Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1105/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2813/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 11.11.1972 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1940 in M. geborene Kläger lebt seit 1971 im Bundesgebiet. Er machte in der Vergangenheit die Anerkennung verschiedener Arbeitsunfälle bzw. eine Berufskrankheit geltend. Der Kläger war vom 22.06.1972 bis 20.11.1973 bei der Firma G. B. Rohstoffverwertung in K. beschäftigt. Er bezieht seit 01.06.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Landesversicherungsanstalt B. vom 07.12.1995).
Am 17.11.2007 beantragte der Kläger (durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten) die Folgen eines am 11.11.1972 erlittenen Arbeitsunfalls zu überprüfen. Nach einer zu den Akten der Beklagten gelangten (an den Kläger gerichteten) Bescheinigungen der AOK K. vom 12.11.1990 sowie dem Vorerkrankungsverzeichnis bestand beim Kläger vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 wegen einer Prellung des Brustkorbes rechts und beider Kniegelenke unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. In einem Arztbrief von Dr. Z. vom 21.11.2007 wird - u. a. - mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, 1972 einen schweren Lkw-Unfall gehabt zu haben, bei dem er wegen eines Bremsdefektes eine Brücke gerammt habe. Der Kläger habe sich dabei eine Brustkorbprellung, eine Knieprellung beidseits, eine Rippenprellung rechts und eine Schädelprellung mit Hinterkopfverletzung zugezogen. Er habe sich deswegen in den Krankenhäusern in T. (Erstbehandlung) und anschließend in K. in Behandlung befunden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK K. mit Schreiben vom 21.12.2007 mit, die Firma G. B. Rohstoffverwertung existiere nicht mehr und sei nicht mehr feststellbar. Weiter teilte das Klinikum T. auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2008 mit, über den Kläger lägen keine Unterlagen mehr vor. Auch beim Krankenhaus R. waren keine Unterlagen mehr vorhanden (Gesprächsnotiz der Beklagten vom 16.06.2008).
Mit Bescheid vom 27.03.2009 wurde von der Beklagten das Ereignis aus dem Jahr 1972 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und mitgeteilt, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Unfall aus dem Jahr 1972 sei seinerzeit nicht gemeldet worden. Nach Würdigung aller aktenkundigen Fakten könne weder zweifelsfrei vom Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses noch vom Vorliegen eines darauf zurückzuführenden verbliebenen Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Es ließen sich 35 Jahre nach dem angeblichen Unfallereignis weder Unfalltag, Unfallhergang noch der Umfang der tatsächlich erlittenen Gesundheitsstörungen im Vollbeweis feststellen. Die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Die Folgen der Nichterweislichkeit gingen zu Lasten des Klägers.
Am 15.04.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Er machte - soweit vorliegend relevant - geltend, wenn Unterlagen fehlten, sei die Aufbewahrungspflicht verletzt worden, was nicht zu seinen Ungunsten ausfallen könne. Die Unterlagen müssten ermittelt werden. Er habe mehrfach Arbeitsunfälle erlitten. Das stehe fest. Am 11.11.1972 sei er bei der Firma G. B. in T. beschäftigt gewesen. Er habe wegen eines Bremsdefektes einen Unfall mit dem Fahrzeug gehabt. Dabei habe er durch einen Aufprall auf das Lenkrad zwei Rippen und den Kleinfinger gebrochen sowie eine schwere Kopfverletzung und eine Knieverletzung erlitten. Außerdem habe er sich die rechte Niere, welche nicht mehr funktioniere, sowie die Lunge verletzt. Er sei ein schwer kranker Mann und befinde sich seit 1984 täglich bei den Ärzten in Behandlung. Er sei zu 100 % arbeitsunfähig. Der Kläger legte Unterlagen vor.
Mit Beschluss vom 28.08.2009 setzte das SG das Verfahren bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers, der gleichzeitig in der Klageerhebung liege, aus. Mit Widerspruchsbescheid (ohne Datum) wurde von der Beklagten der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.03.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei nicht bewiesen. Unterlagen oder Zeugenaussagen, die das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen während einer betrieblichen Tätigkeit bestätigen könnten, lägen nicht vor. Auch sonst fänden sich keine Hinweise auf andere Umstände, die das behauptete Geschehen sowie die benannten Verletzungen belegen könnten. Das Vorerkrankungsverzeichnis rechtfertige keine andere Beurteilung. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien dadurch nicht bewiesen. Es sei schwer nachzuvollziehen, weshalb der Kläger nicht schon in den Jahren ab 1972 mit der Berufsgenossenschaft in Kontakt getreten sei.
Am 04.01.2010 führte der Kläger seine Klage weiter. Er bekräftigte, mehrere Arbeitsunfälle erlitten zu haben, unter anderem am 11.11.1972.
Auf Anfrage des SG teilte das Polizeirevier T. am 21.04.2010 telefonisch mit, dass hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Unfalls vom 11.11.1972 keine Unterlagen mehr vorlägen.
Mit Urteil vom 19.05.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, das Gericht habe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen können, dass der Kläger am 11.11.1972 im Rahmen eines Arbeitsunfalls die von ihm geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten habe. Zwar habe die Mitteilung der AOK K. vom 12.11.1990, in der vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit bescheinigt werde, eine Indizwirkung. Diese Indizwirkung sei jedoch im Hinblick auf andere gegen einen Arbeitsunfall sprechende Fakten nicht entscheidend. Der Kläger habe abweichende Unfallfolgen geltend gemacht. Wegen der undifferenzierten Darstellung von Unfallfolgen seien die Angaben des Klägers insgesamt sehr schlecht nachvollziehbar. Beweismittel hätten nicht beschafft werden können. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben keine verwertbaren Angaben machen können. Bei einer Gesamtbetrachtung seien die unklaren, widersprüchlichen und schlecht nachvollziehbaren, oft neben der Sache liegenden Äußerungen des Klägers als nicht bewiesen anzusehen. Aus dem Umstand, dass der Kläger den geltend gemachten Unfall und die von ihm heute als sehr gravierend dargestellten Folgen damals nicht geltend gemacht habe, schließe das Gericht, zusammen mit den anderen Umständen, ebenfalls darauf, dass ein entsprechender Arbeitsunfall zumindest nicht ausreichend nachweisbar sei.
Gegen das dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2010 (ohne Eingangstempel) beim SG Berufung eingelegt, die am 16.06.2010 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Er macht geltend, das angefochtene Urteil sei total ungerecht und für ihn nicht verständlich. Er bitte, alles zu überprüfen. Er beantrage Entschädigung. Er hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Unfall vom 11. November 1972 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie zwei Rippenbrüche, Kopfverletzungen im oberen Bereich, einen Bruch des kleinen Fingers sowie eine Nierenverletzung als Folgen dieses Unfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, die Firma G. B. Rohstoffverwertung sei nicht mehr existent. Eine Nachfolgefirma sei nicht bekannt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere des Klägers, wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden ist, bestehen nicht. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Unfallfolge.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 im November 1972 ereignet haben soll (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden. Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz keine Änderung erfahren haben.
Gemäß § 548 Abs. 1 RVO (bzw. § 8 Abs. 1 SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer dem Versicherungsschutz nach einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO (bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleidet. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall bestehen.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist - in der Regel - erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Beweis ihres Vorliegens erforderlich (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 24. Februar 2000, Az. B 2 U 20/99 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 2 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses vom 11.11.1972 als Arbeitsunfall nicht gegeben. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend und ausführlich begründet, dass ein Arbeitsunfall nicht ausreichend nachweisbar ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er macht sich die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (ab Seite 5 Absatz 2) zur Begründung seiner eigenen Entscheidung voll zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zeugen, die den vom Kläger geltend gemachten Vorgang am 11.11.1972 bestätigen, sind weder vom Kläger benannt worden noch ist für den Senat ersichtlich, dass solche vorhanden sind. Der Kläger stützt sich zur Beweisführung allein auf sein Vorbringen. Grundsätzlich ist das (Partei-) Vorbringen des Versicherten als alleinige Grundlage eines Nachweises des Arbeitsunfalls zwar nicht ausgeschlossen. Das (Partei-) Vorbringen muss jedoch in sich widerspruchsfrei und mit den nachgewiesenen sonstigen äußeren Umständen in Einklang zu bringen sein.
Danach ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 11.11.1972 nachzuweisen. Denn sein Vorbringen weist erhebliche Unstimmigkeiten auf, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend und ausführlich ausgeführt hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Insbesondere spricht der Umstand, dass der Kläger erst über 30 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis vom 11.11.1972 bei der Beklagten einen Arbeitsunfall geltend gemacht hat, gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Denn es ist schlicht unverständlich, dass der Kläger so lange zuwartet, einen Arbeitsunfall geltend zu machen, wenn er tatsächlich einen Arbeitsunfall mit den von ihm behaupteten erheblichen Folgen erlitten hätte. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass die im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeit vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 genannten Gesundheitsstörungen (Prellung Brustkorbs rechts und Prellung beidseits Knie) bleibende Folgen hinterlassen haben. Es ist vielmehr im Hinblick auf die Art der Gesundheitsstörungen sowie der dadurch bedingten kurzen Arbeitsunfähigkeitszeit davon ausgegangen, dass die von der AOK genannten Gesundheitsstörungen folgenlos ausgeheilt sind. Dem beigezogenen Leistungsverzeichnis der AOK sind über den Lohnfortzahlungszeitraum hinaus auch keine weiteren Geldleistungen, wie Kranken- oder Verletztengeld bzw. Krankenhausleistungen für diese Erkrankung zu entnehmen.
Neue Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Den vom Kläger - auch im Berufungsverfahren - vorgelegten Unterlagen lässt sich kein Nachweis entnehmen, der auf einen Arbeitsunfall am 11.11.1972 oder weitergehende Verletzungen schließen lässt.
Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen am 11.11.1972 bestehen - auch für den Senat - nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Frage angegeben, er sei damals den Lkw selbst gefahren. Ein Arbeitskollege namens M. habe ihn mit seinen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Dessen ladungsfähige Anschrift könne er aber nicht benennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 11.11.1972 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1940 in M. geborene Kläger lebt seit 1971 im Bundesgebiet. Er machte in der Vergangenheit die Anerkennung verschiedener Arbeitsunfälle bzw. eine Berufskrankheit geltend. Der Kläger war vom 22.06.1972 bis 20.11.1973 bei der Firma G. B. Rohstoffverwertung in K. beschäftigt. Er bezieht seit 01.06.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Landesversicherungsanstalt B. vom 07.12.1995).
Am 17.11.2007 beantragte der Kläger (durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten) die Folgen eines am 11.11.1972 erlittenen Arbeitsunfalls zu überprüfen. Nach einer zu den Akten der Beklagten gelangten (an den Kläger gerichteten) Bescheinigungen der AOK K. vom 12.11.1990 sowie dem Vorerkrankungsverzeichnis bestand beim Kläger vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 wegen einer Prellung des Brustkorbes rechts und beider Kniegelenke unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. In einem Arztbrief von Dr. Z. vom 21.11.2007 wird - u. a. - mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, 1972 einen schweren Lkw-Unfall gehabt zu haben, bei dem er wegen eines Bremsdefektes eine Brücke gerammt habe. Der Kläger habe sich dabei eine Brustkorbprellung, eine Knieprellung beidseits, eine Rippenprellung rechts und eine Schädelprellung mit Hinterkopfverletzung zugezogen. Er habe sich deswegen in den Krankenhäusern in T. (Erstbehandlung) und anschließend in K. in Behandlung befunden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK K. mit Schreiben vom 21.12.2007 mit, die Firma G. B. Rohstoffverwertung existiere nicht mehr und sei nicht mehr feststellbar. Weiter teilte das Klinikum T. auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2008 mit, über den Kläger lägen keine Unterlagen mehr vor. Auch beim Krankenhaus R. waren keine Unterlagen mehr vorhanden (Gesprächsnotiz der Beklagten vom 16.06.2008).
Mit Bescheid vom 27.03.2009 wurde von der Beklagten das Ereignis aus dem Jahr 1972 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und mitgeteilt, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Unfall aus dem Jahr 1972 sei seinerzeit nicht gemeldet worden. Nach Würdigung aller aktenkundigen Fakten könne weder zweifelsfrei vom Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses noch vom Vorliegen eines darauf zurückzuführenden verbliebenen Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Es ließen sich 35 Jahre nach dem angeblichen Unfallereignis weder Unfalltag, Unfallhergang noch der Umfang der tatsächlich erlittenen Gesundheitsstörungen im Vollbeweis feststellen. Die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Die Folgen der Nichterweislichkeit gingen zu Lasten des Klägers.
Am 15.04.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Er machte - soweit vorliegend relevant - geltend, wenn Unterlagen fehlten, sei die Aufbewahrungspflicht verletzt worden, was nicht zu seinen Ungunsten ausfallen könne. Die Unterlagen müssten ermittelt werden. Er habe mehrfach Arbeitsunfälle erlitten. Das stehe fest. Am 11.11.1972 sei er bei der Firma G. B. in T. beschäftigt gewesen. Er habe wegen eines Bremsdefektes einen Unfall mit dem Fahrzeug gehabt. Dabei habe er durch einen Aufprall auf das Lenkrad zwei Rippen und den Kleinfinger gebrochen sowie eine schwere Kopfverletzung und eine Knieverletzung erlitten. Außerdem habe er sich die rechte Niere, welche nicht mehr funktioniere, sowie die Lunge verletzt. Er sei ein schwer kranker Mann und befinde sich seit 1984 täglich bei den Ärzten in Behandlung. Er sei zu 100 % arbeitsunfähig. Der Kläger legte Unterlagen vor.
Mit Beschluss vom 28.08.2009 setzte das SG das Verfahren bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers, der gleichzeitig in der Klageerhebung liege, aus. Mit Widerspruchsbescheid (ohne Datum) wurde von der Beklagten der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.03.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei nicht bewiesen. Unterlagen oder Zeugenaussagen, die das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen während einer betrieblichen Tätigkeit bestätigen könnten, lägen nicht vor. Auch sonst fänden sich keine Hinweise auf andere Umstände, die das behauptete Geschehen sowie die benannten Verletzungen belegen könnten. Das Vorerkrankungsverzeichnis rechtfertige keine andere Beurteilung. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien dadurch nicht bewiesen. Es sei schwer nachzuvollziehen, weshalb der Kläger nicht schon in den Jahren ab 1972 mit der Berufsgenossenschaft in Kontakt getreten sei.
Am 04.01.2010 führte der Kläger seine Klage weiter. Er bekräftigte, mehrere Arbeitsunfälle erlitten zu haben, unter anderem am 11.11.1972.
Auf Anfrage des SG teilte das Polizeirevier T. am 21.04.2010 telefonisch mit, dass hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Unfalls vom 11.11.1972 keine Unterlagen mehr vorlägen.
Mit Urteil vom 19.05.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, das Gericht habe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen können, dass der Kläger am 11.11.1972 im Rahmen eines Arbeitsunfalls die von ihm geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten habe. Zwar habe die Mitteilung der AOK K. vom 12.11.1990, in der vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit bescheinigt werde, eine Indizwirkung. Diese Indizwirkung sei jedoch im Hinblick auf andere gegen einen Arbeitsunfall sprechende Fakten nicht entscheidend. Der Kläger habe abweichende Unfallfolgen geltend gemacht. Wegen der undifferenzierten Darstellung von Unfallfolgen seien die Angaben des Klägers insgesamt sehr schlecht nachvollziehbar. Beweismittel hätten nicht beschafft werden können. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben keine verwertbaren Angaben machen können. Bei einer Gesamtbetrachtung seien die unklaren, widersprüchlichen und schlecht nachvollziehbaren, oft neben der Sache liegenden Äußerungen des Klägers als nicht bewiesen anzusehen. Aus dem Umstand, dass der Kläger den geltend gemachten Unfall und die von ihm heute als sehr gravierend dargestellten Folgen damals nicht geltend gemacht habe, schließe das Gericht, zusammen mit den anderen Umständen, ebenfalls darauf, dass ein entsprechender Arbeitsunfall zumindest nicht ausreichend nachweisbar sei.
Gegen das dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2010 (ohne Eingangstempel) beim SG Berufung eingelegt, die am 16.06.2010 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Er macht geltend, das angefochtene Urteil sei total ungerecht und für ihn nicht verständlich. Er bitte, alles zu überprüfen. Er beantrage Entschädigung. Er hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Unfall vom 11. November 1972 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie zwei Rippenbrüche, Kopfverletzungen im oberen Bereich, einen Bruch des kleinen Fingers sowie eine Nierenverletzung als Folgen dieses Unfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, die Firma G. B. Rohstoffverwertung sei nicht mehr existent. Eine Nachfolgefirma sei nicht bekannt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere des Klägers, wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden ist, bestehen nicht. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Unfallfolge.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 im November 1972 ereignet haben soll (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden. Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz keine Änderung erfahren haben.
Gemäß § 548 Abs. 1 RVO (bzw. § 8 Abs. 1 SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer dem Versicherungsschutz nach einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO (bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleidet. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall bestehen.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist - in der Regel - erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Beweis ihres Vorliegens erforderlich (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 24. Februar 2000, Az. B 2 U 20/99 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 2 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses vom 11.11.1972 als Arbeitsunfall nicht gegeben. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend und ausführlich begründet, dass ein Arbeitsunfall nicht ausreichend nachweisbar ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er macht sich die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (ab Seite 5 Absatz 2) zur Begründung seiner eigenen Entscheidung voll zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zeugen, die den vom Kläger geltend gemachten Vorgang am 11.11.1972 bestätigen, sind weder vom Kläger benannt worden noch ist für den Senat ersichtlich, dass solche vorhanden sind. Der Kläger stützt sich zur Beweisführung allein auf sein Vorbringen. Grundsätzlich ist das (Partei-) Vorbringen des Versicherten als alleinige Grundlage eines Nachweises des Arbeitsunfalls zwar nicht ausgeschlossen. Das (Partei-) Vorbringen muss jedoch in sich widerspruchsfrei und mit den nachgewiesenen sonstigen äußeren Umständen in Einklang zu bringen sein.
Danach ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 11.11.1972 nachzuweisen. Denn sein Vorbringen weist erhebliche Unstimmigkeiten auf, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend und ausführlich ausgeführt hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Insbesondere spricht der Umstand, dass der Kläger erst über 30 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis vom 11.11.1972 bei der Beklagten einen Arbeitsunfall geltend gemacht hat, gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Denn es ist schlicht unverständlich, dass der Kläger so lange zuwartet, einen Arbeitsunfall geltend zu machen, wenn er tatsächlich einen Arbeitsunfall mit den von ihm behaupteten erheblichen Folgen erlitten hätte. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass die im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeit vom 11.11.1972 bis 25.11.1972 genannten Gesundheitsstörungen (Prellung Brustkorbs rechts und Prellung beidseits Knie) bleibende Folgen hinterlassen haben. Es ist vielmehr im Hinblick auf die Art der Gesundheitsstörungen sowie der dadurch bedingten kurzen Arbeitsunfähigkeitszeit davon ausgegangen, dass die von der AOK genannten Gesundheitsstörungen folgenlos ausgeheilt sind. Dem beigezogenen Leistungsverzeichnis der AOK sind über den Lohnfortzahlungszeitraum hinaus auch keine weiteren Geldleistungen, wie Kranken- oder Verletztengeld bzw. Krankenhausleistungen für diese Erkrankung zu entnehmen.
Neue Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Den vom Kläger - auch im Berufungsverfahren - vorgelegten Unterlagen lässt sich kein Nachweis entnehmen, der auf einen Arbeitsunfall am 11.11.1972 oder weitergehende Verletzungen schließen lässt.
Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen am 11.11.1972 bestehen - auch für den Senat - nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Frage angegeben, er sei damals den Lkw selbst gefahren. Ein Arbeitskollege namens M. habe ihn mit seinen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Dessen ladungsfähige Anschrift könne er aber nicht benennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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