinbarung ("Feststellung eines sonstigen Schadens") festgestellt. Die betreffende Verordnung sei unzulässig gewesen, da die Gabe von Thyrogen bereits in den Fallpauschalen für die stationäre Behandlung enthalten sei. Letztere sei für die streitgegenständliche Radiojodtherapie auch vorgeschrieben.
Dagegen hat die Klägerin am 26.08.2009 (Eingangsdatum) Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 11 KA 597/09 geführt worden ist. Mit Beschluss vom 28.09.2009 hat das Gericht die aus dem Rubrum ersichtlichen Personen zum Verfahren beigeladen. Nach einem geschäftsplanmäßigen Kammerwechsel zum 01.07.2010 ist die 10. Kammer des Sozialgerichts Marburg für das Verfahren zuständig geworden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die streitgegenständliche Verordnung sei medizinisch indiziert und notwendig gewesen. Schon aus diesem Grund könne ihr nicht der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit gemacht werden. In der Sache habe keine vorstationäre Behandlung vorgelegen, da das Klinikum A-Stadt diese im Fall der bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten nicht durchgeführt habe. Dies sei einem reinen Belegkrankenhaus auch gar nicht möglich. Schließlich könne der Klägerin kein Verschulden bezüglich eines eventuellen Fehlverhaltens vorgeworfen werden, da sie alle Möglichkeiten genutzt habe, um die Rechtmäßigkeit ihrer Vorgehensweise aufzuklären. Unabhängig hiervon sei der angegriffene Bescheid rechtswidrig, da die Beklagte gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" verstoße und die Berechnung der Schadenshöhe nicht nachvollziehbar sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands und insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben hat. Die vorherige Durchführung eines als Vorverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltenden Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenlassen in Hessen war im vorliegenden Fall gemäß § 106 Abs. 5 Satz 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) entbehrlich. Dies ist nach der genannten Vorschrift der Fall, wenn in einem Bescheid eine Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei solchen Leistungen festgesetzt worden ist, die durch das Gesetz oder die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind. Diese Regelung ist als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen. Die Kammer folgt insoweit dem Urteil des SG Berlin vom 17.03.2010 – S 83 KA 651/08 – juris (Revision beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 6 KA 13/10 R). Danach beschränkt sich das abgekürzte Verwaltungsverfahren auf Fälle, in denen die betroffenen Leistungen als solche generell bereits unmittelbar durch das Gesetz oder die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgeschlossen sind. Dagegen erscheint es in Fällen, in denen die medizinischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und für die Entscheidung ausschlaggebend sind – in denen also eben gerade keine gleichartig zu bewertenden Vorgänge vorliegen – weiterhin sachgerecht, dass der aufgrund seiner Besetzung mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung (typischerweise Vertragsärzte) und der Krankenkassen (§ 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V) mit besonderer medizinischer Fachkunde ausgestattete Beschwerdeausschuss die Entscheidung der Prüfungsstelle überprüft. Auch erschiene andernfalls eine einheitliche, klare und sachgerechte Abgrenzung der Fälle, die dem Grundsatz des § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V unterfallen, von denen, die der Ausnahme des § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V unterfallen, kaum möglich. Diese engen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift sind im vorliegenden Fall indes erfüllt. Die Beklagte stützt ihren streitgegenständlichen Bescheid auf die Annahme, die Kosten für das von der Klägerin verordnete Thyrogen hätten als Bestandteil der stationären bzw. vorstationären Behandlung von dem Krankenhausträger abgerechnet werden müssen bzw. seien in dessen Fallpauschalen enthalten. Damit geht es – unabhängig von den medizinischen Einzelheiten der betroffenen Patienten – um die Rechtsfrage, ob das zur Vorbereitung einer Krankenhausbehandlung verabreichte Thyrogen auf Kassenrezept verordnet werden darf bzw. ob die Klägerin insoweit eine ambulante vertragsärztliche oder eine vorstationäre belegärztliche Tätigkeit durchführt.
Die Klage ist begründet, weil der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 rechtwidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Unrecht eine Schadensersatzpflicht der Klägerin in Höhe von insgesamt 6.037,30 Euro festgestellt. Der Klägerin fällt im Hinblick auf die streitgegenständlichen Arzneimittelverordnungen keine schuldhafte Verletzung ihrer vertragsärztlichen Pflichten zur Last, wie es § 16 der Prüfvereinbarung in der maßgebenden Fassung (Geltung ab 01.01.2004) für die Feststellung eines sonstigen Schadens voraussetzt.
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gehindert, ihren bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie Thyrogen auf Kassenrezept zu verordnen. Diese Vorgehensweise der Klägerin war rechtmäßig, da es sich um eine ambulante Behandlung der betreffenden Patienten und nicht um eine vorstationäre Krankenhausbehandlung gehandelt hat.
Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die betreffenden, bei der Beigeladenen zu 1) versicherten Patienten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Arzneimittelverordnungen überhaupt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine vorstationäre Behandlung im Krankenhaus erfüllt haben. Dies setzt gemäß § 115a Abs. 1 SGB V voraus, dass den Versicherten Krankenhausbehandlung verordnet worden ist. Am Vorliegen dieser tatsächlichen Voraussetzung bestehen in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen aufgrund der Angaben der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 erhebliche Zweifel. Denn der Gesellschafter der Klägerin, Herr K, hat auf Befragen des Gerichts erklärt, die Verordnung von Krankenhausbehandlung erfolge bei den betreffenden Patienten regelmäßig erst am Aufnahmetag. Auch der Vertreter der Beigeladenen zu 1) ging aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen eher davon aus, die Arzneimittelverordnung sei jeweils vor der Verordnung von Krankenhausbehandlung erfolgt.
Darauf kommt es jedoch zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an, weil schon aus Rechtsgründen kein Hinderungsgrund für eine ambulante Behandlung der betreffenden Patienten durch die Klägerin und eine dementsprechende Verordnung von Thyrogen auf Kassenrezept bestand. Zunächst wendet sich die gesetzliche Regelung des § 115a SGB V allein an Krankenhäuser. Gemäß § 115a Abs.1 SGB V kann ein Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um etwa eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Eine solche vorstationäre Behandlung ist nach § 115a Abs. 2 Satz 1 SGB V auf längstens 3 Behandlungstage innerhalb von 5 Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt. Diese Regelung richtet sich ersichtlich an Krankenhäuser. Ihnen gestattet der Gesetzgeber, nicht nur vollstationäre, sondern auch vorstationäre Leistungen zu erbringen. Da es sich dabei um eine Behandlung ohne Unterkunft und Verpflegung handelt, wird den Krankenhäusern durch die Regelung des § 115a SGB V in begrenztem Ausmaß gestattet, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gemäß § 115a SGB V obliegt (ebenso wie bei der vollstationären Behandlung gemäß § 39 SGB V) allein dem Krankenhaus, das dazu durch seinen zuständigen Krankenhausarzt die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen hat. Unerheblich ist für den vorliegenden Fall, ob man dem Krankenhaus wegen der gesetzgeberischen Formulierung "kann" in § 115a Abs. 1 SGB V einen Ermessenspielraum für diese Entscheidung zubilligen möchte oder ob man den Wortlaut der Norm als reines "Kompetenz-kann" versteht und davon ausgeht, dass das Krankenhaus bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vorstationäre Behandlung zu erbringen hat. Denn in jedem Fall bleibt es eine autonome Entscheidung des Krankenhauses, auf die der ambulant behandelnde Vertragsarzt naturgemäß keinen Einfluss hat.
Im vorliegenden Fall hat das für die vollstationäre Behandlung der betreffenden Versicherten zuständige Klinikum A-Stadt keine Entscheidung über die Gewährung vorstationärer Leistungen getroffen. Es kann unentschieden bleiben, ob eine solche Entscheidung auch einem reinen Belegkrankenhaus bzw. einer Belegabteilung überhaupt möglich wäre. Denkbar wäre aus Sicht des Gerichts, dass das Krankenhaus insoweit durch seine Belegärzte handelt. Dies ist im vorliegenden Fall indes nicht erfolgt. Wollte man darin eine Pflichtverletzung erkennen, so wäre diese allein dem Klinikum A-Stadt und nicht der Klägerin zur Last zu legen.
Auf der anderen Seite ist für die Kammer maßgebend gewesen, dass nach ihrer Ansicht mit der Regelung des § 115a SGB V ohnehin keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung verbunden sein soll. Zunächst lassen sich der Gesetzgebungsgeschichte keinerlei Hinweise auf eine entsprechende Intention des Gesetzgebers entnehmen. Auch spricht die Vorschrift in § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V ausdrücklich davon, dass eine notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses selbst während einer vorstationären Behandlung im Rahmen des Sicherstellungsauftrags durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleistet wird. Eine andere Lösung wäre auch deshalb sinnwidrig, weil sie evident den Versorgungsanspruch der Versicherten aus § 11 SGB V i.V.m. § 27 SGB V gefährden würde. Aus Sicht der Kammer kann kein Zweifel daran bestehen, dass gesetzlich krankenversicherte Patienten Anspruch auf die Gewährung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auch dann haben, wenn sie an sich einer stationären Behandlung bedürften und diese ihnen von einem Krankenhaus pflichtwidrig versagt worden ist. In der Erfüllung eines solchen Leistungsanspruchs durch einen Vertragsarzt ist keineswegs eine Verletzung (sondern vielmehr die Befolgung) seiner vertragsärztlichen Pflichten zu erblicken. Gleiches muss für den Fall der vorstationären Krankenhausbehandlung gelten – sowohl wenn sie dem Versicherten gewährt wird (so ausdrücklich § 115a Abs. 2 Satz 5 SGB V) als auch erst recht dann, wenn sie einem Versicherten pflichtwidrig nicht gewährt wird.
Da der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 bereits aus dem genannten Grund aufzuheben war, brauchte die Kammer den weiteren Einwendungen der Klägerin nicht mehr nachzugehen. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten bestehen insoweit aus Sicht der Kammer vor allem, weil die Beklagte entgegen der Vorschrift des § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V davon abgesehen hat, vor der Verhängung eines Regresses eine gezielte Beratung der Klägerin vorzunehmen. Eine Ausnahme von der Pflicht zur vorherigen Beratung gestattet die höchstrichterliche Rechtsprechung nur, wenn das Fehlverhalten des Vertragsarztes von vornherein unzweifelhaft war. Dies dürfte im vorliegenden Fall kaum anzunehmen sein, selbst wenn man die Rechtsansicht der Beklagten zugrunde legen wollte. Bedenken bestehen aus Sicht der Kammer darüber hinaus, ob der Klägerin ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Insoweit erfordert § 16 Abs. 2 Satz 1 der Prüfvereinbarung mindestens fahrlässiges Verhalten. Die Klägerin hat jedoch einiges unternommen, um die Rechtslage bezüglich der Verordnung von Thyrogen zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie aufzuklären. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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