Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 1 - 52/10 (1. Vergabekammer des Bundes)
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 SF 208/10 Verg
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 02.07.2010 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladenen zu 1) und 2) im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (AS) - ein ärztlicher Berufsverband - wendet sich gegen einen durch Schiedsspruch geschlossenen "Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V" (im Folgenden: HzV-Vertrag).
Der AS und die im Verband der Ersatzkassen (vdek) organisierten Ersatzkassen - darunter auch die Antragsgegnerin (AG) - führten Verhandlungen über den Abschluss eines HzV-Vertrages im Bereich der (KV) Baden-Württemberg. Nachdem keine Einigung erzielt worden war, beantragten die BG zu 1) und 2) die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmte daraufhin eine Schiedsperson (Bescheid vom 26.11.2010). Im Rahmen des Schiedsverfahrens wurde festgestellt, dass die BG zu 1) und 2) zum Stichtag 30.06.2009 gemeinsam von mehr als der Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KV Baden-Württemberg mandatiert worden seien. Durch Schiedsspruch vom 10.04.2010 wurde sodann der HzV-Vertrag zwischen der Antragsgegnerin (AG) und weiteren Krankenkassen sowie den Beigeladenen (BG) zu 1) bis 4) geschlossen. Ein Vergabeverfahren mit öffentlicher Bekanntmachung nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts ist nicht durchgeführt worden.
Gegenstand des Vertrags ist nach § 2 Abs. 1 die Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung u.a. für die Versicherten der AG in Baden-Württemberg. Die BG organisieren dabei die Teilnahme der Hausärzte und übernehmen für diese die Abrechnung gegenüber der AG gegen Zahlung einer Verwaltungspauschale (§§ 2 Abs. 4, 14 HzV-Vertrag). § 3 Abs. 1 des HzV-Vertrages regelt, dass alle an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) teilnehmenden Hausärzte mit Vertragsarztsitz in Baden-Württemberg nach weiterer Maßgabe des § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag (z.B. apparative Mindestausstattung, Sicherstellung bestimmter Leistungen, Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen gemäß § 137f SGB V, etc.) zur Teilnahme berechtigt sind. Die teilnehmenden Hausärzte haben nach §§ 10, 11 HzV-Vertrag für die im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung erbrachten Leistungen einen Anspruch auf Vergütung gegenüber der AG. Die Laufzeit des Vertrags ist unbefristet (§ 16 Abs. 3 HzV-Vertrag).
Der AS hat nach seinen Angaben am 27.04.2010 durch den Internetauftritt des BG zu 1) Kenntnis von dem Vertragsschluss erlangt und am 14.05.2010 bei der Vergabekammer (VK) des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt.
Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Es handele sich bei dem HzV-Vertrag um einen nach § 101b Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unwirksamen Vertrag, weil dessen Abschluss nicht öffentlich ausgeschrieben worden sei. Die AG decke durch den Vertragsschluss ihren Bedarf zum Angebot hausarztzentrierter Versorgung und vergüte die (ärztlichen) Leistungen nach Maßgabe der im Vertrag getroffenen Abreden, so dass von einem öffentlichen Auftrag auszugehen sei. Das Vorliegen einer autonomen Beschaffungsentscheidung sei weder gemäß § 99 GWB noch nach der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) Voraussetzung für die Annahme eines öffentlichen Auftrages. Ebenso wenig könne auf den Grund für die Beschaffung - etwa eine gesetzliche Verpflichtung - abgestellt werden. Auch § 69 Abs. 2 SGB V stehe der Anwendung des Vergaberechts nicht entgegen. In der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber zwar ausgeführt, dass Verträge nach § 73b SGB V keine öffentlichen Aufträge darstellen könnten. Gleichzeitig habe er jedoch klargestellt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelfall von den VK en bzw. Landessozialgerichten (LSG) geprüft werden müsse. § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V schließe die Anwendung von Kartellvergaberecht auf Selektivverträge ebenfalls nicht aus, da es sich bei dem Schiedsverfahren nach § 73b Abs. 4a SGB V nicht um eine Schiedsamtsregelung i.S.d. §§ 69 Abs. 2 Satz 2, 89 SGB V handele und die Vorschrift zudem ausschließlich für Kollektivverträge gelte. Abgesehen davon habe die AG mit dem Abschluss der HzV-Vertrages gegen Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen.
Auch die Antragsbefugnis sei gegeben: Bei Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens hätte die Möglichkeit bestanden, allein oder ggf. in Bietergemeinschaft ein Angebot abzugeben. Die AG verstoße zudem gegen § 101 GWB, weil sie von der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens abgesehen habe. Daher habe die AG auch keine ausreichenden Angebotsfristen vorgesehen, keine Vorabinformation gemäß § 101a GWB abgesetzt und keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellt. Überdies sei der Vertrag unzulässigerweise auf unbestimmte Zeit geschlossen worden.
Die AG hat keinen Antrag gestellt und sich dem Grunde nach der von dem AS vertretenen Auffassung angeschlossen. Aufgrund des Schiedsverfahrens sei ihr kein anderes Verhalten möglich gewesen, zumal sie aufsichtsrechtlich zur Umsetzung des HzV-Vertrages verpflichtet sei. Der Vertragsschluss führe zu Mehrkosten in der ambulanten Versorgung. Diese resultierten daraus, dass den in der hausarztzentrierten Versorgung tätigen Ärzten mit 76,00 Euro ein um 20,64 Euro höherer Fallwert zugestanden werde als in der vertragsärztlichen Regelversorgung. Abgesehen davon bestünden aufgrund der Einbeziehung privater Unternehmen in die Leistungsabrechnung datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages.
Der BG zu 1) hat vorgetragen, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei. Es handele sich vorliegend um einen sog. Primärvertrag mit einer qualifizierten Gemeinschaft nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, dessen Inhalt durch Schiedsspruch festgesetzt worden sei und der somit keinen öffentlichen Auftrag darstelle. Es fehle bereits an der vergaberechtlichen Relevanz des Vertragsschlusses, da die AG aufgrund des gesetzlich normierten Kontrahierungszwangs den Vertrag habe abschließen müssen und weder über das "Ob" noch das "Mit wem" noch das "Was" und "Wie" der "Auftragsvergabe" autonom habe entscheiden können. Ohnedies sei der AS nicht antragsbefugt, da er keine qualifizierte Gemeinschaft i.S.d. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V darstelle und auch nicht vortrage, mit welchen anderen Unternehmen er die Voraussetzungen erfüllen wolle. Schließlich fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der AS - sofern er ebenfalls als qualifizierte Gemeinschaft nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V anzusehen wäre - selber einen weiteren HzV-Vertrag schließen könnte. Der BG zu 2) hat sich dem Vorbringen des BG zu 1) angeschlossen.
Durch Beschluss vom 02.07.2010 hat die VK den Nachprüfungsantrag verworfen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft, da ein öffentlicher Auftrag nicht vorliege. Der sich aus § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der durch den in § 73b Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 4a SGB V angelegten Mechanismus des Schiedsverfahrens realisiert worden sei, führe dazu, dass die für das Vergaberecht erforderliche Entscheidungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Auswahl des Vertragspartners nicht gegeben sei. Damit sei der dem Vergaberecht zugrundeliegende Wettbewerb zwischen verschiedenen Bietern ausgeschaltet. Hierdurch habe der Sozialgesetzgeber einen Regelungswiderspruch auf nationaler Ebene herbeigeführt, der nur zu Lasten des (deutschen) Kartellvergaberechts aufgelöst werden könne.
Gegen den ihr am 05.07.2010 zugestellten Beschluss hat der AS am 16.07.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
Er hält im Wesentlichen an seinem Vorbringen aus dem Nachprüfungsverfahren fest und macht geltend: Die AG sei durchaus in der Lage gewesen, vor Einleitung eines Schiedsverfahrens auch mit anderen Gemeinschaften einen Vertrag abzuschließen und einen vorherigen Wettbewerb nach Maßgabe des Vergaberechts durchzuführen. Ausweislich der Gesetzesbegründung könne gerade in dem Fall, in dem es nicht zu einer Einigung komme und ein Schiedsverfahren nicht beantragt worden sei, ein Vertragsschluss auch mit den übrigen Vertragspartnern in Betracht kommen.
Selbst wenn mit dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen werde, dass § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V der AG die Dispositionsbefugnis durch Vorgabe des Vertragspartners nehme, müsse der dann zu Tage tretende Widerspruch zu Gunsten des Kartellvergaberechts aufgelöst werden. Art. 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V verstoße gegen die Grundfreiheiten des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere gegen Art. 49 (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit). Dabei seien auch und vor allem ausländische Gemeinschaften Benachteiligungen ausgesetzt, da diese nicht das erforderliche Quorum erreichen könnten. Zudem seien im EU-Ausland ansässige Hausärzte an der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gehindert. Angesichts der gerade in den letzten Jahren immer enger verflochtenen europäischen Gesundheitsmärkte könne ohne Weiteres von einem grenzüberschreitenden Interesse, also Binnenmarktrelevanz, ausgegangen werden. Schließlich sei ein Verstoß gegen die gemeinschaftliche Beihilfeaufsicht (Art. 107 bis 109 AEUV) gegeben. Qualifizierte Gemeinschaften erlangten insofern einen vermögenswerten Vorteil, als für ihre Mitglieder im Gesetz ein Zugangsvorrang und eine daraus resultierende Förderung ihrer Selbständigkeit vorgesehen sei. Eine verbotene Beihilfe liege außerdem darin, dass der HzV-Vertrag eine Fallwertobergrenze von 76,00 Euro vorsehe, wohingegen im Rahmen der vertragsärztlichen hausärztlichen Versorgung in 2010 lediglich ein Ersatzkassen-Fallwert von 53,84 Euro angesetzt worden sei.
§ 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG sei verletzt, da sämtliche Hausärzte von der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ausgeschlossen würden, die nicht Mitglied einer qualifizierten Gemeinschaft seien. Für das wirtschaftliche Überleben sei ein Beitritt zur hausarztzentrierten Versorgung jedoch nahezu unerlässlich. Auch im Hinblick auf die nicht qualifizierten Gemeinschaften sei - losgelöst von den beteiligten Ärzten - von einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG auszugehen, da sie keinen Anspruch auf Vertragsschluss hätten. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folge daraus, dass Hausärzte, die nicht Mitglied einer qualifizierten Gemeinschaft seien, keinen (einklagbaren) Anspruch auf Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung hätten. Gleichermaßen bestehe eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung nicht qualifizierter Gemeinschaften.
Im Übrigen seien HzV-Verträge angesichts der vereinbarten Fallwertobergrenzen im gegenwärtigen System als unwirtschaftlich anzusehen und führten regelmäßig zu einem Verlust an Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt vom 02. Juli 2010, Az.: VK 1-52/10, aufzuheben und festzustellen, dass der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) geschlossene Vertrag vom 10. April 2010 von Anfang an unwirksam ist.
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen zu den Fragen:
1. Ist der Anwendungsbereich der Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge auch für die Vergabe von Verträgen zur flächendeckenden Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung nach der nationalen Vorschrift des § 73b Abs. 4 SGB V eröffnet, die bestimmt, dass Krankenkassen ihre Versorgungsverträge mit bestimmten Vertragspartnern, nämlich Hausärztegemeinschaften, die mindestens die Hälfte an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten, zu schließen haben?
2. Ist der in Rede stehende Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung als öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG zu qualifizieren?
Die Antragsgegnerin stellt keine Anträge.
Sie vertritt die Auffassung, dass ein Verstoß gegen das Kartellvergaberecht naheliege und zudem datenschutzrechtliche Bedenken bestünden.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die BG zu 1) ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag nicht statthaft sei. Auf den Vertragsschluss nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V sei das Kartellvergaberecht nicht anwendbar, weil es sich bei solchen sog. Primärverträgen nicht um öffentliche Aufträge i.S.v. §§ 97 ff. GWB handele. Zudem sei der AS nicht antragsbefugt, weil er nicht in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt sei und durch die unterbliebene Ausschreibung keinen Schaden erleide. Die BG zu 2) schließt sich dem Vorbringen der BG zu 1) an.
Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Vergabekammerakten sowie der Verwaltungsvorgänge der AG.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die VK hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig verworfen.
Dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB ist, unterliegt keinen Bedenken. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar - mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (vgl. nur EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07, ZfBR 2009, 601 - "Oymanns"; Senat, Beschluss v. 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922 m.w.N.).
Bei dem streitigen HzV-Vertrag handelt es sich aber nicht um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 4 GWB. Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. Als Dienstleistungsaufträge gelten gemäß § 99 Abs. 4 Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter § 99 Abs. 2 oder Abs. 3 GWB fallen. Es bestehen zwar keine Zweifel daran, dass es sich nach Maßgabe dieser Voraussetzungen bei Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung um Dienstleistungen im vorbeschriebenen Sinne handelt. Da die Lieferung von Waren nicht Gegenstand der hausarztzentrierten Versorgung ist, stellt sich vorliegend nicht die Frage, ob ggf. von einem sog. "gemischten Vertrag" i.S.d. § 99 Abs. 7 Satz 1 GWB, Art. 1 Abs. 2 lit. d) UAbs. 2 VKR auszugehen sein könnte.
Die Annahme eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages scheitert hier jedoch bereits daran, dass der Begriff des öffentlichen Auftrages eine Auswahlentscheidung des Auftraggebers darüber voraussetzt, mit welchem der in Betracht kommenden Auftragnehmer der Vertrag geschlossen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 14.04.2010 - L 21 KR 69/09 SFB; Engelmann in: juris PK-SGB V, § 69, Rdn. 253.1; Knispel, GesR 2009, 236, 238, 239, 241; Rixen, GesR 2006, 49, 55; vgl. auch BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V). Die Möglichkeit, eine Auswahlentscheidung zu treffen und dem bezuschlagten Auftragnehmer durch die Auswahlentscheidung und den sich hieran anschließenden Vertragsschluss eine "Sonderstellung im Wettbewerb" zu vermitteln, besteht bei der Vergabe eines Auftrages im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht. Denn Krankenkassen sind verpflichtet, mit Gemeinschaften von Ärzten, die - wie hier die BG zu 1) und 2) - mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KV vertreten, einen HzV-Vertrag abzuschließen (vgl. auch Senat, Beschluss v. 22.07.2010 – L 21 SF 77/10 Verg, juris Rdn. 35). Dabei ist, wie bereits der Schiedsspruch zutreffend ausführt, nicht auf eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht i.S.d. §§ 164 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen, sondern darauf, dass die am Vertragsschluss beteiligten Gemeinschaften (allein oder gemeinsam) eine bestimmte soziale Mächtigkeit aufweisen, um das gesetzgeberische Ziel - ohne weitere vermeidbare Verzögerungen ein möglichst flächendeckendes Angebot mit hausarztzentrierter Versorgung sicherzustellen - realisieren zu können (vgl. auch BT-Drs. 16/10609 S. 53 f.).
In der vorliegenden Konstellation kommt hinzu, dass die AG insbesondere aufgrund des Schiedsspruches vom 10.04.2010 keinerlei Möglichkeiten mehr hatte, Vertragsbedingungen festzusetzen oder etwa "Zuschlagskriterien" zu definieren und diese gegenüber Gemeinschaften i.S.d. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V durchzusetzen. Auf die Frage, ob der Schiedsspruch als Verwaltungsakt oder als eine Inhaltsbestimmung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entsprechend § 319 BGB zu qualifizieren ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Dass von der Durchführung eines Vergabeverfahrens abgesehen wurde, steht auch mit den Vorgaben der VKR in Einklang. Gegenstand des HzV-Vertrages - wie auch im Allgemeinen der hausarztzentrierten Versorgung - ist die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen durch die teilnehmenden Ärzte bzw. berechtigten Institutionen. Art. 21 VKR i.V.m. Anhang VII der VO (EG) der Kommission Nr. 213/2008 vom 28.11.2007 (Abl. L 74/375 v. 15.03.2008) enthält eine Ausnahme für sog. nicht prioritäre - also nachrangige - Dienstleistungen. Hierzu gehören gemäß Kategorie 25 des Anhangs auch Dienstleistungen im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (vgl. auch Anhang I Teil B Kategorie 25 der VOL/A). Im Hinblick auf diese Dienstleistungen ist der Richtlinien- bzw. Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass sich ein europaweiter Markt noch nicht in einem hinreichenden Maße gebildet hat, so dass von der Anwendung des Kartellvergaberechts weitgehend abgesehen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.2007 - C 507/03 = NZBau 2008, 71; Nolte in: Kasseler Kommentar, § 127 SGB V, Rdn. 5; Engelmann in: jurisPK-SGB V § 69, Rdn. 253.2; Burgi, NZBau 2008, 480, 483; vgl. auch Erwägungsgründe 18 und 19 der VKR).
Dem steht nicht entgegen, dass durch § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die §§ 8a VOL/A (technische Spezifikationen) und 28 VOL/A (nachträgliche Bekanntmachung) sowie die Basisparagraphen der VOL/A für anwendbar erklärt werden. Denn § 73b Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V ist das gesetzgeberische Konzept zu entnehmen, dass Krankenkassen jedenfalls im Rahmen des Abschlusses von Primärverträgen kein Vergabeverfahren durchführen sollen. Dadurch, dass das Gesetz im Interesse eines zügigen Aufbaus einer flächendeckenden hausarztzentrierten Versorgung einen Vertragsschluss der Krankenkassen mit qualifizierten Gemeinschaften zwingend anordnet, bringt es zum Ausdruck, dass Krankenkassen gerade keine Auswahlentscheidung unter mehreren "Anbietern hausarztzentrierter Versorgung" zu treffen haben. Die Vornahme einer Auswahlentscheidung durch einen öffentlichen Auftraggeber stellt jedoch eine konstitutive Voraussetzung für die Annahme eines öffentlichen Auftrages dar (BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V). Hätte der Gesetzgeber zudem für Primärverträge im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens gewollt, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich für derartige Dienstleistungen - wie etwa im Fall des § 137a Abs. 1 Satz 1 SGB V - zu regeln. Daher war es nur folgerichtig, in § 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V für den Fall der Nichteinigung die Durchführung eines Schiedsverfahrens gemäß § 73b Abs. 4a SGB V, im Rahmen dessen der Entscheidungsspielraum der Krankenkassen noch weiter eingeschränkt ist, vorzusehen. Wird jedoch durch im Rang von Gesetzesrecht stehende Regelungen angeordnet, dass der Vertragsschluss nicht öffentlich auszuschreiben ist, kann eine Ausschreibung nicht durch die lediglich im Rang von Verordnungsrecht stehenden Basisparagraphen der VOL/A wieder angeordnet werden.
Damit bleiben hier aus dem Bereich der VOL/A dem Grunde nach lediglich die Regelungen über technische Spezifikationen (§ 8a VOL/A) und die nachträgliche Bekanntmachung (§ 28a VOL/A) anwendbar (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 21.04.2010 - VII Verg 55/09 = NZBau 2010, 390, juris Rdn. 35 zur Anwendung der VOF bei juristischen Beratungsleistungen). § 8a VOL/A ist hier ersichtlich nicht einschlägig (vgl. auch Gabriel, NZS 2007, 344, 351). Einen etwaigen Verstoß gegen die Pflicht zur nachträglichen Bekanntmachung nach § 28a VOL/A hat der AS nicht gerügt. Abgesehen davon vermittelt die Regelung keinen Bieterschutz (vgl. Weyand, ibr-online, § 28a VOL/A, Rdn. 7748/1 m.w.N.).
Aus diesem Regelungskonzept resultiert kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des AEUV mit der Folge, dass der geschlossene HzV-Vertrag nichtig ist.
Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) ist bereits deshalb nicht erkennbar, weil sämtliche an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V teilnehmenden Hausärzte mit Vertragsarztsitz in Baden-Württemberg berechtigt sind, bei Erfüllung der Teilnahmevoraussetzungen (vgl. hierzu § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag) ihre Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung anzuzeigen (§ 3 Abs. 1 HzV-Vertrag). Dass hiervon nicht nur Vertragsärzte mit deutscher Staatsangehörigkeit erfasst werden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Im Übrigen hat der AS insoweit allein die Verletzung von Rechten Dritter, nämlich der im EU-Ausland niedergelassenen Ärzte, gerügt. Einen möglichen eigenen Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB hat der AS damit aber nicht dargelegt.
Wie die BG zu 1) zutreffend ausführt, ist § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V und der darauf basierende HzV-Vertrag auch mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV vereinbar. Denn die Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Ärzten aus anderen Mitgliedsstaaten werden nicht verändert. Nach wie vor können Versicherte der GKV Ärzte aus anderen Mitgliedsstaaten der EU gegen Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V in Anspruch nehmen. Soweit der AS und die AG auch im vorliegenden Zusammenhang die Verletzung von Rechten der Versicherten und der im EU-Ausland niedergelassenen Ärzte rügen, machen sie wiederum allein Rechte Dritter geltend, so dass es an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung fehlt (§§ 107 Abs. 2, 97 Abs. 7 GWB). Denn die Rechte und Grundfreiheiten der genannten Berufs- und Personengruppen vermitteln Dritten nicht die Positionen, diese Rechte quasi in Prozessstandschaft im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren geltend zu machen (vgl auch Senat, Beschluss v 30.01.2009 - L 21 KR 1/08 SFB). Vergleichbare Erwägungen gelten für die von der AG erhobenen datenschutzrechtlichen Bedenken. Denn weder handelt es sich hierbei um Vorschriften über das Vergabeverfahren i.S.d. § 97 Abs. 7 GWB noch kann der Schutz der Sozialdaten der Versicherten durch den AS und die AG im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.
Eine Ausschreibungspflicht folgt ebenfalls nicht aus den vom EuGH in der Entscheidung 15.07.2010 (C-271/08 = EuZW 2010, 659 = NZBau 2010, 574 - "Kommission./. Deutschland") angestellten Erwägungen. Das ergibt sich bereits daraus, dass diese Entscheidung Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A zur VKR zum Gegenstand hatte. Diese Aufträge sind gemäß Art. 20 VKR nach den Artikeln 23 bis 55 zu vergeben. Mit der hausarztzentrierten Versorgung stehen hier jedoch, wie oben dargelegt, Dienstleistungen i.S.d. Art. 21 VKR in Streit.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die geltend gemachten Verstöße gegen Verfassungsrecht sowie dem EU-Beihilferegime:
Der AS kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nur Mitgliedern qualifizierter Gemeinschaften eröffnet und insofern ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG gegeben sei. Wie bereits oben erörtert, ordnet § 3 Abs. 1 des HzV-Vertrages an, dass die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung jedem im Bundesland Baden-Württemberg gemäß § 73 Abs. 1a SGB V zugelassenen Hausarzt nach Maßgabe der in § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag genannten Voraussetzungen offen steht. Jeder einzelne Hausarzt hat es somit selbst in der Hand, sich für eine Teilnahme zu entscheiden und die hierfür erforderlichen Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen (insofern werden auch keine objektiven Berufszulassungsschranken geschaffen). Die Teilnahme von Hausärzten bestimmt sich nach weiterer Maßgabe des § 4 HzV-Vertrag. Sofern die Teilnahmevoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 1 und 2 vorliegen, hat die BG zu 3) den Beitritt zu bestätigen (§ 4 Abs. 2 HzV-Vertrag). Ein Ermessen ist der BG zu 3) dabei nicht eingeräumt. Insofern ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund kein einklagbarer Anspruch auf Teilnahme für Nichtmitglieder einer qualifizierten Gemeinschaft bestehen soll. Unabhängig davon hat der AS auch in diesem Zusammenhang wiederum lediglich fremde Rechte in eigenem Namen geltend gemacht, so dass insoweit keine Antragsbefugnis besteht.
Soweit der AS einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin sieht, dass diejenigen Gemeinschaften als qualifizierte Gemeinschaften privilegiert worden seien, die mehr als die Hälfte der im Bezirk einer KV tätigen Allgemeinärzte repräsentieren, greift auch dieser Einwand nicht durch. Denn die Differenzierung ist letztlich selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht zu beanstanden. Eine Ungleichbehandlung ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber mit der Differenzierung einen legitimen Zweck verfolgt und diese Differenzierung zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich ist. Demgegenüber ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss v. 29.09.2010 - 1 BvR 1798/10, juris Rdn. 27, m.w.N.).
Dass der Gesetzgeber Gemeinschaften mit einer Verhandlungs- und Abschlusskompetenz ausgestattet hat, die mehr als die Hälfte der Allgemeinmediziner repräsentieren bzw. vertreten, ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil diese Arztgruppe über die für eine besondere hausärztliche Versorgung erforderliche Weiterbildung verfügt. Über eine solche Weiterbildung verfügen weder praktische Ärzte, die nur aufgrund der Bestandsschutzregelung nach § 73 Abs. 1a Nr. 4 SGB V i.V.m. § 95a Abs. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen noch Internisten (vgl. auch Adolph in: jurisPK-SGB V, § 73b Rdn. 30.3; BT-Drs. 16/10609 S. 54 zu § 73b). Die Vorrangstellung der Allgemeinmediziner im Bereich der hausärztlichen Versorgung i.w.S. ergibt sich schließlich aus § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Danach sind seit dem 01.01.2006 für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Fachärzte für Allgemeinmedizin zu berücksichtigen (vgl. auch Pawlita in: jurisPK-SGB V, § 103, Rdn. 80 f.). Angesichts der ausbildungsbedingten besonderen Fachkompetenz der Ärzte für Allgemeinmedizin für den Bereich der hausärztlichen Versorgung unterliegt es somit keinen Bedenken, dass § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V für das erforderliche Quorum vertragsabschlussberechtigter Gemeinschaften ausschließlich auf diese Arztgruppe abstellt.
Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG, kann offen bleiben, ob der Schutzbereich dieses Grundrechts für Berufsverbände eröffnet ist, weil diese in erster Linie die berufspolitischen Interessen ihrer Mitglieder vertreten (vgl. Adolph in: jurisPK-SGB V, § 73b, Rdn. 30.5). Denn selbst wenn ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben wäre, wäre dieser jedenfalls aufgrund der oben aufgezeigten Erwägungen gerechtfertigt. Soweit der AS in diesem Zusammenhang beanstandet, dass nicht qualifizierte Gemeinschaften keinen Anspruch auf Vertragsschluss haben, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher auch und erst recht nicht im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens besteht. Denn Art. 12 Abs. 1 GG sichert lediglich die Teilnahme am Wettbewerb, gewährt jedoch keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb (vgl. BVerfG, Beschluss v. 01.11.2010 - 1 BvR 261/10 m.w.N.).
Schließlich verletzt der HzV-Vertrag nicht das - unmittelbar anwendbare - Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Denn eine verbotene staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt nicht vor. Der Umstand, dass durch den Schiedsspruch eine Fallwertobergrenze von 76,00 Euro festgelegt worden ist, stellt bereits deshalb keine Beihilfe dar, weil diese nicht ohne wirtschaftlich gerechtfertigte Gegenleistung gewährt wird. Das ergibt sich daraus, dass - wie bereits im Schiedsspruch vom 10.04.2010 ausführlich dargelegt - die Anforderungen zur Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 HzV-Vertrag und die weitergehenden Verpflichtungen als deutlich höher einzustufen sind als im Bereich der vertragsärztlichen hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a SGB V. Diese gehen zudem über die vom Gesetz in § 73b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB V definierten Anforderungen an die hausarztzentrierte Versorgung hinaus (vgl. hierzu auch S. 23 ff. des Schiedsspruchs). Denn nach dem HzV-Vertrag sind Hausärzte u.a. verpflichtet, an strukturierten Behandlungsprogrammen gem. § 137f SGB V - sog. "Disease-Management-Programmes" (DMP) - teilzunehmen und sich für die psychosomatische Grundversorgung sowie hausärztliche Geriatrie zu qualifizieren. Bereits diese Erfordernisse, jedenfalls aber die in dem HzV-Vertrag und in dem Schiedsspruch vom 10.04.2010 benannten weiteren Verpflichtungen nach § 3 Abs. 4 und 5 HzV-Vertrag, rechtfertigen die Vereinbarung einer höheren Fallwertobergrenze im Vergleich zur hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a SGB V.
Inwiefern eine verbotene Beihilfe zu Gunsten der BG zu 1) und 2) gegeben sein soll, erscheint nicht nachvollziehbar. Entgegen dem Vorbringen des AS kann nicht darauf abgestellt werden, dass "Hausarztgemeinschaften insofern einen Vorteil" erlangen, "als für ihre Mitglieder im Gesetz ein Zugangsvorrang vorgesehen" sei. Denn bereits oben wurde dargelegt, dass sich ein solcher Zugangsvorrang weder aus dem Wortlaut des § 73b SGB V noch aus den Gesetzesmaterialien ableiten lässt. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob es sich bei den BG zu 1) und 2) überhaupt um Unternehmen i.S.d. § 107 Abs. 1 AEUV handelt.
Der Senat war im Hinblick auf die vom AS aufgeworfenen Fragen nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und den EuGH um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zu ersuchen. Zwar ist der Senat letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 UAbs. 3 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfällt eine Vorlagepflicht der letztinstanzlich zuständigen nationalen Gerichte jedoch dann, wenn die maßgebliche Rechtsfrage bereits entschieden ist oder die richtige Auslegung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt und die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der EuGH keine Zweifel an dieser Auslegung haben würden (EuGHE 1982, 3415, 3429 ff; vgl. auch BSGE 97, 158, juris Rdn. 30).
Der Anwendungsbereich der VKR ist dem Grunde nach auch für Verträge nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V eröffnet. Daher hat der Senat als Maßstab § 99 Abs. 1 und 4 GWB (der in seinem Regelungsgehalt Art. 1 Abs. 2 lit. a) und d) VKR entspricht) geprüft und ist - wie bereits dargelegt - zu dem Ergebnis gelangt, dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag hier nicht gegeben ist (Vorlagefrage 1). Selbst wenn man allerdings von der Existenz eines öffentlichen Auftrages (Vorlagefrage 2) ausginge, wären hier gemäß Art. 21 VKR nur die Art. 23 und 35 Abs. 4 VKR anwendbar. Diese begründen jedoch keine Ausschreibungspflichten. Da sich die von dem AS gestellten Fragen durch die Anwendung der VKR ohne Weiteres beantworten lassen, bedurfte es somit keiner Vorlage an den EuGH.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Es entspricht in der vorliegenden Konstellation nicht der Billigkeit i.S.d. § 78 Satz 1 GWB, dem AS die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der AG aufzuerlegen, obwohl diese bei formaler Betrachtung obsiegt hat. Denn auch die AG hat sich gegen den HzV-Vertrag gewandt und dessen Nichtigkeit geltend gemacht. Angesichts des Umstandes, dass sich die BG zu 1) und 2) durch bereits ihre Antragstellung einem prozessualem Risiko ausgesetzt haben, hat der Senat in Ausübung billigen Ermessens deren außergerichtliche Kosten der AS auferlegt. Dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die BG zu 1) und 2) im Beschwerdeverfahren notwendig war, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller (AS) - ein ärztlicher Berufsverband - wendet sich gegen einen durch Schiedsspruch geschlossenen "Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V" (im Folgenden: HzV-Vertrag).
Der AS und die im Verband der Ersatzkassen (vdek) organisierten Ersatzkassen - darunter auch die Antragsgegnerin (AG) - führten Verhandlungen über den Abschluss eines HzV-Vertrages im Bereich der (KV) Baden-Württemberg. Nachdem keine Einigung erzielt worden war, beantragten die BG zu 1) und 2) die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmte daraufhin eine Schiedsperson (Bescheid vom 26.11.2010). Im Rahmen des Schiedsverfahrens wurde festgestellt, dass die BG zu 1) und 2) zum Stichtag 30.06.2009 gemeinsam von mehr als der Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KV Baden-Württemberg mandatiert worden seien. Durch Schiedsspruch vom 10.04.2010 wurde sodann der HzV-Vertrag zwischen der Antragsgegnerin (AG) und weiteren Krankenkassen sowie den Beigeladenen (BG) zu 1) bis 4) geschlossen. Ein Vergabeverfahren mit öffentlicher Bekanntmachung nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts ist nicht durchgeführt worden.
Gegenstand des Vertrags ist nach § 2 Abs. 1 die Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung u.a. für die Versicherten der AG in Baden-Württemberg. Die BG organisieren dabei die Teilnahme der Hausärzte und übernehmen für diese die Abrechnung gegenüber der AG gegen Zahlung einer Verwaltungspauschale (§§ 2 Abs. 4, 14 HzV-Vertrag). § 3 Abs. 1 des HzV-Vertrages regelt, dass alle an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) teilnehmenden Hausärzte mit Vertragsarztsitz in Baden-Württemberg nach weiterer Maßgabe des § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag (z.B. apparative Mindestausstattung, Sicherstellung bestimmter Leistungen, Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen gemäß § 137f SGB V, etc.) zur Teilnahme berechtigt sind. Die teilnehmenden Hausärzte haben nach §§ 10, 11 HzV-Vertrag für die im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung erbrachten Leistungen einen Anspruch auf Vergütung gegenüber der AG. Die Laufzeit des Vertrags ist unbefristet (§ 16 Abs. 3 HzV-Vertrag).
Der AS hat nach seinen Angaben am 27.04.2010 durch den Internetauftritt des BG zu 1) Kenntnis von dem Vertragsschluss erlangt und am 14.05.2010 bei der Vergabekammer (VK) des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt.
Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Es handele sich bei dem HzV-Vertrag um einen nach § 101b Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unwirksamen Vertrag, weil dessen Abschluss nicht öffentlich ausgeschrieben worden sei. Die AG decke durch den Vertragsschluss ihren Bedarf zum Angebot hausarztzentrierter Versorgung und vergüte die (ärztlichen) Leistungen nach Maßgabe der im Vertrag getroffenen Abreden, so dass von einem öffentlichen Auftrag auszugehen sei. Das Vorliegen einer autonomen Beschaffungsentscheidung sei weder gemäß § 99 GWB noch nach der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) Voraussetzung für die Annahme eines öffentlichen Auftrages. Ebenso wenig könne auf den Grund für die Beschaffung - etwa eine gesetzliche Verpflichtung - abgestellt werden. Auch § 69 Abs. 2 SGB V stehe der Anwendung des Vergaberechts nicht entgegen. In der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber zwar ausgeführt, dass Verträge nach § 73b SGB V keine öffentlichen Aufträge darstellen könnten. Gleichzeitig habe er jedoch klargestellt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelfall von den VK en bzw. Landessozialgerichten (LSG) geprüft werden müsse. § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V schließe die Anwendung von Kartellvergaberecht auf Selektivverträge ebenfalls nicht aus, da es sich bei dem Schiedsverfahren nach § 73b Abs. 4a SGB V nicht um eine Schiedsamtsregelung i.S.d. §§ 69 Abs. 2 Satz 2, 89 SGB V handele und die Vorschrift zudem ausschließlich für Kollektivverträge gelte. Abgesehen davon habe die AG mit dem Abschluss der HzV-Vertrages gegen Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen.
Auch die Antragsbefugnis sei gegeben: Bei Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens hätte die Möglichkeit bestanden, allein oder ggf. in Bietergemeinschaft ein Angebot abzugeben. Die AG verstoße zudem gegen § 101 GWB, weil sie von der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens abgesehen habe. Daher habe die AG auch keine ausreichenden Angebotsfristen vorgesehen, keine Vorabinformation gemäß § 101a GWB abgesetzt und keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellt. Überdies sei der Vertrag unzulässigerweise auf unbestimmte Zeit geschlossen worden.
Die AG hat keinen Antrag gestellt und sich dem Grunde nach der von dem AS vertretenen Auffassung angeschlossen. Aufgrund des Schiedsverfahrens sei ihr kein anderes Verhalten möglich gewesen, zumal sie aufsichtsrechtlich zur Umsetzung des HzV-Vertrages verpflichtet sei. Der Vertragsschluss führe zu Mehrkosten in der ambulanten Versorgung. Diese resultierten daraus, dass den in der hausarztzentrierten Versorgung tätigen Ärzten mit 76,00 Euro ein um 20,64 Euro höherer Fallwert zugestanden werde als in der vertragsärztlichen Regelversorgung. Abgesehen davon bestünden aufgrund der Einbeziehung privater Unternehmen in die Leistungsabrechnung datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages.
Der BG zu 1) hat vorgetragen, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei. Es handele sich vorliegend um einen sog. Primärvertrag mit einer qualifizierten Gemeinschaft nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, dessen Inhalt durch Schiedsspruch festgesetzt worden sei und der somit keinen öffentlichen Auftrag darstelle. Es fehle bereits an der vergaberechtlichen Relevanz des Vertragsschlusses, da die AG aufgrund des gesetzlich normierten Kontrahierungszwangs den Vertrag habe abschließen müssen und weder über das "Ob" noch das "Mit wem" noch das "Was" und "Wie" der "Auftragsvergabe" autonom habe entscheiden können. Ohnedies sei der AS nicht antragsbefugt, da er keine qualifizierte Gemeinschaft i.S.d. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V darstelle und auch nicht vortrage, mit welchen anderen Unternehmen er die Voraussetzungen erfüllen wolle. Schließlich fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der AS - sofern er ebenfalls als qualifizierte Gemeinschaft nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V anzusehen wäre - selber einen weiteren HzV-Vertrag schließen könnte. Der BG zu 2) hat sich dem Vorbringen des BG zu 1) angeschlossen.
Durch Beschluss vom 02.07.2010 hat die VK den Nachprüfungsantrag verworfen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft, da ein öffentlicher Auftrag nicht vorliege. Der sich aus § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der durch den in § 73b Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 4a SGB V angelegten Mechanismus des Schiedsverfahrens realisiert worden sei, führe dazu, dass die für das Vergaberecht erforderliche Entscheidungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Auswahl des Vertragspartners nicht gegeben sei. Damit sei der dem Vergaberecht zugrundeliegende Wettbewerb zwischen verschiedenen Bietern ausgeschaltet. Hierdurch habe der Sozialgesetzgeber einen Regelungswiderspruch auf nationaler Ebene herbeigeführt, der nur zu Lasten des (deutschen) Kartellvergaberechts aufgelöst werden könne.
Gegen den ihr am 05.07.2010 zugestellten Beschluss hat der AS am 16.07.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
Er hält im Wesentlichen an seinem Vorbringen aus dem Nachprüfungsverfahren fest und macht geltend: Die AG sei durchaus in der Lage gewesen, vor Einleitung eines Schiedsverfahrens auch mit anderen Gemeinschaften einen Vertrag abzuschließen und einen vorherigen Wettbewerb nach Maßgabe des Vergaberechts durchzuführen. Ausweislich der Gesetzesbegründung könne gerade in dem Fall, in dem es nicht zu einer Einigung komme und ein Schiedsverfahren nicht beantragt worden sei, ein Vertragsschluss auch mit den übrigen Vertragspartnern in Betracht kommen.
Selbst wenn mit dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen werde, dass § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V der AG die Dispositionsbefugnis durch Vorgabe des Vertragspartners nehme, müsse der dann zu Tage tretende Widerspruch zu Gunsten des Kartellvergaberechts aufgelöst werden. Art. 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V verstoße gegen die Grundfreiheiten des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere gegen Art. 49 (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit). Dabei seien auch und vor allem ausländische Gemeinschaften Benachteiligungen ausgesetzt, da diese nicht das erforderliche Quorum erreichen könnten. Zudem seien im EU-Ausland ansässige Hausärzte an der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gehindert. Angesichts der gerade in den letzten Jahren immer enger verflochtenen europäischen Gesundheitsmärkte könne ohne Weiteres von einem grenzüberschreitenden Interesse, also Binnenmarktrelevanz, ausgegangen werden. Schließlich sei ein Verstoß gegen die gemeinschaftliche Beihilfeaufsicht (Art. 107 bis 109 AEUV) gegeben. Qualifizierte Gemeinschaften erlangten insofern einen vermögenswerten Vorteil, als für ihre Mitglieder im Gesetz ein Zugangsvorrang und eine daraus resultierende Förderung ihrer Selbständigkeit vorgesehen sei. Eine verbotene Beihilfe liege außerdem darin, dass der HzV-Vertrag eine Fallwertobergrenze von 76,00 Euro vorsehe, wohingegen im Rahmen der vertragsärztlichen hausärztlichen Versorgung in 2010 lediglich ein Ersatzkassen-Fallwert von 53,84 Euro angesetzt worden sei.
§ 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG sei verletzt, da sämtliche Hausärzte von der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ausgeschlossen würden, die nicht Mitglied einer qualifizierten Gemeinschaft seien. Für das wirtschaftliche Überleben sei ein Beitritt zur hausarztzentrierten Versorgung jedoch nahezu unerlässlich. Auch im Hinblick auf die nicht qualifizierten Gemeinschaften sei - losgelöst von den beteiligten Ärzten - von einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG auszugehen, da sie keinen Anspruch auf Vertragsschluss hätten. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG folge daraus, dass Hausärzte, die nicht Mitglied einer qualifizierten Gemeinschaft seien, keinen (einklagbaren) Anspruch auf Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung hätten. Gleichermaßen bestehe eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung nicht qualifizierter Gemeinschaften.
Im Übrigen seien HzV-Verträge angesichts der vereinbarten Fallwertobergrenzen im gegenwärtigen System als unwirtschaftlich anzusehen und führten regelmäßig zu einem Verlust an Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt vom 02. Juli 2010, Az.: VK 1-52/10, aufzuheben und festzustellen, dass der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) geschlossene Vertrag vom 10. April 2010 von Anfang an unwirksam ist.
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen zu den Fragen:
1. Ist der Anwendungsbereich der Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge auch für die Vergabe von Verträgen zur flächendeckenden Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung nach der nationalen Vorschrift des § 73b Abs. 4 SGB V eröffnet, die bestimmt, dass Krankenkassen ihre Versorgungsverträge mit bestimmten Vertragspartnern, nämlich Hausärztegemeinschaften, die mindestens die Hälfte an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten, zu schließen haben?
2. Ist der in Rede stehende Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung als öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG zu qualifizieren?
Die Antragsgegnerin stellt keine Anträge.
Sie vertritt die Auffassung, dass ein Verstoß gegen das Kartellvergaberecht naheliege und zudem datenschutzrechtliche Bedenken bestünden.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die BG zu 1) ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag nicht statthaft sei. Auf den Vertragsschluss nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V sei das Kartellvergaberecht nicht anwendbar, weil es sich bei solchen sog. Primärverträgen nicht um öffentliche Aufträge i.S.v. §§ 97 ff. GWB handele. Zudem sei der AS nicht antragsbefugt, weil er nicht in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt sei und durch die unterbliebene Ausschreibung keinen Schaden erleide. Die BG zu 2) schließt sich dem Vorbringen der BG zu 1) an.
Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Vergabekammerakten sowie der Verwaltungsvorgänge der AG.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die VK hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig verworfen.
Dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB ist, unterliegt keinen Bedenken. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar - mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (vgl. nur EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07, ZfBR 2009, 601 - "Oymanns"; Senat, Beschluss v. 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922 m.w.N.).
Bei dem streitigen HzV-Vertrag handelt es sich aber nicht um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 4 GWB. Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. Als Dienstleistungsaufträge gelten gemäß § 99 Abs. 4 Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter § 99 Abs. 2 oder Abs. 3 GWB fallen. Es bestehen zwar keine Zweifel daran, dass es sich nach Maßgabe dieser Voraussetzungen bei Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung um Dienstleistungen im vorbeschriebenen Sinne handelt. Da die Lieferung von Waren nicht Gegenstand der hausarztzentrierten Versorgung ist, stellt sich vorliegend nicht die Frage, ob ggf. von einem sog. "gemischten Vertrag" i.S.d. § 99 Abs. 7 Satz 1 GWB, Art. 1 Abs. 2 lit. d) UAbs. 2 VKR auszugehen sein könnte.
Die Annahme eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages scheitert hier jedoch bereits daran, dass der Begriff des öffentlichen Auftrages eine Auswahlentscheidung des Auftraggebers darüber voraussetzt, mit welchem der in Betracht kommenden Auftragnehmer der Vertrag geschlossen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 14.04.2010 - L 21 KR 69/09 SFB; Engelmann in: juris PK-SGB V, § 69, Rdn. 253.1; Knispel, GesR 2009, 236, 238, 239, 241; Rixen, GesR 2006, 49, 55; vgl. auch BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V). Die Möglichkeit, eine Auswahlentscheidung zu treffen und dem bezuschlagten Auftragnehmer durch die Auswahlentscheidung und den sich hieran anschließenden Vertragsschluss eine "Sonderstellung im Wettbewerb" zu vermitteln, besteht bei der Vergabe eines Auftrages im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht. Denn Krankenkassen sind verpflichtet, mit Gemeinschaften von Ärzten, die - wie hier die BG zu 1) und 2) - mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KV vertreten, einen HzV-Vertrag abzuschließen (vgl. auch Senat, Beschluss v. 22.07.2010 – L 21 SF 77/10 Verg, juris Rdn. 35). Dabei ist, wie bereits der Schiedsspruch zutreffend ausführt, nicht auf eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht i.S.d. §§ 164 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen, sondern darauf, dass die am Vertragsschluss beteiligten Gemeinschaften (allein oder gemeinsam) eine bestimmte soziale Mächtigkeit aufweisen, um das gesetzgeberische Ziel - ohne weitere vermeidbare Verzögerungen ein möglichst flächendeckendes Angebot mit hausarztzentrierter Versorgung sicherzustellen - realisieren zu können (vgl. auch BT-Drs. 16/10609 S. 53 f.).
In der vorliegenden Konstellation kommt hinzu, dass die AG insbesondere aufgrund des Schiedsspruches vom 10.04.2010 keinerlei Möglichkeiten mehr hatte, Vertragsbedingungen festzusetzen oder etwa "Zuschlagskriterien" zu definieren und diese gegenüber Gemeinschaften i.S.d. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V durchzusetzen. Auf die Frage, ob der Schiedsspruch als Verwaltungsakt oder als eine Inhaltsbestimmung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entsprechend § 319 BGB zu qualifizieren ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Dass von der Durchführung eines Vergabeverfahrens abgesehen wurde, steht auch mit den Vorgaben der VKR in Einklang. Gegenstand des HzV-Vertrages - wie auch im Allgemeinen der hausarztzentrierten Versorgung - ist die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen durch die teilnehmenden Ärzte bzw. berechtigten Institutionen. Art. 21 VKR i.V.m. Anhang VII der VO (EG) der Kommission Nr. 213/2008 vom 28.11.2007 (Abl. L 74/375 v. 15.03.2008) enthält eine Ausnahme für sog. nicht prioritäre - also nachrangige - Dienstleistungen. Hierzu gehören gemäß Kategorie 25 des Anhangs auch Dienstleistungen im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (vgl. auch Anhang I Teil B Kategorie 25 der VOL/A). Im Hinblick auf diese Dienstleistungen ist der Richtlinien- bzw. Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass sich ein europaweiter Markt noch nicht in einem hinreichenden Maße gebildet hat, so dass von der Anwendung des Kartellvergaberechts weitgehend abgesehen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.2007 - C 507/03 = NZBau 2008, 71; Nolte in: Kasseler Kommentar, § 127 SGB V, Rdn. 5; Engelmann in: jurisPK-SGB V § 69, Rdn. 253.2; Burgi, NZBau 2008, 480, 483; vgl. auch Erwägungsgründe 18 und 19 der VKR).
Dem steht nicht entgegen, dass durch § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die §§ 8a VOL/A (technische Spezifikationen) und 28 VOL/A (nachträgliche Bekanntmachung) sowie die Basisparagraphen der VOL/A für anwendbar erklärt werden. Denn § 73b Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V ist das gesetzgeberische Konzept zu entnehmen, dass Krankenkassen jedenfalls im Rahmen des Abschlusses von Primärverträgen kein Vergabeverfahren durchführen sollen. Dadurch, dass das Gesetz im Interesse eines zügigen Aufbaus einer flächendeckenden hausarztzentrierten Versorgung einen Vertragsschluss der Krankenkassen mit qualifizierten Gemeinschaften zwingend anordnet, bringt es zum Ausdruck, dass Krankenkassen gerade keine Auswahlentscheidung unter mehreren "Anbietern hausarztzentrierter Versorgung" zu treffen haben. Die Vornahme einer Auswahlentscheidung durch einen öffentlichen Auftraggeber stellt jedoch eine konstitutive Voraussetzung für die Annahme eines öffentlichen Auftrages dar (BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V). Hätte der Gesetzgeber zudem für Primärverträge im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens gewollt, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich für derartige Dienstleistungen - wie etwa im Fall des § 137a Abs. 1 Satz 1 SGB V - zu regeln. Daher war es nur folgerichtig, in § 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V für den Fall der Nichteinigung die Durchführung eines Schiedsverfahrens gemäß § 73b Abs. 4a SGB V, im Rahmen dessen der Entscheidungsspielraum der Krankenkassen noch weiter eingeschränkt ist, vorzusehen. Wird jedoch durch im Rang von Gesetzesrecht stehende Regelungen angeordnet, dass der Vertragsschluss nicht öffentlich auszuschreiben ist, kann eine Ausschreibung nicht durch die lediglich im Rang von Verordnungsrecht stehenden Basisparagraphen der VOL/A wieder angeordnet werden.
Damit bleiben hier aus dem Bereich der VOL/A dem Grunde nach lediglich die Regelungen über technische Spezifikationen (§ 8a VOL/A) und die nachträgliche Bekanntmachung (§ 28a VOL/A) anwendbar (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 21.04.2010 - VII Verg 55/09 = NZBau 2010, 390, juris Rdn. 35 zur Anwendung der VOF bei juristischen Beratungsleistungen). § 8a VOL/A ist hier ersichtlich nicht einschlägig (vgl. auch Gabriel, NZS 2007, 344, 351). Einen etwaigen Verstoß gegen die Pflicht zur nachträglichen Bekanntmachung nach § 28a VOL/A hat der AS nicht gerügt. Abgesehen davon vermittelt die Regelung keinen Bieterschutz (vgl. Weyand, ibr-online, § 28a VOL/A, Rdn. 7748/1 m.w.N.).
Aus diesem Regelungskonzept resultiert kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des AEUV mit der Folge, dass der geschlossene HzV-Vertrag nichtig ist.
Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) ist bereits deshalb nicht erkennbar, weil sämtliche an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V teilnehmenden Hausärzte mit Vertragsarztsitz in Baden-Württemberg berechtigt sind, bei Erfüllung der Teilnahmevoraussetzungen (vgl. hierzu § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag) ihre Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung anzuzeigen (§ 3 Abs. 1 HzV-Vertrag). Dass hiervon nicht nur Vertragsärzte mit deutscher Staatsangehörigkeit erfasst werden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Im Übrigen hat der AS insoweit allein die Verletzung von Rechten Dritter, nämlich der im EU-Ausland niedergelassenen Ärzte, gerügt. Einen möglichen eigenen Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB hat der AS damit aber nicht dargelegt.
Wie die BG zu 1) zutreffend ausführt, ist § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V und der darauf basierende HzV-Vertrag auch mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV vereinbar. Denn die Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Ärzten aus anderen Mitgliedsstaaten werden nicht verändert. Nach wie vor können Versicherte der GKV Ärzte aus anderen Mitgliedsstaaten der EU gegen Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V in Anspruch nehmen. Soweit der AS und die AG auch im vorliegenden Zusammenhang die Verletzung von Rechten der Versicherten und der im EU-Ausland niedergelassenen Ärzte rügen, machen sie wiederum allein Rechte Dritter geltend, so dass es an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung fehlt (§§ 107 Abs. 2, 97 Abs. 7 GWB). Denn die Rechte und Grundfreiheiten der genannten Berufs- und Personengruppen vermitteln Dritten nicht die Positionen, diese Rechte quasi in Prozessstandschaft im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren geltend zu machen (vgl auch Senat, Beschluss v 30.01.2009 - L 21 KR 1/08 SFB). Vergleichbare Erwägungen gelten für die von der AG erhobenen datenschutzrechtlichen Bedenken. Denn weder handelt es sich hierbei um Vorschriften über das Vergabeverfahren i.S.d. § 97 Abs. 7 GWB noch kann der Schutz der Sozialdaten der Versicherten durch den AS und die AG im Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.
Eine Ausschreibungspflicht folgt ebenfalls nicht aus den vom EuGH in der Entscheidung 15.07.2010 (C-271/08 = EuZW 2010, 659 = NZBau 2010, 574 - "Kommission./. Deutschland") angestellten Erwägungen. Das ergibt sich bereits daraus, dass diese Entscheidung Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A zur VKR zum Gegenstand hatte. Diese Aufträge sind gemäß Art. 20 VKR nach den Artikeln 23 bis 55 zu vergeben. Mit der hausarztzentrierten Versorgung stehen hier jedoch, wie oben dargelegt, Dienstleistungen i.S.d. Art. 21 VKR in Streit.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die geltend gemachten Verstöße gegen Verfassungsrecht sowie dem EU-Beihilferegime:
Der AS kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nur Mitgliedern qualifizierter Gemeinschaften eröffnet und insofern ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG gegeben sei. Wie bereits oben erörtert, ordnet § 3 Abs. 1 des HzV-Vertrages an, dass die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung jedem im Bundesland Baden-Württemberg gemäß § 73 Abs. 1a SGB V zugelassenen Hausarzt nach Maßgabe der in § 3 Abs. 2 HzV-Vertrag genannten Voraussetzungen offen steht. Jeder einzelne Hausarzt hat es somit selbst in der Hand, sich für eine Teilnahme zu entscheiden und die hierfür erforderlichen Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen (insofern werden auch keine objektiven Berufszulassungsschranken geschaffen). Die Teilnahme von Hausärzten bestimmt sich nach weiterer Maßgabe des § 4 HzV-Vertrag. Sofern die Teilnahmevoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 1 und 2 vorliegen, hat die BG zu 3) den Beitritt zu bestätigen (§ 4 Abs. 2 HzV-Vertrag). Ein Ermessen ist der BG zu 3) dabei nicht eingeräumt. Insofern ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund kein einklagbarer Anspruch auf Teilnahme für Nichtmitglieder einer qualifizierten Gemeinschaft bestehen soll. Unabhängig davon hat der AS auch in diesem Zusammenhang wiederum lediglich fremde Rechte in eigenem Namen geltend gemacht, so dass insoweit keine Antragsbefugnis besteht.
Soweit der AS einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin sieht, dass diejenigen Gemeinschaften als qualifizierte Gemeinschaften privilegiert worden seien, die mehr als die Hälfte der im Bezirk einer KV tätigen Allgemeinärzte repräsentieren, greift auch dieser Einwand nicht durch. Denn die Differenzierung ist letztlich selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht zu beanstanden. Eine Ungleichbehandlung ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber mit der Differenzierung einen legitimen Zweck verfolgt und diese Differenzierung zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich ist. Demgegenüber ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss v. 29.09.2010 - 1 BvR 1798/10, juris Rdn. 27, m.w.N.).
Dass der Gesetzgeber Gemeinschaften mit einer Verhandlungs- und Abschlusskompetenz ausgestattet hat, die mehr als die Hälfte der Allgemeinmediziner repräsentieren bzw. vertreten, ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil diese Arztgruppe über die für eine besondere hausärztliche Versorgung erforderliche Weiterbildung verfügt. Über eine solche Weiterbildung verfügen weder praktische Ärzte, die nur aufgrund der Bestandsschutzregelung nach § 73 Abs. 1a Nr. 4 SGB V i.V.m. § 95a Abs. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen noch Internisten (vgl. auch Adolph in: jurisPK-SGB V, § 73b Rdn. 30.3; BT-Drs. 16/10609 S. 54 zu § 73b). Die Vorrangstellung der Allgemeinmediziner im Bereich der hausärztlichen Versorgung i.w.S. ergibt sich schließlich aus § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Danach sind seit dem 01.01.2006 für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Fachärzte für Allgemeinmedizin zu berücksichtigen (vgl. auch Pawlita in: jurisPK-SGB V, § 103, Rdn. 80 f.). Angesichts der ausbildungsbedingten besonderen Fachkompetenz der Ärzte für Allgemeinmedizin für den Bereich der hausärztlichen Versorgung unterliegt es somit keinen Bedenken, dass § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V für das erforderliche Quorum vertragsabschlussberechtigter Gemeinschaften ausschließlich auf diese Arztgruppe abstellt.
Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG, kann offen bleiben, ob der Schutzbereich dieses Grundrechts für Berufsverbände eröffnet ist, weil diese in erster Linie die berufspolitischen Interessen ihrer Mitglieder vertreten (vgl. Adolph in: jurisPK-SGB V, § 73b, Rdn. 30.5). Denn selbst wenn ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben wäre, wäre dieser jedenfalls aufgrund der oben aufgezeigten Erwägungen gerechtfertigt. Soweit der AS in diesem Zusammenhang beanstandet, dass nicht qualifizierte Gemeinschaften keinen Anspruch auf Vertragsschluss haben, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher auch und erst recht nicht im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens besteht. Denn Art. 12 Abs. 1 GG sichert lediglich die Teilnahme am Wettbewerb, gewährt jedoch keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb (vgl. BVerfG, Beschluss v. 01.11.2010 - 1 BvR 261/10 m.w.N.).
Schließlich verletzt der HzV-Vertrag nicht das - unmittelbar anwendbare - Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Denn eine verbotene staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt nicht vor. Der Umstand, dass durch den Schiedsspruch eine Fallwertobergrenze von 76,00 Euro festgelegt worden ist, stellt bereits deshalb keine Beihilfe dar, weil diese nicht ohne wirtschaftlich gerechtfertigte Gegenleistung gewährt wird. Das ergibt sich daraus, dass - wie bereits im Schiedsspruch vom 10.04.2010 ausführlich dargelegt - die Anforderungen zur Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 HzV-Vertrag und die weitergehenden Verpflichtungen als deutlich höher einzustufen sind als im Bereich der vertragsärztlichen hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a SGB V. Diese gehen zudem über die vom Gesetz in § 73b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB V definierten Anforderungen an die hausarztzentrierte Versorgung hinaus (vgl. hierzu auch S. 23 ff. des Schiedsspruchs). Denn nach dem HzV-Vertrag sind Hausärzte u.a. verpflichtet, an strukturierten Behandlungsprogrammen gem. § 137f SGB V - sog. "Disease-Management-Programmes" (DMP) - teilzunehmen und sich für die psychosomatische Grundversorgung sowie hausärztliche Geriatrie zu qualifizieren. Bereits diese Erfordernisse, jedenfalls aber die in dem HzV-Vertrag und in dem Schiedsspruch vom 10.04.2010 benannten weiteren Verpflichtungen nach § 3 Abs. 4 und 5 HzV-Vertrag, rechtfertigen die Vereinbarung einer höheren Fallwertobergrenze im Vergleich zur hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a SGB V.
Inwiefern eine verbotene Beihilfe zu Gunsten der BG zu 1) und 2) gegeben sein soll, erscheint nicht nachvollziehbar. Entgegen dem Vorbringen des AS kann nicht darauf abgestellt werden, dass "Hausarztgemeinschaften insofern einen Vorteil" erlangen, "als für ihre Mitglieder im Gesetz ein Zugangsvorrang vorgesehen" sei. Denn bereits oben wurde dargelegt, dass sich ein solcher Zugangsvorrang weder aus dem Wortlaut des § 73b SGB V noch aus den Gesetzesmaterialien ableiten lässt. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob es sich bei den BG zu 1) und 2) überhaupt um Unternehmen i.S.d. § 107 Abs. 1 AEUV handelt.
Der Senat war im Hinblick auf die vom AS aufgeworfenen Fragen nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und den EuGH um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zu ersuchen. Zwar ist der Senat letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 UAbs. 3 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfällt eine Vorlagepflicht der letztinstanzlich zuständigen nationalen Gerichte jedoch dann, wenn die maßgebliche Rechtsfrage bereits entschieden ist oder die richtige Auslegung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt und die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der EuGH keine Zweifel an dieser Auslegung haben würden (EuGHE 1982, 3415, 3429 ff; vgl. auch BSGE 97, 158, juris Rdn. 30).
Der Anwendungsbereich der VKR ist dem Grunde nach auch für Verträge nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V eröffnet. Daher hat der Senat als Maßstab § 99 Abs. 1 und 4 GWB (der in seinem Regelungsgehalt Art. 1 Abs. 2 lit. a) und d) VKR entspricht) geprüft und ist - wie bereits dargelegt - zu dem Ergebnis gelangt, dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag hier nicht gegeben ist (Vorlagefrage 1). Selbst wenn man allerdings von der Existenz eines öffentlichen Auftrages (Vorlagefrage 2) ausginge, wären hier gemäß Art. 21 VKR nur die Art. 23 und 35 Abs. 4 VKR anwendbar. Diese begründen jedoch keine Ausschreibungspflichten. Da sich die von dem AS gestellten Fragen durch die Anwendung der VKR ohne Weiteres beantworten lassen, bedurfte es somit keiner Vorlage an den EuGH.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Es entspricht in der vorliegenden Konstellation nicht der Billigkeit i.S.d. § 78 Satz 1 GWB, dem AS die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der AG aufzuerlegen, obwohl diese bei formaler Betrachtung obsiegt hat. Denn auch die AG hat sich gegen den HzV-Vertrag gewandt und dessen Nichtigkeit geltend gemacht. Angesichts des Umstandes, dass sich die BG zu 1) und 2) durch bereits ihre Antragstellung einem prozessualem Risiko ausgesetzt haben, hat der Senat in Ausübung billigen Ermessens deren außergerichtliche Kosten der AS auferlegt. Dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die BG zu 1) und 2) im Beschwerdeverfahren notwendig war, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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