L 9 R 4786/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 392/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4786/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Rentenanpassungsmitteilung vom Juni 2009 mit dem Begehren, ihr unter Anerkennung weiterer Kindererziehungszeiten eine höhere Regelaltersrente zu gewähren.

Die 1940 geborene Klägerin bezog zunächst ab dem 01.02.1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 13.02.2002). Mit Bescheid vom 03.08.2005 gewährte die Beklagte der Klägerin anstelle der bisherigen Rente eine Regelaltersrente ab dem 01.11.2005. Zur Begründung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin schon damals u.a. geltend, sie sei nicht damit einverstanden, dass für die Kindererziehung - wie geschehen - jeweils nur ein Jahr (bzw. für die Tochter U. bis zu deren Tod) Pflichtbeiträge angerechnet würden. Für seit dem 01.01.1992 geborene Kinder würden drei Jahre Kindererziehungszeit rentensteigernd berücksichtigt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid von 24.11.2005 zurück. Nach dem Gesetz ende eine Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind zwölf Monate nach Ablauf des Monats der Geburt. In dem vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (S 11 R 5495/05) hiergegen geführten Klageverfahren stellte das SG mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2008 fest, die Beklagte habe im angefochtenen Bescheid vom 03.08.2005 für den 1962 geborenen Sohn G., den 1965 geborenen Sohn H., die 1967 geborene Tochter I., den 1970 geborenen Sohn A. und die 1976 geborene Tochter Ch. einen Zeitraum von jeweils 12 Kalendermonaten an Beiträgen für Kindererziehung berücksichtigt. Für die 1963 geborene und 1964 verstorbene Tochter U. sei der Zeitraum vom 01.01.1964 bis 04.08.1964 als Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung zugrunde gelegt worden. Es wies die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung der Altersrente unter Anrechnung weiterer Kindererziehungszeiten nicht zu. Nach dem mit Wirkung vom 01.01.1992 durch Art. 1 RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I, 2261) eingeführten § 56 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren. Nach § 249 Abs. 1 SGB VI ende die Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind zwölf Monate nach Ablauf der Geburt. Da die Kinder der Klägerin vor dem 01.01.1992 geboren seien, habe die Beklagte zu Recht nur eine Kindererziehungszeit von jeweils einem Jahr berücksichtigt. Die mit dem RRG 1992 eingeführte Regelung einer unterschiedlichen Länge der Kindererziehungszeiten für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder (§ 249 Abs. 1 SGB VI: 12 Monate) und nach dem 31.12.1991 geborene Kinder (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI: 36 Monate) verstoße nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 29.03.1996 — 1 BvR 1238/95) auch nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11.12.2008 (L 10 R 4977/08) verworfen, da sie nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt war.

Im Juni 2009 versandte die Beklagte die Rentenanpassungsmitteilung, mit welcher die Rente dem aktuellen Rentenwert für die Zeit ab 01.07.2009 angepasst und die Rente erhöht wurde. Mit dem hiergegen am 01.07.2009 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin erneut geltend, die Regelung, wonach für ab dem 01.01.1992 geborene Kinder drei Jahre Kindererziehungszeit angerechnet würden, für vor diesem Zeitpunkt geborene Kinder nur ein Kindererziehungsjahr verstoße in eklatanter Weise gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei somit verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Mit der Rentenanpassungsmitteilung 2009 sei keine neue Regelung hinsichtlich der Anerkennung der Kindererziehungszeiten getroffen worden. Nach § 65 SGB VI würden die Renten zum 01. Juli eines jeden Jahres angepasst, indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt werde. Der aktuelle Rentenwert betrage nach § 1 Abs. 1 der Rentenwertbestimmungsverordnung 2009 vom 01. Juli an 27,20 EUR, somit 64 Cent mehr als gegenüber dem bis 30.06.2009 geltenden aktuellen Rentenwert. Ihre Rechtsansicht bezüglich der Anerkennung von Kindererziehungszeiten sei im Übrigen durch das Urteil des SG Freiburg bestätigt worden.

Hiergegen richtete sich die am 25.01.2009 zum SG erhobene Klage.

Die Klägerin hat an ihrer Auffassung festgehalten, die Beklagte müsse für ihre sechs Kinder jeweils drei Jahre Kindererziehungszeit anrechnen. Der Umstand, dass für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder nur ein Jahr Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung, für seit dem 01.01.1992 geborene Kinder jedoch drei Jahre Berücksichtigung fänden, sei eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.08.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Fraglich sei, ob die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nicht bereits durch den Bescheid vom 03.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 rechtsverbindlich festgestellt worden sei. Doch selbst wenn man von einer Anfechtbarkeit ausginge, habe die Klage keinen Erfolg. Das SG habe bereits im Gerichtsbescheid vom 03.09.2008 überzeugend ausgeführt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente unter Anrechnung weiterer Kindererziehungszeiten zukomme.

Gegen den ihr am 13.08.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11.09.2010 beim SG per Fax Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer bislang vertretenen Auffassung fest, die Ungleichbehandlung sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 10.8.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2009 zu verurteilen, für den am 20.06.1962 geborenen Sohn G., den am 26.02.1965 geborenen Sohn H., die am 28.11.1967 geborene Tochter I., den am 10.12.1970 geborenen Sohn A. und die am 25.03.1976 geborene Tochter Ch. jeweils drei Jahre Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung und für die am 10.12.1963 geborene und am 04.08.1964 verstorbene Tochter U. zwei Jahre Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung zu berücksichtigten und eine höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht und auch sonst zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2009 zu Recht zurückgewiesen. Denn die Klägerin wird durch diese Rentenanpassung nicht beschwert. Eine anfechtbare Regelung im Hinblick auf die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten enthält die Rentenanpassungsmitteilung gerade nicht. Der Regelungsgehalt einer Anpassungsmitteilung erschöpft sich in der wertmäßigen Fortschreibung eines bereits zuerkannten Werts des Rechts auf Rente (vgl. hierzu BSG Urteil v. 23.03.1999, B 4 RA 41/98 R, in SozR 3-1300 § 31 Nr. 13 sowie in Juris). Anpassungsbescheide setzen der Sache nach ein früher durchgeführtes und mit Rentenbescheid beendetes Verwaltungsverfahren fort, um die Bestimmung des subjektiven Rentenwertes entsprechend der allgemeinen Entwicklung zu aktualisieren und zukunftsgerichtet fortzuschreiben und den insofern früher getroffenen Verwaltungsakt zu ersetzen. Die Rentenanpassung setzt ein vollständig ausgestaltetes Rentenstammrecht bereits begrifflich und logisch voraus. Der Regelungsgehalt der regelmäßig jährlich erfolgenden Rentenanpassung beschränkt sich damit darauf, auf der Grundlage der bereits getroffenen Festlegungen in Ausführung der Rentenanpassungsgesetze den Änderungen des aktuellen Rentenwerts nach § 65 SGB VI in Verbindung mit den hierzu nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB VI jeweils erlassenen Rechtsverordnungen Rechnung zu tragen. Hierauf beschränkt sich schon ihrer Funktion nach objektiv ihr Regelungsgehalt, so dass auch allein insofern ggfs. eine Überprüfung im Rechtsmittelverfahren oder im Rahmen eines abermaligen Verwaltungsverfahrens nach den §§ 44 ff SGB X in Betracht kommt. Anpassungsmitteilungen wiederholen weder frühere Regelungen noch begründen sie ihrerseits das anzupassende Recht neu. Vielmehr greifen sie selbst nur regelnd in den den Wert des Rechts (sog. Rentenhöhe) betreffenden Verfügungssatz ein, treffen jedoch keine darüber hinausgehenden Regelungen zum Recht auf Rente und dessen Bewilligung. Als umfassender, d.h. alle für Entstehen und Zahlbarkeit von Einzelansprüchen auf Rente konstituierender Bescheid - und in diesem Sinne als "Verwaltungsakt" iS von § 50 Abs. 1 SGB X - kann demgemäß ein Anpassungsbescheid allein nicht in Betracht kommen. Diesen - konstituierenden - Bescheid, nämlich den (Regelaltersrenten-)Bescheid vom 03.08.2005, hatte die Klägerin mit im Übrigen weitgehend denselben Argumenten angefochten. Diese Entscheidung ist aufgrund der Verwerfung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 03.09.2008 (S 11 R 5495/05) mit Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11.12.2008 (L 10 R 4977/08) aber bestandskräftig und damit grundsätzlich unanfechtbar (§ 77 SGG). Die Klägerin kann daher im Rahmen der Anfechtung einer Anpassungsmitteilung nicht mit dem Argument durchdringen, ihr stünde wegen der Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten eine höhere Altersrente zu. Auf die Vereinbarkeit der hierfür im Rahmen des Stammrechts auf Rente zu berücksichtigenden Vorschriften kommt es daher ebenfalls nicht an. Die Erhöhung des aktuellen Rentenwertes auf 27,20 EUR mit der angefochtenen Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2009 entspricht § 1 Abs. 1 der Rentenwertbestimmungsverordnung 2009, sodass Rechtsfehler bei der Umsetzung der Anpassung nicht ersichtlich sind. Solche sind von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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